Sonntag, 13. Februar 2011

Die Tiroler, oder: Hände hoch Franzos!

In unserer antropologisch-ethnologischen tour d'Autriche machen wir nach den Vorarlbergern nun bei den Tirolern halt. Aber wie viele verschiedene Arten von Tirolern gibt es eigentlich? Wahrscheinlich lautet die richtige Antwort ungefähr eine Million. Aber glauben Sie nicht, dass die nicht trotz aller Verschiedenheit auch Gemeinsamkeiten hätten. Die Tiroler, ob sie nun in Nord-, Süd- oder Osttirol leben, haben vor allem zwei Dinge, die sie verbinden: Einen Sprachfehler und Waffen. Darauf sind sie auch sehr Stolz und wenn jemand sich erdreistet einem Ex-Oberösterreicher im Landtag sein Ex-Oberösterreichertum unter die Nase zu halten, kann er von Glück sagen, wenn er nicht vor ein Exekutionskommando der Tiroler Schützen gestellt und zum Heiligen Hofer in den Himmel geschickt wird. Da merkt man schon: Die Tiroler sind ein feinfühliges [Volckch] und man lässt es besser bleiben auf ihrem Sprachproblem herumzureiten, egal ob sie jetzt Landeshauptmann oder ÖH-Vorsitzende sind. Es ist besser die Tiroler nicht zu Feinden zu haben. Ehe man sich's versieht, wartet vor der Wohnungstür ein bärtiger Schlägertrupp mit Vorderladern oder die lokale Stromzufuhr wird sprengstofftechnisch unterbunden. Verhalten Sie sich in der Nähe von Tirolern also brav und still, versuchen sie nicht wie ein Italiener oder Franzose auszusehen und stellen Sie keine Fragen, deren Beantwortung lautmalerische Probleme bereiten könnten wie „Wie heißen nochmal die Rassisten mit den weißen Kapputzen?“ oder „Wie nennt man unehelichen Nachwuchs noch?“, denn Wörter wie [Kchuckchluckchsckchlan] und [Ckchuckchuckchsckchinder] könnten bei Ihnen einen Lachanfall und bald darauf den Tod auslösen. Denn Tiroler haben vielleicht schwerfällige Zungen, aber schnelle Hände und oft sind die auch noch groß wie Bärenpratzen. Der Grund, warum man über die Tiroler so wenige Witze erzählt ist nämlich der, dass es so weh tun kann. Sollte Ihnen also Ihr Trommelfell und ihr [Ckchnackch] lieb sein, folgen sie der alten Bauernweisheit: „Hände falten, Goschn halten.“

Wenn es aber nur Sprachfehler und Waffen wären, die die Tiroler verbinden, könnt sie ja genausogut Schweizer sein. Nein, die Tiroler haben auch eine glorreiche Vergangenheit des Besetztwerdens und des Den-Besetzern-das-Leben-zur-Hölle-machens hinter sich und sind darauf sehr stolz. In vier Schlachten am Bergisel bei Innsbruck kämpften sie in den Befreiungskriegen gegen die napoleonischen Truppen und fielen schließlich erst der Wiener Diplomatie zum Opfer. Dass man den Landeshelden Andreas Hofer auch als Tiroler Taliban verunglimpft, weil er Frauen das Tragen züchtiger Kleidung anraten ließ und mit besonders reaktionären Elementen in der Kirche auf gutem Fuß stand, wird vom offiziellen Tirol nicht gerne gesehen. Vielleicht wird die Verhöhnung der Landeshymne auch deshalb mit bis zu 2000 € Bußgeld bestraft. Die Androhung von Arrest musste nach allgemeinen Protesten zurückgenommen werden. Die Hymne, die Hofers physisches Ende in Mantua umschreibt, ist textlich mehrfach umstritten, verweist sie doch sowohl auf Deutschland, als auch auf den guten Kaiser Franz. Jeder, der sich dadurch in seinem österreichischen Nationalbewusstsein oder in seinem Republikanismus verletzt fühlt, steht in Tirol aber sowieso auf verlorenem Posten. Es ist das einzige Bundesland, in dem die Landesidentität gegenüber dem Nationalbewusstsein nach wie vor überwiegt.

Das mag auch damit zu tun haben, dass etliche Teile der Tiroler im italienisch administrierten Süden des Landes leben und dort je nach politischem Couleur einen auf deutsche, Trioler oder österreichische Minderheit machen. Seit die Beutetiroler dort nach dem Ende des Ersten Weltkrieges von den Italinern als Ceteros „zivilisiert“ wurden, hoffen sie im Verband der Sammelpartei SVP nebst Propagandapostille „Dolomiten“ auf die Landeseinheit wie die Christen auf die Wiederkehr des Messias. Solange sie Ihre Steuereinnahemn aus Rom zurückbekommen ist ihnen aber in Wahrheit sowieso alles relativ wurscht. Nur sagen würden sie das nie. Man spricht lieber vom Europa der Regionen und der Überflüssikeit der Nationalstaaten. Um ein bisschen an die Unterdrückung durch den italienischen Staat und insbesondere durch die Faschisten zu erinnern, trägt man hin und wieder Dornenkronen spazieren oder fährt auf Schutzmachtwallfahrt nach Wien. Das Sprengen von Strommasten und anderen Infrastruktureinrichtungen hat man mittlerweile aufgegeben, so wie die Italiener jetzt auch nicht mehr darauf bestehen, dass Grabsteine italienisiert werden oder Gefangene im Häfen zu Tode foltern. Man betont die positive Zusammenarbeit, wenn dann aber irgendwelche italinieschen Resorgimentofeierlichkeiten anstehen, geht man doch lieber auf Distanz, schließlich - so meint der Südtiroler Landeshauptmann, der ewige Durni - hat man sie 1919 ja nicht gefragt, ob sie da mitmachen wollen. Und deshalb wollen sie es jetzt auch nicht. Das Siegesdenkmal in Bozen bleibt zu seinem Schutz auch lieber bewacht und umzäunt. Man versteht sich vielleicht jetzt mit den Kindern im italienischen Sandkasten, bleibt aber doch lieber am Rand sitzen. Es könnten ja Sizilianer und Kalabresen dabei sein.

Auch wenig Schmeichelhaftes wurde schon über die Tiroler gesagt. Weil aber der Autor - selbst Vierteltiroler - so sehr an seinem Leben hängt und folgende Meinung auch überhaupt nicht teilt, lässt er lieber Heinrich Heine darüber sprechen:
„Die Tiroler sind schön, heiter, ehrlich, brav, und von unergründlicher Geistesbeschränktheit. Sie sind eine gesunde Menschenrasse, vielleicht weil sie zu dumm sind, um krank sein zu können.“ Heine
Derlei Pamphletismus entbehrt natürlich jeder Grundlage und man sollte sich hüten ihn unbedarft von sich zu geben, denn wie gesagt: Die Tiroler sind sensibel. Man kann sie zum Beispiel nicht einfach besetzten und dann Schwamm drüber. Ohne Bürgerkrieg hat noch niemand die Tiroler überzeugt. Außer Rudolf IV. von Habsburg vielleicht, genannt der Stifter, weil er ein ungemeines Geschick im Urkundenfälschen besaß. Der schaffte es der verwitweten Margarethe Maultasch das Land Tirol abzuschwatzen. Dafür erhielt sie eine Pension und der fünfte Wiener Gemeindebezirk ihren Namen. Überhaupt scheinen die Wiener die einzigen zu sein, die die Tiroler irgendwie einwickeln können. Auch als sie behaupteten, sie würden sie gegen die Franzosen unterstützen, haben die Tiroler ihnen das einfach geglaubt. Unter ihrer harten Schale steckt also auch ein naiver Kern.

Die Tiroler waren aber auch feste Nazis und das nicht nur aus Naivität. Die erhoffte Landeseinheit hat ihnen auch Hitler nicht gebracht. Er hat die Südtiroler vielmehr zusammen mit Mussolini mit der Option - der Möglichkeit als Italiener zu bleiben oder als Deutsche zu gehen - beglückt und damit einen Keil durch die Minderheit getrieben. Sogar Osttirol hat man damals an Kärnten angeschlossen, ein kulturelles Manko, das die Osttiroler bis heute nicht ganz [loosgloosn] hat. Die höchste NSDAP-Mitgliederquote aller Bundesländer und ein Gauleiter Namens Hofer hinderte die Tiroler aber dann doch nicht daran am Ende Innsbruck in Eigenregie zu befreien und den Amerikanern zu übergeben. Solange es nicht die Franzosen waren, war ihnen alles Recht. Um deren Vormarsch zu verhindern, trieben sie sogar einen Eisenbahnwagon in den Arlbergtunnel und taten damit was sie am Besten konnten, ihn sprengen. Die wesentlich unprätentiöseren Vorarlberger zeigten den Franzosen draufhin den Weg über den Pass. Als die dann aber eine Truppenfahne suchten, die Hofers Männer in den napoleonischen Kriegen erbeutet hatten, war sie schon versteckt worden. Die zweite französische Besatzung ließen die Tiroler williger über sich ergehen, die Fahne haben sie aber heute noch.

Alte Sturschädel sind sie die Tiroler, das muss man auch noch über sie sagen. Wehrhafte Sturschädel. Wenn auf der Inntalautobahn der Lärm zu viel wird, wird die Autobahn gesperrt, oder besetzt. Wenn die Landeskorruptions- und Vetternwirtschaftsverwaltung TIWAG irgendwo ein Kraftwerk hinbauen will, sind die einen dagegen und die anderen beschimpfen sie als „undankbares Gesindel“, so wie das Herwig van Staa gemacht hat, das alte Schweigen. Wie die Nachbarn im Westen sind auch die Tiroler konservativ, oder noch konservativer. Von den sieben Zweidrittelmehrheiten, die in der Geschichte der Zweiten Republik von einer Partei erreicht werden konnten, entfielen sechs auf die Tiroler-ÖVP. Mittlerweile verfügt diese zwar nicht einmal mehr über die  absolute Mehrheit, aber die meisten der anderen Landtagsfraktionen sind in Wahrheit nur Blockparteien in der Demokratischen Volckchsrepublickch Tirol, deren Dasein sich darauf beschränkt Opposition zu simulieren. Weil die Teile doch oft mehr ergeben als das Ganze, gibt es dann auch in der Landeshauptstadt Innsbruck eine Stadt-ÖVP und eine „unabhänige“ Liste, die das vertrauen der Landespartei genießt. Aus dem Boden gestampft hat die der Ex-Oberösterreicher van Staa, um schneller Bürgermeister zu werden. Nach Ihm haben auch  Hilde Zach,Tochter eines Metzgers und Fleischkas-Hilde genannt, Friede ihrer Asche, und deren Nachfolgerin - wie hieß sie noch? - das Listensystem übernommen. Die größte Einflugschneise der Republik wird daher nach wie vor „völlig unabhängig“ von irgendeiner Parteipolitik regiert. Währenddessen behandelt die Landes-ÖVP Tirol wie Forrest Gump seine Pralinenschachtel. Da gründet man schnell mal einen Privatuniversität auf der sich vom Pfleger bis zur Putzfrau die ganze Landeskrankenanstaltengesellschaft zumindest zum Bachelor qualifizieren soll, bis ihr die Akkreditierungen entzogen werden. Ein Tirolerhut ist eben noch kein Doktorhut. Die landeseigene Elektrizitätsgesellschaft TIWAG sponsert auch schon mal den Wahlkampf eines ÖVP-Bürgermeisters. Man merk also: Die Tiroler sind doch Österreicher (zumindest die im Norden und Osten). Dass das auch so bleibt, dafür sorgen die Myriaden an Bundesheersoldaten die in Tirol stationiert wurden, falls die Italiener mal wieder der imperialistische Gusto über die Alpen treiben sollte. Weil das aber nie eintrat und wohl auch auf absehbare Zeiten nicht eintreten wird - es sei denn Silvio Berlusconi will von einem seiner Skandale ablenken - ist das Heer in Tirol wie überall sonst mit einem umfassenden Auftrag zur alkoholischen Landesverteidigung ausgestattet. Und auch die Tiroler verstehen was vom Trinken, auch wenn sie danach manchmal das Zeitgefühl verlieren und in Innsbrucker Parkhäusern mit einem erweiterten Phantasiegefühl wieder aufwachen.

Wer sind nun also die Tiroler? Ein leicht aggressives, selbstbewusstes Volk, das eine herbe Sprache hat und einem Glas nicht abgeneigt ist? Man könnte fast glauben, sie wären die Klingonen Österreichs. Aber die Tiroler sind dann doch meist ansehnlicher als die langhaarigen Weltraumkrieger aus [Schtar Treckch]. Sie haben die Kulturform des Törggelen erfunden, produzieren im Süden mehr Äpfel als Europa verbrauchen könnte und die Qualität ihrer Weine soll auch zugenommen haben, seit die Arlbergbahn gebaut wurde und der süße Südtiroler Fusel den Weinanbau im Rheintal gekillt hat
Zugegeben, sie sind manchmal etwas von gestern. Ihre Verfassung heißt wie zu Kaisers Zeiten noch immer „Landesordnung“ und hat eine Präambel die „die Treue zu Gott und zum geschichtlichen Erbe, die geistige und kulturelle Einheit des ganzen Landes“ beschwört. Die letzte österreichische Verfassung in der Gott was zu suchen hatte wurde von Engelbert Dollfuß persönlich verlesen. Immerhin gibt es in Tirol auch offiziell Bordelle. Bei den vielen Kasernen ist das aber eine zivilisatorische Selbsterhaltungsmaßnahme.

Die Tiroler sind nette Leute, vielleicht nicht so modern wie andere heute, aber doch so wie die meisten es gestern waren. Sie wallfahren - mehrheitlich - nicht mehr zum Anderl von Rinn und sie wählen nicht nur ÖVP, sondern auch ÖVP, övp und Ö-V-P. Ah ja... und SVP natürlich. Im Gegegnsatz zu den Halbwahrheiten die manche bösen Witze über sie kolportieren, können sie sehr wohl Banane ohne „ckch“ aussprechen und sie schlagen nicht gleich jeden tot der ihnen zu nahe tritt...ein kleines Koma tut's auch.

2 Kommentare:

  1. Hihi, lustig geschrieben. Ein kleiner Einwand nur: " Es ist das einzige Bundesland, in dem die Landesidentität gegenüber dem Nationalbewusstsein nach wie vor überwiegt."
    Na, da würd ich (u du) als Vorarlberger aber doch noch an unser eigenes schönes Ländle denken. Weniger österreichisch als Vorarlberg zu sein, das schaffen nicht mal die Tiroler.
    Lg aus Madrid,
    Fabian

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  2. Doch, schaffen sie schon :P In Vorarlberg ist das Österreichbewusstsein tatsächlich stärker. Übrigens auch eines der Bundesländer mit dem stärksten Europabewusstsein. Sehr empfehlenswert dazu "Die ÖsterreicherInnen: Wertewandel 1990-2008".

    Lg

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