Mittwoch, 13. Juli 2011

Land der Frauen, Land der Männer, Land der größten Genderkenner

Jetzt haben sie's also doch geschafft. Jahrelang wurde lamentiert und herumgemosert, dass die österreichische Bundeshymne – völlig unzeitgemäßerweise – total auf die Frauen vergisst, wenn sie nur von großen Söhnen spricht. Skandalodingsbums! Nachdem nun auch ÖVP-Obmann Spindelegger die absolute Notwendigkeit der Textänderung erkannt hat, ist es so gut wie fix: Jetzt ist begnadet für das Schöne die „Heimat großer, Töchter, Söhne“.

Der textlichen Stringenz der Hymne schadet das nur in geringem Ausmaß, sie leidet ohnehin unter so manchen Holperern. Dass man den Staatsnamen im Refrain immer Öhöhösterreich singen muss, ist nur einer davon. Das mag mitunter auch darauf zurückzuführen sein, dass die Hymne nicht den astreinen Stammbaum hat, den man ihr 1946 bescheinigte, als man sie als Ersatz für die alte Haydn-Hymne („Gott erhalte, Gott beschütze...“) auserkor. Eigentlich war man ja der festen Überzeugung eine waschechte Mozart-Kantate als oberstes Musikstück der Zweiten Republik einzusetzen, das stellte sich in der Folge jedoch als falsch heraus. Die Hymne, ursprünglich auch noch als Kettenlied für die Freimaurer geschrieben – Ewald Stadler kriegt wahrscheinlich schon vom zuhören Gastritis –, stammt von Johann Holzer, ja genau dem Johann Holzer. Mozart hat sich die Melodie lediglich für ein größeres Gesamtwerk geborgt. Mit dem Urheberrecht war das früher noch nicht so streng, fragen Sie Johannes Hahn.
Eigentlich hätte man ja gerne das Haydn-Lied behalten, aber das erachtete man nach mehreren politischen Fehlschlägen, die jeweils einen eigenen Text auf dessen Melodie gefunden hatten – von „...innig bleibt mit Habsburgs Throne Österreichs Geschick vereint.“ über „Deutsche Liebe zart und weich – Vaterland, wie bist du herrlich, Gott mit dir, mein Österreich!“ bis hin zu „Deutschland, Deutschland über alles...“ – als wenig opportun. Die Geschichte, dass die Deutschen uns die Hymne gestohlen hätten ist dabei aber nur eine Halbwahrheit. Natürlich, in der Weimarer Zeit war das Deutschlandlied zur Hymne erklärt worden, die Bundesrepublik Deutschland verwendete die Melodie jedoch erst ab 1952 in Verbindung mit dessen dritter Strophe. Die österreichische Entscheidung gegen Haydn fiel jedoch schon sechs Jahre zuvor und war eine bewusste Abkehr von der als zu belastet empfundenen Melodie der alten Kaiserhymne. Dass sowohl die west-, als auch die ostdeutsche Hymne von Österreichern komponiert wurden, zeigt hingegen nur wie dringend unser Kulturüberschuss anderswo gebraucht wird.

Nun hatte man also eine neue Hymne und brauchte noch den Text dazu. Um die Popularität des Bundesliedes zu befördern entschloss man sich ein Preisausschreiben zu veranstalten und die besten Einreichungen in die engere Wahl zu ziehen. Letztlich setzte sich der Vorschlag von Paula Preradović durch, der nach einigen Modifikationen 1947 angenommen wurde. Schon fast typisch österreichisch ist, dass die erste Parodie auf den Text bereits durch Preradovićs Söhne geschaffen wurde, als ihre Mutter noch am Klavier saß und an ihrer Version herumprobierte:
„Land der Erbsen, Land der Bohnen,
Land der vier Besatzungszonen,
Wir verkaufen dich im Schleich, [Schleich = Schwarzhandel]
Vielgeliebtes Österreich!“ Fritz und Otto Molden
Die Familie Molden  – im Verlagsgewerbe tätig – sah sich in der Folge auch als Gralshüter von Preradovićs Schöpfung und verklagt auch heute noch jeden, der sich außer ihnen über den Hymnentext hermacht. Das bekam vor kurzem auch das Unterrichtsministerium zu spüren, das 2010 eine moderne Interpretation der Hymne durch Christina Stürmer aufführen hatte lassen. Sämtliche Klagen der Moldens wurden letztlich abgewiesen, nicht zuletzt auch jene, in der sie allen Ernstes Tantiemen für das Abspielen der Hymne verlangt hatten. Ihre Mutter aber hatte mit dem Erhalt des Preisgeldes von 10.000 Schilling sämtliche Rechte an die Republik abgetreten. So sind über die Jahre doch etliche Reminiszenzen zusammengekommen. Von der geschlechterpolitisch gleichfalls ungerechten Stefanie Werger,
„Land der selbsternannten Götter
Land der lächelnden Verräter
Land der Schwätzer und Verführer
Land der stolzesten Verlierer
Land der bestbezahlten Diebe
Land der Wehmut Land der Liebe
ungeschliffner Diamant
Vaterland“
bis zur immer etwas abgedrehten Punkrock-Gruppe Drahdiwaberl:
„Land der Äcker, Land der Dome
Land am Strom ohne Atome,
Land der Titel und Diplome
Heimat bist du großer Söhne
Heimat bist du großer Töchter
Zusatzvers der Frauenrechtler

