© Michael Pammesberger |
Puh Kärnten... Eigentlich habe ich mich lange vor diesem Eintrag gedrückt und lieber vorher Vorarlberg, Tirol, das Burgenland und die Steiermark beackert, denn an Kärnten kann man sich leicht die Finger verbrennen... und die Füße ... und die Zunge ... und die Zähne ausbeißen kann man sich auch dran. Über Kärntner macht man sich in Österreich zwar gern lustig, sie haben die drangsalierten Burgenländer gewissermaßen als Bundesdeppen abgelöst, aber es weist auch viele gefährliche Untiefen auf. Gut, ein Land in dem man sich um Ortstafeln streitet, wo die halblustigsten Faschingssendungen der Republik produziert werden, wo Banken, Stadien, Fußballvereine und Seebühnen keine Erfolge, sondern Skandale produzieren, wo der alte Landeshauptmann volltrunken bei einem Autounfall stirbt und der neue ein Ex-Sparkassendirektor ist, der die vierte Klasse Volksschule wiederholen musste, gibt auch viel Anlass zu lästern. Der Dialekt [Dialeekhd] trägt dazu sein Übriges bei. Aber wie die anderen Österreicher, soll man auch die Kärntner nicht unterschätzen, denn hinter der Fassade der imbezilen Altnazikommune mit Abwehrkomplex versteckt sich... Ja was noch gleich? Na schauen wir mal...
Im Klagenfurter Landhaus steht das Kapitell einer römischen Säule, das ist der Fürstenstein. Auf ihm wurden die Kärntner Herzöge inthronisiert und davor die karantanischen Fürsten. Letztere hatten auf dem Gebiet des heutigen Kärnten eine slawische Herrschaft errichten, Jahrhunderte bevor die ersten deutschsprachigen Baiern einwanderten. Die übernahmen das Land und den Stein, auf dem sich dann - wie erwähnt - ihre Herzöge niederließen. Die Sache hätte in Vergessenheit geraten können, vielleicht hätte man sie andernorts als Zeichen einer gemeinsamen Vergangenheit interpretiert, nicht so in Kärnten. Als Slowenien den Euro bekam und den Fürstenstein auf die Zwei-Cent-Münze prägen ließ, überschlugen sich die Gemüter im südlichsten Bundesland wieder einmal. Die Kärntner Landesregierung beschloss auf Antrag des BZÖ einstimmig:
Jörg Haider ließ den Stein aus dem Landesmuseum ins Landhaus bringen und als Symbol auf dem offiziellen Briefpapier des Landes abbilden. Wäre die Münze etwas höherrangig gewesen, vielleicht hätte man die Kärntner Geschäftsleute aufgerufen sie nicht anzunehmen. Aber so beruhigte sich die Lage nach einiger Zeit wieder und der Stein wurde vom Foyer in den Wappensaal geschafft, wahrscheinlich bis es den Slowenen einfällt eine Briefmarke damit zu zieren.„Das Kollegium der Kärntner Landesregierung soll die Mitglieder der Bundesregierung dringend auffordern, in bilateralen Verhandlungen dafür Sorge zu tragen, dass die Republik Slowenien Abstand davon nimmt, ein zentrales Symbol der Kärntner Landesgeschichte wie den Fürstenstein auf einer von der Republik Slowenien verbreiteten und europaweit als Zahlungsmittel gebräuchlichen Münze zu verwenden.“
Das Land ist eben ein gefährliches Pflaster, was Symbolismus anbelangt. Kärnten hat mehr Narben als das Gesicht eines Burschenschafters und aus manchen Wunden tropft hin und wieder auch Blut. Um sich mit allen Blessuren der Kärntner Seele auseinanderzusetzen reicht hier schlichtweg der Platz nicht. Außerdem könnte man wohl alle klinischen Psychiater der Republik auf dieses komplexe psychotische Wirrwarr aus Paranoia, Na(r)zissmus und Borderline-Syndrom ansetzen, und würde trotzdem nicht viel weiterkommen. Bevor ich mich nun also seitenlang über die Finanzierung des FC-Kärnten, den Ortstafelkonflikt und die Qualifikation der Landespolitik auslasse, versuche ich doch lieber die Schokoladeseite dieses Landes zu beleuchten, auch wenn man landläufig der Meinung ist Schokolade und Kärnten teilten sich nur die Farbe.
Immerhin hat das Land - wo man laut Hymne „mit Blut die Grenze schrieb“ - doch auch einige Highlights zu bieten. Dass etwa Schriftsteller wie Ingeborg Bachmann, Peter Handke oder Peter Turrini ausgerechnet aus Kärnten stammen lässt einen doch staunen. Paul Watzlawick war auch Kärntner, hat's aber noch rechtzeitig rausgeschafft. Man ist dort Experte für Höchst- und Tiefstkultur. Auf eine gewisse Art wirkt das Bundesland wie ein extremeres Österreich. Gerichtsurteile sind maximal Orientierungshilfen, Minderheiten sollen schauen wo sie bleiben, Korruption ist ein Alltagsgeschäft und die Vetternwirtschaft noch ärger als in Wien. Aber wehe jemand erdreistet sich Kärnten von außen zu kritisieren: Seit dem man die Jugoslawen mit Waffen und Volksabstimmung hinter die Karawanken zurückgeworfen hat, kennt man sich mit Abwehrkämpfen aus. Sei es der VfGH in Wien, die EU oder die depperten Steirer: Es braucht sich keiner einzubilden er hätte ein Recht den Kärntnern in irgendwas dreinzureden.
© Michael Pammesberger |
Man kommt aber doch in Versuchung beide Augenbrauen zu heben, wenn man an die teutschen Attitüden eines Bundeslandes denkt, in dem oft genug auf die Slowenen geschimpft wird, wo aber etliche selber eingedeutschte Nachnamen tragen und sogar der NS-Gauleiter Globocnik hieß. Aber wehe, man spricht sie darauf an:
„Ich habe keinen slowenischen Namen. Weil bei uns die Pfarrer alle Slowenen sind, wurde bei mir im Taufschein der Name slowenisch eingetragen statt Slugoutz. Mein Großvater ist aus dem Norden Deutschlands gekommen.“ - Veit Schalle (geb. Slugovc), Staatssekretär a. D.Stellenweise fragt man sich, ob Siegmund Freud nicht doch Kärntner war... Aber ich wollte ja eigentlich von den Schokoseiten sprechen, bei Kärnten rutscht man halt so leicht ins Negative ab... Bemerkenswert ist ja, dass es der erwähnte Sparkassendirektor mit einem manchmal etwas absonderlichen Sinn für Humor...
„Wir sind nicht so Neger wie man glaubt das schreiben zu müssen.“ Gerhard Dörfler... tatsächlich einen der längstwährenden politischen Konflikte der Zweiten Republik lösen konnte. Erstaunlich auch, dass die Sache mittlerweile offenbar schon so vielen in zweiter und dritter Generation auf die Nerven ging, dass man sich zusammenraufte um einen - eigentlich unbefriedigenden, aber immerhin - Kompromiss zu erzielen. Ich hätte vor einiger Zeit noch eher auf die Sanierbarkeit Griechenlands, als auf eine Lösung des Ortstafelstreits gewettet... Dörfler war es auch, der seinen Parteikollegen Ragger „überreden“ konnte die 75€ Weihnachtszuwendung an Opfer des NS-Regimes in Kärnten nicht zu streichen. Dieser hatte bei 143 Mio. € Neuverschuldung mit Sparzwängen argumentiert. Kärnten überrascht einen hin und wieder auch positiv...
...leider aber eben auch anders. Wenn man hört, dass ein Bundesland (Bruttoregionalprodukt 2009 15,37 Mrd. €) Haftungen für eine Bank in Höhe von 19,1 Mrd. € aufnimmt, während die EU - deren BIP in etwa dem tausendfachen Kärntens entspricht - in ihren Rettungsschirm „gerade einmal“ 500 Mrd. € schüttet, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Wenn dann aber nach der Pleite dieser Bank, die von der Republik aufgefangen werden muss, die Landespolitik behauptet, diese wäre ein gutes Geschäft gewesen, fragt man sich, ob die Hauptstadt des Bundeslandes Kärnten nicht Schilda heißt. Gerade eines der wirtschaftlich schwächsten Länder (BRP/Kopf Kärnten 28.500€, Österreich 34.000€, Vorarlberg 35.000€) sollte auf einen konsolidierten Haushalt achten. Aber Kärnten hat mit 4.400€ die höchste Pro-Kopf-Landesverschuldung in Österreich, in Tirol sind es nur etwa 400€. Aber darüber habe ich mich eigentlich eh schon einmal auslgelassen...
Kärnten ist auch das Bundesland mit der höchsten Rate an unehelich geborenen Kindern, eine Tatsache die wohl weniger auf das Lotterleben der Kärntner, als vermutlich vielmehr auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass sich aufgrund des wirtschaftlichen - womöglich auch des geistigen - Klimas kaum Zuwanderer niederlassen, die traditionell eine strengere Ehemoral pflegen. Vermutlich aus demselben Grund ist Kärnten auch das einzige Bundesland, das zwischen 1995 und 2010 einen Bevölkerungsrückgang verzeichnen musste.
Gegen solche Zahlen hilft auch kein sangliches Gejammer á la Kärntnerlied. Auch wenn die höchste Chor-Dichte Österreichs eine der wenigen positiven Zahlen ist, die das Land vorzuweisen hat. Wenn Sie sich fragen wie das klingt, hören Sie sich das besser nicht an. Kärntnerisch ist an und für sich eine Sprache, die man besser singt als spricht. Stellen Sie sich vor, man würde Ihre Zunge ein Jahr lang über einen Schleifstein ziehen, das ist - kurz gesagt - Kärntnerisch. Skriptiv ist das schwierig darzustellen, am besten mit einem sehr stimmhaften stummen „h“ hinter jedem Konsonanten, sehr langen [loonge] Vokalen und einer Verniedlichung an jeder möglichen Stelle. [Woon se dos don a bissale übn tean, wean senan iebahaps kaane Problehmeh mera mith am Kheantnarischn hoobm.] Im Zweifelsfall komplettieren Sie diesen Crashkurs-Kärntnerisch mit phonetischen Beispielen von Maschek.
„Aha, hab ich mich jetzt überhaupt gewählt.“ - Gerhard Dörfler bei der LandtagswahlAm Ende beschleicht mich nun das Bedürfnis noch etwas Positives über Kärnten zu sagen. Einmal, weil ich selbst sehr liebe Verwandte dort habe, die mir beim nächsten Besuch sonst vielleicht die Brettljause vergiften, dann wegen meiner Spanischlehrerin aus Spital - „I wea eich des drrrilln!“ - von der ich hauptsächlich Kärntnerisch gelernt habe, und vor allem auch wegen der guten Eva, die sonst vielleicht heimlich meine Steuerlast verdoppelt oder mich an ein Erschießungskommando des Abwehrkämpferbundes ausliefert, auch weil sie diesen Beitrag nicht wie gefordert vorab zensieren äähh... begutachten durfte.
Daher zum Abschluss Folgendes: Kärnten ist ein schönes Land. Es hat viele blaue Seen und noch blauere Politiker - in jederlei Hinsicht. Wo war ich... Es gibt dort... hmmm... ein paar nette Menschen, mittlerweile zweisprachige Ortstafeln, frische Almluft - auch für Asylanten -, ein jährliches Autotreffen, ein jährliches Volleyballspiel, ein Schloss am Wörthersee und und und... Es fallen einem ja eigentlich so viele gute Dinge zu Kärnten ein, dass wahrscheinlich nur ein grundschlechter Mensch wie ich soviel Schlechtes schreiben konnte.
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