Josef Pröll ist zurückgetreten, nach zwei Thrombosen und einem damit einhergehenden beidseitigen Lungeninfarkt eine verständliche Entscheidung. Sie fällt aber in eine Zeit der konservativen Krise. Etliche ÖVP-Funktionäre sind nach Skandalen zurückgetreten. Das Vertrauen in die Politik im Allgemeinen und die Christlichsozialen im Speziellen ist mittlerweile auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Die ÖVP sucht in dieser bewegten Phase nun einen Vizekanzler, Finanzminister und Parteiobmann bzw. eine Vizekanzlerin, Finanzministerin und Parteiobfrau. Möglicherweise werden die Funktionen auch getrennt. Wer könnte sie übernehmen?
Dr. Maria Theresia Fekter hat bereits während Prölls Krankheit die Führung in der Partei und der Regierung übernommen. Sie gilt allgemein als Hardlinern und Vertreterin des konservativen Flügels innerhalb des Wirtschaftsbundes. Fekter wäre als Zugpferd in Wahlkämpfen vor allem gegen die FPÖ wirksam, aber kaum gegen die SPÖ. Fraglich ist jedoch, ob sie den Parteivorsitz wirklich anstrebt. Man kann der Innenministerin viel nachsagen, aber eine Eigenschaft, die in der ÖVP zurzeit schwer gefragt sein dürfte, brächte Sie sicherlich mit: sie ist nicht korrupt. Allein der Vorwurf, sie hielte sich nicht ans Gesetz soll sie hinter den Kulissen zu Wutanfällen bringen. Die Fekter Mitzi, wie sie nach eigenen Angaben niemand nennt - ist gegen die Homoehe und mag keine Staatsoberhäupter mit nicht getauften Kindern, aber sie ist innerhalb dieses katholisch-konservativen Weltbildes zumindest eine konsistente Politikerin. Nachdem sie gegen Michael Spindelegger in einer Kampfabstimmung um den Sitz des Zweiten Nationalratspräsidenten unterlag, soll sie ihm mit den Worten der Bessere habe gesiegt gratuliert haben. Man ist versucht das als Anstand zu werten.
Ob Spindelegger es auch sein wird, der ihr diesmal das Wasser abgräbt ist noch nicht entschieden. Angeblich wollte Pröll schon bei seinem Rücktritt seinen Nachfolger präsentieren, wurde aber offensichtlich darin zurückgehalten. Der, den er laut Mediengerüchten vorstellen wollte, ist besagter Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger, seines Zeichens ÖAAB-Vertreter und - wenn es denn so etwas geben sollte - wohl eher dem liberalen Flügel der ÖVP zurechenbar. Von ihm dürfte man sich wohl tatsächlich eine etwas aufgeschlossenere Politik erwarten. Vielleicht wären ideologische Entscheidungen wie jene über die Gesamtschule, die Väterkarenz und die Frauenquote, dann nicht mehr ganz so kontrovers und würden vielleicht auch zu einem gediegenen Abschluss kommen. Offen gesagt ist Spindelegger derjenige, dem ich zutraue die ÖVP am besten zu positionieren, ob das der Wähler goutieren wird, ist eine andere Frage. Denn in der Volkspartei haben bisher nicht unbedingt nur liberale, weltoffene und aufgeschlossene Zeitgenossen ihre politische Heimat gesehen.
Ein Kompromisskandidat könnte daher Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner sein. Er gilt als einer der beliebtesten ÖVP-Politiker, weil er es versteht in den Medien besonnen aufzutreten. Hinter den Kulissen soll er sich freilich weniger freundlich und weit weniger sympathisch geben. Ihm werden Arroganz und Cholerikertum nachgesagt. Nichtsdestotrotz steht er möglicherweise da, wo die ÖVP ihren neuen Vorsitzenden sucht. Er ist liberaler als Fekter, aber nicht so liberal wie Spindelegger, kommt vom Wirtschaftsbund und aus Oberösterreich, einem Bundesland, das sich innerhalb der ÖVP - trotz Maria Fekter als Innenministerin - zuletzt als nicht genügen berücksichtigt empfunden hat.
Wahrscheinlich ist, dass es zu einer größeren Personalrochade kommen wird. Vermutlich übernimmt einer aus der ÖVP-Ministerriege das Amt des Vizekanzlers und Parteivorsitzenden. Vielleicht wechselt der aber nicht ins Finanzministerium, sondern bleibt auf seinem Sessel sitzen. Ein Minister wird aber jedenfalls nachzubesetzen sein. Wenn Spindelegger das Rennen macht, wechselt Mitterlehner womöglich ins Finanzressort. Nachfolger als Wirtschaftsminister könnte der bisherige Klubobmann und in dieser Funktion umstrittene Karlheinz Kopf (ohne akademischen Titel) werden, womit dann auch dessen Posten nachbesetzt werden müsste. Ob Justizministerin Dr. Claudia Bandion-Ortner diese Regierungsumbildung überleben wird, ist ebenfalls fraglich. Sie gilt auf ÖVP-Seite als erste Abschusskandidatin, so wie auf SPÖ-Seite Gesundheitsminister Alois Stöger.
Für ernsthafte Prognosen fehlen derzeit noch die verlässlichen Daten. Wer Nachfolger wird, entscheidet sich spätestens morgen Donnerstag. Ob nun Fekter überhaupt Ambitionen hat, sich der Wirtschaftsbund (Fekter, Mitterlehner) wieder einmal gegen den Arbeitnehmerbund (Spindelegger) durchsetzt und wie die Regierungskonstellation am Ende aussieht, ist jetzt einfach noch nicht absehbar.
Klar ist aber, dass der neue Obmann und Vizekanzler einiges zu erledigen hat. Er muss den Kehraus in der Volkspartei weiterführen. Korrupte Elemente sind nach wie vor vorhanden und müssen entfernt werden. Innerhalb der ÖVP tobt außerdem immer noch ein Richtungskampf um die Parteilinie. Der neue Vorsitzende wird alle Bünde und Flügel zufriedenstellen, die Ländervertreter ruhig halten und sich gegen den Koalitionspartner durchsetzen müssen. Traditionell ist die Position des schwarzen Parteichefs auch noch ein Schleudersitz. Eigentlich ein Wunder, dass sich so viele um den Posten bewerben...
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