Donnerstag, 1. Dezember 2011

Adventkalender

 Moesanthrops Adventkalender - 2011

Hoch verehrte Leserschaft! Pünktlich zum Beginn der Vorweihnachtszeit warte ich erneut mit einem Adventkalender auf, der sich - nach dem letztjährigen Skandinavienbezug - heuer mit gesellschaftlichen und politischen Petitessen aller Art, vorwiegend solcher besonders skandalöser Natur, beschäftigen wird. Zusätzlich erfahren Sie jeden Tag - ob Sie es nun wollen oder nicht - ein spezielles Spaßfaktum aus dem Bereich Politik. Ja, kranke Seelen können auch daran Freude finden.

Solange Sie Adventzeit nicht mit einem Fugen-s schreiben, wünsche ich Ihnen eine schöne ebensolche!
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1. Dezember                          
Die Kirche und das liebe Geld
Der Vatikan ist ein Wirtschaftsbetireb mit eigener Hausbank, die etwas euphemistisch „Institut für Religiöse Werke“ heißt. Das ist doch recht dreist, vor allem wenn man bedenkt, dass sie mehrfach in Skandale verwickelt war, die auch Verfelchtungen mit der Mafia, Geldwäsche und Morde einschlossen.
Die Kriche hatte aber abgesehen davon immer schon ein goldenes Händchen. Bereits im Mittelalter ließ sie ein Dokument fälschen, in dem Kaiser Konstantin angeblich dem Papst ganz Italien schenkte. Aus der Entschädigung für die Enteignung des Kirchenstaates mit den Lateranverträgen erhielt schließlich der Heilige Stuhl 1929 immerhin 80 Millionen US-Dollar vom faschistischen Italien. Lange Zeit war die Kirche Großaktionär des Suezkanals und wurde nach dessen Verstaatlichung gesondert entschädigt. Sie erhielt vom ägyptischen Staat 50.000 französische Francs pro Aktie - in Summe 1,5 Mrd. FR, das entspräche heute fast 230 Mio. Euro -, während sich alle anderen mit 30.000 Francs begnügen mussten. Im Jahr 1970 besaß der Kirchenstaat, selbst nur 44 Hektar groß, allein in Italien 2.500 km2 Land, was in Etwa der Fläche Vorarlbergs entspricht.

Es gibt auch noch die populäre Geschichte vom vatikanischen Aktienbesitz einer italienischen Pharmafirma, die die Pille herstellte, was auch wirklich den Tatsachen entsprach. Als Zeitungen das Engagement veröffentlichten, ließ Papst Paul VI. die Beteiligung jedoch abstoßen. Der Kirchenstaat besitzt aber weiterhin Aktien von Unternehmen wie IBM, General Motors oder dem Disney-Konzern. Hartnäckig halten sich auch Gerüchte er sei der Hauptbesitzer der AGIP-Tankstellenkette. Seit 1994 bekannt wurde, dass die Erzdiözese Westminster Aktien des Waffenherstellers British Aerospace hielt, soll die Kirche auch endgültig aus dem Rüstungsgeschäft ausgestiegen sein.Wieviel frei verfügbares Vermögen der Vatikan insgesamt besitzt, ist indes immer noch unbekannt. Die Schätzungen reichen von zwei bis 30 Mrd. Euro, die meisten halten jedoch ca. zwölf Mrd. für am wahrscheinlichsten. Immerhin braucht sich niemand über die adäquate Geldversorgung im Kirchenstaat selbst sorgen zu machen. Die vatikanischen Bankomaten haben auch ein Bedienungssystem in lateinischer Sprache.

Wussten Sie schon, dass...
der letzte englische König, der das Unterhaus betreten hat, später geköpft wurde?


2. Dezember                         
Peers, Commons und der Sex
In Großbritannien haben Sexaffären in der Politik schon beinahe Tradition, worauf allein schon diverse Episoden von „Littel Britain“ hinweisen. Den Höhepunkt bildete dabei wohl die konservative Regierung unter Premier John Major, die deshalb in den 90ern gleich mehrere Vertreter verlor. Darunter den Earl of Caithness, dessen Frau aufgrund seiner außerehelichen Eskapaden Selbstmord beging, einen Politiker, der sich bei Sexspielen versehentlich selbst umbrachte, einen der sich mit einem Minderjährigen einließ, einen verheirateten Tory, der eine Reise mit seinem Liebhaber auf Spesen abrechnete, einen, auch als methodistischer Pfarrer tätig, der seine Sekretärin belästigte, einen der es mit Hostessen trieb und schließlich noch den Exponenten in einem eher durchschnittlicher Fall von Fremdgehen mit einem außerehelichen Kind als Ergebnis. Eine Stolze Bilanz für nur eine Regierungsperiode. Aber erst 2002 wurde enthüllt, dass auch der Premieminister selbst, der mit einer Moralkampagne ins Amt gekommen war, in den 80ern eine außereheliche Affäre unterhalten hatte.

Die Skandale ließen später zwar nach, hörten aber nie wirklich auf. So musste der Earl of Durham, parlamentarischer Unterstaatssekretär einer konservativen Regierung in den 70ern, zurücktreten, weil er sich mit Prostituierten und Cannabis vergnügt hatte. Zwar sind Politiker generell kreativ, was Ausreden betrifft, aber wenn es um Privatissimas geht, übertreffen sie sich oft selbst. So gab der walisische liberale Politiker Ron Davies an, Dachse beobachtet zu haben, nachdem man ihn und einen Unbekannten beim öffentlichen Verkehr der etwas anderen Art erwischt hatte.
In Sachen Sexaffären stehen aber auch die Dominions dem britischen Mutterland um nichts nach. So bediente etwa die ostdeutsche Prostituierte und sowjetische Spionin Gerda Munsinger in den späten 50er- und frühen 60erjahren die halbe kanadische Regierung mit ihren Fähigkeiten, bis die Mounties sie in die DDR abschoben. Der kanadische Außenminister musste 2008 zurücktreten, nachdem er geheime NATO-Dokumente im Haus seiner Exfreundin hatte liegen lassen, die noch dazu über gute Kontakte zu den Hell's Angels verfügte. Von derlei Unannehmlichkeiten hätte auch John Profumo ein Lied singen können, der als verheirateter britischer Kriegsminister regelmäßig das Bett mit einer russischen Agentin teilte und 1963 zurücktreten musste.

Wussten Sie schon, dass...
in Österreich Blinde nicht Richter werden dürfen?


3. Dezember                               
Immer Ärger mit dem Reisepass
Reisepässe können eine Menge Ärger machen, aber auch viel Freude bereiten. Ärger machen sie zum Beispiel, wenn man beim Fälschen versehentlich Österreich mit drei „r“ schreibt und deshalb am Grenzübergang auffliegt, wie es einem Einreisewilligen vor einige Jahren passierte. Freude machen sie hingegen, wenn vorne „Diplomatic Passport“ draufsteht und man, wenn man zum Beispiel Nordkoreaner ist, ungehindert Falschgeld, Drogen und raubkopierte DVDs schmuggeln kann. Blöd kann es aber auch laufen, wenn man Kosovare ist und das Land, in das man einreisen möchte, den eigenen Staat nicht anerkennt. Auch Bewohner diverser Zwergstaaten bekommen immer wieder Probleme, wenn etwa der Zöllner die Existenz von Liechtenstein bezweifelt. Wer wiederum gerne im Nahen Osten unterwegs ist - aber wer ist das schon? - sollte sich am besten gleich zwei Pässe ausstellen lassen. Wer mit einem israelischen Stempel etwa in den Iran, nach Kuwait, den Libanon, nach Libyen, Saudi Arabien, den Sudan, nach Syrien oder in den Jemen einreisen möchte, hat Pech gehabt. Diese Staaten akzeptieren weder Israelische Pässe, noch solche, die Israelische Sichtvermerke tragen. Insgesamt verweigern 18 mehrheitlich muslimische Staaten israelischen Bürgern die Einreise, einige akzeptieren jedoch andere ausländische Pässe mit israelischen Visa oder Stempeln. Ältere Menschen aus Deutschland und Österreich müssen für Israel noch Visa beantragen, da überprüft wird, ob für den Zeitraum 1933/38-45 gegen sie etwas vorliegt. Auch sollte vermieden werden, mit einem Stempel von Berg-Karabach nach Aserbaidschan einzureisen. Man sollte sich in jedem Fall zumindest eine gute Ausrede einfallen lassen, wenn man sich von abtrünnigen Provinzen in den Pass stempeln lässt.
Philippinische Pässe sind nicht für den Irak gültig, weil das Land fürchtet durch Geiselnahmen erpresst zu werden. Tongaer können bei der Einreise in diverse Staaten Probleme bekommen, weil ihrer Regierung Pässe an Staatenlose als „Tongan Protected Persons“ verkauft und der Rest der Welt das nicht gern sieht. Die Ausgabe von Reisepässen zählt in Großbritannien und Kanada zu den „Royal Prerogatives“, das heißt, dass die Krone - de facto also die Regierung - jedem ohne Angabe von Gründen einen Pass ausstellen oder verweigern kann. Unter dem Rechtssatz „ne exeat regno“ kann einem Untertanen ihrer Majestät sogar die Ausreise verboten werden.

