Montag, 24. September 2012

Der Adel und die Republik, oder: Graf Bobbys Erben

Ulrich Habsburg-Lothringen kann jetzt zum Bundespräsidenten gewählt werden, das reicht ihm aber nicht. Nachdem er im Vorfeld der letzten Wahl des Staatsoberhauptes einen unglaublichen Wirbel um den Ausschluss von Mitgliedern regierender und ehemals regierender Häuser gemacht hatte, war prompt das Bundes-Verfassungsgesetz geändert worden. Jetzt versucht sich der renitente Fasterzherzog, der ausgerechnet für die Grünen politisch aktiv ist, erneut in Sachen Egalitarismus der anderen Art: Diesmal soll das Führen von Adelstitel wieder gestattet werden. Gott sei bei uns!

Unter den Möchtegernadeligen Europas sind ja bekanntlich die Vertreter des Adoptionsadels die Schlimmsten. Da schmeißen sich ehemalige Zuhälter und Konsorten, die irgend einer Alzeimerpatientin mit Adelsbrief den Lebensabend mit einer kleinen Apanage versüßt haben, in Phantasieuniformen und erdreisten sich dann auch noch zu verlangen, dass man sie mit „Durchlaucht“ oder „Hoheit“ anspricht. Da sei - wie gesagt - Gott vor, oder besser noch der Verfassungsgerichtshof.
Ein ganz gscheiter Herr meinte einst, er könne sich doch von einer deutschen „Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin zu Sachsen“ - in Deutschland gibt's an und für sich auch keinen Adel mehr, der Titel gilt als Teil des Namens - adoptieren lassen und sich fortan Prinz nennen. Weil die österreichischen Behörden nicht immer ganz firm sind, was die Adelsthematik betrifft, gelang es dem ehemaligen Erwin Karl G. tatsächlich den Namen Ernst Albert Edward Philipp Ferdinand Erwin Karl Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzog zu Sachsen eintragen zu lassen. Blöderweise fand sich bei einer späteren Gelegenheit dann doch ein republikanisch gesinnter Beamter, dem das Adelsaufhebungsgesetz  nicht unbekannt war. Da der Titel keiner sei, sondern maximal Teil des Namens, könne der von Einer Frau Prinzessin adoptierte Prinz Ernst Albert etc. nicht ebenso, sondern nur Herr Erwin Karl Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin zu Sachsen heißen, entschied der Magistrat der Stadt Wien. Der so Entmannte wendete sich in seiner Verzweiflung schließlich an den Verfassungsgerichtshof, der ihm zwar Recht gab, aber nicht so wie er es sich vorgestellt hatte. Der VfGH stellte vielmehr fest, dass die Behörde den Namen zwar nicht auf Prinzessin... hätte ändern dürfen, die Berichtigung aber nicht auf Prinz, sondern Herr Sachsen-Coburg-Gotha oder ähnliches hätte lauten müssen. Denn das Adelsaufhebungsgesetz normiert:
„Der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Beruf oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger werden aufgehoben.“
Den ganzen Antiadelshokuspokus verdankt Österreich einerseits dem seligen krampfandernwundertätigen Kaiser Karl und andererseits der Regierung Renner. Hätte Ersterer bei der Ausreise in die Schweiz nicht die österreichische Republik in seinem „Feldkircher Manifest“ zum Teufel gejagt und hätte die Staatsregierung nicht darauf so verschnupft mit der Abschaffung des Adels reagiert, der zweite Bundespräsident der Zweiten Republik hätte Theodor Körner, Edler von Siegringen geheißen. Weil's aber, wie bekannt, doch so gekommen ist, wird die Führung von Adelstiteln „von den politischen Behörden mit Geld bis zu 20.000 K[ronen] oder Arrest bis zu sechs Monaten bestraft.“

Die 20.000 Kronen-Strafandrohung hinderte den Heimwehrführer und überzeugten Antidemokraten Ernst Rüdiger Starhemberg aber nicht daran, sich Visitenkarten mit der Aufschrift
„Aus dem Geschlecht der Fürsten Starhemberg, geadelt von Karl dem Großen, entadelt von Karl Renner“
drucken zu lassen. Der verhinderte Fürst starb schließlich in Schruns einen humoresken Tod, als er sich bei einem Spaziergang ungeheuerlich über den Fotografen einer kommunistischen Postille echauffierte. Seine Mutter Fanny hatte die Entadelung noch stoischer hingenommen. Im Gespräch mit dem ersten Bundespräsidenten Michael Hainisch soll sie gesagt haben: 
 „Uns macht die Aufhebung des Adels nichts, wir bleiben mit oder ohne den Titel immer die Starhembergs.“
Auch einer der früher sehr beliebten Graf-Bobby-Witze, die sich um einen geistig eher mäßig begabten Adeligen drehen, beschäftig sich mit dem Thema. Der Graf grüßt auf der Straße einen Herrn und sagt „Grüßsie Herr Hawlicek, jössers ham Sie sich aber verändert!“ woraufhin der Angesprochene erwiedert „I haaß goa ned Hawlicek.“, darauf der Graf konsterniert: „Was? Ihren Namen hat man auch geändert?“

