Ausfrufung der Republik am 12. November 1918 |
Der 12. November 1918 war ein recht aufgeregter Tag für die Provisorische Nationalversammlung. Am Vortag war Viktor Adler, der Gründervater der Sozialdemokratie, gestorben. Die tschecho-slowakische Regierung richtete ein Beileidsschreiben an das Parlament. Ansonsten beschäftigte sich die Tagesordnung mit den fundamentalen Notwendigkeiten, die ein gerade erst entstehender Staat zu besorgen hat: Ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz sollte beschlossen werden, ein Staatsgesetzblatt musste her, die renitenten Länder wollte man mit einem „Gesetz über die Übernahme der Staatsgewalt in den Ländern“ wieder ins Boot holen und auch die „richterliche Gewalt“ wollte neu geregelt werden. Der größte Tagesbrocken war jedoch ein Antrag der als „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich“ firmierte. Es ging um die Ausrufung der Republik.
Verzichtserklärung Kaiser Karls |
Genau 640 Jahre und 78 Tage nachdem Rudolf I. in der Schlacht auf dem Marchfeld den Böhmenkönig Ottokar besiegt und ihm Österreich abgeluchst hatte, machte sich das Provisorische Parlament nun daran die Herrschaft der Habsburger endgültig zu beenden. Am Vortag hatte Kaiser Karl bereits auf „jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ verzichtet, es aber abgelehnt explizit abzudanken. Der Nationalversammlung genügte das. Karl Renner sprach am Folgetag vor dem hohen Haus unter „stürmischem Beifall und Händeklatschen“. Man bot dem „ehemaligen Träger der Krone“ an, als einfacher Bürger im Land zu bleiben und beschloss einstimmig die Annahme jenes Gesetzes, das Österreich zur Republik machte. Um 15:55 Uhr wurde die Sitzung unterbrochen, die Abgeordneten begaben sich auf die Rampe des Parlamentes, wo die neue Staatsform proklamiert wurde. Beim Hissen der rot-weiß-roten Fahne kam es zu Tumulten. Einige Linke rissen den weißen Streifen heraus und zogen den roten Fetzen hoch, ein Vorgeschmack auf die politische Turbulenzen der folgenden Jahre. In den Tagen darauf musste die Volkswehr in der Säulenhalle des Parlamentsgebäudes Stellung beziehen um einen kommunistischen Putsch zu verhindern. Die demokratische Republik hatte von Anfang an nicht nur Freunde, vor allem auch weil sie als Kind der Sozialdemokratie galt. 1919 erklärte man das Datum zum „Ruhe- und Festtag“, 1928, zum zehnjährigen Jubiläum, ließ das rote Wien am „Ring des 12. November“ (heute „Dr.-Karl-Renner-Ring“) das Republikdenkmal errichte, vergaß aber darauf auch Nichtsozialdemokraten zu ehren.
95 Jahre, einen Staatskanzler, zwei Nationalversammlungen, zehn Bundespräsidenten, 27 Bundeskanzler, 25 Gesetzgebungsperioden des Nationalrates, einen Bürger- und einen Weltkrieg später steht sie wider Erwarten immer noch: die Republik. Immerhin hatte die Provisorische Nationalversammlung noch am Tag seiner formellen Gründung Deutschösterreich zum Bestandteil des Deutschen Reiches erklärt. Der Deutschnationalismus grassierte wie die Pest und Staatskanzler Renner hielt bereits in seiner Rede zur Republiksausrufung fest:
„...in dieser Stunde soll unser deutsches Volk in allen Gauen wissen: Wir sind ein Stamm und eine Schicksalsgemeinschaft“
Dass es einen Anschluss, einen Weltkrieg und einen Völkermord brauchen würde, um Österreich von dieser Krankheit zu heilen konnte 1918 keiner absehen. Aber tatsächlich hat Austria, das zähe alte Weib, nicht nur den eigenen Untergang überlebt sondern es mittlerweile auch auf ein beachtliches Alter gebracht. 95 Jahre habsburgfreie Zone sind vielleicht nicht für jeden sonderlich erwähnenswert. Von 95 Jahren Volldemokratisierung kann ja leider nicht gesprochen werden, ohne Dollfuß/Schuschnigg- und Nazi-Interregnum waren es bislang 84. Ja sogar der Name des Staates hat sich geändert. Das Deutsch- ließ man zunächst auf Verlangen der Alliierten, später dann freiwillig weg. Von den Gesetzen, die am 12. November 1918 beschlossen wurden, ist heute keines mehr in Kraft. Die Republikserklärung wurde durch das Bundes-Verfassungsgesetz abgelöst. Selbst die Verzichtserklärung von Kaiser Karl ist nicht erhalten geblieben, das Original Verbrannte 1927 im Justizpalast. Mittlerweile möchte die „schwarz-gelbe Allianz“ die Republik gerne hinterherschicken und 2018 die Monarchie wieder einführen. Da aber selbst die Sissi-Filme keinen dynastischen Eifer im breiten Volk entfachen konnten, ist anzunehmen, dass dies auch der runde Geburtstag in fünf Jahren nicht schaffen wird. Das Republikdenkmal wurde von den Austrofaschisten nach 1934 abgebaut und in irgendeiner Lagerhalle vergessen. Man hat es nach 1945 gefunden und wieder aufgestellt, auch wenn eine Büste nachgegossen werden musste. Jahre später wurde darauf ein Sprengstoffanschlag verübt. Man weiß bis heute nicht wer dahinter steckte, aber eigentlich ist das auch zweitrangig. Manche Dinge ändern sich eben doch nicht: Scheinbar ist die Republik etwas das immer noch angegriffen wird und daher verteidigt werden muss.
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