Es gab einmal eine Zeit, als man noch den Eindruck hatte, man könne sich darauf verlassen, was die Zeitungen, das Fernsehen oder das Radio berichten. Damals war es nur die „Kronenzeitung“, die massive Kritik auf sich zog. Heute gibt es eigentlich nur noch Boulevard in verschiedenen Abstufungen. Das Internet schließlich hat die Nachrichtenwelt zwar demokratisiert, sie aber gleichzeitig auch unübersichtlich werden lassen.
Wenn der Bundeskanzler eine Pressekonferenz gibt, dann sind nur sehr wenige Österreicher wirklich mit dabei, aber viele andere erfahren durch sie davon. Berichterstatter sollen etwas aufnehmen und dann für die Konsumenten wiedergeben, doch die „Blackbox“, durch die die Informationen fließen, ist in Österreich extradunkel. Die Medien sind unser Tor zur Welt, aber nehmen sie diese Aufgabe auch ernst genug?
Wenn der Bundeskanzler eine Pressekonferenz gibt, dann sind nur sehr wenige Österreicher wirklich mit dabei, aber viele andere erfahren durch sie davon. Berichterstatter sollen etwas aufnehmen und dann für die Konsumenten wiedergeben, doch die „Blackbox“, durch die die Informationen fließen, ist in Österreich extradunkel. Die Medien sind unser Tor zur Welt, aber nehmen sie diese Aufgabe auch ernst genug?
Objektivität, so lernt man mit der Zeit, muss man sich von einem österreichischen Medium nicht erwarten. Kanzler Schüssel durfte seinen eigenen Sessel zur TV-Konfrontation ins ORF-Studio mitnehmen, zum besser sitzen. Raiffeisen diktiert als Haupteigentümerin angeblich nicht nur die Bankenberichterstattung von Kurier, News und Profil mit. Wer sich die „Krone“ zum Feind macht, kann sich gleich die Kugel geben. Um es freundlich auszudrücken: Österreich ist ein medialer Abfalleimer.
Das perfide System, mit dem die Medienlast das freie Denken mitunter totwalzt, konnte man erst neulich wieder beobachten: Der deutsche Rapper Sido entsprach bisher weder meinem musikalischen noch gesellschaftlichen Geschmack, hat sich aber mittlerweile meinen Respekt verdient. Als der schmierige Kronenzeitungsschreiberling Jannee glaubte, er müsse bei der ORF-Randgruppensendung „Die große Chance“ allein durch seine bedrohliche Anwesenheit einem befreundeten Heurigenwirt zum Karrieredurchbruch verhelfen, war der preußische Sprechsänger der Einzige der sich laut dagegen vorzugehen traute. Vielleicht war es nicht gerade die feine englische Art, wie er ihn abkanzelte, in der Konsequenz hatte er aber ins Schwarze getroffen. Ein Exponent der medialen Diktatur der Krone wollte durch seine Fürsprache ein machtpolitisches Zeichen setzen, das bei zwei Jurymitgliedern auch prompt ankam. Zirkusdirektor Bernhard Paul machte sich beim Anblick Jannees beinahe in die Hosen und gab ein erklärtes Mitleidsplus, zum Dank erhielt er im Hetzblatt eine geneigte Berichterstattung, während die Vierfarbreinkarnation des Völkischen Beobachters Jannees Kritiker zur Sau machte. Am Ende wertete das Publikum die Performance des Motorenimitators als nicht ausreichend und die von der Krone sooft geforderte direkte Demokratie machte dem Trauerspiel ein Ende.
„Wir kennen uns jetzt schon seit den Tagen, als du noch die Edelfeder bei der größten deutschen Tageszeitung warst. Nun, eine Edelfeder bist du noch immer und damit auch ein Mensch, der polarisiert. Solche Menschen sind das Salz in der Suppe.“ Zirkusdirektor Paul in seinem offenen Brief an Jannee
Eine Episode? Ein Sittenbild! Die Zeitung „Österreich“ - orthographisch eine noch größere Wüste als dieser Blog - veröffentlicht die angeblich geheimen Geschäfte des Kurier-Chefredakteurs. Warum? Der Österreich-Herausgeber Fellner und Kurier-Boss Brandstätter gönnen sich seit längerem eine Intimfeindschaft via Internet, wobei Brandstätters Standardsätze auf Twitter nur noch mit „Fellner lügt...“ beginnen und Fellner im Gegenzug immer neue Aufdeckungsgeschichten bringt, die in Wahrheit wohl nur G'schichtln sind. In derselben Ausgabe von „Österreich“ wird Sido gelobt - kein Wunder, denn die Krone ist ja gegen ihn.
Kanzler Faymann wiederum soll auf ÖBB und ASFINAG Einfluss genommen haben, um millionenteure Inserate in den ihm gewogenen Medien zu platzieren. Ein vermeintlicher Skandal, über den man in der „Krone“ aber genauso wenig etwas lesen kann, wie im „Heute“ oder in „Österreich“. Wenn's ums Geld geht, ist der Boulevard eisern. Trotzdem ist es kein Wunder, dass „Heute“ sich in seinem Artikel über die Medienförderung - die es als Gratiszeitung nicht erhält - nur über die Zeitungen beschwert, die weniger Auflage haben: Schließlich ist die Chefredakteurin von „Heute“ die Frau des Krone-Herausgebers und wird wohl kaum die Zeitung des Gatten an den Pranger stellen.
Eheliche Kontakte in alle Richtungen sind ja keine Seltenheit in der Polit-Medien-Branche, immerhin saß die Frau von Krone-Innenpolitik-Chef Claus Pandi lange in Kanzler Faymanns Vorzimmer. Die Politik schafft sich ein unanständiges Naheverhältnis zum größten Printmedium des Landes, weil sie einerseits von seiner Reichweite und manipulativen Kraft profitieren möchte, andererseits aber auch das Bild der Gescheiterten vor Augen hat. Busek und Plasnik sind dabei nur zwei bekannte Opfer der koronalen Medienhetze. Wie sehr zum Beispiel Claus Pandi Teile der roten Regierungsmannschaft unter Kontrolle hat, zeigte schon ein hochpeinliches Interview mit Verteidigungsminister Norbert Darabos vor dem Ministerratszimmer. Immer wieder gingen Bekannte Pandis vorbei, immer wieder unterbrach dieser das Ministerinterview, um ausgiebig Hände zu schütteln und zu palawern. Darabos blieb wie ein Schuljunge stehen und wartete auf die Fortführung eines Gesprächs, das sogar versöhnlichere Politiker schon längst abgebrochen hätten. Dazu passt dann auch noch das Gerücht, Darabos habe die ursprünglich fünf Heeres-Reformmodelle auf sieben erweitern lassen, nur weil die Krone diese Zahl am Vortag der geplanten Veröffentlichung genannt hatte.
„Inhalte gegen Inserate, das ist am Boulevardsektor mittlerweile part of the game. Da kauft man sich als Partei wohlwollende Berichterstattung. Manche Herausgeber sagen einem das auch ganz offen: ‚Wenn ihr bei uns nicht inseriert, kommt ihr in unserer Berichterstattung nicht vor.‘“ Ein Mitarbeiter einer Parlamentspartei im Falter
Wer bleibt denn noch über, wenn die „Krone“ mit Xenophobie nur so um sich wirft, zum Teil offen Leute erpresst und sich mit Schlagzeilen wie „Tiere würden Faymann wählen“ auch noch den letzten Funken an Seriosität austreibt? Wenn der „Kurier“ und andere Medien auf die RAIKA hören müssen, „Österreich“ auf der Titelseite entweder Enten bringt - „Grasser wird Vizekanzler“, „Neil Shicoff wird Staatsoperndirektor“ - oder die zeitungseigene Reiseagentur bewirbt - „Urlaub ist jetzt billig wie nie“ ? Was tun, wenn „Heute“ behauptet, Otto Habsburg sei Kaiser Franz Josephs Enkel gewesen und Einstein habe die Quanten- und die Urknalltheorie aufgestellt? Woher die Informationen beziehen, wenn selbst Armin Wolf sich nicht traut zu sagen, dass sein Chef Wrabetz am Tag seiner Wiederwahl ein bereits zugesagtes Studiogespräch platzen ließ, obwohl die Erwähnung von Interviewablehnungen ursprünglich ein wichtiger Punkt im Reformprogramm „Neuen-ORF“ war? Wer soll noch seriöse Berichterstattung bieten in einer Republik, in der Politik, Medien und Wirtschaft in Wirklichkeit ein einziges Geflecht aus Beziehungen und Dienstbarkeiten bilden?
