Alle zwei Jahre findet in Wien das „Best West Fest“ statt. Eine einmalige Gelegenheit für Sozialanthropologen und andere arbeitslose Geisteswissenschafter das dynamische Gruppenverhalten von Vorarlbergern aus der Nähe zu studierten. Sie waren noch nie auf einem Fest für Vorarlberger? Dann lassen Sie es sich beschreiben.
Schon mein Klassenvorstand meinte einmal es sei unglaublich, wie viel in einen Menschen hineinpasse, wenn das Essen gratis sei. Außerdem müsse man nur etwas gratis hergeben, wenn man wolle, dass Leute kommen. Für Vorarlberger gilt das alles in verschärftem Maße. Die Ankündigung Kässpätzle kostenlos auszukochen hätte genügt, um die tausenden Gsibergianer, die ansonsten ihre biederen Untergrundidentitäten in der Bundeshauptstadt pflegen,ins WUK in der Währingerstraße zu locken. Aber die alemannischen Buschtrommeln haben den „Es git eppas gratis, do müamma ane“-Reflex des Vorarlbergers noch zusätzlich verstärkt und für eine außerordentlich gute Befüllung der Veranstaltungsfazilität gesorgt.
Jedes Mal schwöre ich mir: Dieses Mal stellst du dich nicht um die Gratis-Spätzle an. So gratis können die gar nicht sein, dass man dafür eine halbe Stunde Wartezeit in Kauf nimmt. Aber dann bemächtigen sich primordiale Wesenszüge meiner Entscheidungsgewalt und ehe ich es mich versehe stehe ich wieder in einer Reihe mit schnatternden Vorarlbergern und ein paar Quotenwienern. Wenn die nicht gerade „Wie bitte?“ sagen, zeigen sie ihre Verwunderung über die allgemeine Zurückhaltung und das höfliche Verhalten der Cisarulaner. Sie selbst sind leider bei weitem nicht so zurückhaltend. Beim Daueranstehen an der Bar erklärt eine Hauptstädterin den Umstehen sie brauche nur einen Radler aus der Flasche und wolle daher vorgelassen werden. Die Vorarlberger ihrerseits nehmen die Gelegenheit zum Anlass einmal ungeniert über die Wiener lästern zu können. Der gute Jochen etwa berichtet, dass er auf einer Rolltreppe beim Westbahnhof eine alte Dame samt Gepäck vorm Absturz bewahrt und sich dabei die Schulter ausgerenkt hat. Erster Kommentar der Wienerin: „Wo is mei Handtoschn?“
Wenn eingangs berichtet wurde, dass Vorarlberger ein gewisses Faible für allerlei Kostenlosigkeiten haben, so heißt das aber nicht, dass sie auf eine unhöfliche Weise gierig wären. So lagen auf einem Tisch Werbeartikel der landeseigenen und - weil alemannisch geführt - nicht bankrotten Hypobank. Die meisten trauten sich gar nicht eines zu nehmen - ich bin halb Steirer und hab mir daher zwei eingesteckt - bis ein Wiener mit einem Plaschtiksäckle kam und alle auf einmal mitnahm. Vorarlberger sind sparsam, aber nicht raffsüchtig.
Dieser Sparsamkeit ist es wohl auch gedankt, dass die gegenständliche Festivität jährlich alternierend in Wien und Innsbruck stattfindet. Zwei Amüsements mit Gratisverpflegung zu sponsern wäre dem Land und seinen Sponsoren dann wohl doch zu viel. Dafür gibt es noch den Ball der Vorarlberger, bei dem man allerdings Eintritt bezahlen muss und den es daher jedes Jahr gibt.
Irgendwie gibt die Seltenheit der Veranstaltung dann aber natürlich auch etwas Spezielles. Man trifft Leute, mit denen man verwandt, bekannt oder im schlimmsten Fall beides ist und unterhält sich sporadisch mit selbigen. Menschen, deren Namen man schon vergessen hat, lächeln einem freundlich zu und der Landeshauptmann bewegt sich stimmenfangend durch die wahlberechtigte Menge. Aus selbigem Grund sind auch die Vertreter anderer Parteien stets bei solchen Zusammenkünften anwesend. Sei es beim „Funken“ am Himmel, den die Wiener Feuerwehr regelmäßig für zu gefährlich hält, um abgrebrannt zu werden oder besagtem Fest: Bundespolitische Kapazitäten aus dem Ländle wie ÖVP-Abgeordnete Anna Franz oder der Grüne Harald Walser geben sich ebenso heimatverwurzelt wie das spätzlegeile Fußvolk.
Die gsibergyness der ganzen Geschichte wird schließlich noch durch einen Auftritt des Holstuonarmusigbigbandclub und den Ausschank von Bier der Marke Fohrenburger abgerundet. Irgendjemand fragt, ob man sich zuerst einen Bon holen müsse. Das ginge dann aber wohl schon zu sehr in richtung Dorfkilbi - in Ostösterreich auch als Kirtag bekannt. Dafür ist auch die Akademikerquote deutlich zu hoch. Der Großteil der Anwesenden studiert in Wien. Die Hipster-Dichte ist erdrückend: Überall sieht man Bärte, karierte Hemden und dickrandige Brillen. Ich bin froh, dass ich diesmal rasiert und brillenlos gekommen bin. Auf einer waschechten Kilbi würde jetzt schon irgendwo ein fünfzigjähriger Gebi mit halblangen fettigen Locken und bierdunstigem Blick einer gleichaltrigen Ilse den Hof machen. Bei einer Wälderkilbi wäre der Boden zudem schon mit Zähnen und Blutlachen zugepflastert. Aber wir sind ja in Wien unter Mittel-/Oberschichtgsibergern die, wären sie Wiener, von ihrer Mutter sicher Maximilian oder Konstantin genannt worden wären, so aber einfach nur Simon oder Matthias heißen.
Gegen Ende hin ersticken die ohnehin überforderten Barkeeper in Arbeit, weil die Vorarlberger alle ihr Becherpfand wiederhaben wollen. Zum Abschied gibt es im engen Innenhof noch ein alemannisches Gruppenkuscheln mit Schieberkappen- und Gelbe-Hosen-Trägern. Beim Gehen frage ich mich, ob das zweijährige Intervall nicht doch so seine Vorteile hat.
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