Dienstag, 19. April 2011

Die ÖH-Wahl, oder: politischer Wahnsinn auf höchster Stufe.

So es ist jetzt genug mit den ÖVP-Themen. Ich könnte mich jetzt über die fachliche und persönliche Eignung der neuen Regierungsmitglieder auslassen, aber ich verzichte. Man kann sich nicht ständig mit der ÖVP beschäftigen. Es ist schon schlimm genug, wenn sie das selber macht.
Aber ich bleibe natürlich dem politischen Alltagswahnsinn treu. Und was gibt es wahnsinnigeres als die Unipolitik? Alleine die Vorstellung, dass die Leute, die sich da so engagieren eines Tages in unserer Gesellschaft führende Positionen übernehmen oder sogar Integrationsstaatsekretäre werden könnten, lässt einem die Haare zu Berge stehen.
Die Bandbreite erstreckt sich von Kommunisten bis Faschisten und das ist sogar für Österreich recht extrem. Versuchen Sie sich nicht bei jedem hier widergegebenen Zitat an den Kopf zu schlagen, sie könnten sonst in Kürze ihren Schädelknochen massieren. Wenn man das ganze universitätspolitische Brimborium als ein Satirestück nestroy'schen Ausmaßes begreift, fällt es einem vielleicht leichter zu lachen. Generell muss man bei der Uni-Politik folgende Formel beachten:

[(Bundespolitik - Altersmilde) Schwachsinn  + √ (Verfassungstreue * Weltherrschaftsphantasien)] Realitätsverweigerung 

In der Politikwissenschaft rühmt man sich ja gerne den „impact“ diverser „policies“ messen zu können. In der Realität stellt sich das meist als schwierig dar. Außer natürlich, es handelt sich um Aktionen wie den „transnationalen Migrant_innenstreik“, zu dem der „Kommunistische Student_innenverband - linke Liste“ - nicht zu verwechseln mit dem „Kommunistischen StudentInnenverband“ - am 1. März aufgerufen hatte. Das Wort Streik wird heutzutage ja gern inflationär gebraucht, aber ein Migrantenstreik hat genau genommen soviel Erpressungspotential wie ein Pensionisten-, ein Studenten- oder ein Selbstmordattentäterstreik. Kein Mensch interessiert sich dafür, wenn Senioren sich weigern weiterhin im Park die Tauben zu füttern oder wenn Studenten noch mehr saufen und gar nichts mehr lernen. Was wollen Migranten bestreiken? Die Einwanderung? Bis Lampedusa hat sich die KSV-lili Aktion jedenfalls noch nicht durchgesprochen. Von mir gemutmaßter policy-impact: null.
Was man bei dieser Kommunistenliste schon beim Namen bemerkt ist, dass sie noch viel kritischer ist, als der staubige alte KSV. Der ist die Hörigenorganisation der KPÖ, nicht so superdekonstruktivistisch wie die lilis und schon gar nicht so international (Werbeslogan „Vota Communista“). Die verwenden nämlich nicht das abgehalfterte alte Binnen-I für geschlechtsneutrale Formulierungen, sondern das viel passender _innen. Warum? Ja wussten Sie denn nicht, dass ihnen Ihr patriachalischer Vater/ Ihre unterdrückte Mutter Ihnen Ihren Penis/ Ihre Vagina nur anerzogen hat?
„Wir sind Frauen, besser gesagt als Frauen sozialisiert, Feministinnen und Aktivistinnen im KSV-Lili (Kommunistischer Student_innenverband – Linke Liste). Obwohl wir das Konzept ,Frau´ für uns verwenden verstehen wir Geschlecht und Geschlechterrollen als sozial konstruiert und wollen eine komplette Auflösung der Geschlechterdichotomie und der damit einhergehenden Geschlechterhierarchien.“
Ja, Männer sollen auch endlich ihren Eisprung kriegen! Dagegen lesen sich die guten alten Propagandafloskeln des KSV wie 70erjahre-Schlagzeilen aus der Prawda:
„Die Teilnahme an Aktionen und Diskussionen der kapitalismuskritischen Bewegung ist zentraler Bestandteil unseres tagespolitischen Kampfes für die Bewusstmachung der Widersprüche der kapitalistischen Ordnung und für die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung.“
Was wird aus dem Klassenkampf, wenn man permanent damit beschäftigt ist sich seine Mumu oder seinen Schniedel wegzudiskutieren? Am Ende wird der Kapitalismus diese geschlechterlose Gesellschaft noch auffressen!
Da sei der VSSTÖ vor! Denn gottseidank gibt es auch noch ein paar Sozialist_innen, die sich nebenher auch noch um den Sturz der politischen Weltordnung kümmern. Natürlich spielt die Frau_enpolitik aber auch dort eine große Rolle: Ganze acht Damen demonstrieren für die Förderung von jungen Wissenschafterinnen, weil ihr Anteil im Doktoratsstudium nur 40% beträgt. Natürlich hat die Zahl der Studienanfängerinnen insgesamt nun 58% erreicht, aber komischerweise denkt niemand an eine Wissenschafterförderung. Männer sind ja zum marginalisieren da. Wenigstens wird heuer nicht mehr eine höhere Studienbeihilfe für Studentinnen verlangt, um die gehaltsmäßige Benachteiligung bei Studentenjobs auszugleichen.
Die Forderung ist nunmehr ein Grundstipendium von 250 € für alle. Laut Unidata studieren derzeit ca. 265.000 Personen an Österreichs Universitäten und etwa 38.000 an den Fachhochschulen. Das VSSTÖ-Projekt kostet also über den Daumen gepeilt 77,5 Mio. Euro - pro Monat. Die Republik Österreich hat derzeit 209,2 Mrd. Euro Schulden, wir haben also noch Platz für ein paar Milliönchen weniger am Konto. Auf den Plakaten der Sozialisten und _innen ist dann noch eine Blondine mit kokettem Hüftschwung zu sehen, die eine Sprechblase mit der Aufschrift „ohne Kompromisse“ in der Hand hält. Man möchte meinen, dass jemand, der Kompromisslosigkeit propagiert, das Grundprinzip von Demokratie nicht verstanden hat.

Natürlich sind auch die grünen Studierenden (GRAS) gewohnt revolutionär unterwegs und wie der VSSTÖ immer noch dafür, dass Genderstudies zum Pflichtfach in allen Studienrichtungen von Ägyptologie (Die Pharaonin im politischen System der dritten Dynastie) über Numismatik (Wie weiblich sieht Maria Theresia auf ihrem Taler aus?) bis zur Zoologie (Transgenderpinguine und ihre Unterdrückung im modernen Zoobetrieb) eingeführt wird. Insgesamt macht die GRAS heuer aber trotzdem eher einen auf Wohlfühlwahlkampf. Nix mehr mit „Nimm ein Flaggerl für dein Gaggerl - wer Österreich liebt muss scheiße sein“-Affichierungen. Plakate in kuschelgrün und softierosa vermitteln jetzt Behaglichkeit und grün-moderate Forderungen: Da soll der Staat jedem Studenten genug Geld und Zeit „zum Hinterfragen“ und „zum Leben“ geben, auch die „Gleichstellung aller in Österreich Lebender!“ wird gefordert. Manchmal bringt gender mainstreaming schon gewisse Formulierungsprobleme mit sich. Wie wär's mit „aller derzeit auf dem Gebiet der Republik Österreich physisch ansässigen natürlichen Personen jederlei Geschlechts“ gewesen? Aber „Lebenden“ hätt's auch schon getan... Solange aber die Mensen, wie von der GRAS gefordert, bald „leistbares Bio-Essen“ anbieten, hat sich mein Bedürfnis nach politischer Vertretung durch die grüne Studentenschaft schon völlig erschöpft.

Wenden wir uns nun dem anderen politische Spektrum zu, wenn wir es so nennen wollen. Denn bei der „Aktionsgemeinschaft“ (AG) von Politik zu sprechen fällt einem schon recht schwer. Alles was sie plakatiert und vertritt erinnert einen verdammt an den „Österreich - hier geht's uns gut“-Wahlkampf von Wolfgang Schüssel. „Bunt - mutig - studentig“ heißt es etwa auf den AG-Wahlständern, passender wäre wohl „schwarz - angepasst - inhaltsleer“. Das „Wort“ „studentig“ allein ist schon der Gipfel der politischen Anspruchslosigkeit und in etwa so aussagekräftig wie „für mehr Arbeitsplätze“ oder „sein Handschlag zählt“. Die AG gibt sich gern unabhängig, ist in Wirklichkeit aber eine de facto Vorfeldorganisation der ÖVP. Wie sich die Fraktion finanziert, ist bis dato unklar. Im Gespräch stehen immer wieder Spenden der Industriellenvereinigung, die bekanntlich immer dann zahlt, wenn die Wirtschaftskammer aus rechtlichen Gründen nicht kann. Was bei den einen an Gesellschaftskritik zu viel ist, ist bei der AG zu wenig. Sie hat diesbezüglich keinerlei Ansprüche, wie ihr Spitzenkandidat Krall präzisiert:
„Die AG diskutiert in der ÖH nicht über Gesellschaftspolitik, besetzt keine Unis, vertritt keine Ideologien, sondern kümmert sich ausschließlich um die Studierenden.“
Interessenvertretung sein heißt immer Gesellschaftspolitik betreiben und ideologiefreie Politik gibt es schon gar nicht. Die AG würde sich gerne als warmer Eislutscher oder eierlegende Wollmilchsau präsentieren. Dabei tritt sie sehr wohl für etwas ein:
„Überfüllte Hörsäle und endlose Wartelisten müssen ein Ende haben: Mit einem fairen Zugangsmanagement in Massenstudien wird ein besseres Betreuungsverhältnis und damit mehr Qualität im Studium gewährleistet.“
Zugangsbeschränkungen sind ein hochideologisches Thema und haben auch gesellschaftspolitische Auswirkungen. Dass die AG das nicht wahrhaben will, ist klar, denn sie  gibt sich ja als der zurechnungsfähige Gegenpol zu den überideologisierten Geisteskranken aus der linken Reichshälfte. Und in der Tat ist das Befinden der bolivianischen Kokabauern für die österreichische Hochschulpolitik so wichtig wie Silvio Berlusconis Haarausfall für das internationale Walfangmoratorium, sich aber als politische Gruppierung unpolitisch zu geben ist Etikettenschwindel auf höchster Stufe und mindestens genauso verlogen wie das pseudoproserbische Wahlkampfgesülze eines Heinz-Christian Strache.

Apropos: Dieser Herr hat natürlich auch seine Gefolgschaft an den österreichischen Hochschulen, auch wenn diese seit den 70ern von über 30 auf unter 5% zusammengeschmolzen ist. Bevor mit der „Abschaffung“ der Studiengebühren das betreiben eines Zweitstudiums über Mindeststudienzeit teuer geworden ist, war es gute Tradition des „Rings Freiheitlicher Studenten“ (RFS), dass sich ihre Sympathisanten und Funktionäre in möglichst vielen Studienrichtungen eintragen und dann am Wahltag mit einem Bus von Wahllokal zu Wahllokal gefahren werden, weil man ja auf jedem Institut und jeder Fakultät auf der man inskribiert ist, ein Kreuzerl machen darf. Der RFS-Vorsitzende heißt übrigens Chlodwig Mölzer. Sowohl Vor-, als auch Nachname sprechen Bände. Sein Team lässt sich gerne mit weißen T-Hemden und Sonnenbrillen fotografieren, vielleicht, damit das Blitzlichtgewitter der Verfassungsschutz-Kameras nicht immer so blendet.
In der Zeitschrift des RFS „Der Ring“ wirbt der Kärntner Landesrat Uwe Scheuch für das Land - also auf Staatskosten - für eine Helminitiative für Mopedfahrer. Dann wird noch nachgefragt, ob „die Deutschen“ schuld an der österreichischen Bildungsmisere sind, was selbstverständlich verneint wird, weil die pangermanische Solidarität im RFS doch noch sehr ausgeprägt ist. Nach ihrer Sicht dürfte wohl der Großteil der Studenten an österreichischen Hochschulen Deutsche sein, auch ohne Staatsbürgerschaft. Dementsprechend spricht man weniger von Deutschland und mehr von BRD, einem Kürzel, das sich nach der Wende vor allem in Neonazikreisen gehalten hat. Der RFS ist diesbezüglich ohnehin kein Lamperlverein. Er hält engste Verbindungen zum korporierten Burschenschafterwesen und deren bekanntesten Exponenten Martin Graf. Früher war der Ring ein Sammelbecken für die Südtirol-Bomber und unterstützte Gedenkveranstaltungen für den NS-Flieger Nowotny. Natürlich tritt er aus Gründen der „Meinungsfreiheit“ nach wie vor für die Abschaffung des Verbotsgesetzes ein. Dass gegen seine Mitglieder regelmäßig aufgrund dieses Gesetzes ermittelt wird, ist dabei natürlich kein Motiv. Aber bei RFS-Funktionären kann man ja schon froh sein, wenn sie nicht ihre Freundinnen ermorden und zerstückeln...

Nun hat man also die Wahl zwischen Weltrevolution, diskursiver Kastration, absolutem Politvakuum oder den „boys from Brazil“. Das schönste an dieser Wahl wäre, nicht wahlberechtigt zu sein.

3 Kommentare:

  1. Hihi, wie immer klasse schwarzhumorige böse! Moe wir lieben dich! :) Lg aus Madrid, Fabian

    Ps: a propo _innen kensch schoa des: Des _innen nennt sich joa Gender Gap (http://de.wikipedia.org/wiki/Gender_Gap_(Linguistik), jetzt gits noch die Variante statt dem Zeichen _ des Zeichen * zu benutzen.
    Womit ma gleich den ganza Rest noch dem * o als diskriminierendes Suffix weglosa kann. Beispiel vom obiga wikipedia Artikel:
    "statt Liebe_r Leser_in, der_die das gerade liest. steht dann Lieb* Les*, * du das gerade liest."
    Des isch da Hammer. Noch unverständlich gohts ech nümma. Fast unmöglich so an Text zum leasa, geschweige denn laut zum leasa. Kumma bin i uf des voa nam dütscha kommunista der sine Posts im Internet immer mit * schribt (und o brav alles sufixe danoch weglost).
    Ahhh!!!

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  2. Was liesesch o Homepages vo Kommunischta? Isches Internet ned a Geißel des eurozentisch-kapitalistischen Kulturimperialismus?

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  3. Haha durchaus! Min Plan isch joa in oa Kumme uszumwandera um mi den wichtigen Dingen des wahren Lebens zumwidmen: nackt uma renna, nur mit birkastock sandala, ungeschütztesn geschlechtsverkehr mit wesen jederlei alters, geschlecht u art zum hoba, u mi rein voa selbst aufgesammelten bio blättern (die von selbst uf da boda gfalla sind!) zum ernähra. Des mach i den so lang bis i krank wir (was ned lang daura dürft), denn gang i zruck u los mi voa da krankenkasse behandla, inkl neueste medikamente us da kapitalistischa USA. :D
    :D
    bussi, Fabian guevara

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