Auch heuer wieder wird es bereits zum vierten Mal (nach 2010, 2011, und 2012)
den obligatorischen Adventkalender ohne preußisches Fugen-s geben. Diesmal wirdmet er sich den beiden österreichischen Kardinalstugenden
schlechthin: dem Querulantismus und dem Opportunismus. Freuen Sie sich also auf kurze Geschichten voller Vernaderung, Machtvergessenheit, Rechthaberei und Penetranz. Einen fröhlichen österreichischen Advent!
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24. Dezember
Die guten QuerulantenIn diesem Adventkalender sind Opportunisten wie Querulanten nicht gut weggekommen. Während einem über Erstere auch schwerlich etwas Positives einfällt, kann man Letzteren doch den einen oder anderen guten Zug zusprechen - wenn man mal von den Briefbombern absieht. Immerhin würden heute wohl Kraftwerke in Zwentendorf und Hainburg stehen, wenn sich nicht genügend Leute zum querulieren gefunden hätten. Und Hermann Gmeiner, der Gründer der SOS-Kinderdörfer, wurde mehrfach von der Polizei einvernommen. Er hatte es gewagt massenweise Spendenaufrufe zu verschicken und geriet in den Verdacht lästig zu werden. Als Sinnbild des guten österreichischen Querulanten schlechthin könnte man die Theaterfigur des Fleischhauers Bockerer sehen. Der Anti-Herr-Karl wurschtelt sich durch die NS-Zeit und beschwert sich bei NS-Behörden ebenso wie bei der russischen Besatzung. Ein Querulant war auch Leopold Figl, als er seine erste Regierungserkärung vor dem Nationalrat, die von den Alliierten zensuriert und umgeschrieben worden war, in seiner Originalfassung hielt. Man sah es ihm nach, er war ja ein Österreicher.
„Karli hast eh das Bild des Führers in die Auslag gem?“Wussten Sie schon?
„Na! Wieso? Hängt eh da Sauschädl drinnan!“
Die taiwanesische Verfassung kennt nicht drei sondern fünf Staatsgewalten.
23. Dezember
Der mörderische Querulant und die Post
Wenn der Querulant sich schlecht behandel fühlt schreibt er Briefe. Wenn man auf die nicht entsprechend reagiert, kann es sein, dass er dickere Briefe schreibt, mit Zünder und Sprengstoff. Zu dieser Art von Querulanten gehörte nicht nur Theodore Kaczynski sondern auch Franz Fuchs. Der Ingenieur aus Gralla hielt mit seinen Mordanschlägen nicht nur die österreichische Öffentlichkeit, sondern auch die Post in Atem. Um seine tödlichen Kuverts frühzeitig zur Detonation zu bringen, entschieden die Polizei und das Unternehmen Funksender in einigen ausgewählten Briefkästen anzubringen. Durch sie sollten die elektronischen Zünder bereits beim Einwurf auslösen. Leider warf der Attentäter nie einen seiner Briefe in einen der präparierten Kästen. Dafür wurden Birefträger beobachtet, die fleißig Umschläge hineinsteckten und wieder herauszogen. Um die Aktion geheim zu halten hatte die Post ihren Untergebenen mitgeteilt, es handle sich bei den installierten Geräten um Briefzähler. Da einige Postillione fürchteten durch zu niedrig frequentierte Briefkästen arbeitslos zu werden, versuchten sie daher die vermeitliche Zählmaschine auszutricksen. Franz Fuchs sprengte sich später ganz ohne fremde Hilfe die Hände weg. Österreich hatte wieder Ruhe, die Post auch.
Wussten Sie schon?
Der norwegische König Harald V. und sein belgischer Ex-Kollege Albert II. sind Cousins.
22. Dezember
Innitzers Grüße
Theodor Innitzer war von 1932 bis zu seinem Tod 1955 Erzbischof und Kardinal von Wien. Der ursprünglich vom Vatikan favorisierte Kandidat hatte abgesagt, Innitzer war zweite Wahl. Bekannt wurde er vor allem durch sein Verhalten während des Anschlusses. Zunächst unterschrieb er eine Erlärung die selbigen guthieß und unterzeichnete ein Begleitschreiben mit „Heil Hitler“. Insgesamt dreimal unterschrieb er Dokumente mit diesem Gruß. Der Vatikan zitierte ihn nach Rom, wo er einen Widerruf unterschreiben musste. Innitzers naive Hoffnung, sein Entgegenkommen würde der Kirche im Dritten Reich eine privilegierte Stellung einräumen, zerschlug sich bald. Der NS-Staat hob das Konkordat auf und verbot katholische Vereine. Spät aber doch kam er zu sich. In einer Andacht vor Jugendlichen im Stephansdom predigte er: „Es gibt nur einen Führer, Christus … Geht nach Hause und sagt das euren Eltern.“ Als Racheaktion verwüstete die Hitlerjugend darauf das erzbischäfliche Palais. Die Nazis zerschnitten dabei ein Christusbild mit Messern, es blieb bis heute unverändert.
Wussten Sie schon?
Der deutsche Friedhof in Rom, der Campo Santo Teutonico, gehört einer Nationalstiftung deren Vorsitzender, als Nachfolger der römischen und österreichischen Kaiser, der österreichische Bundespräsident ist.
21. Dezember
Die Staatsvertragsquerulanten
Der Staatsvertrag sollte der große Schlussstein in Österreichs Unabhängigkeitsbestrebungen nach 1945 werden, ließ aber bekanntlich eine Weile auf sich warten. Die Verzögerung war, entgegen der generellen Meinung, aber nicht nur den Sowjets, sondern auch den Amerikanern anzulasten. Sie schätzten Österreich als Durchgangsland zwischen den NATO-Partnern Deutschland und Italien und fürchteten dessen Neutralisierung. Zwischenzeitlich verlangte sogar Brasilien vor der UNO die österreichische Unabhänggkeit bald wiederherzustellen. Den Russen konnte man den Staatsvertrag schließlich mit Öllieferungen und dem Versprechen der Neutralität abkaufen. Mit dieser freundeten sich letztendlich auch die Amis an, zumal sie, wie die Sowjets, nicht im Traum daran dachten sie im Kriegsfall zu respektieren. Das war im Übrigen auch der Grund, warum die deutsche Botschaft dem Auswärtigen Amt empfahl zur österreichischen Neutralität keine Stellungnahme abzugeben. Man sei vielleicht in Zukunft gezwungen diese zu missachten. Den Österreichern war es vor allem wichtig eine Passage aus dem Vertrag zu bekommen: die zur Schuldfrage. In der Vorverhandlungen war es nicht möglich gewesen der Sowjetunion dies abzuringen. Sie hielt an der Mitschuld Österreichs, die von ihr bereits in die Moskauer Deklaration reklamiert worden war, fest. Die Österreicher versuchten es weiter. Tatsächlich gelang es Außenminister Leopold Figl, quasi auf den letzten Abdruck, am Vortag die Passage streichen zu lassen. Österreich hatte sich von der rechtlichen Verantwortung befreit, von de moralischen eher nicht.