Land der unmöglich begrenzten,
Land der Berg', der allerschensten,
Land der Seen und Lipizzaner,
Der Prohaskas und des Klammer

Land der Krone, Land des Staberl
Land der Gruppe Drahdiwaberl.“
Jetzt wird die gute alte Bundeshymne also im 65. Jahr ihres Bestehens gegendert, damit auch kein kleines Mädchen mehr in Tränen ausbrechen muss, wenn es sich nicht erwähnt findet. Ob man dann auch so weit geht die dritte Strophe auch gleich vom androzentristischen Machotext zu säubern ist aber fraglich. „Einig lass in Brüderchören, Vaterland, dir Treue schwören.“ ist zwar gleich doppelt so schlimm wie die Söhne, aber wer kennt schon die dritte Strophe der Bundeshymne? Ich wage zu behaupten, dass überhaupt mehr Leute „I am from Austria“ vom Anfang bis zum Ende auswendig können, als den ersten Abschnitt von „Land der Berge“. Der Aufstand gegen die Änderung ist bisher eher gedämpft ausgefallen. Die relativ wurschtige Einstellung der Nation zu Ihrer Hymne mag dabei eine Rolle spielen. Die Österreicher haben zu ihrer Hymne mit der Zeit ein gutes, aber kein emphatisches Verhältnis entwickelt. Ein Holzer ist eben kein Haydn.
Unzureichend ist aber auch ihre rechtliche Verankerung. Sie basiert nach wie vor auf einem Ministerratsbeschluss, hat also – im Gegensatz zu Flagge und Wappen – keine gesetzliche Grundlage, was mitunter von rechtsextremen Kreisen als „illegale Beseitigung“ des Haydn'schen Hymnus interpretiert wird. Beschließt der Nationalrat also wie angekündigt im Herbst die Änderung des Textes, nimmt er vielleicht auch die Gelegenheit wahr die Hymne endlich auf ordentliche rechtliche Füße zu stellen.

Was in der leidlichen Diskussion über political corectness bisher vergessen wurde sind freilich die Landeshymnen. Dass für die Steirer ihr Land zumindest musikalisch noch „bis zum Wendenland am Bett der Sav“ reicht und für die Tiroler durch die Hinrichtung von Andreas Hofer nicht nur „der Brüder Herz“ blutete, sondern „Ganz Deutschland, ach, in Schmach und Schmerz“ lag könnte man als noch gestriger ansehen, als die armen Söhnchen in der Bundeshymne. Die Kärntner setzen mit „Mannesmut und Frauentreu“ zwar überraschenderweise auf Genderkorrektheit, dass man bei ihnen aber „mit Blut die Grenze schrieb“ scheint ebenso verzichtbar wie die burgenländische Eingebung „Gottes Vaterhand“ schon oft empfunden zu haben. Und auch wenn die Salzburger momentan die einzige Landeshauptfrau haben, für ihre Hymne wohnen sie immer noch im „Land unsrer Väter“. Auch wird nicht jede Erwähnung der holden Weiblichkeit überall gleichen Anklang finden: Wenn zum Beispiel die Vorarlberger vom „lieben, guten Mütterlein“ singen, dampft es der grünen Liga für Frauenrechte sicher aus den Ohren.

Insgesamt ist die Diskussion um eine genderkorrekte Nationalhymne so überflüssig wie Fußpilz. Wer glaubt Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen indem er/sie an nationalen Symbolen herumdoktert, setzt den Hebel wohl eindeutig an der falschen Stelle an. In Deutschland würde niemand auf die Idee kommen das „Vaterland“ und das „brüderliche Streben“ zu beseitigen, nur weil eine scheidende Abgeordnete sich selbstverwirklichen möchte. Die Bundeshymne ist immerhin von einer Frau getextet worden. Soll man jetzt fordern, dass die zwei anderen Strophen von einem Mann und einer Transgenderperson umgedichtet werden? Muss man jetzt die Pummerin in das Pummer und den Bundesadler in das Föderalgeflügel umbenennen? Gottseidank hält Letzterer zumindest die Sichel und den Hammer in seinen Fängen, ein Kritikpunkt weniger. Wenn man glaubt jetzt unzweifelhaft feststellen zu müssen, dass es in Österreich auch Töchter gibt: bitte. Man kann den Text einer Hymne jederzeit ändern, bis ihn die Leute dann aber auch so singen, wird es wohl noch einige Zeit dauern.

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