Wenn ich Fernsehsendungen mit
Werbeunterbrechungen schaue, schalte ich in den Pausen meistens einfach nur den
Ton ab. So verpasst man nix, wenn's weitergeht und man kann derweil was lesen
oder so. Das bringt aber auch mit sich, dass man - wenn auch lautlos - die
jeweils neuesten Werbemonstrositäten quasi aus dem Augenwinkel mitbekommt. Und
manchmal, wenn ich so selbstvergessen vor mich hinglotze, kommt es sogar vor,
dass ich halbbewusst Werbung mit Ton anschaue, was sich oft als schwerer Fehler
entpuppt...
Manche Werbungen richten sich ja von selbst, zum
Beispiel die Eigenreklame von ORF 1 - der jetzt neuerdings ORF eins heißt, weil
das die lesefaule Jugend angeblich mehr anspricht - in der Mirjam Weichselbraun
allen Ernstes Schnellschach spielt. Demnächst moderiert wahrscheinlich noch
Lizzi Engstler ein Wissenschaftsmagazin oder Herbert Prohaska das
Grammatikrodeo. Aber wenigstens ist die ORF-Werbung kurz und schmerzlos, nicht
so wie die Terrorreklame, bei der man als geistig gesunder Mensch umschalten muss,
um sich nicht der Gefahr einer Hirnblutung auszusetzen.
Da wären zum Beispiel die Fernsehspots der
Bekleidungsfirma KIK - bekannt durch ihre Hakenkreuzkleiderständer
und den warmherzigen Umgang mit dem Personal - in der ein rotes T-Shirt mit einem
norddeutschen Kreischorgan auf Helium von der bekanntlich ebenfalls
zartstimmigen Verona - ich muss jetzt wieder Geld verdienen, weil mein Mann
pleite gemacht hat - Pooth tatkräftig beim Merchandising für feinste
Kinderarbeit aus Fernost unterstützt wird. Eine Zeit lang trat zur akustischen
Unterstützung noch ein Folgetonhorn, visuell untermalt mit einem Blaulicht,
hinzu, dessen Betrachtung allein bei mir schon Herzrasen verursacht hat. Kurz:
Das ganze Werbesujet scheint den, von der Ex-Feldbusch in koketter Anspielung
auf ihre Grammatikschwäche in die Linse geträllerten Spruch „KIK ist eben doch
besser als wie man denkt!“ wiederlegen zu wollen. Es manifestiert sich damit
letztlich die Überzeugung, dass günstig und billig eben doch zwei
grundverschiedene Dinge sind.
Das gilt auch für die Werbungen, die die
XXXLutz-Discounttochter Möbelix im Fernsehen schaltet. Dort tritt der offenbar
von lahmen Nordkoreanern mit grauem Star animierte „Möbelixman“ gegen die
einzigen Gegner an, denen er gewachsen ist: Nullen. Begleitet wird das Ganze
von einer Off-Stimme, die in holprigen Stabreimen - jeder lobotomierte
Südsteirer, der einen Schlag aufs Sprachzentrum bekommen hat, könnte besser
dichten - die Ruhmestaten des Verteidigers von Furnier-Spanholzkästen und
Einbauküchen ohne Spülmaschine preist. Ich gebe gerne zu, dass ich bei jedem
neuen Abenteuer des Einrichtungshausheroen reflexartig den Sender wechsle.
Neben nervenzerrüttender Penetranz ist „für
dumm verkaufen“ die zweite große Schiene der Fernsehwerbung. Besonders
geeignet hiefür sind offenbar Hausfrauen und Kinder, wobei man letztere recht
einfach mit buntem Zucker ober Blingbling-Spielzeug ködern kann. Für das
Heimchen am Herd, so denkt scheinbar die Werbeindustrie, muss es dann aber
schon etwas Anspruchsvolleres sein. Das Schlagwort heißt: Wohlfühlwerbung. Eine
Endzwanzigerin - blond - mit Ehemann - brünett - und zwei Kindern - Sohn, 6
Jahre, blond; Tochter, 11 Jahre, brünett - kocht in ihrer Designerküche im
Neubauhaus ein Fertiggericht, das allen schmeckt. Die Szene lässt sich
natürlich auch beliebig variieren: Manchmal darf auch der Mann kochen - aber
nur, wenn das Produkt als besonders einfach zubereitbar angepriesen werden soll
- oder die Tochter ist ein handysüchtige Teenagerin, die man nur mit dem guten
Glutamat-Pressfleisch aus Muttis Mikrowelle aus ihrer stereotypen
Telefonierhaltung - mit angewinkelten Beinen auf dem Bett liegend, in der einen
Hand das Handy, mit der anderen eine Haarlocke drehend - befreien kann.
Dann gibts da natürlich noch den Klassiker
schlechthin, die „zufällige“ Kundenbefragung am Straßenrand („Ja das kenn ich!“ oder „Würde ich jederzeit wiederkaufen!“) und die „glaubwürdige Freundin/Hausfrau/Mutter“:
„Mutti, kennst du das auch... Blähungen?“
fragt etwa eine Mittvierzigerin beim
Spazierengehen mit ihrer zehn Jahre älteren Fernsehmutter und greift sich dabei
auf den Bauch. Eine berechtigte Frage, wenn ihre Frau Mama in vierzig Jahren noch nie vor ihr von
Flatulenz geplagt wurde, vor allem aber auch, wenn man ein gesüßtes
Standardjoghurt gerne teuer als „functional food“ verkaufen möchte. Nachdem
die Leute mittlerweile aber draufgekommen sind, dass der Satz „...wurde beim Gesundheitsministerium eingereicht und amtlich bestätigt.“ nur heißt, dass die betreffende Studie einen Posteingangsstempel erhalten hat, sucht man nach neuen Verarschungsmöglichkeiten. Auch weil alle wirklich wissenschaftlichen Studien Sätze wie „Stärkt ihre Abwehrkräfte!“ oder „Schützt
ihre Darmflora!“ Lügen gestraft haben, lässt man jetzt lieber eine
semiprominente ORF-Nachmittagsklatschtante mit dem Becken eines ausgewachsenen Berggorillas
Sprüche wie „Mir hilfts's!“ oder „Mir tut's gut!“ sagen. Aber zugegeben: Die
Idee mit einem abgehalfterten Talkshow-Gehsteigpanzer Werbung für ein
entschlackendes Joghurt machen zu wollen, reicht in ihrer Absurdität schon fast
an die schachspielende Mirjam Weichselbraun heran. In Sachen Wirksamkeit lassen sich all diese Produkte jedenfalls in eine Reihe mit dem Wasser stellen, das von sich behauptet soundso vielmal mehr Sauerstoff beigesetzt bekommen zu haben. Wofür soll das gut sein? Muss man dann weniger atmen? Es ist auch bezeichnend genung, dass die Firma Danone gegen die AMA-Werbung „Jedes Joghurt stärkt ihre Abwehrkräfte!“ eine Unterlassungsklage eingebracht hat.
Sehr gefragt für den Verkauf von Gesundheitsnippes sind natürlich auch nach wie vor
Frauen, die mit einem leidenden Veronika-Ferres-Blick in die Kamera schmachten
können und sich dabei an Bauch, Kopf oder Backe fassen, um Wohlfühldrinks,
Aspirin oder schmelzschützende Zahnpasta an den Mann zu bringen. Seit Ärzte keine Werbung mehr machen dürfen, werde in dieser Sparte auch gerne „Zahnarztfrauen“ oder „Wissenschafter“ aus der hauseigenen Forschungsabteilung aufgeboten, um den Zuschauer von der Wirkung des Produkts zu überzeugen. Ein seriös wirkender älterer Herr mit Brille und einem Doktortitel von der Boris-Jelzin-Internetuniversität hat da gleich einen positiven Effekt auf das dauerkritische Publikum und ein weißer Kittel erhöht das Konsumentenvertrauen schließlich exorbitant. Das ganze Heile-Welt-Brimborium rund um „Entfernt zehnmal mehr Plaque!“ und „Schützt 24 Stunden wirksam vor...!“ ist dabei an biederer Spießigkeit kaum zu übertreffen. Fader sind
höchstens noch die Spots der österreichischen Lotterien, die seit gefühlten 1000
Jahren mit den gleichen Schweinen auf Geldsäcken und Bauarbeitern mit herausspringenden Augen Doppeljackpots
und Rubbellose bewerben.
Unterste Schublade wiederum sind Werbungen mit
toten Promis, wobei die Geschmacklosigkeit mit der Kürze des Verstorbenseins
zunimmt. Wenn Saturn alte Sissi und Franz Klischees auspackt, ist das also noch
lange nicht so übel, wie die Tatsache, dass ein Falco-Imitator jetzt im Radio
Käse verkauft. Dass dieselbe Firma ihr Produkt gleichzeitig im Fernsehen mit „I
am from Austria“ als besonders heimatverbunden vermarktet, beweist, dass
zuweilen auch lebende Promis wie Reinhard Fendrich offenbar freiwillig für einen
Werbevertrag ihr künstlerisches Lebenswerk der Verramschung von verfaulter
Milch opfern. Den Preis für den absoluten Tiefpunkt in dieser Rubrik hat aber wohl doch
Wolfgang Ambros für sein Lied aufs „Hartl Haus“ verdient. Dabei wäre er ein
wesentlich glaubwürdigerer Werbeträger für Smirnoff.
Aber natürlich gibt's auch gute Werbung, ich geb’s
ja zu. Über den bipolaren
Ehebrecherspot von IKEA habe ich mich zum Beispiel genauso amüsiert wie
über die Kinderfreundlichkeit
von Mömax. Und wenn es sogar die deutsche Bildzeitung
fertig bringt, eine einigermaßen amüsante Kampagne zu starten, dann kann man
das doch wohl auch von Waschmittel-, Joghurt-, und Süßigkeitenherstellern
verlangen. Etwas mehr Kreativität wenn ich bitten darf!
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