Wussten Sie schon?
Minister können in Österreich nicht Verfassungsrichter sein, Staatssekretäre schon.
20. Dezember
Land der Verräter
Die grauslichste Form des Opportunismus ist der Verrat, leider auch eine Disziplin in der die Österreicher nicht unbeschlagen sind. Wenn man einmal von den bekannten Erzverrätern quislingschen Ausmaßes wie Seyß-Inquart absieht, bleibt immer noch ein großer Rest über, von denen die meisten zwischen '38 und '45 Karriere machen konnten. Ein Musterbeispiel war der Burgschauspieler Otto Hartmann, der in die konservative „Großösterreichische Freiheitsbewegung“ aufgenommen worden war und diese 1940 an die Gestapo verriet. Etwa 200 Mitglieder und Sympathisanten wurden verhaftet und zwölf von ihnen hingerichtet. Hartmann erhielt 30.000 Reichsmark als Belohnung und machte sich daran die nächste Widerstandsbewegung zu infiltrieren, diesmal bei den Kommunisten. Auch hier gelang ihm der Verrat, die Mitglieder wurden Verhaftet, der Anführer wurde hingerichtet. Erst als Hartmann begann mit seiner Tätigkeit zu prahlen wurde sein Treiben von der Gestapo selbst unterbunden. Er fand jedoch gefällige Aufnahme bei der Wehrmacht in ähnlicher Funktion und konnte sogar nach dem Krieg - wohlgemerkt durch seine „guten Kontakte zum ehemaligen Widerstand“ - in den Polizeidienst des neuen Österreich wechseln. Schließlicht verhafteten ihn die Franzosen, ein Volksgericht verurteilte ihn zum Tode. Doch die Nachsichtigkeit der hiesigen Entnazifizierungsmaßnahmen kam ihm zur Hilfe: Hartmann wurde bereits 1957 begnadigt und starb erst im 90. Lebensjahr 1994 in Wien.
Wussten Sie schon?
Österreich verfügt über zwei Satelliten im Weltall und hat ein eigenes Weltraumgesetz.
19. Dezember
Die Überwindungsfähigkeit Österreichischer Politiker ist praktisch grenzenlos wenn es darum geht Liebgewonnenes hinter sich zu lassen, um weiterhin ausgiebig dem Volk dienen zu können. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Konvolut an gescheiterten Weltverbesserern das seit einigen Jahren innerhalb des rechten Parteienspektrums als Wanderpokal herumgereicht wird. Martina Schmitz rechtfertigte ihren FPÖ-BZÖ-TS-Wechsel mit den geänderten Arbeitsverhältnissen im 21. Jahrhundert. Immerhin sei es keine Schande in 21 Jahren dreimal den Arbeitgeber zu wechseln. Das mag für Installateure und Manager gelten, aber auch für Politiker? Wenn man einen Arbeitsplatz wechselt, dann wolh meist der Karriere wegen. Vielen freiheitlichen Politikern dürfte es da nicht anders gegangen sein, als sie 2005 ihrem Mentor Haider in das neugegründete BZÖ folgten nur um dann bald nach seinem Tod ihrem neuen Anführer Dörfler und seinen Strippenziehern den Scheuchs in die FPÖ-Tochterfirma FPK zu folgen und nach deren kurzlichen Politkunkurs wieder in den Mutterkonzern heimzukehren. Freilich dämmerte auch den BZÖ-Abgeordneten in Wien, die den Absprung zum FPK verpasst hatten oder dafür zu wenig rechts waren, dass die Zukunft des danach benannten Bündnisses nicht mehr allzu weit reichen würde. Daher suchten dann auch die zuvor Treuesten der Treuen ihr Heil in der Flucht und zwar beim Frank. Und weil auch der Frank nicht jünger und vor allem sein Interesse an der Politik nicht größer wird, zerfällt auch sein Team schon wieder. Seine Truppe in Niederösterreich hat sich für unabhängig erklärt und Sigfried Schalli ist in Kärnten zur FPÖ gewandert - ohne seine Frau natürlich.
Wussten Sie schon?
Bis 1938 war das Österreichische Staatsbürgerschaftsrecht an das Heimatrecht in einer Gemeinde und an die Landesbürgerschaft geknüpft.
18. Dezember
Politische Wiedergänger
Wenn
so eine Diktatur das Zeitliche segnet ist das für ihre Anhänger
mitunter unangenehm. Als gelernter Österreicher macht man da vor allem
eines: Man passt sich an. Das taten auch tausende belastete und
minderbelastete ehemalige Nationalsozialisten nach 1945. Die neuen
Parteien des freien Österreich nahmen sie mit offenen Armen auf, selbst
wenn sie bei der SS gewesen oder am Spiegelgrund Kinder ermordet hatten.
Bei den Roten diente der „Bund Sozialdemokratischer Akademiker“ als
Auffangbecken für die Braunen. Dorthin verschlug es auch den
berüchtigten NS-Arzt Heinrich Gross. Selbst im ersten Kabinett Bruno
Kreiskys wimmelte es nur so vor Altnazis: Innenminister Otto Rösch war
nicht nur NSDAP-Mitglied sondern auch Lehrer an einer NAPOLA gewesen,
auch Bautenminister Josef Moser und Verkehrsminister Erwin Frühbauer
hatten eine NS-Vergangenheit. Nur Landwirtschaftsminister Johann
Öllinger, der bei der SS gendient hatte, musste nach Protesten - formal
aus gesundheitlichen Gründen - zurücktreten. Sein Nachfolger Oskar
Weihs, Minister bis 1986, war sogar schon 1932 der NS-Bewegung
beigetreten. Auch der Burgenländische Landeshauptmann Kery hatte braune
Flecken in seiner Vita. Die Sozialdemokraten standen mit ihrer
überfreundlichen Reintegration von Ex-Nazis natürlich nicht alleine.
Julius Raabs Finanzminister Reinhard Kamitz war vor 1938 für den
NSDAP-Geheimdienst in Österreich tätig gewesen. Der Tiroler
Langzeitlandeshauptmann Eduard Wallnöfer, Schwiegervater von Herwig van
Staa, hatte es gleich für besser befunden seine NSDAP-Mitgliedschaft
nach 1945 unter den Tisch zu kehren. Sie wurde erst nach seinem Tod 2005 öffentlich bekannt.
Dass die FPÖ-Obmänner Anton Reinthaler und Friedrich Peter nicht nur
einfach mal Parteigenossen gewesen, sondern tief in die Machenschaften
des NS-Regimes verstrickt waren, dürfte freilich die wenigsten
überraschen. Reintahler war Minister im Kabinett Seyß-Inquart Minister
und später NS-Reichstagsabgeordneter gewesen, nebenbei bekleidete er den
Rang eines SS-Obergruppenführers. Peter war dort Obersturmführer in
einer an massiven Verbrechen beteiligten Einheit gewesen. Sonderlichen
Opportunismus kann man den freiheitlichen Parteigranden allerdings kaum
vorwerfen, sie blieben nach '45 ihren Überzeugungen ja mehr oder weniger
treu.Wussten Sie schon?
Erst 150 Jahre nach dem Erwerb des Landes besuchte erstmals ein Fürst von Liechtenstein das nach ihm benannte Gebiet.
17. Dezember
Nomen est omen
Wenn
die Zeit so ins Land zieht, und mit ihr die Regime, werden in einem
Land wie Österreich so einige Umbenennungen fällig. Nach 1918 mussten
logischerweise sowohl der Kaiserin-Zita-, also auch der Kaiser-Karl-Ring
weichen. Zumindest den Franz-Josephs-Kai und die Habsburgergasse ließ
man ihnen. Das Ring-Stück vor dem Parlament machte eine besonders
wechselhafte Geschichte durch vom Franzensring (Monarchie - nach dem
Kaiser) zum Ring des 12. November (I. Republik - an diesem Tag wurde
selbige ausgerufen) über den Dr.-Ignaz-Seipel-Ring (Austrofaschismus und
Beginn der II. Republik - nach dem christlichsozialen Bundeskanzler),
dann Josef-Bürckel-Ring (Nationalsozialismus - nach dem damaligen
Gauleiter) und ab 1949 Parlamentsring bis er schließlich nach dessen Tod
nach dem ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik benannt wurde.
Dass man gewisse peinliche Änderungen, insbesondere jene nach 1938,
zurückgenommen hat, scheint verständlich. Wer möchte denn beim Wiener
Christkindelmarkt über den Adolf-Hitler-Platz gehen? Übrigens wäre das
steirische Judenburg vom NS-Regime angeblich beinahe in Zirbenstadt
umbenannt worden, entging diesem Schicksal jedoch knapp, auch wenn der
Jude aus dem Stadtwappen weichen musste. Nach '45 waren die Österreicher
dann wie gesagt fleißig im Rückumbenennen, zum Teil sogar überfleißig.
Dass etwa der Hermann-Göring-Platz hinter der Votivkirche stante pede in
Roosevelt-Platz umbenannt wurde veranschaulicht die Wiener
Wandlungsfähigkeit wieder einmal sehr plastisch. Anderswo war man
standfester: Im niederösterreichischen Mank gibt es noch heute einen
Dr.-Dollfuß-Platz.Wussten Sie schon?
Die Dänen verkauften 1917 ihre Westindische Kollonie auf den Antillen für 25 Millionen Dollar an die USA.
16. Dezember
Der OGH und die Querulanten
Interessanterweise
sind die Querulanten juristisch vor allem ein Fall für das
Verwaltungsrecht. Dort können sie sich austoben, dort kann ihnen mittels
Mutwillsstrafen gegebenenfalls Einhalt geboten werden. Die ordentlichen
Gerichte haben mit dererlei Menschen vor allem zu tun, wenn es um die
Justizverwaltung oder um Besachwaltungen geht. Wenn jemand nämlich ohne
Rücksicht auf die eigenen Finanzlage herumqueruliert, kann ihm ttsächlich zum eigenen Schutz vom Gericht ein
Sachwalter beigestellt werden. Laut Oberstem Gerichtshof muss es dem
unter Kuratel Gestellten dabei unmöglich sein „die notwendige Kritik und
Selbstkritik
aufzubringen, so daß er sich immer wieder in Handlungen einläßt, die ihm
schließlich zu persönlichem und materiellem Nachteil gereichen müssen“ (8Ob529/89).
Tragikomischerweise berufen Querulanten gegen Besachwaltungsurteile
dann meistens auch noch einmal bis zur Höchstinstanz, dann ist
allerdings Schluss. Die Abneigung gegen solche Leute ist bei den
Letztinstanzen dementsprechend ausgeprägt. Kein Wunder: In Deutschland
wird geschätzt, dass 80% aller höchstgerichtlichen Entscheidungen auf
Querulanten zurückzuführen sind. Dabei wird ihnen sogar eine gewisse
positive Rolle bei der Ausprägung der Rechtsordnung zugestanden. Dem OGH
sind die Leute naturgemäß zuwider. Es verwundert daher wenig, dass er
sich vehement gegen die Verfassungsbeschwerde gegen Urteile der
ordentlichen Gerichte aussprach. OGH-Präsident Eckart Ratz nannte sie
sogar eine „Querulantenbeschwerde“ (Die Presse).
Eigentlich komisch: Wenn jemand gegen ein OGH-Urteil an den VfGH beruft,
hat ja der dann den Scherben auf, ersterem könnte das getrost wurscht
sein.Wussten Sie schon?
Kaiser Leopold I. heiratete seine eigene Nichte, die ihn auch in der Ehe weiterhin Onkel nannte.
15. Dezember
Kaiser Karl
Kaiser
Karl war keine besondere Zierde seines Geschlechtes: Von einer Biederen
Mutter erzogen blib ihm sein wesentlich weniger biederer Vater Otto
eher fremd. Bei ihm herrschte wie bei den meisten Habsburgern das
Mittelmaß vor. In seiner Katholizität wurde er höchstens noch von seiner
Frau übertroffen. Den Krieg zu beenden war er nicht in der Lage und den
Versuch den er dazu machte stritt er später ab. Als es ab 1917 dann
schon nicht mehr so gut lief, versuchte er seinen Thron zu retten, indem
er mit den Sozialdemokraten paktierte. Vom Reichsrat durch das
Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz mit umfassenden Vollmachten
ausgestattet erließ er einiges an Sozialgesetzgebung, das die
Christlichsozialen später gerne zurückgenommen hätten. Um die Roten
günstig zu stimmen begandigte er 1918 sogar den ursprünglich zum Tode
verurteilten Friedrich Adler, der zwei Jahre zuvor den k. k.
Ministerpräsidenten Graf Stürgkh erschossen hatte, und stellte ihm für
die Heimfahrt vom Gefängnis sein eigenes Auto zur Verfügung. Am Ende
halft alles nichts, Karl musste gehen und starb 1922 auf Madeira. Der
„Friedensfürst“, der 1917 den Einsatz von Giftgas am Isonzo
mittrug, wurde schließlich 2004 vom Papst selig gesprochen, er hatte eine
brasilianische Nonne von den Krampfadern geheilt.
Wussten Sie schon?
Baarle
Hertog ist eine belgische Gemeinde die aus 20 Exklaven in den
Niederlanden besthet, in denen sich wiederum sieben niederländische
Enklaven befinden.
14. Dezember
Renner II
Man
kann sich nicht mit den Themen Österreich und Opportunismus
beschäftigen und nur einmal auf Karl Renner eingehen. In der Tat ist
dieser Großmeister des politischen Richtunsgwechsels nur halb bedient,
wenn man ihn auf seine Rolle beim Anschluss Österreichs reduziert. Von
faszinierender Schillerndheit war auch sein weg zurück zur Macht im
Jahre 1945. Angeblich, so behauptete er später, habe er sich bei den
Russen nur über die Behandlung der Bevölkerung beschweren wollen. Dem
reinen Zufall war es natürlich zu verdanken, dass der damals 74jährige
beim nächstbesten Sowjetmarschall landete. Dieser, Fjodor Tolbuchin,
hatte von Stalin bereits den Auftrag erhalten nach dem alten Tattergreis
Ausschau zu halten. Beide hatten sich in ihren Schriften mit dem
Spannungsfeld zwischen Nation und Sozialismus beschäftigt, mag sein,
dass Stalin Renner daher respektierte. Jedenfalls wies er seine Truppen
an, Renner bei der Bildung einer Übergangsregierung zu unterstützen.
Dafür dankte der Staatskanzler a. D. „Seiner Exzellenz Marschall Stalin
persönlich wie im Namen der Arbeiterklasse Österreichs aufrichtigst
und ergebenst.“ Er bringe, so telegraphierte der alte Fuchs weiter, dem
Führer der Sowjetunion „grenzenloses Vertrauen“ entgegen. Der „werte
Genosse Stalin“ sprang auf die Schmeicheleien an, Renner erhielt die
volle Rückendeckung der Russen, eine Tatsache, die zwar die
Westalliierten mehr als misstrauisch gegenüber seiner Regierung machte,
Österreich aber mittelfristig eine einheitliche Führung sicherte und
es somit vor der Teilung bewahrte. Renners Schwager bestätigte später
das Kalkül hinter dessen Handeln. Er habe „die Russen fein
hineingelegt.“Wussten Sie schon?
Bis 1891 war die Prager Zeit die offizielle Zonenzeit der österreichisch-ungarischen Monarchie.
13. Dezember
Schlimmer geht's nimmer - der Herr Karl
Ein
Freund von Helmut Qualtinger arbeitete in einer Greißlerei, da gab es
einen Lageristen, so fing die Sache an. Aus den Aussagen des genannten
Herrn und weiteren Essenzen des österreichischen Vor-, Während-, und
Nachkriegsopportunismus schmiedete Qualtinger gemeinsam mit Carl Merz
den Herrn Karl. Qualtinger war auf Skandale abonniert: Bei der Aufführung
seines ersten Stücks musste die Polizei ausrücken, weil das Publikum
lautstark die Todesstrafe für den Autor forderte. Die Reaktionen auf das
Portraits des damaligen Durchschnittsösterreichers - außen rot, innen
braun und immer ein bisserl betrunken - waren ebenfalls aufbrausend bis
hysterisch. Die Telefonleitungen des ORF, der das Ein-Mann-Stück
ausgestrahlt hatte, liefen heiß. Die FAZ berichtete, man haben den
Österreichern „mehr Wahrheiten ins Gesicht“ gehalten, „als sie während
der
letzten 16 Jahre... zu hören bekamen.“ Der Spiegel konstatierte der Herr
Karl sei ein „unsympathischer Dickwanst mit talmigoldenem Wiener-Herzen
auf dem
unrechten Fleck; er geht mit biedermännischem Charme über Leichen,
stets bereit zum Mitlaufen.“ Ein Bild das sich beim Lesen des Stücks nur
bestätigt: „Da war a Jud im Gemeindebau, a gewisser Tennenbaum. Sonst a netter Mensch. Da ham's so Sachen gegen de Nazi g'schrieben auf de Trottoir .. und der Tennenbaum hat des aufwischen müssen. Net er allan, de anderen Juden eh aa... i hab ihm hingführt, dass ers aufwischt. Der Hausmeister hat glacht, er war immer bei a Hetz dabei. ... Nochn Kriag is er zurückgekommen. Der Tennenbaum. Ich grüße ihn. Er schaut mich net an. Hab i ma denkt: na bitte, jetzt is er bees, der Tennenbaum. Dabei: Irgendwer hätt's ja wegwischen müssen!“
Der Versuch, den Österreichern einen Spiegel vors Gesicht zu halten, verfehlte auch diesmal seine Wirkung nicht. Ein führender Politiker ließ einem der Zuständigen im ORF ausrichten, er gehöre nach Sibirien und Qualtinger erhielt wieder einmal Morddrohungen.
Wussten Sie schon?
Mit den „Wiener Lokalbahnen Cargo“ besitzt die Stadt Wien ein eigenes Eisenbahngütertransportunternehmen, das europaweit tätig ist.
12. Dezember
Der Pornojäger
In
der Liste der großen österreichischen Querulanten nimmt Martin Humer
eine besondere Stelle ein. Die als Pornojäger bekannt gewordene
erzkatholische Rampensau war nicht nur gegen die liederliche Darstellung
menschlicher Fleischeslust, sondern auch gegen Abtreibung,
Sexualerziehung, Prostitution und Homosexualität zu Felde gezogen. Sein Pornoarchiv füllte - zu rein wissenschaftlichen Zwecken
versteht sich - drei Räume seiner Wohnung. Die Opferbereitschaft Humers
war dabei grenzenlos. Irgendwer müsse schließlich „die schwere Arbeit auf
sich nehmen und das alles sichten.“ Ein Standard-Artikel beschreibt
seine Tätigkeit recht eindrucksvoll:
„Er habe, klagte der gottesfürchtige Wächter, ein hartes Los: Mit dem ersten Hahnenschrei stehe er auf – und zöge sich den ersten Porno rein. Dann erst habe er Zeit für das Morgengebet. Dann gäbe es noch ein zwei Pornos, dann Frühstück. Zwischen den Vormittagspornos, einer kleinen Andacht und dem Mittagessen setze er Schriftsätze auf.“ Standard
Darsteller, Regiseure, Erotikshopbesitzer und Trafikanten: Humer
zeigte sie alle an, auch wenn die Justiz an seiner Tätigkeit ein eher
untegeordnetes Interesse zeigte. Diese - so der nebenberufliche Jugendschutzbeauftragte
von babycaust.de - sei schließlich korrupt. Doch auch die von ihm
initiierte Unterschriftensammlung gegen (!) den Rücktritt von Kurt Krenn
zeigte keine Wirkung. Immerhin in Vorarlberg schenkte man ihm gehör.