„Erwähne sehr häufig nicht, wenn ein Gespräch, über das wir nachgedacht haben, letztlich nicht zustande kommt.“ Armin Wolf auf Twitter
Gut, es gibt ja noch das Internet, aber wer tummelt sich da herum? Ein paar Leute auf Twitter und eine Hand voll spinnerter Blogschreiber - also ehrlich, wie kann man nur? - können das Informationsdefizit nicht aufwiegen, das Zeitungen wie die „Krone“ mit ihrer selektiven Berichterstattung hinterlassen. Außerdem: Wie weit ist es denn her mit der so hochgelobten Informationsgesellschaft und der Freiheit des Internets? „WikiLeaks“ kämpft mit internen Zerwürfnissen, die dazu geführt haben, dass persönliche Daten potentiell gefährdeter Personen ins Internet gestellt wurden. Die Hackergruppe Anonymous schlachtet selbstgerecht alles aus, was das Netz hergibt. Kürzlich wurden die Daten von 25.000 Exekutivbeamten online gestellt: Name, Geburtsdatum Adresse. Mittlerweile kursiert die Aufforderung bei Polizisten zuhause anzurufen, um sie zu beschimpfen. Wie würden Sie sich wohl fühlen, wenn man sie tagtäglich, angreift, bespuckt und beleidigt, während zu Hause ihre Familie von ein paar assozialen Arschlöchern per Telefon kontaktiert wird? Es ist nicht nur eine bodenlose Frechheit, sondern auch eine Gefährdung der Menschen, die für die Sicherheit dieses Landes und seiner Bevölkerung verantwortlich sind. Aber das dürfte die moralisch retardierten Idioten von Anonymous wohl kaum interessieren. Für sie ist der Staat ein gesichtsloser Feind und jeder der für ihn arbeitet darf exponiert, gedemütigt und bestraft werden. Für das Linsengericht einer EDV-technischen Kurzzeitbefriedigung wird so aber auch die letzte Bastion der freien Meinungsäußerung torpediert: das Internet. Wer bestimmt, ob morgen nicht auch der ORF oder „Profil“ offline müssen, weil sie dem persönlichen Geschmack irgendeines Computer-Geeks nicht entsprechen?
Während die heimischen Print-, Rundfunk- und Online-Medien der Politik in Sachen Korruption um nichts nachstehen, hat auch die Netzgesellschaft in Wahrheit schon Bankrott angemeldet. Ganze 27.462 Follower hat der ZIB 2 Moderator Armin Wolf mittlerweile auf Twitter. Damit steht er in Österreich einsam an der Spitze. Aber was ist das schon? Geschätzte 2,9 Millionen Menschen lesen nach wie vor jeden Tag die „Kronenzeitung“. Twitter bleibt im Gegensatz dazu ein Elitenprodukt, zugänglich für alle aber nur attraktiv für wenige.
Im Medialen Massenwahnsinn nicht selbst Opfer zu werden ist mittlerweile selbst für Experten schwierig. Schleichwerbung zu erkennen ist dabei noch eine der einfachsten Übungen, aber woher weiß man, ob ein Kommentar nun ein Kommentar oder eine Abrechnung ist? Woher soll jemand, der nicht über die notwendigen Hintergrundinformationen verfügt, wissen, dass eine Zeitung mit einem Bericht vielleicht nur redaktionelle, private oder finanzielle Interessen verfolgt? Schließlich kann nicht einmal Kobuk jeden einzelnen Fall von fortgeschrittenem Medienschwachsinn aufdecken.
„Ein Verleger hat einmal einem Politiker von uns eine Seite seines Magazins mit einer Negativgeschichte über unsere Partei gezeigt, die erscheinen sollte. Dazu hat er gesagt: „Hier könnte aber auch ein Inserat von euch stehen.“ Das Inserat stand dann in der nächsten Ausgabe auch dort.“ Ein Landtagsabgeordneter im Falter
Viel schlimmer aber, als die Mangelnde Qualität des Österreichischen Journalismus ist die fehlende Integrität. Wer den hier mehrfach zitierten Artikel des Falter liest, kann mit dem Kopfschütteln eigentlich kaum mehr aufhören. Moderne Medien sind einem Konkurrenzdruck um Inserate und Auflagen ausgeliefert, klar. Aber muss man sich wirklich dermaßen an den Teufel verkaufen? Erpressung ist ja kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen. Man bekommt langsam den Eindruck, das trifft auch auf die Berichterstattung insgesamt zu.
„Objektivität: Alles hat zwei Seiten. Aber erst wenn man erkennt, dass es drei sind, erfasst man die Sache.“ Heimito von Doderer
P.S.: Vorsicht! Dieser Blog ist ein Medium! Zu Risken und Nebenwirkungen...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen