Donnerstag, 24. Februar 2011

Mad Muammar, oder: Es lebe die Konterrevolution!

 Muammar al-Gaddafi schläft gern im Zelt, hat eine Hundertschaft heißer Leibwächterinnen und ein Faible für Berberpferde. Wie sein Ex-Kollege aus Ägypten befördert er durch seine Eitelkeit die Einnahmen der Firma Schwarzkopf. Darüber hinaus lässt sein Gesicht - zum Beispiel im Vergleich mit Silvester Stallone - vermuten, dass auch Gaddafi sich hie und da mal hat liften lassen. Eigentlich hat der Revolutionsführer - wie er erst vor kurzem in einer seiner, an Klarheit und Stringenz unübertroffenen, Fernsehansprachen betonte - kein tatsächliches politisches Amt in seinem Staat Libyen inne. Staatsoberhaupt ist formal der „Parlaments“präsident.

Traditionell pflegte der einfache Staatsbürger gute Kontakte nach Österreich, insbesondere zu einem einfachen Parteimitglied aus Kärnten. Schon Kreisky hatte erfolglos versucht, den Terrorpaten international hoffähig zu machen. Doch spätestens nachdem er 1986 eine mit Amerikanern vollbesetzte Disco in Berlin sprengen ließ und auch zwei Jahre Später den Anschlag auf eine Panam-Maschine befahl, die schließlich über dem schottischen Ort Lockerbie niederging, war's mit dem internationalen Ansehen des lieben Muammar nicht mehr weit her. Seit er 1969, gerade mal 27 Jahre alt, den libyschen König Idris aus dem Amt putschte und eine sozialistisch-arabisch-muslimische Mischmaschdiktatur errichtete, hat er sich einen stattlichen Familienclan herangezüchtet, der von sadistischen Folterknechten über eine Juristin bis zu prügelnden Jetsetern reicht. Die Gaddafi-AG hat in der Folge Libyen wie einen Privatkonzern aufgeteilt und nimmt es als mafiöses Familienkonsortium aus. Oppositionelle wurden massenweise liquidiert oder verschwanden in Lagern in der Wüste. Die Stammesstrukturen nützte Gaddafi systematisch aus, um sich Loyalitäten zu erkaufen oder diese gegeneinander auszuspielen. Seit der MI6 als Rache für den Lockerbie-Anschlag ein kleines Sümmchen zu einem missglückten Attentat auf den Diktator beisteuerte, muss dieser aufgrund der erlittenen Verletzungen schwere Medikamente nehmen, was seinen ohnehin schon wirren Geisteszustand weiter verschlechtert hat. Hier ein kleiner Auszug aus seinen extravaganten Auftritten:

- Er betrieb den Aufbau der Afrikanischen Union, nachdem seine Versuche sich mit anderen arabischen Staaten zusammenzuschließen fehleschlagen waren und nannte sich in der Folge König der Könige Afrikas, was auch durch seinen Hang zu weiter Kleidung mit Bildern des Kontinents verdeutlicht wird.

- Er zerriss öffentlich vor der UN-Vollversammlung die UN-Charta, forderte den Sitz der Vereinten Nationen nach Tripolis oder - besten Dank Muammar - nach Wien zu verlegen und bezeichnete die Resolutionen des Sicherheitsrates als Terrorakte.

- 1989 prophezeite er einen neuen Weltkrieg in dem sich Frankreich und Deutschland erneut wegen Gebietsstreitigkeiten gegegnüberstünden und forderte daher die Schaffung eines jüdischen Staates in Elsass-Lothringen, um diesem Konflikt vorzubeugen. Später meinte er über den Staat Israel: „Israel ist ein kolonialistisch-imperialistisches Phänomen. Es gibt so etwas wie ein israelisches Volk nicht.“

- Er forderte die Islaminsierung Europas mit den Worten: „Europa sollte sich zum Islam bekehren.“ nur um dann später in einer französischen Zeitung zu sagen: „Ich habe nie gesagt, dass Europa sich zum Islam bekehren solle. (...) Ich bin aber davon überzeugt, das Europa auf dem Weg der Islamisierung ist. Europa wird nicht mehr sein, was es heute ist. Es wird nicht mehr christlich sein, sondern muslimisch.“