Dort gelang es ihm in den 80ern ein polizeilich kontrolliertes
Jugenverbot gegen ein deutsches Aufklärungsstück zu erwirken. Humer
bestritt, bis zu seinem Tod 2011, seine weitere Karriere mit der
Zerstörung moderner Kunst, dem Abladen von Mist vor dem Burgtheater und
der Leugnung des Holocaust. Kreuz.net wird ihn vermissen.
Wussten Sie schon?
Die heute in Serbien liegende Stadt Subotica hieß bis 1918 Maria-Theresiopel.
11. Dezember
Österreich, hier wird Ihnen versprochen
Österreich
ist das Land der unbegrenzten Versprechungen, wohlgemerkt auch jenes
der bregrenzten Haltungen. Als nach dem Ersten Weltkrieg in Kärnten über
den Verbleib bei Österreich abgestimmt wurde, schwor man den
slowenischsprachigen Einheimischen das Blaue vom Himmel herab.
Zweisprachige Schulen, Gleichberechtigung, von Ortstafeln gar nicht zu
reden. Kaum hatten sie ihr Kreuzerl gemacht, waren die Versprechungen
vergessen. Ähnlich ging es dem Burgenland. Um beim Anschluss des Landes
und insbesondere bei der Ödenburger Abstimmung auch den Adel auf die
österreichische Seite zu ziehen, wurde bei der Übertragung der
Bundesgesetze auf das Burgenland das Adelsaufhebungsgesetz von 1919
absichtlich aufgeklammert. Immerhin wollte man nicht eine Familie,
nämlich die Esterhazys, verärgern, der mehr als die Hälfte des ganzen
Burgenlandes gehörte. Kaum war das Gebiet österreichisch und Ödenburg
verloren, war die Sache ebenso gegessen wie die Selbstbestimmungsrechte
der Kärntner Slowenen. Allerdings wurde erst mit dem Ersten
Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz 2008 auch die Gültigkeit der
Adelsaufhebung im Burgenland ex lege festgestellt. Manchmal dauert es
hierzulande sogar lange, bis Versprechungen gebrochen werden.Wussten Sie schon?
Der Turm des Neuen Doms in Linz sieht deshalb so gedrungen aus weil er, wie alle Gebäude in der österreichisch-ungarischen Monarchie, nicht höher als der Stephansdom in Wien sein durfte.
10. Dezember
Leg dich nicht mit den Bauern an
Sie
sind im Nationalrat mehr als überrepräsentiert und bilden ein Bollwerk
innerhalb der ÖVP: die Bauern. Ob es darum geht den günstigeren
Agrardiesel zu verteidigen oder neue
Landwirtschaftsflächenbemessungsmethoden der EU zu kritisieren, die
Standesvertreter der österreichischen Agrarökonomen stehen stets zur Stelle. Selbst der Verfassungsgerichtshof muss dran glauben, wenn er
sich erdreistet das vor Jahrzehnten illegal übertragene Staatseigentum
der Agrargemeinden den Eigentümern zurückzugeben. Aber auch die eigene
Zunft ist vor dem Bauernbund in Verbindung mit seiner Zwillingsschwester - der Raiffeisenbank - nicht sicher, wie folgendes Beispiel aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofes eindrucksvoll
belegt: „Im Jahr 1987 wurden etwa 20.000
bis 25.000 t Bruchreis nach Österreich importiert. Damit konnte anderes
Futtergetreide zu 100 % ersetzt werden, so daß dieses jetzt exportiert
werden mußte. Das führte im folgenden Jahr wegen des Ansteigens
gestützter Getreideexporte zu einer Erhöhung des
Verwertungskostenbeitrages für die einzelnen Landwirte. Im Frühjahr 1987
kam es deshalb zu einer Protestwelle der Bauernschaft. Über diese
Usmtände wurde damals sowohl in der Fach- als auch in der Allgemeinen
Presse wiederholt berichtet; sie waren daher jedem Landwirt bekannt. Im
Zusammenhang mit den Importen von Bruchreis gab es im Raum Grieskirchen
in Peuerbach eine Bauerndemonstration. Dort hatte ein Landwirt völlig
legal Bruchreis gekauft; er wurde deshalb von Bauernbundfunktionären als
"Querulant und Streikbrecher" hingestellt. Es kam sogar zu einer
Blockade seiner Laderampe, die erst wieder mit Hilfe der Gendarmerie
freigemacht werden konnte. Angesichts des Unmutes in der Bauernschaft
nahm der Raiffeisensektor von Importen von Bruchreis Abstand, obwohl sie
wirtschaftliche Vorteile gebracht hätten. Im Jänner 1988 erließ das
Wirtschaftsministerium - offenbar auf Vorschlag der Präsidentenkonferenz
der Österreichischen Landwirtschaftskammern - eine Notverordnung,
welche die Jahresimporte von Bruchreis auf 22.500 t für die
Brauindustrie und 2.500 t für sonstige Zwecke begrenzte.“ 4Ob71/90
Wussten Sie schon?
1918 waren auch die Namen „Deutsche Alpenlande“, „Hochdeutschland“ ,
„Donau-Germanien“ , „Treumark“ , „Deutsches Friedland“ und „Norische
Republik“ für den Staat Österreich im Gespräch.
9. Dezember
Da Papa wird's scho richten
Felix
Hurdes war ein engagierter Österreicher und ÖVP-Politiker. 1945 begann
er seine Nachkriegskarriere als schwarzer Generalsekretär,
Unterrichtsminister, Abgeordneter und Rechtsanwalt. Als gelernter
Österreicher war er natürlich hervorragend vernetzt, bis zu einem Grad
den man hierzulande als Verhaberung bezeichnen könnte. Man konnte ihn
auf allen Veranstaltungen finden, die man als Mensch mit Einfluss - vor
allem wenn man diesen zu behalten gedachte - zu jener Zeit besuchen
musste. Von ihm stammt daher auch der vielsagende Satz „Nehmt's mir net
übel, wenn i' heut net mehr aufsteh. Das ist heut' mein vierter Ball.“
Als der Sohn des damaligen Nationalratspräsidenten Hurdes in einen eher
ungustiösen Autounfall verwickelt war, erschien es dem Herrn Papa
opportun nach österreichischer Manier die Sache auszubügeln.
Dummerweise wurde die Geschichte öffentlich, ein Parlamentsmitarbeiter,
der darin verwickelt gewesen sein soll, wurde zur Strafe in den
Kohlenkeller verbannt. Die Kaberettisten Bronner und Qualtinger griffen
die Story auf und verwerteten sie in ihrem Lied „Der Papa wird’s schon richten“,
das in einer ORF-Sendung live ausgestrahlt wurde. In der Volkspartei
begann man die Messer zu wetzen. Hurdes Amt als Präsident des
Nationalrates endete noch im selben Jahr mit Ablauf der
Legislaturperiode.Wussten Sie schon?
Die Mitteleuropäische Zeit wurde in Frankreich erst mit dem deutschen Einmarsch 1940 eingefüht, Monaco folgte fünf Jahre später.
8. Dezember
Wie die ÖVP beinahe die FPÖ geschluckt hätte
Bei
der Nationalratswahl 1945 waren die ehemaligen Nationalsozialisten von
der Wahl ausgeschlossen worden, ein Verbot das für den Urnengang 1949
fallen sollte. Entsprechend intensiv bemühten sich ÖVP und SPÖ um die
Stimmen der „Ehemaligen“. Vor allem die Volkspartei versuchte das
scheinbar bürgerliche Lager zusammenzuhalten und versammelte durch ihren
Minister Alfred Maleta einige Ex-Nazis im Haus dessen Schwiegervaters
in Oberweis in der Nähe von Gmunden. An der Besprechung nahmen unter
anderem Ernst Wührer, der Asjutant Kaltenbrunners und der NS-Professor
Taras Borodajkewycz teil. Der ÖVP lag daran die Gründung eines
Sammelbeckens der Ehemaligen zu verhindern, aus diesem Grund wurde mit
den Braunen für den Fall ihres Engagements für die Schwarzen fleißig um Posten geschachert. Der ebenfalls anwesende
spätere Bundeskanzler Julius Raab soll bei der
Gelegenheit die Bemerkung fallen gelassen habe, er sei ohnehin nie
Demokrat gewesen. Borodajkewycz verlangte die Ablösung des
parteilosen Justizministers Gerö, der von den Nazis als Halbjude
verfolgt worden war. Außerdem sollte der nächste
Bundespräsidentschaftskandidat der ÖVP mit Unterstützung der Altnazis
ausgewählt werden. Als Draufgabe verlangte man schließlich angeblich noch
25 Abgeordnetensitze über die ÖVP-Liste zu bekommen und diese vom
Klubzwang freizustellen. Die Forderungen waren der ÖVP letztendlich doch
zu hoch, vor allem nachdem das Gespräch in der Öffentlichkeit bekannt
geworden und schwer kritisiert worden war. Die SPÖ forcierte gleichzeitig die Gründung einer Auffangpartei für ehemalige NSDAP-Anhänger, vor allem um der ÖVP zu schaden. Als Konsequenz trat der
Verband der Unabhängigen, der 1956 in die FPÖ überging, bei der
Nationalratswahl 1949 an und zog mit 16 Abgeordneten ins Parlament ein. Der Rest ist Geschichte.
Wussten Sie schon?
Elisabeth Plainacher (1513-1583) war die einzige Person, die in Wien als Hexe hingerichtet wurde.
7. Dezember
Querulantoptimus Renner
Ein Historiker hat einmal gemeint
Karl Renner habe den Opportunismus ins Großartige gesteigert, dem
kann kaum widersprochen werden. Immerhin stimmte er in einem
Zeitungsinterview 1938 dem Anschluss zu nur um ihn dann in der
österreichischen Unabhängigkeitserklärung als militärischen
Überfall mit Unterstützung einer „nazifaschistischen Minderheit
im Innern“ darzustellen. Wenig bekannt ist allerdings dass Renner,
gestützt auf die Opferthese, von den Deutschen Reparationen
verlangen wollte. Angeblich hatte er sogar an Gebietsabtretungen –
das deutsche Eck sei im Gespräch gewesen – gedacht. Die Alliierten
hielten das ganze jedoch ebenso für eine Schnapsidee wie naturgemäß
die Deutschen. Adenauer soll gemeint haben, wenn die Österreicher
Reparationen forderten werde er ihnen die Gebeine Hitlers schicken.
Von einer weiteren Vertiefung der Thematik wurde
österreichischerseits abgesehen, immerhin hatte man schon das
gesamte deutsche Eigentum im Land verstaatlicht.
Wussten Sie schon?
Bad Sauerbrunn war die erste de facto Hauptstadt des Burgenlandes.
Abwehrkrampf
Kaum ein politischer Konflikt
war in der Zweiten Republik so virulent wie der Ortstafelstreit in
Kärnten. Dabei sind die Rollen scheinbar gleich verteilt:
slowenischsprachige gegen deutschsprachige Kärntner, die Windischen
irgendwo dazwischen. So schwarz-weiß ist das Bild vom gespaltenen
Kärnten nun doch wieder nicht. Wirft man einen scharfen Blick auf
die Volksabstimmung von 1920 findet man dort jede menge
opportunistisches Stimmverhalten. Die slowenischen Frauen sollten mit
dem Hinweis auf die Wehrpflicht im SHS-Staat zur Stimmabgabe für
Österreich motiviert werden. Sonst, so die Propaganda, müssten ihre
Söhne für König Peter in den Krieg. Tatsächlich was die
Abstimmungszone A genau so bemessen worden, dasss sie an das
Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gefallen wäre, wenn
alle slowenischsprachigen Einwohner entsprechend abgestimmt hätten,
was sie aber nicht taten. Allerdings unterstützten unerwartet viele
Kärntner in der mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinde Ferlach den
Anschluss an das spätere Jugoslawien und zwar ebenfalls wegen der
Wehrpflicht. In Ferlach werden traditionell viele Waffen hergestellt.
Von der südslawischen Wehrpflicht erhoffte man sich einen besseren
Absatzmarkt als vom österreichischen Berufsheer.
Wussten Sie schon?
Da in Louisiana als ehemaliger französischer Kolonie nach wie vor in
weiten Teilen Recht auf Basis des Code Napoleon gilt, haben Anwälte aus
anderen US-Bundesstaaten dort keine Zulassung.
5. Dezember
Statthalters Linsensuppe
Arthur
Seyß-Inquart war ein gebürtiger Sudetendeutscher, der in Wien als
Rechtsanwalt diente bis er sich entschied Nationalsozialist zu werden.
Als sich die Österreicher entschieden Österreich an den Teufel zu
verschachern war Herr Seyß-Inquart zur Stelle um die Abwicklung zu
erledigen. Die Deutschen verlangten ein Telegramm mit dem der
Bundespräsident Willhelm Miklas deutsche Truppen anfordern sollte. Seyß
konnte ihn nicht überreden, weshalb man in Berlin so tat als wäre ein
entsprechendes Telegramm angekommen und darauf antwortete. Als er dann
auf irgendeine Weise Kanzer geworden war versuchte er noch den Einmarsch
aufzuhalten, vergebens. Bald war er nur noch Reichsstatthalter, ein
österreichischer Quisling. Der Schriftsteller Joseph Roth schrieb ihm
aus seinem frabzösischen Exil einen Brief in dem er sein Ausscheiden aus
der österreischen Armee verkündete, um jeder Gefahr entgegenzutreten in
einer deutschen Soldatenliste geführt zu werden. Er hoffe, so Roth, mit
seinem Anliegen nicht zu hohe Ansprüche an Seyßes Skrupelhaftigkeit zu
stellen, zumal er sein Land „um das Linsengericht einer Statthalterei“
verkauft habe. Er fürchte außerdem seine militärischen Auszeichnungen
könnten zu seiner Einberufung führen:„...ich habe niemals von meinen Auszeichnungen gesprochen, Herr Statthalter, sondern ich spreche von ihnen in diesem Augenblick erst, in dem Sie mich durch Ihren Mangel an menschlicher Ausgezeichnetheit mittelbar veranlassen, Ihnen zu sagen, daß meine soldatischen Eigenschaften in der Stunde des Abenteuers, das Ihr Führer vorbereitet, nicht Ihrer österreichischen Statthalterei und nicht dem jüngst erfundenen und erzwungenen neuen „Großdeutschland“ dienen werde, sondern dessen Feinden... Ich will es vermeiden, daß ich etwa eine Auszeichnung von einem österreichischen Statthalter Ihrer Art erhalte, und bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich kein österreichischer Soldat mehr bin.“Arthru Seyß-Inquart wurde in der Folge zum Statthalter der Niederlande und schließlich für seine Beteiligung am nationalsozialistischen Völkermord von einem Nürnberger Scharfrichter zum Tode befördert. Man könnte fast glauben es gäbe sowas wie Gerechtigkeit.
Wussten Sie schon?
Im Schweizer Kanton Graubünden gab es früher für Katholiken und Protestanten gertennte Regierungen, bis hin zu den Postdiensten.
4. Dezember
Der Obersthofopportunist
Am
Hof der Habsburger war opportunistisches Verhalten an der Tagesordnung.
Je nach Rang und Amt versuchten die diversen Schranzen sich gegenseitig
eins auszuwischen beziehungsweise dem Mitglied des kaiserlichen Hauses,
unter dessen Protektion sie standen, damit zu dienen in dem sie dessen
Feinde zu den eigenen zu machten. Unter all diesen Schattengestalten
nahm Fürst Alfred von Montenuovo eine besondere Stellung ein. Er war ein
Enkel aus zweiter Ehe der Erzherzogin Marie-Louise, der vormaligen
Gattin Napoleons, und Obersthofmeister Kaiser Franz Josephs sowie dessen
Nachfolgers Karl. Wer zum Kaiser wollte, musste an ihm vorbei.
Besonders eindrücklich findet sich dieser Umstand in Joseph Roths Roman
Radetzkymarsch beschrieben, in dem der Bezirkshauptmann von Trotta
versucht eine Audienz zu erhalten, um seinen Sohn zu retten. Der
Obersthofkeister hatte einen Erzfeind, das war der Erzherzog-Thronfolger
Franz Ferdinand. Wie die Großmutter Montenuovos hatte auch dieser
morganatisch, also unter Stand geheiratet, nämlich eine Gräfin Chotek,
die spätere Herzogin von Hohenberg. Der Standesunterschied wurde unter
den scharfen Augen des kaiserlichen Hofbeamten stets hervorgestrichen.
Die Gattin Franz Ferdinands musste vor jedem Mitglieg des Kaiserhauses
den Hofknicks machen. Außerdem durften der Thronfolger und seine Frau
laut Protokoll nicht im selben Wagen fahren. Doch Sarajevo war weit weg
von Wien und weit weg von Montenuovo. Die seltene gemeinsame Autofahrt
wurde auch Sophie von Chotek zum Verhängnis, die Verachtung des
Obersthofmeisters bekam sie dafür selbst noch im Tod zu spüren. Er
erließ folgende Anordnung: „Weiland Ihre Hoheit Herzogin von Hohenberg
kann als nicht ebenbürtige Gemahlin nicht mit einer Hoftrauer betrauert
werden.“ Ihr Sarg wurde einen halben Meter tiefer gestellt als der ihres
Ehemannes und davor wurden ein Paar Handschuhe und ein Fächer
hingelegt, die Insignien einer Hofdame.Wussten Sie schon?
Die Queen hat eine leichte Sonnenallergie, die Konsequenz einer Erbkrankheit, deren schwerere Form George III. zeitweise geisteskrank und regierungsunfähig machte.
3. Dezember
Der Querulant im österreichischen Recht
Ein
Land, in dem dem Querulantismus publizistische Denkmäler wie „Der
Bockerer“ errrichtet wurden und in dem man ihn quasi
zum Nationalethos erhoben hat, bedarf selbstverständlich detallierter
gesetzlicher Bestimmungen zur Eindämmung desselben. Da der Österreicher
von Natur aus obrigkeitsgläubig und reaktionär eingestellt ist, bildet
diese Form des legalen Widerstandes gewissermaßen ein natürliches
Regulativ. Als Querulant kann man unter vollständiger und demütiger
Beachtung aller staatlichen Autoritäten selbigen das Leben zur Hölle
machen. Nichts ist für einen Beamten so schrecklich wie ein Bürger, der
hartnäckig auf seinem (vermeintlichen) Recht besteht. Um solche
Einschreiter loszuwerden, lauert der geplagte Staatsdiener wie ein
Raubtier darauf, dass sein Peiniger den entscheidenden Fehler begeht: Er
muss sinnlose Eingaben machen. Solange er nur nervt, aber sich auf
Gesetze berufen kann, bleiben dem Amt die Hände gebunden. Andernfalls
kann es mit Mutwillensstrafen zurückschlagen. § 35 des Allgemeinen
Verwaltungsverfahrensgesetzes statuiert, dass gegen „Personen, die
offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in
der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben
machen“ die Behörde eine Bußen bis zu 726 Euro (10.000 Schilling)
verhängen kann. Laut Verwaltungsgerichtshof dient dieses „Mittel zur
Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des
Verwaltungsverfahrens“. Die gesetzliche Keule zur Wahrung der Würde des Verfahrens kommt etwa dann zu tragen, wenn jemand seine
Parkstrafe in 17 Einzelraten überweist oder wenn ein Anwalt sich beispielsweise telefonisch und schriftlich beschwert (VwGH 95/19/1706). Es ist wohl verständich, dass ein Höchstgericht genervt
reagiert, wenn jemand ständig versucht die Erhebung der Einkommenssteuer
als Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu
bekämpfen (VwGH 0187/77).