Heutzutage wird die Adelssache in Österreich hauptsächlich von jenen Parvenus am Kochen gehalten, die sich gerne mit Edler oder Ritter ansprechen lassen, bzw. wieder zu einer besseren Gesellschaft gehören möchten, deren Teil ihre Ahnen niemals waren. Das betrifft vor allem den sogenannten Beamtenadel, also solche Personen, deren Vorfahren aufgrund einer gewissen dienstrechtlichen Stellung in den niedrigen erblichen Adelsstand erhoben wurden. Was diese Kategorie betrifft, war Kaiser Franz Joseph in der Tat so großzügig in der Verteilung von Prädikaten, dass man ihn auch den Seeadler nannte, weil er, so die Pointe, überall adle wo er sehe. Unter ebendiesem Beamtenadel steht nur noch jene Gesellschaft, die man abschätzig den Bahnhofsadel nennt, weil seine Vertreter ihre Titel vom eigentlich schon abgedankten Kaiser Karl quasi unmittelbar vor dessen Abreise ins Exil erhielten.

Wenn dann aber ein Paar junge Möchtegernelitäre mit grünem Jägergilet die  „Vereinigung der Edelleute in Österreich“ gründen und ihn beim Innenministerium präpotent mit ihren Ex-Titeln eintragen lassen, motiviert das nicht unbedingt zur freudigen Unterstützung der Renobilitierungforderungen. Immerhin gestatten sie, im Gegensatz zu ihrer Vorgängerorganisation, die Aufnahme nicht-katholischer Exadliger. Wie egalitär... Erinnert aber an einen weiteren Witz über den Grafen Bobby, zu dessen Zeiten die Standesvorschriften ja noch viel strenger waren:
Die Frau Mama des Grafen: „Bobby, du solltest heiraten.“
Graf Bobby: „Na gut! Aber wen denn?“
Mutter: „Na, wie wär's denn mit der Freiin Hohensee?“
Graf Bobby: „Niemals! Die ist mir viel zu fad.“
Frau Mama: „Oder die Baroness Weilburg?“
Graf Bobby: „Nein, viel zu dürr.“
Frau Mama: „Na, wen willst denn heiraten?“
Graf Bobby: „Am liebsten wäre mir der Rudi!“
Frau Mama: „Aber, Bobby! Das geht doch nicht! Der Rudi ist doch evangelisch!“
Das Verhältnis des republikanischen Österreich zum Exadel ist jedoch meist weniger humorvoll. Als der mittlerweile verstorbene Otto Habsburg-Lothringen - der seinen Sohn in die Geburtsurkunde mit Erzherzog von Österreich, königlicher Prinz von Ungarn, eintragen ließ - wieder einen Österreichischen Pass erhielt und dort keine Adelstitel eintragen lassen konnte, wollte er sich zunächst Otto Österreich nennen, was von den zuständigen Behörden jedoch abgelehnt wurde. Seine Anhänger hinderte es jedoch nicht daran, nach dem Requiem in Stephansdom, bei dem die Kaiserhymne gesungen worden war, vor der Kapuzinerkirche die aufgehobenen Adelstitel des ehemaligen kaiserlichen Hauses zu verlesen.

Die Wiedereinführung des Adels hätte wohl nur einen positiven Nebeneffekt. Die Zeiten, in denen sich Martin Bartenstein gern widerspruchslos ein „von“ Verpassen ließ, wären passé. Er stammt nämlich aus dem (immer schon) nichtadligen Teil der Familie. Sollten sich die Adelsbefürworter wider Erwarten mit ihren Forderungen durchsetzen, so wäre ihr Wortführer Ulrich Habsburg-Lothringen nicht nur Erzherzog von Österreich, sondern - neben einem Bündel von weiteren Titeln - auch Graf von Feldkirch und Herr auf der Windischen Mark. Warum er sich aber wegen der G'schicht so aufpudelt bleibt letztlich sowieso unklar. Immerhin hat er ja einen Doktortitel.

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