Spindeleggers TV-Statthalter spricht mit schwerem Vorarlberger Akzent, als er erneut die
prophetische Aussage seines Parteichefs in die Kamera wiederholt: 2013 werde
das Jahr der ÖVP. Vier Landtagswahlen hat die Volkspartei in diesem Jahr
bestritten, bei keiner einzigen konnte sie einen Stimmengewinn verzeichnen.
Trotzdem erklärt sie sich zur Siegerin im jahrelangen Rückzugsgefecht mit der
SPÖ, weil sie diese als noch größere Verliererin einstuft. Zu Recht?
Zunächst scheint einiges für die vermeintlichen
Erfolge der Schwarzen zu sprechen: In Kärnten konnte die ÖVP trotz massivster
Verstrickungen in diverse Korruptionsfälle einen Totalausfall verhindern. In
Niederösterreich glückte der Erhalt der Absoluten. In Tirol konnte man den
Landeshauptmannsessel halten und in Salzburg nun gar zurückerobern. Außerdem
hat man die Volksbefragung zum Bundesheer klar für sich entscheiden können. Auf
den ersten Blick lässt sich die vorläufige Bilanz der ÖVP also durchaus sehen,
auf den zweiten trübt sich die Sicht allerdings etwas ein.
In Kärnten hat die Volkspartei ihr Allzeittief
erreicht. In Niederösterreich hat man trotz Erfolg über 50.000 Stimmen
verloren. Günther Platter hat nicht nur das schlechteste Ergebnis der Tiroler
ÖVP in der Geschichte der II. Republik eingefahren, er wurde auch eher durch
den Rückzug von Fritz Dinkhauser gerettet als durch sein eigenes Zutun. Und
auch in Salzburg hat die ÖVP seit 1945 nie so wenige Stimmen erhalten. Bei der
Volksbefragung zur Wehrpflicht hat, selbst wenn manche Politiker der
Volkspartei es nicht glauben wollen, auch niemand „ÖVP“ angekreuzt. Sich davon
einen politischen Vorteil zu erwarten, der auch noch bis zum Herbst halten
soll, ist etwas zu hochtrabend. Insgesamt sieht die schwarze Halbzeitbilanz
also wesentlich ernüchternder aus, als es die Parteigranden gerne darstellen.
Während die SPÖ bei den vier Landtagswahlen heuer insgesamt 88.746 Stimmen
(plus in Kärnten gegengerechnet, Salzburg nach vorläufigem Endergebnis)
verloren hat, kehrten ganze 113.446 Wähler der ÖVP den Rücken.
Natürlich darf man nicht den Fehler machen
einzelne Landtagswahlen auf die Bundespolitik umzulegen. Wenn die ÖVP sich aber
in drei Wahlduellen, von denen sie eineinhalb tatsächlich gewonnen hat, als
Siegerin darstellt und trotz teils herber Verluste die Chuzpe besitzt 2013 zu
ihrem annus iubilaeus zu deklarieren, muss man schon beinahe von einer
masochistischen Verschiebung in der schwarzen Selbstwahrnehmung sprechen.
Trotzdem passt der, vom Jubelalemannen Kopf
allerorts verkündete, „Erfolgskurs“ der Christlichsozialen zum modernen
großkoalitionären Politikverständnis. Im Duell SPÖ-ÖVP geht es schon lange
nicht mehr ums Gewinnen. Es geht darum, dass der andere noch höher verliert.
Das mag zum Teil auf Veränderungen im Stimmverhalten und schwächere
Wählerbindungen zurückzuführen sein, im Kern haben sich die beiden ehemaligen
Großparteien jedoch schon längst selbst aufgegeben. Vergangen sind die Zeiten,
in denen es um gesellschaftliche Konzepte ging. Themen wie Ganztagsschule,
Gesundheitsreform und Verwaltungsvereinfachungen werden zwar, wenn auch zum
Teil nur halbherzig angepackt, aber von der Öffentlichkeit nur als
Nebenschauplätze der innerkoalitionären Dauerschlammschlacht wahrgenommen. Ob
Bankgeheimnis, Bienen oder Saatgut: Die kleinste Staubwolke wird zum großen
„mir-san-mir-Orkan“ aufgebauscht, um ja nur tatkräftig genug zu wirken und
den anderen gleichzeitig möglichst schlecht aussehen zu lassen.
Dass die Qualität der heimischen Politiker extrem
nachgelassen hat, spielt in der Gesamtproblematik eine massive Rolle. Diese Erosion
des politischen Humankapitals trifft nicht nur aber auch die ÖVP. Ein
Parteichef, dem man offensichtlich in Coachings beigebracht hat, wie ein
normaler Mensch wirkt, wenn er entrüstet ist und eine dauerpeinliche
Finanzministerin, die ein antiquiertes Bleiberecht für Schwarzgeld verteidigt,
sind ebenso genante Aushängeschilder der Republik wie der Ex-Taxler im
Bundeskanzleramt und die fast fertige Zahnarzthelferin mit
Zuständigkeitsbereich Innovation und Technologie.
Besseres Personal wird sich auf die Schnelle
nicht finden lassen, aber die ÖVP wäre, ebenso wie ihre Koalitionspartnerin,
gut beraten ihre Wahlziele neu zu überdenken. Ja, sie konnte einen
Landeshauptmann halten und einen weiteren gewinnen. Für die Wahl im Herbst sagt
das genau Garnichts aus. Außerdem grenzt es an Dreistigkeit zu glauben, dass es
beim Wähler irgendeinen Eindruck hinterlässt, wenn man sich selbst die immer
gleichen Sätze vorlügt: „Es waren schwierige Umstände für uns.“, „Wir haben
trotz des Skandals, für den eigentlich die Partei XY verantwortlich war, das Wählervertrauen
zurückgewinnen können.“, „Bundesland YZ hat für Stabilität gestimmt.“ etc. etc.
Wer will das noch hören? Und wer will noch zuschauen, wenn ÖVP und SPÖ schwer
verletzt aufs Ziel zulaufen, sich aber nicht darauf konzentrieren, sondern
vielmehr versuchen dem anderen noch ein Bein zu stellen? Offensichtlich nicht
mehr viele.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen