Freitag, 27. Mai 2011

Die ÖH-Qual, oder: Eine Nachbesprechung.

Also doch noch einmal ÖH-Wahl. Jetzt, nachdem alle Zettel verteilt, alle Kugelschreiber verschenkt und jeder Slogan an den Mann/die emanzipierte Frau gebacht wurde, raffe ich mich auf um diese Großmutter aller Wahlschlachten zu rekapitulieren. Die Vorbesprechung der ÖH-Wahl hätte mir persönlich ja schon gereicht.

Als Braver Staatsbürger und Student bin ich natürlich wählen gegangen, hatte aber noch nie so ein ungutes Gefühl dabei. Man war in den Tagen und Wochen vor der Abstimmung tatsächlich gut beraten in Uninähe ein Speibsackerl mitzuführen. Denn die dargebotenen politischen Inhalte und Nichtinhalte konnten einen gelegentlich schon zur Regurgitation treiben. Vielleicht ging es den etwa 72% der Studenten, die nicht wählen gegangen sind ja auch so.
Ich jedenfalls habe mich Mittwochabend nach der Arbeit in mein Institut geschleppt. Wo mir prompt mitgeteilt wurde, dass Doktoranden am Campus zu wählen hätten. Nach einer beengten Straßenbahnfahrt zur Stoßzeit am Campus angekommen und nach längerem Suchen nach dem Wahllokal fündig geworden, teilt mir die aus drei Kerlen bestehende Wahlkommission mit, dass ich nicht auf der WählerInnenliste stehe. Ich nehme an sie waren sich der Abstrusität, dass vier Angehörige des männlichen Geschlechts untereinander gendergerechte Sprache verwenden nicht bewusst. Jedenfalls sagte man mir ich sei nicht der erste, der nicht auf der Liste stünde und ich müsse mich zur Hauptwahlkommission auf der Hauptuni begeben. Gesagt, getan und zurück zum Ring. Die kahlrasierte Spitzenkandidatin der Grünen war dabei so freundlich mir den Weg zu zeigen. Dort angekommen: „Du stehst ja auf der Liste! Aber du musst nicht am Campus sondern im Hauptgebäude wählen.“ Ich schlage vor die Wahlkommissionen am Campus und im NIG anzurufen, damit die wissen, wer bei ihnen wählen darf und wer nicht. „Gute Idee!“ bekomme ich zur Antwort, verzichte aber darauf eine Honorarnote für meine Beratertätigkeit zu stellen. Endlich im Wahllokal angekommen - Punkt vier meiner unendlichen Reise zur Stimmabgabe - bekomme ich den Stimmzettel, aber nur einen weil es keine Doktoratsvertretung Politikwissenschaft gibt; es hat sich nur Einer aufstellen lassen. In der Wahlzelle liegen Wahlwerbekulis der Aktionsgemeinschaft (AG) herum. Ich mach mein Kreuz und bring der Kommission das politische Schreibwerkzeug. Wahlwerbung ist in Wahllokalen verboten und Ordnung muss sein. Der Rain Man in mir ist zufrieden. Hätte aber jeder den gleichen Weg für die Stimmabgabe zurücklegen müssen, die Wahlbeteiligung wäre womöglich noch niedriger ausgefallen.

Das Wahlergebnis hingegen war weniger überraschend: Seit Elisabeth Gehrer die ÖH-Wahlordnung ändern ließ, wird die Bundesvertretung nicht mehr direkt gewählt, auch deshalb ist die ÖVP-nahe AG immer stimmenstärkste Partei. Aber sie hat mit 30,8% der Stimmen und 23 von 96 Mandaten auch den meisten Zuspruch bekommen und das kann man ihr nicht abstreiten. Leicht verloren haben die Grünen (GRAS) mit 18,7% und 14 Sitzen, einem weniger. Wahlsieger ist der Verband Sozialistischer Student_innen Österreichs (VSStÖ) der mit 17,5% der Stimmen auf 12 von 96 Mandaten kommt und den dritten Platz belegt. Die Fachschaftslisten erzielten 16,4% erhalten aufgrund der Wahlarithmetik aber 15 Mandate, was die nach Stimmen Vierten zur mandatsmäßig zweitstärksten Fraktion macht. Den Liberalen (JuLis) gelang mit drei Sitzen (4,2%) der Wiedereinzug. Sie profitierten vor allem vom schlechten Abschneiden der AG auf der WU-Wien, wo diese 10,3% verlor und die JuLis 7,7% gewinnen konnten. Mit 55% hält die AG jedoch nach wie vor die absolute Mehrheit auf der Wirtschaftsuniversität. Je ein Mandat in der Bundesvertretung geht schließlich an den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) mit 2,9% und die beiden kommunistischen Streitfraktionen KSV (2,0%) und Lili (1,9%), was einen wenig wundert, weil einerseits das Wählerpotential für die Liste des Führers endenwollend und es andererseits schwer ist GRAS und VSStÖ links zu überholen. Weiter Mandate verteilen sich auf Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen, die keine Parteilisten kennen.

Die Wahlverliererin Sigrid Maurer (GRAS) gab nach den ersten Hochrechnungen auch prompt den Grund für ihre Niederlage bekannt: „Wir haben zu wenig Propaganda gemacht“. Über zwei Jahre hinweg ihre Errungenschaften zu preisen sei aber nicht ihr Stil. Es sei aber leider nicht gelungen den Studierenden zu vermitteln, dass die „gute Arbeit“ [sic!] der Bundes-ÖH vor allem der GRAS zu verdanken sei.(Die Presse)

Dass die Wähler das vielleicht anders sehen könnten wäre der GRAS-Beauftragten für Propaganda und Volxaufklärung natürlich nicht eingefallen. Ihre Nachfolgerin als grüne Spitzenkandidatin Janine Wulz weiß zumindest der 28%-Wahlbeteiligung etwas abzugewinnen. Sie zeige „wie präsent die ÖH in den letzten zwei Jahren war.“(Der Standard) Klar, 28,38% sind im Verhältnis zu den  25,76% vor zwei Jahren schon ein Wahnsinnserfolg, vor allem wenn man sich mit slowakischen EU-Wahlbeteiligungen messen möchte. Darauf, dass einfach ein Gutteil der Studierenden die ÖH-Politik insgesamt als fleischgewordenen Antichristen der Demokratie und ihre Vertreter_innen als so sympathisch wie spanischen Gurkensalat empfinden könnten, kommt von den Marx-Sisters freilich keine. Aber was will man auch verlangen, wenn sogar der Bundeskanzler seine Freude über 28% Wähler nicht bremsen kann:
„Die gestiegene Wahlbeteiligung ist ein ermutigend positives Ergebnis der Mobilisierungskraft der Österreichischen Hochschülerschaft.“ Werner Faymann
Weniger was zu lachen haben freilich die Recken vom RFS. Obwohl von Parteiführer Strache im Wahlkampf unterstützt, vermochten sie mit ihren Anliegen („RFS wählen heißt Linke quälen“) nicht zur zukünftigen intellektuellen Elite des Landes durchzudringen. Eine Tatsache, die man als Demokrat und Anschlussgegner nur begrüßen kann. RFS-Chef Chlodwig Mölzer kommentierte seine bundesweit 2007 Stimmen wiefolgt:
„Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge: An der KFU in Graz und in Leoben konnten wir dazugewinnen.“ Chlodwig Mölzer (Der Standard)
Man fragt sich nur, wie der Spitzenkandidat zu diesen Schlussfolgerungen kommt. Freilich, in Leoben haben sich die Blauen - die dort scheinheilig als „Liste Leobner Studenten“ antraten - mit 21,6% zwar mehr als verdoppelt, in Graz hat der RFS aber 0,13% verloren.
Die Deutschnationalen Wehrmachtfans konnten also von der politischen Stimmung nur lokal profitieren und die Stimmen Frustrierten nur im Mikobereich anziehen. Dafür gelang es der Linzer Protestgruppe „No Ma´am“ mit 11% ein Achtungsergebnis zu erzielen. Die reine Männer-Liste wurde 1997 gegründet, weil einer ihrer Exponenten auf einem Uni-Fest wegen seines „No Ma´am“-Shirts von der ausschänkenden Frauenreferentin kein Bier bekommen hatte. So kann's auch gehn...

Dass man schon 11% der Stimmen bekommen kann, nur weil man artikuliert, dass man die permanente weinerliche Berufsopferhaltung und die feministische Ideologiediarrhö mancher ÖH-Vertreterinnen nicht mehr aushält,  sollte einem doch zu denken geben. Nicht, dass Frauenförderung nicht wichtig wäre, aber bitte im Sinne von Gleich- nicht von Überberechtigung. Wenn die Wiener ÖH-Vertretung mehre Zehntausend Euro für Genderforschung und 350.000€ für das  „Café Rosa“ in der Währingerstraße - ein Fünftel des Budgets der ÖH-Vertretung Uni Wien - ausgibt, darf man doch Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Investitionen hegen. Um solche Projekte zu rechtfertigen wird ein homophob-rechtsradikales Stimmungsbild verbreitet. Als bräuchte es unbedingt einen Zufluchtsort für die tausenden geschlechtsverwirrten Kommunist_innen, die ansonsten täglich von der erbarmungslosen Masse der Kronenzeitungleser mit Heugabeln und Fackeln durch die Straßen Wiens gejagt werden.
Aber wer geht nicht gern in so ein antikapitalistisches selbstverwaltetes Café, das laut Stellenausschreibung besonders „antiklerikale“ Kellner_innen sucht? Der ÖH-Vorsitz ist dabei überzeugt, dass sich das Lokal bald von selbst tragen wird. Bei Angeboten wie „Afrikanisches Buffet - zahl soviel es dir wert ist“ steht das selbstverständlich außer Zweifel. Was die ideologische Bedeutung so eines Beisels betrifft, sind die Studentenvertreterinnen aber ungemein realistischer:
„Natürlich wird ein Raum alleine nicht die nächste Revolution mit sich bringen, dennoch kann dieser ein Teil zum Beginn kritischen Denkens und Handeln beitragen.“ Café Rosa
Ganz aufgeben kann man den Anspruch auf korrekt-linke Politik dann aber doch nicht. Das Studentenlokal ist per Eigendefinition „basisdemokratisch, feministisch, antisexistisch, progressiv, antidiskriminierend, antirassistisch, emanzipatorisch, ökologisch-nachhaltig, antifaschistisch, antinationalistisch, antiklerikal, antipatriarchal, antiheteronormativ, antikapitalistisch und solidarisch.“ Wenn neun von 15 Adjektiva mit anti- beginnen, könnte man das Gefühl bekommen, dass man sich dort hauptsächlich über das definiert, was man nicht ist. Abgesehen davon ist es doch reichlich paradox 350.000 € in einen antikapitalistischen Ideologie-Heurigen zu stecken. Aber bitte, Hauptsache man kümmert sich um das Wesentliche zuerst: Wer auf der Homepage des Cafés auf „Menu“ klickt, erhält als Meldung: 
„Speisekarte Demnächst online!“

Sonntag, 22. Mai 2011

Radikale Fußballfans, oder: die intellektuellen Meica-Würstchen

Fan kommt von Fanatismus und bei der Entourage so manchen Sportvereins trifft der ursprüngliche Wortsinn noch immer zu. Wenn da etwa ein aggressiver Mob von Rapid-Anhängern aufs Spielfeld stürmt, um gewaltsam das Wiener Derby zu beenden, spricht man vielleicht besser von Fanatikern. Deren heutige Aktion war zuvor bereits nebulös im Internet angekündigt worden, was die Polizei dazu veranlasste mit mehreren hundert Beamten vor Ort zu sein. Aber woher kommt diese unberechenbare Gewaltbereitschaft und wie können wir ihr entgegentreten?

Ich muss Ihnen gestehen: Ich bin eigentlich kein großer Fußballfan. Ein Sport in dem es grundsätzlich darum geht mit möglichst viel Geld möglichst viele gute Spieler einzukaufen, hat für mich kaum einen kompetitiven Effekt. Der Kampf ums runde Leder interessiert mich eigentlich nur, wenn die österreichische Nationalmannschaft spielt. Das erfordert zwar eine gewisse Portion Masochismus, aber immerhin ist die Niederlage dann eine hausgemachte Eigenproduktion. Durch die Distanz zum Sport kann man natürlich so manchem Gespräch nicht folgen, muss aber auch keine Farbe bekennen. Besonders in Wien ist das von Vorteil, weil man da leicht in unschöne Diskussionen geraten kann, wenn es um die Frage Rapid oder Austria bzw. grün-weiß oder violett geht. Wenn man auf einen Rapid-Fan triff, wird sich die Diskussion vermutlich auf wenige - dem Gesprächspartner bekannte - Worte beschränken und dann fließend in Tätlichkeiten übergehen. Sie merken: Ein paar Stereotype hab ich dann doch aufgeschnappt. Die Rapidler sind angeblich Proleten, die Austrianer schöngeistige Philanthropen. Dass das nicht in allen Fällen zutreffen wird ist klar, aber ein Fünkchen Wahrheit wird schon dran sein:

Der SK Rapid wurde schließlich als Arbeitersportverein gegründet, hat also seine Wurzeln durchaus im Proletariat. Das soll an sich noch nichts Schlimmes sein, aber wenn man weiß, wie der sogenannten Ultras, also die Hardcore-Rapidler so ticken, kann man schon ins Grübeln kommen. Auf der Fan-Seite wird die Legalisierung von Feuerwerkskörpern im Stadion unter dem Motto „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ gefordert und die emotionale Bedeutung des Feuers mit Worten gelobt, die einen eher an Berlin 1933 erinnern, als an Wien 2011:
„Das Licht der Fackeln hat etwas Magisches, fast Unbeschreibliches an sich. Kein anderes Hilfsmittel schafft es, eine Begeisterung auf derart einfache Weise zu steigern und durch nichts anderes lässt sich eine Freude stärker zum Ausdruck bringen.“
Das mag auch kein Zufall sein. In der Vergangenheit war Rapid stets als der braune Pfuhl im österreichischen Fußballfanbereich bekannt. Vielleicht kein Wunder bei einem Verein, der schonmal deutscher Meister war, nämlich 1941.Vor 20, 30 Jahren wurde bei Spielen gegen die Veilchen, so der inoffizielle Titel der Wiener Austria, von den Rapid-Fans oft noch „Austrianer Judenschweine“ skandiert. Vor der Arisierung des Vereins 1938 war ein Teil des Austria-Vorstandes nämlich jüdischen Glaubens gewesen. In den 80er Jahren war die rechte Szene im Bereich der Rapid-Anhängerschaft noch sehr aktiv. Der kürzlich erneut festgenommene Neonazi Gottfried Küssel versuchte - letztlich ohne Erfolg - die Radikalen unter seine politische Kontrolle zu bringen. Freilich hat sich seit damals einiges gebessert und die NS-Vergangenheit wurde vom Klub in Buchform aufgearbeitet, aber wer glaubt, dass der Neonazismus in den Reihen der Rapidler gänzlich ausgeräuchert sei, hat sich geschnitten. Zum 291. Wiener Derby 2009 ließen Rapid-Fans eine Simpsons Darstellung von Hitler mit Rapid-Armbinde für „Tod und Hass“ gegenüber der Wiener Austria werben (siehe Der Standard). Beim Spiel gegen Mattersburg am 20. April dieses Jahres hielt ein Rapid-Anhänger ein Taferl mit der Aufschrift „Alles Gute Adi!“ hoch.
Das alles mag eine Erklärung für die Radikalisierung sein, aber sicher nicht die einzige. Rapid hat 166 offizielle Fanclubs, nur ein kleiner Teil dürfte derart radikalisiert sein. Für den österreichischen Rechtsradikalismus selbst ist die Hooligan-Szene laut Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ohnehin von eher geringer Bedeutung:
„Für die Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich spielen rechtsextremistisch agierende Sportfans jedoch nach wie vor keine relevante Rolle.“ Verfassungsschutzbericht 2010
Trotzdem bleibt es ein Problem, das sich nicht wegleugnen lässt und das sich auch nicht allein auf die Anhängerschaft des Sportklubs Rapid beschränkt. Auch bei der Austria gibt es nicht nur Lämmchen. Gewaltbereite Radikale sind eine Gefahr für ihre Mitmenschen und müssen zur Raison gebracht werden.
Aber wie kommt man überhaupt dazu sich ein Rapid-Tattoo zuzulegen, und mit vermummten Gesicht das Spielfeld stürmen? Die Antwort ist wahrscheinlich sehr einfach und sehr traurig: grenzenlose Primitivität. Die Menschen, in überwiegender Mehrheit Männer, die zum harten Kern der gewaltbereiten Fans gehören, dürften wohl zum größten Teil perspektivenlose Angehörige des Bildungsprekariats sein. Das sind geistig ganz arme Würstel, die außer ihrem Verein nichts haben, auf das sie stolz sein könnten. Höchstens noch ihr Land, aber das ist nicht stolz auf sie. Also steigern sie sich in ihre soziale Ersatzbefriedigung hinein: das Team. Ein Sieg der Mannschaft ist ein Sieg für alle und deren Niederlage eine persönliche Schmähung. Ist man mit dem Kader, der Aufstellung oder dem Trainer nicht zufrieden, wird von den Fans auch schon mal Klubpolitik gemacht. Die Erstürmung des Spielfeldes kann da ein Mittel sein.
Jedenfalls sollte man die Engagementbereitschaft radikaler Fans niemals unterschätzen, denn der Klub ist oft ein wesentlicher und konstitutiver Bestandteil ihrer eigenen Identität. Seinen absoluten Lebensmittelpunkt rund um einen Sportverein zu bauen ist zwar genauso armselig, wie politischer oder religiöser Fanatismus, kann aber auch zur Kanalisierung des Aggressionspotentials des - drücken wir es mal nonchalant aus - gesellschaftlichen Bodensatzes dienen. Dazu zählt sicher nicht die breite Masse der Fans. Schließlich kann man sich auch als kultivierter Mensch für Fußball begeistern. Wendelin Schmidt-Dengler, die Koryphäe der österreichischen Germanistik, war schließlich auch Rapid-Anhänger. Und selbst der Bundespräsident zählt zu den Grün-Weißen. Wichtig ist in allen Fällen, dass man die Kontrolle über den Fansektor behält und nicht an eine radikalissierte Minderheit verliert. Dem SK Rapid ist die Macht über seine Anhängerschaft heute sehr deutlich entglitten.

Wie also umgehen mit gewaltbereiten Fans? Die Antwort: Rigoros. Während in England und andernorts längst lebenslange Stadionsperren vergeben werden, ziert man sich hierzulande oft vor allzu strengen Maßnahmen. Wenn eine Hundertschaft von alkoholisierten Retardierten das Grün stürmt, bereit und willens die Konfrontation mit der Staatsmacht zu suchen, muss diese darauf eine passende Antwort finden. Deeskalation zwar ist ein wichtiges Prinzip moderner Polizeiarbeit, aber sie greift nur dort, wo Eskalation nicht das absolute Ziel des Gegners ist. Es ist sicher nicht leicht 400 Polizisten über ein Spielfeld zu schicken, ohne dass die Formation bricht, aber man sollte es doch versuchen. Geglückt ist heute zumindest die Verhinderung massiver Gewalt durch das geballte Auftreten der Exekutive. Positiv ist auch, dass von Zivilbeamten permanent mitgefilmt wird. So können etwaige Täter, derer man nicht sofort habhaft wird, auch später noch belangt werden. Dem gegenüber steht natürlich das Problem der Vermummung. Allein an ihren Männerbrüsten lassen sich leider nicht alle Unruhestifter identifizieren.
Ziel eines solchen Polizeiaufgebots muss es freilich sein die Verantwortlichen zweifelsfrei festzustellen und ihre permanente Entfernung aus den Stadien dieser Republik zu veranlassen. Das klingt sehr einfach, ist es aber offensichtlich nicht.

 Das könnte auch an der intensiven Verflechtung von Sport und Politik in Österreich liegen. Präsident des SK Rapid ist der ehemalige Finanzminister Rudolf „Ich-reiß-euch-alle-Steckdosen-raus“ Edlinger. Dem abgebrochenen Spiel mit der Austria wohnte auch die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bei. Traditionell ist die Chefetage bei Rapid rot. In Österreich ist es ja bekanntlich so, dass der Leidensdruck ins Unermessliche steigen muss, bis die Politik tätig wird. Vielleicht hat der heutige Tag zu einem Umdenken beigetragen.

Mittwoch, 4. Mai 2011

Osamarama, oder: Der ,godfather of terror‘ ist tot.

Osama Bin Laden/Usama Bin Ladin ist tot. Es fällt einem schwer darüber Tränen zu vergießen, außer vielleicht man ist ein bezahltes irakisches Klageweib. Die Navy Seals sind im Auftrag des US-Präsidenten nach Pakistan geflogen, haben aufgrund technischer Gebrechen einen Hubschrauber verloren und das Wrack vernichtet, sind kurz nach Mitternacht in ein größeres Haus eingedrungen - das man in Pakistan vielleicht eine Villa nennen könnte, aber bei uns eher eine bessere Bauruine - und haben den Chef der Terrorgruppe Al Kaida liquidiert. Entgegen ursprünglicher Angaben war dieser nicht bewaffnet. Zwei weitere Männer und eine Frau kamen gleichfalls ums Leben. Mehrere Söhne bin Ladens wurden festgenommen. So weit zu den Fakten.

Angeblich wurde er bald darauf auf See bestattet, nach Islamischen Ritus, dabei hätte man ihn in Einzelteilen sicher teuer verscherbeln können. Vielleicht liegt der Leichnam des bärtigen Rächers vom Hindukusch aber auch immer noch in irgend einem CIA-Kühlschrank, gleich neben dem Bier. Die USA zieren sich noch Fotos des Toten zu veröffentlichen. Kein Wunder, Kopfschüsse sehen nicht sehr adrett aus. Wenn das Loch auf der Stirnseite größer ist, könne es für die Amerikaner aber auch peinlich werden, denn das würde bedeuten, dass bin Laden von hinten erschossen wurde. Ob man in dieser Frage je Licht ins Dunkel wird bringen können, wie das die Kugel mit Osamas Birne gemacht hat, bleibt fraglich.
Die Tatsache, dass er nicht bewaffnet war, aber man ihn trotzdem ausgeknipst hat, überrascht hingegen wenig. Die Vereinigten Staaten hatten nicht das geringste Interesse bin Laden festzunehmen. Festnahme hätte bedeutet diese entweder geheimhalten zu müssen, um ihn mit diversen - vermutlich eher ungustiösen und völkerrechtlich fragwürdigen - Methoden ,abzuschöpfen,‘ ihn in den USA unter Anklage zu stellen, womit ihm sämtliche juristischen Möglichkeiten nach der „Bill of Rights“ etc. zugestanden wären oder ihn vor ein Sondertribunal zur Verantwortung zu ziehen. Wahrscheinlich hätte man bin Laden wohl kaum zum sprechen bringen können, Verhöre jeglicher Art wären dementsprechend letztendlich zwecklos gewesen. Eine Anklage in den USA hätte aber vielleicht Dinge ans Licht gebracht, deren Veröffentlichung dem sehr ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis dieser Nation wohl weniger dienlich gewesen wäre. Aber auch Sondertribunale lassen sich kaum unter Ausschluss der Öffentlichkeit abwickeln, wenn die angeklagte Person Osama Bin Laden heißt. Das überwiegende öffentliche Interesse hätte eine Aburteilung im Verborgenen unmöglich gemacht.
Natürlich hätten die USA die Gefangenname auch verschweigen und Bin Laden still und heimlich verknacken können. Aber wozu? Ihn einzusperren, anzuklagen, zu verurteilen und hinzurichten ohne dass jemand Kenntnis erlangt ist ein verschwindend kleiner Erfolg. Das Al Kaida-Netzwerk ist kein straff geführter Verein mit Weisungsrecht von oben nach unten, es ist ein Konglomerat von verschiedensten Terrorgruppierungen, manchmal auch nur von Verbrechern, die sich gerne etwas wichtiger machen möchten. Bin Laden war dementsprechend weniger ein CEO als vielmehr ein Ehrenpräsident des internationalen Islamistenterrors. Es ist wahrscheinlich, dass er die Kaida nur noch in sehr begrenztem Maße steuern konnte. Seine Ausschaltung bringt den USA vom materiellen Standpunkt her also nur sehr wenig. Bei dieser Aktion ging es von vornherein ums Prestige und vor allem um Rache.
Die Botschaft der Amerikaner seit dem 11. September war dahingehend klar: Niemand tötet ungestraft 2.600 Amerikaner. Niemand. Darin fanden die USA auch willige verbündete in aller Welt. Wer sieht schon gerne zu, wenn seine Staatsbürger - und Wähler - wie die Fliegen sterben.
„Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Ladin zu töten.“ Angela Merkel
Dass der pakistanische Geheimdienst ISI - oder das Amalgam von korrupten Exoffizieren, die ihn umgibt - Osama Bin Laden verstecken oder zumindest decken könnte, war lange vermutet worden. Von diesem Standpunkt aus gesehen war es daher auch verständlich, dass die USA ihre pakistanischen „Partner“ nicht von dem Zugriff in Kenntnis setzten, auch wenn diese im Nachhinein bemüht waren die Aktion als „gemeinsames Vorgehen“ darzustellen. Es gibt sicherlich Angenehmeres, als mit den Pakistanern verbündet zu sein, aber dass die USA unmittelbar, ohne Ankündigung und ohne Abstimmung auf dem Territorium eines fremden Staates Menschen liquidieren hat eine völkerrechtskritische Komponente, die nicht zu verleugnen ist. Nun gut, im Prinzip machen die Amerikaner das schon seit Jahren, indem sie mit Dronenangriffen nicht näher definierte Stellungen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet angreifen und damit auch immer wieder unschuldige Zivilisten töten. Aber nun ist dieser Widerspruch zum Prinzip der nationalen Souveränität wieder einmal deutlich zu Tage getreten. Man stelle sich vor, ein US-Killerkommando wäre von Ramstein kommend nach Oberösterreich eingeflogen und hätte dort, ohne Wissen der österreichischen Behörden, eine Liquidation vorgenommen. Keine schöne Sache. Aber was, wenn der Liquidierte Hitler geheißen hätte? Ein klassisches Recht-Moral Spannungsfeld. Eine Rechtsordnung ist aber nur dann glaubwürdig, wenn ihre Regeln für alle Gelten, auch für Mörder, Sexualverbrecher und Terroristen. Osama Bin Laden hätte nach Möglichkeit festgenommen werden müssen, auch wenn dies unangenehme politische Folgen gehabt hätte. Es geht dabei weniger um sein Recht auf ein faires Verfahren, als um das Recht aller, dass Menschen ausschließlich unter fairen Bedingungen der Prozess gemacht wird. Es wäre auch ein Recht der Hinterbliebenen gewesen zu erfahren unter welchen perversen Motiven jenes Mordkomplott geplant wurde, dem so viele unschuldige Menschen an jenem Septembertag vor zehn Jahren zum Opfer vielen.

Aber darf man sich über den Tod eines Menschen freuen? Freude ist ja an sich keine Entscheidung die man trifft, es ist ein Gefühl, das eintritt oder nicht und auch wenn man es noch so unterdrückt, am Ende hat man sich ja doch gefreut. Man kann den Freunden und Verwandten der vielen Opfer von Al Kaida wohl kaum das Recht auf ein Gefühl absprechen, dessen Vorhandensein nicht kontrollierbar ist. Aber darf ein Staatschef sagen „Wir sind froh, dass er tot ist.“? Wäre „erleichtert “ nicht ein besseres Wort? Verstehen Sie mich nicht falsch, mir geht es nicht um diesen schmutzigen kleinen Turbanträger mit dem schmalen Gesicht, es geht mir um die Wertigkeit des menschlichen  Lebens an sich. Es hat weniger etwas Unanständiges sich zu freuen, als dieser Freude Ausdruck zu verleihen. Passender als Merkel meinte eine andere CDU-Politikerin :
„Man kann sich darüber freuen, dass Usama bin Ladin nicht mehr als Anführer der Terroristen tätig sein kann. Aber über seinen Tod kann man sich nicht freuen.“ Katrin Göring-Eckart
Nun, es lässt sich nicht mehr ändern. Osama Bin Laden ist tot. Und wenn ich mich zwischen frei und lebendig oder tot entscheiden hätte müssen, hätte ich auch letzteres gewählt. Wir kennen die Umstände seines Ablebens letztlich nicht mit Sicherheit. Vielleicht war es Notwehr während eines Festnahmeversuches, vielleicht auch eine geplante Hinrichtung. Wie auch immer, es wird der Aktion immer ein schaler Beigeschmack anhängen. Die Hoffnung die uns bleibt ist, dass durch den Tod des Terroristen nicht noch mehr Menschen des Terrors wegen sterben.


© Wulffmorgenthaler