Diese Reihe ließe sich fast endlos fortsetzten. Besondere Berühmtheit erlangte seine persönliche Vendetta gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft, weil es die Genfer Kantonspolizei gewagt hatte seinen Sohn Hannibal zu verhaften, nachdem dieser seine Angestellten verprügelt hatte. Hannibal war schon zuvor wegen seiner Gewalttätigkeit aufgefallen. Nachdem er seine schwangere Freundin geschlagen hatte, reiste seine Schwester nach London, um diese zur Falschaussage bei der Polizei zu überreden. Der Gaddafi-Spross wurde von den Schweizer Behörden  zwar schließlich freigelassen, aber der Zorn des imbezilen Vaters war schon heraufbeschworen. Er ließ zwei Schweizer Geschäftsleute wegen angeblicher Visavergehen als Geiseln nehmen und gab sie erst frei, nachdem der Schweizer Bundespräsident Merz den diplomatischen Kotau vor ihm vollzogen hatte. Zuvor hatte er - mit nicht nur bei den Haaren herbeigezogenen Argumenten - in einer Wutrede die Vernichtung der Schweiz gefordert:
„In der Schweiz wird Geldwäsche in großem Stil betrieben. (...) Die Schweiz ist kein Staat, sondern eine weltweite Mafia. (...) Ich rufe dazu auf, die Schweiz als Staat aufzulösen. Der französische Teil sollte an Frankreich gehen, der italienische an Italien und die deutsche Gemeinschaft zu Deutschland zurückkehren.“
Dass die Österreicher diesmal leer ausgehen sollten, ist vom Standpunkt eines territorialen Aasgeiers aus gesehen natürlich bedauerlich. Andererseits wollte uns der liebe Muammar vielleicht auch nur vor den grundschlechten Schweizern retten, die die Religionsfreiheit mit Füßen treten:
„In der Schweiz reißen sie die Moscheen nieder und wir schweigen. (...) Wer vor den Augen der Muslime Gottes Moscheen zerstört, der hat es verdient, dass man gegen ihn in den Heiligen Krieg zieht. (...) Wenn wir eine gemeinsame Grenze mit den Schweizern hätten, dann würden wir gegen sie kämpfen. (...) Jeder Muslim, der mit der Schweiz zusammenarbeitet (...), ist ein Ungläubiger, der sich gegen den Islam versündigt.“
Dass die Schweizer so Prinzipientreu sind und glauben jeden verhaften zu können, nur weil er etwas angestellt hat, ist ihnen nicht gut bekommen. Als nach einer orgiastischen Party mit einem Gaddafi-Sohn in Wien plötzlich eine Frau tot war, sorgte der Familienfreund Jörg dafür, dass er - ob seiner diplomatischen Immunität - so schnell wie möglich ausreisen konnte und dass man der Kronenzeitung (für angeblich 45 Millionen Euro) die für den Gaddafi-Clan unangenehme Titelstory wegkaufte. Haiders Millionen in Liechtenstein - viel ist ja jetzt angeblich nicht mehr davon über - soll er als kleines Dankeschön für seine Hilfe erhalten haben. Es könnte den Schweizern also nicht schaden, ab und zu etwas österreichischer zu sein. Man lebt gut damit und vor allem davon.

Auch wenn seine helveticophoben Ausfälle auf eine gewisse geistige Umnachtung schließen ließen, so war der „Bruder Oberst“, wie er sich gerne nennen lässt, 2003 doch noch fitt genug um - angeblich auf Betreiben seines Österreich-affinen Sohnes Saif-al-Islam - sein Atomwaffenprogramm offenzulegen und dessen Abrüstung zu veranlassen. Natürlich im Tausch gegen eine Beendigung der Sanktionen. Gleichzeitig zahlte er hohe Entschädigungssummen an die Opfer der von ihm befohlenen Terroranschläge, obwohl er immer abgestritten hatte daran beteiligt gewesen zu sein:
 „Ich denke, dass Amerika alle Arten von Terrorismus gegen Libyen praktiziert. Sogar die Anschuldigung, dass wir in Terrorismus involviert seien, ist in sich selbst ein Akt des Terrorismus.“
Später ließ er sogar auf Vermittlung Frankreichs jene bulgarischen Krankenschwestern und einen Arzt frei, die er jahrelang hatte einsperren lassen, weil sie angeblich absichtlich libysche Kinder mit AIDS infiziert hätten. Daraufhin wurden letztlich die Sanktionen gegen sein Regime aufgehoben, was die Wichtigkeit seiner Person in seinen Augen noch weiter steigerte. In einem Streitgespräch mit dem saudischen König soll er geantwortet haben:
„Ich bin ein internationaler Führer, der Vorsitzende der arabischen Führer, der König der Könige Afrikas und der Imam der Muslime und mein internationaler Status erlaubt es mir nicht, mich auf ein niedrigeres Niveau zu begeben.“
Von seinen realitätsfernen Wutausbrüchen hat sich der Diktator also nie verabschiedet. Wie sollte er auch? Sie sind bedingt durch seinen Medikamentenkonsum und seine narzistische Paranoia. Seinem kruden Weltbild, das eine Mischung aus islamischer Heilslehre, Panarabismus, Panafrikanismus und Sozialismus darstellt, entspringen immer wieder wirre Phantasien und Aussagen. So versprach er einem italienischen Kaff, in dem er seinen Wagenkonvoi anhalten ließ, Millionenförderungen, einfach weil es im dort so gut gefallen hat. Angela Merkel bezeichnete er als starke Persönlichkeit, die eher ein Mann als eine Frau sei. Kein Wunder, denn Frauen haben in seinem Weltbild eigentlich klar zugeteilte Aufgaben:
„Die Frau ist wie ein Möbelstück, das man verrücken kann, wenn man möchte, und niemand wird jemals fragen, warum man das gemacht hat.“

„Es muss eine Weltrevolution geben, die ein Ende macht mit all den materialistischen Umständen, die die Frauen daran hindern ihre natürliche Rolle im Leben auszuüben und sie dazu bringen die Pflichten der Männer zu verrichten um rechtlich gleich zu sein.“
Jetzt sitzt der messianische Wirrkopf angeblich mit vier Brigaden in Tripolis und erwartet das Ende seiner Herrschaft wie ein durchgeknallter Sektenführer. Die Demonstranten hat der Tablettensüchtige als drogenabhängige Jugendliche und Ratten diffamiert. Er hat afrikanische Söldner aus dem Niger angeheuert, die gut bezahlt und wahllos auf das libysche Volk schießen und sogar seine Luftwaffe angewiesen auf Demonstrationszüge zu feuern. Muammar al-Gaddafi ist ein geisteskranker Despot, der ein Unrechtsbewusstsein vom Format eines österreichischen Ex-Finanzministers hat, diffuse Reden schwingt wie die Sektenführerin Uriella und jetzt in seinem Bunker auf den Untergang wartet, wie einst Hitler in Berlin. Sollte die Revolution siegreich sein, wird Gaddafi das vermutlich nicht überleben. Ob er sich selbst erschießt, bei der Erstürmung seiner Festung ums Leben kommt oder ob ihn ein wütender Mob laternisiert, ist schließlich zweitrangig. Das Einzige was wir an ihm vermissen werden ist der aufheiternde Effekt, den seine Aussagen auf die Abendnachrichten hatten. Wer in Zukunft so etwas hören will, muss wohl warten, bis Silvio Berlusconi ein Interview unter Drogeneinfluss gibt:
„Immer wenn ich nach Pepsi-Cola oder Coca-Cola frage, sagen die Leute sofort es sei ein amerikanisches oder europäisches Getränk. Das ist nicht wahr. Das Kola ist afrikanisch. Sie haben die billigen Rohmaterialien von uns genommen. Sie haben es produziert, sie haben es in ein Getränk verwandelt und sie verkaufen es an uns für einen hohen Preis. Warum sind Pepsi-Cola und Coca-Cola so teuer? Weil sie unser Kola genommen haben, es produziert haben und an uns zurückverkaufen. Wir sollten es selber produzieren und es an sie verkaufen.“

2 Kommentare:

  1. Danke Momo, für dieses tolle "Portrait" ^^
    Solltest mal im Niedermayer vorsprechen :D

    "Unrechtsbewusstsein vom Format eines österreichischen Ex-Finanzministers"
    -> echt harter Vergleich, aber lal!!

    "laternisiert"
    -> dachte zuerst an Wortschöpfung, aber siehe da:
    http://www.urbandictionary.com/define.php?term=laternisieren was du ned alles kennst, unglaublich!

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  2. Danke, ich schöpfe zwar gern,aber nicht nur. In dem Fall eine Anlehnung an die Revolution von 1848 :P

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