Für den Bürger kann es auch ungemütlich werden, wenn er einen Bescheid
anfechten will, weil die Unterschrift des Beamten unleserlich sei
(besonders Beachtenswert die Definition des Begriffes Unterschrift durch
das Gericht: VwGH 94/10/0013).
Auch sollte man davon Abstand nehmen sich beim Verwaltungsgerichtshof
darüber zu beschweren, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde
über den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen hat, da verliert selbst
der Verwaltungsgerichtshof die Geduld (VwGH 93/01/0325). Aber, „what goes around comes around“: Die mitunter schlimmsten Querulanten sind pensionierte Beamte, die sich am Staat rächen wollen:
„Der Antragsteller, der als rechtskundiger Beamter des Bundes (Legationsrat) zum 1. Jänner 1993 in den Ruhestand versetzt worden war, hat seit 1992 ca. 530 Beschwerden und Anträge beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht (Stand 1. Juni 1998). Er betrachtet dies eigener Aussage zufolge als ,Beitrag zum Beschäftigungspaket der Bundesregierung, um 57 Planstellen auszulasten´ ... an anderer Stelle hat er darauf verwiesen, daß ,die kommenden 30 Jahre dem Vergeltungssekkieren der Justiz gewidmet´ seien.“ (VwGH 98/10/0183)
Wussten Sie schon?
Wer in Österreich ab dem 1. Juli 1926 in Kronen und nicht
in Schilling abrechnete, wurde laut Gesetz mit 60.000 Kronen Strafe
belegt.
2. Dezember
Wie Kaiser Franz sein Volk beschiss
Kaiser
Franz, dem sein beamtischer Repressionsapparat den Beinamen „der Gute“
verpasst hat, war ein geplagter Mann. Sein ältester Sohn war ein
epileptischer Trottel, seine Tochter mit dem imperialen Parvenü Napoleon
verheiratet, mit dem er auch noch permanent im Clinch lag und zu guter
Letzt war er auch noch über beide Ohren verschuldet. Mit seinem Volk
hatte er es sich auch schon verscherzt. Den Tirolern und Vorarlbergern
hatte er 1809 per Handschreiben versichert, dass ihre Heimat „nie mehr
von dem Körper des Oesterreichischen Kaiserstaates soll getrennt
werden“, zwei Monate später musste er sie im Frieden von Znaim den
Bayern überschreiben. Als ihm sein Schwiegersohn auch noch eine enorme
Summe als Reparationszahlung abnötigte, war der gute Franz endgültig
erledigt. Er hatte den Krieg großteils über die Ausgabe von Papiergeld
finanziert, das er nun um 80% abwerten ließ. Seine Untertanen verloren
damit vier Fünftel ihrer Ersparnisse, der Staat denselben Teil seiner
Schulden. Franz zog aus der Miesere jedoch keine nachhaltigen Lehren.
Schon fünf Jahre später war der Staat erneut pleite, diesmal nicht nur
wegen der Kriegskosten, sondern auch aufgrund der enormen Summen, die
die Abhaltung des Wiener Kongresses verschlang. Nun ließ der Kaiser das
Papiergeld vorübergehend ganz abschaffen. Die kaiserliche Familie hatte
den Informationsvorteil um den
bevorstehenden Geldwertverlust jedoch genutzt, um ihre Schulden noch
schnell mit den massenhaft kursierenden Banknoten zu bedienen. Die Wut
der Wiener ging schließlich so weit, dass sie am Reiterstandbild des
posthum wesentlich beliebteren Josephs II. ein Plakat anbrachten auf dem
stand: „Josef, was sind das für Zeiten? Steig owa, lass den Franzl
reiten.“
Wussten Sie schon?
Der
aktuelle Text der §§ 211 und 212 des deutschen Strafgesetzbuches stammt
weitestgehend von Roland Freisler, dem Präsidenten des
Volksgerichtshofes in der Zeit des Nationalsozialismus.
1. Dezember
Wie das Montafon sein f behielt
Im
Süden von Bludenz, im hintersten Winkel von Vorarlberg, liegt ein Tal
mit zehn Gemeinden: das Montafon. Der Herrgott weiß, warum es so heißt,
Namensgeber waren wohl die später durch die alemannische Landnahme
assimilierten Romanen. Recht sicher ist, dass die erste Silbe vom
lateinischen mons (Berg) kommt. Im Dialekt heißt die Gegend seit jeher
Muntafu. Das könnte schon alles sein, was es über den Namen dieses
südlichsten aller Vorarlberger Täler zu sagen gibt, wenn da nicht die
Geschichte mit dem „v“ gewesen wäre... Flurnamen
sind in Vorarlberg kein einfaches Pflaster, jahrhundertelang reichte
es, dass es einen Vorarlberger Namen gab, dann mussten plötzlich
deutsche her. Besonders gut sieht man das am Bahnhof von Lauterach, zum
dem jeder Vorarlberger einfach Lutrach sagt, auf dem groß „Lautrach“
steht. Irgendwann fand man es besser in der amtlichen Schreibweise noch
ein „er“ unterzubringen, vielleicht weils deutscher klingt. 1956 machte
sich dann die Landesregierung daran per Verordnung die Schreibweise aller Vorarlberger
Städte, Dörfer, Weiler, Flüsse, Bäche und Wiesen einheitlich
festzulegen. Dabei verfiel man im Bregenzer Landhaus auch auf die Idee
aus orthographischer Gründlichkeit aus dem Montafon ein Montavon zu machen, mit fatalen Folgen. Die
Bevölkerung im Tal, die man natürlich nicht gefragt hatte, begehrte auf:
Es kam zu Versammlungen und Demonstrationen. Die Sache bekam das Ausmaß
einer politischen Krise und wurde als Montafon-Affäre
gehandelt. Der etwas autokratische Landeshauptmann Ulrich Ilg und sein
persönlicher Rasputin, ex-NSDAP-Mitglied und Landesamtsdirektor Elmar
Grabherr, versuchten den Deckel draufzuhalten um einen Gesichtsverlust
zu verhindern - vergebens. Am 6. November 1956 verschafften sich die
Neo-Montavoner in einer Großkundgebung neuerlich Luft. Ein Jahr später
musste der Landeshauptmann nachgeben: Per Erlass vom 18. November 1957
wurde das geraubte „f“ zurückerstattet. Die Montafoner waren zufrieden.
Wussten Sie schon?
In
Norwegen ist es üblich Bilder der Königsfamilie ins Klo zu hängen.
Früher benutzte man dort Zeitungspapier für das persönlichste aller Bedürfnisse, verwendete aber aus Respekt die
dort abgedruckten Bilder des Herrscherhauses nicht, sondern hängte sie
stattdessen auf.
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