Die folgende Anekdote wurde an dieser Stelle zwar schon einmal erzählt, aber aufgrund der thematischen Verschränkung gelangt sie hiemit zur Wiederverwendung: Die Landesverweisung des Hauses Habsburg-Lothringen hatte den kuriosen Nebeneffekt, dass die Mitglieder der ehemals regierenden Familie zwar die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen, jedoch nicht nach Österreich einreisen durften. In ihren österreichischen Reisedokumenten stand folgerichtig „Dieser Reisepass gilt für alle Staaten der Welt mit Ausnahme Österreichs.“ Mittlerweile wurde auch diese Praxis beendet und ein jeder kann heute bei entsprechendem Investitionsvolumen einen österreichischen Pass erstehen. Das ist schließlich - no na ned - part of the game.

Wussten Sie schon, dass...
im Iran Homosexuelle hingerichtet werden, transsexuelle Männer aber Geschlechtsumwandlungen auf Staatskosten erhalten?


4. Dezember - 2. Adventsonntag 
Hochprozentige Politik
nglaublich, wenn Sie jetzt der Meinung sind, ich hätte diesen Blogeintrag nur deshalb mit U begonnen, um das adventsonntägliche Schnörkelinitial unterzubringen. Nein, vielmehr fängt er mit einem U an, weil ich Ihnen heute unglaubliche Geschichten von ungemein betrunkenen Politikern erzählen möchte.

Sowohl Nicolas Sarkozy als auch den ehemaligen japanischen Finanzminister hat es schon erwischt, letzterem sogar den Job gekostet. In Deutschland hat es Detlef Kleinert, der besoffen eine Rede im Bundestag hielt, zu einiger Berühmtheit gebracht. 2009 tauchte der ukrainische Innenminister Juri Luzenko so besoffen am Frankfurter Flughafen auf, dass die Lufthansa seine Beförderung verweigerte. In Österreich ist es grundsätzlich schwer feststellbar, ob Politiker betrunken oder einfach nur beschränkt sind. Man denke etwa an Karl Schwab. Und hierzulande hört man von alkoholisierten Politikern auch nur, wenn sie dadurch den Führerschein oder das Leben verlieren. Auch wenn im Falle Jörg Haiders nach wie vor mancher lieber glauben möchte, dass der Mossad an der Bremsleitung war. Der Alkohol ist für Politiker grundsätzlich gefährlich. Sie trinken beruflich bei jeder Veranstaltung und manchmal auch abends allein. Der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos stellte für sich daher die Regel „nie in der Wohnung trinken“ auf und meinte:
„Ich habe Kolleginnen und Kollegen durch den Alkohol sterben sehen. Das hat auch etwas mit der Einsamkeit des Politikers zu tun.“
Trotz dieses tragischen Aspekts sorgt Alkoholisierung in der Politik doch auch oft für Heiterkeit, zumal sie die Protagonisten verletzlich und damit menschlich werden lässt. Wer erinnert sich etwa nicht gern an die kleinen Aussetzer und Stolperer von Boris Jelzin? Ein ehemaliger US-Geheimdienstler wusste zu berichten, dass der Secret Service den russischen Präsidenten während eines Staatsbesuchs spät Nachts und in Unterhosen auf der Pennsylvania Avenue aufgabelte. Er hatte versucht sich eine Pizza zu besorgen. Ein sympathischer Alkoholiker ist einem am Ende ja doch lieber, als ein abstinentes Arschloch. 

Wussten Sie schon,...
Kaiser Karls Vater Erzherzog Otto einen diplomatischen Fauxpas auslöste, weil die Frau des britischen Botschafters bei seinem Anblick in Ohnmacht fiel, nachdem ihn seine Saufkumpanen im Sacher nackt aus dem Zimmer gesperrt hatten?


5. Dezember                               
Der Staatsbesucht, ein Fettnapffluch
So ein Staatsbesuch ist doch ganz nett, es sei denn man ist Alexander I. von Jugoslawien und wird dabei erschossen. Sonst kriegt man was zu essen, es gibt militärisch Ehren, Reden werden geschwungen und Hymnen gespielt; im besten Fall sind es die richtigen. Natürlich kann es schon mal vorkommen, dass die norwegische Garde den Schweizerpsalm nicht kennt, wie letztes Jahr geschehen oder man spielt für den deutschen Bundespräsidenten die Hymne der DDR, wie es den Brasilianern 1995 passierte. Das aber ist lange nicht so schlimm, wie wenn man die Unverzeihlichkeit begeht, die Queen zu berühren. Selbigen diplomatischen Verbrechens hat sich neben Jaques Chirac auch schon Michelle Obama schuldig gemacht. Der australische Premierminister Paul Keating erhielt von der britischen Presse für denselben Fauxpas gar den wenig schmeichelhaften Titel „The Lizard of Oz“.
Als Legende der diplomatischen Fehltritte gilt weithin der ehemalige deutsche Präsident Heinrich Lübke, der beim Staatsbesuch in Liberia die Anwesenden mit „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“ angesprochen haben soll und nachweislich beim Staatsbesuch in Madagaskar das Präsidentenpaar mit „Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive“ ansprach, wobei letzteres nicht der Name der First Lady, sondern der madagassischen Hauptstadt war.
Auch der irische Ministerpräsident war leicht peinlich berührt, als er 2009 beim Besuch in den USA versehentlich begann die Rede vom Teleprompter abzulesen, die Präsident Obama kurz zuvor gehalten hatte. Doch dieser hat kein Recht sich über dererlei Verfehlungen zu amüsieren, beging er doch während seines Besuchs in Großbritannien den elendiglichen Fehler, weiterzureden, als bereits „God save the Queen“ gespielt wurde.
Ansonsten sind Staatsbesuche jedoch harmlos und ihr Pomp nimbiert meist gnädig diverse Fehltritte der involvierten Politiker. Solange man es nicht wie der tschechische Staatspräsident Klaus macht und mit einem Kugelschreiberdiebstahl alle traurigen Klischees über Osteuropäer bestätigt, kann eigentlich nicht viel schief gehen.

Wussten Sie schon, dass...
der Bund ein eigenes Bad an der Donau besitzt und dieses hoheitlich durch die Burghauptmannschaft verwalten lässt?


6. Dezember - Nikolaustag       
Einführung in den Wahlbetrug
in Wahlbetrug ist eine einfache Sache, wenn man erst einmal an der Macht ist. Spätestens nach dem ersten Mal wissen auch die letzten Funktionäre, wie man Wählerevidenzen fälscht und Urnen zugunsten der Bath-Partei oder von „Einiges Russland“ füllt, denn für gewöhnlich lassen sich nur so Ergebnisse jenseits der 90% gewährleisten. An und für sich ist es aber eine paradoxe Aktion, wenn man von Demokratie eigentlich nichts wissen will, sie aber gleichzeitig als Feigenblatt verwendet. Ob man nun Saddam Hussein oder Hosni Mubarak heißt, ob man nun 11.445.638 Stimmen und damit 100% aller irakischen Wähler hinter sich scharen konnte oder ob man immerhin bescheiden genug ist, um sich mit 88,6% zu begnügen und so den demokratischen Schein nicht ganz ins Lächerliche zu ziehen: Es bleibt ein billiger politischer Taschenspielertrick. Immerhin haben zum Beispiel die Chinesen Mumm genug, um sich als richtige Diktatur zu outen. Gefälschte Wahlen sind ja auch immer ein Zeichen innerer Schwäche. Denn ist ein Regime stark genug, braucht es zur Legitimierung überhaupt keine Wahlen, auch nicht getürkte. 

Peinlich wird so ein Wahlbetrug vor allem dann, wenn er einem nachgewiesen wird. Das imperialistische westliche Ausland und die Wahlbeobachter der OSZE können herumtönen so viel sie wollen, solange das Regime nicht etwa wie in Ägypten durch ein peinliches Video oder gar durch Beobachter aus dem eigenen Volk selbst das Gesicht verliert, wie es der DDR-Führung 1989 passierte. Da süffisanter Weise Wahlfälschung in der Deutschen Demokratischen Republik strafbar war, wurden der ehemalige SED-Vorsitzende Hans Modrow und etliche Staatsanwälte verurteilt die Stimmauszählung manipuliert beziehungsweise die Manipulationen nicht strafrechtlich verfolgt zu haben.
So was passiert einem natürlich nur, wenn es der Konterrevolution oder drogenabhängigen jugendlichen Al-Kaida-Anhängern gelingt, die vom Volk so innig geliebte Staatsführung aus dem Amt zu fegen. Ansonsten lassen sich auch kleine Ungereimtheiten verschleiern, wie jene, dass der Gegenkandidat Mahmud Ahmadinedschads bei den letzten iranischen Präsidentschaftswahlen Mir Hossein Mussawi um 09:47 Uhr des Auszählungstages noch 633.048 Stimmen hatte, um 13:53 Uhr aber nur noch 587.913; und das laut offiziellen Angaben des Staatsfernsehens. 

Wussten Sie schon, dass...
Winston Churchill im Juli 1945, noch vor dem Kriegsende im Pazifik, als britischer Premierminister abgewählt wurde?


7. Dezember                            
Vom Verrat und den Verrätern
Der Verräter von Welt wie der Generalstaatsanwalt unterscheiden gemeinhin zwischen Landes- und Hochverrat. Bei ersterem dreht es sich „nur“ um die Preisgabe von Staatsgeheimnissen an eine fremde Macht, bei letzterem muss man es zum Beispiel unternehmen „mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen.“ Übrigens eines der wenigen Delikte, bei denen nicht nur der Versuch, sondern schon die Vorbereitung strafbar ist. Aber ich schweife ab...
Auch in anderen Ländern sind die Regelungen ähnlich und der Hochverrat war ursprünglich ein Delikt, für das quasi traditionell die Todesstrafe verhängt wurde. In den USA ist das heute noch der Fall, in Großbritannien wurde 1998 das Strafmaß für dieses Verbrechen, zusammen mit jenem für Piraterie, auf lebenslang abgeändert. Der letzte Delinquent den man im Vereinigten Königreich für Hochverrat hingerichtet hatte, war 1946 William Joyce gewesen, der während des Krieges für die Nazis Propaganda geführt hatte. In alten Österreich-Ungarn war man diesbezüglich weniger zimperlich. Im Prozess um die Planung und Durchführung des Attentates auf den Thronfolger Franz Ferdinand lauteten immerhin acht Urteile auf Hochverrat, drei der Verschwörer wurden hingerichtet, drei starben im Gefängnis der letzte wurde nach der Haft jugoslawischer Forstminister und segnete erst 1990 das zeitliche.

Der Hochverrat geht aber auch gerne Hand in Hand mit dem Schauprozess. Sei es gegen die Hitler-Attentäter vom 20. Juli oder, wie 1981 im Fall von Werner Teske, gegen einen DDR-Studenten, der dem Westen Informationen zukommen lassen wollte, die Todesstrafe ist immer noch das effektivste Unterdrückungsmittel autoritärer Staaten. Aber auch sonst gab es immer wieder kontroverse Urteile: Louis Riel wurde als Hochverräter hingerichtet, weil er die Westexpansion Kanadas bekämpfte. Und der dänische Botschafter in den USA während des II. Weltkrieges Henrik Kauffmann wurde verurteilt, weil er im Namen des Königs, aber ohne dessen oder des Parlamentes Wissen, mit den Vereinigten Staaten einen Verteidigungsvertrag für Grönland unterzeichnet hatte. Die Aufhebung des Urteils gegen Kaufmann war eine der ersten Handlungen des Dänischen Parlaments nach der Befreiung 1945.

Wie immer die Sache in den USA aber etwas anders. Verrat wird dort in der Verfassung definiert und wie mit allem was dort steht, hat man im 21. Jahrundert gewisse Probleme damit. Verräter ist nämlich nur, wer gegen die Vereinigten Staaten Krieg führt oder ihre Feinde begünstigt und kann nur verurteilt werden, wenn zwei Zeugen vor Gericht gegen ihn aussagen oder er selbst gesteht. Da das so gut wie nie der Fall ist, werden die meisten Verräter unter anderen Gesichtspunkten exekutiert. Ethel und Julius Rosenberg, die Atomspionage für die Sowjets betrieben hatten, wurden deshalb einfach wegen Spionage hingerichtet.

In etlichen Fällen ist der Verrat aber auch mehr als  immanent und lässt den Verräter selbst zum Symbol der Niedertracht werden. Solches gilt vor allem für den norwegischen Faschistenführer Vidkun Quisling, den chinesischen Kolaborateur Wang Jingwei und den amerikanischen Erzverräter Benedict Arnold, der im Unabhängigkeitskrieg zu den Briten überlief und angeblich der Grund sein soll, warum sich sein Vorname in den USA nicht allzugroßer Beliebtheit erfreut. In Tschechien blickt man indes mit nicht endenwollender Verachtung auf Karel Čurda der die Heydrich-Attentäter für eine halbe Millionen Reichsmark und einen neuen Namen verriet. In Österreich könnte man wohl Oberst Alfred Redl nennen, der sich mit seiner Homosexualität erpressen ließ oder - nach neueren Darstellungen - von den Russen einfach nur Geld wollte und ihnen im Gegenzug die Aufmarschpläne der k&k Armee verriet.
Letztendlich aber muss man so manchen Verrat auch milde beurteilen. George Washington war ein verräter an der britischen Krone, Karl Renner an der österreichischen. Vielleicht muss man es in diesen Fällen so sehen wie Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord es auf dem Wiener Kongress dem russischen Kaiser sagte: „Verrat, Sire, ist nur eine Frage des Datums.“ 

Wussten Sie schon, dass...
der austrofaschistische Diktator Engelbert Dollfuß, bevor er heiratete und in die Politik ging, Priesterseminarist war?


8. Dezember       
Wasser und Wein
Man kann über politische Systeme denken was man will, wenn aber ihre Proponenten selbst die nötige Überzeugung vermissen lassen wird es peinlich. Als zum Beispiel nach der Wende die ostdeutsche Bevölkerung in den ehemals hermetisch abgeschirmten Wohnkomplex der DDR-Elite nahe Berlin vordrang, kannten Staunen und Zorn keine Grenzen. Während im Rest des Landes Wohnungsnot herrschte und sich schon glücklich schätzen konnte, wer in einen Plattenbau einziehen durfte, wohnten die SED-Bonzen nicht nur sehr gediegen in Einfamilienhäusern, sondern verfügten auch über jede Annehmlichkeit, die in Westhaushalten zum fixen Bestandteil des Inventars gehörte. Dass Erich Honecker in seinem Haus eine Miele-Küche hatte einbauen lassen, war nicht nur eine gewaltige Scheinheiligkeit, es war auch ein Verrat am Sozialismus. In diesem Punkt Weltmeister ist wiederum der nordkoreanische Langzeitherrscher Kim Jong Il, der sich im Ausland Luxusautos bestellt und von europäischen Spitzenköchen Hamburger kredenzen lässt, während sein Volk von einer Hungersnot in die nächste schlittert. Hauptsache, der „geliebte Führer“ verfügt über die angeblich größte Videosammlung der Welt, während die Gehäuse der Fernseher der wenigen Nordkoreaner, die sich einen leisten können, plombiert sind, damit auch ja keiner Westsender sieht.

Aber auch im imperialistischen Ausland sind die Politiker mindestens genau so scheinheilig wie in diversen Arbeiter- und Bauernparadiesen. Man denke etwa an den republikanischen Abgeordneten Tom Foley, der 2006 anzügliche Internetkontakte mit minderjährigen Kongressboten einräumen musste. Foley war der Vorsitzende der Arbeitsgruppe für missbrauchte und misshandelte Kinder. Und dann gibt es da noch Ted Haggard, ein unter anderem mit schwulenfeindlichen Aussagen bekannt gewordener konservativer Prediger, der zugab Crystal Meth konsumiert und einen Callboy getroffen zu haben. Erst kürzlich wurde mit Patrick Sullivan der „Sheriff des Jahres“ aus dem US-Bundesstaat Colorado verhaftet. Er soll einem Stricher Drogen für Sex geboten haben. Die Ironie will es, dass er nun in eben jenem Gefängnis einsitzt, das nach ihm benannt wurde. 
Und auch die heilige Mutter Kirche ist ein wandelndes Beispiel der Scheinheiligkeit. Man würde nie fertig werden, die Fälle von Kardinälen, Bischöfen und Priestern aufzuzählen, die gegen die Lehrmeinung des Heiligen Stuhls verstoßen haben. Exemplarisch sei der Fall Groer angeführt, der vor allem deshalb publik wurde, weil der Kardinal selbst in einer Aussendung Homosexuelle und „Lustknaben“ verteufelt hatte. Wer nun aber glaubt, dass selbst der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden in dererlei Unbill verwickelt sein könnte, muss an dieser Stelle enttäuscht werden. Papst  Benedikt XVI. ist keiner, der Wasser Predigt und Wein trinkt. Wie jeder weiß, mag er am liebsten Fanta. 

Wussten Sie schon, dass...
sich laut Verfassung jede liechtensteinische Gemeinde durch Volksabstimmung vom Gesamtstaat abspalten darf?


9. Dezember                
Es bleibt in der Familie
Der Bruder des Papstes ist Priester, die Frau des Ex-US-Präsidenten Außenministerin. Was sonst eigentlich nur in Erbmonarchien der Fall ist, trifft auch auf so manche Republik zu: Mehrere Angehörige einer Familie sind Berufspolitiker. Man denke etwa an den Nehru-Gandhi-Clan in Indien, der mit Mahatma Gandhi zwar überhaupt nicht verwandt ist, aus dem Namen aber mächtig Profit geschlagen hat. Die Familie hat es immerhin auf rund ein Duzend Politiker, darunter drei indische Premierminister, gebracht. Glücklich sind sie damit kaum geworden. Sowohl Indira, als auch ihr Sohn Rajiv wurden ermordet. Ein anderer Sohn starb bei einem Flugzeugabsturz. Die Kumulation mehrerer Ämter in einer Familie, wie sie etwa in diversen Scheichtümern üblich ist, birgt für eine Demokratie aber auch gewisse Gefahren. In Norwegen wurde das politische Geschehen lange Zeit von wenigen einflussreichen Familien bestimmt. Um ihre Macht zu beschränken wurde in §12 der Verfassung folgende Bestimmung aufgenommen:
„Eheleute, Eltern und Kinder oder zwei Geschwister dürfen nicht gleichzeitig Sitz im Staatsrat haben.“
Peinlich wird's aber dann, wenn angehörige derselben Familie für eine andere Partei antreten. Bernhard Vogel, der jüngere Bruder des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden im deutschen Bundestag, Bundesjustizministers und Oberbürgermeisters von München und Berlin Hans-Jochen Vogel, war zum Beispiel rheinland-pfälzischer und thüringischer Ministerpräsident für die CDU. Der grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser ist der Schwager von ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. Das politische Engagement von Verwandten kann aber auch direkte Konkurrenzverhältnisse zur Folge haben. Als etwa die Brüder David und Ed Miliband gegeneinander um den Vorsitz der britischen Labour-Partei kämpften, ließ ihre Mutter verlautbaren, sie werde sich am Parteitag der Stimme enthalten. Mitunter führt aber nicht nur die Familie zur Politik, sondern geschieht auch Umgekehrtes. So wurde etwa die politische Zusammenarbeit zwischen Schwarz und Blau von Ex-Bauernbundchef Grillitsch und der FPÖ-Mandatarin Magda Bleckmann auf besondere Weise vertieft: Die beiden haben einen Sohn. 

Wussten Sie schon, dass...
Albert Einstein 1911 eine Professur in Prag annahm und daher für kurze Zeit österreichischer Staatsbürger war?


10. Dezember                       
Österreichische Bauskandale
Der Bauskandal hat in Österreich Tradition. Schon Maria Theresia beauftragte die eben erst gegründete Hof-Rechen-Cammer - die Vorgängerin des Rechnungshofes - mit der Untersuchung einer Bau-Korruptions-Affäre um die Errichtung der Militärakademie in Wiener Neustadt und auch Jahrhunderte später stehen die Österreicher ihren Vorfahren in Sachen Verschwendung und Unterschlagung um nichts nach. Besonders der AKH-Skandal nimmt dabei eine prominente Stellung ein. Nicht nur, weil es der bisher größte Bauskandal der österreichischen Geschichte war, sondern auch, weil durch seine Aufdeckung durch Alfred Worm der investigative Journalismus hierzulande Einzug hielt. Beim Bau des größten Krankenhauses Europas hatten sich die Kosten von 15 auf 45 Mrd. Schilling erhöht. Der technische Direktor Adolf Winter hatte für die Vergabe von Aufträgen jahrelang die Hand aufgehalten. Am Ende wanderten mehrere Involvierte ins Gefängnis, unter ihnen der Präsident der Industriellenvereinigung. Aber schon früher war es in der Zweiten Republik zu baulichen Schmierereien gekommen, wie etwa bei der Assanierung der Westautobahn 1966.

Wer aber glaubt, dass solcherlei finanzpolitische Unschärfen bei öffentlichen Bauunternehmungen mittlerweile der Vergangenheit angehören, sei auf die Erweiterung des Wiener Flughafens verwiesen. Der Bau des sogenannten „Skylink“-Terminals hätte 400 Mio. Euro kosten und 2008 fertiggestellt sein sollen. Drei Jahre und 3.000 Baumängel später wird als Inbetriebnahmedatum 2012 um den Pappenstiel von etwa 830 Mio. avisiert. Wo das ganze Geld der paritätisch rot-schwarz besetzten Flughafenverwaltung geblieben ist, ermitteln momentan die Staatsanwaltschaft und der Rechnungshof. Und weil in Österreich nicht einmal das Finanzministerium seine Kröten zusammenhalten kann - die Renovierung des Hauptsitzes in der Himmelpfortgasse ist mit 140 Mio. Euro fast doppelt so teuer ausgefallen wie projektiert - kann man wohl auch weiterhin darauf setzen, dass in Österreich mit Gold geziegelt und mit Geld tapeziert wird.

Wussten Sie schon, dass...
Bill Clinton als William Jefferson Blythe geboren wurde?


11. Dezember - 3. Adventsonntag         
Peinliche Briefe
eil er mittlerweile nicht mehr Vizekanzler war, schrieb Hubert Gorbach auf sein gefladertes Bundesbriefpapier neben den ehemaligen Amtstitel händisch ein „a. D.“ für „außer Dienst“, wohl wissend, dass er diesen Dienst wohl nie wieder aufnehmen würde. Deshalb wandte er sich auch an den lieben Alistar, der eigentlich Alistair hieß. Er möge sich doch bitte seiner erinnern und diese Erinnerung möge ihrerseits zu gedeihlichen Geschäftsanbahnungen führen. Er habe es „considered“, so Gorbach, sein „own business in consulting and lobbying“ zu starten. Die Welt in Vorarlberg, so der vom Schicksal gebeutelte Expolitiker außerdem, sei ihm schließlich „too small“. Leider machte der gute Hubsi den schweren Fehler, den Brief über die österreichischen Vertretungsbehörden übermitteln zu lassen. Böse Mächte spielten ihn in der Folge der Presse zu und die verheerende Häme über seinen sprachlichen und politischen Fauxpas nahm ihren Lauf.

Peinliche Briefe haben in der Vergangenheit aber schon Minderes angerichtet, als nur den ohnehin schon desaströsen Ruf von abgerüsteten Exkomparsen des Kärntner Landeshauptmannes zusätzlich zu diskreditieren. Man denke etwa an die Emser Depesche, deren Veröffentlichung im Zuge des spanischen Erbfolgesstreites den Deutsch-Französischen Krieg auslöste oder an die Briefe Kaiser Karls an seinen Schwager Sixtus, Offizier der französischen Armee im Ersten Weltkrieg, die von den Franzosen publik gemacht und deren Existenz vom Kaiser verleugnet wurde, was ihm jegliche Glaubwürdigkeit nahm und die letzte Chance auf Frieden vernichtete.

Das Gros der peinlichen Politkorrespondenz hat sich aber Gott sei Dank im Rahmen von kleineren Petitessen abgespielt, wobei es natürlich trotzdem unpassend erscheint, wenn etwa der britische Premierminister der Mutter eines gefallenen Soldaten einen Brief mit 25 Rechtschreibfehlern schickt. Früher hat man das Bekanntwerden solcher Verfänglichkeiten freilich besser zu verhindern gewusst. Als Maria Theresias Tochter Maria Christina starb, wurde ihr Briefwechsel mit ihrer Schwägerin - Isabella von Bourbon-Parma, der Gattin Kaiser Josef II. - konfisziert und vernichtet, die beiden Damen hatten ein sehr intimes Verhältnis gepflegt.  

Wussten Sie schon, dass...
die Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte nach § 276 StGB mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bedroht ist?


12. Dezember 
Außer Spesen...
Wenn ein kleinwüchsiger zorniger Alemanne sein Gesicht in eine Kamera hält, um seinen paranoiden Heilsbringerkomplex auszuleben, hat's wahrscheinlich was mit Spesen zu tun. Auch wenn der geifernde Brillenträger selbst schwerwiegende Transparenzprobleme in Sachen Finanzgebarung hat und seine Mitarbeiter wechselt wie andere Leute Unterhosen: Die Anderen sind schlimmer! Dabei passieren auf nationaler Ebene doch wirklich pikantere Geschichten, als die der ÖVP-EU-Abgeordneten Hella Ranner, die ihre privaten Schulden mit der Spesenpauschale des EU-Parlaments begleichen wollte.

Denken Sie nur mal an den großen britischen Spesenskandal. Da meldeten Abgeordnete ihre Ehefrauen und Kinder als parlamentarische Mitarbeiter oder verrechneten Tampons und Klobürsten auf Staatskosten. Legendär wurde Sir Peter Viggers, Mitglied des Unterhauses, der ein Entenhaus für seinen Gartenteich erwarb und dafür 1.800 Euro als Spesenausgabe deklarierte. Ein Abgeordneter ließ sich die Hypotheken für sein Haus als Zweitwohnsitzausgaben rückerstatten. Die fünf Abgeordneten der nordirischen Sinn Féin, die sich weigern ihre Sitze in Westminster zu nehmen, weil sie für die Abspaltung Nordirlands eintreten, verrechneten trotz fehlender Anwesenheit über fünf Jahre hinweg zusammen 570.000 Euro für angebliche Zweitwohnsitze in London. Und weil der britische Staat solche Sekundarresidenzen von Abgeordneten bezahlt, fallen da natürlich auch Instandhaltungskosten für das Pflegen des Rasens (10.000 Euro), die Reinigung des Pools oder die Entlaubung des Wassergrabens (2.500 Euro) an. Und da außerdem so ein Abgeordneter gediegen wohnen will und nicht alles selber machen kann, sind dann schon mal 20.000 Euro für ein Bücherregal oder ein bezahlter Glühbirnenwechselservice zu berappen. Die Affäre kostete letztlich mehreren Politikern den Job, unter anderen dem Speaker des Unterhauses. Die wirkliche Tragödie aber ist, dass Sir Peters Enten ihre staatlich geförderte Unterkunft nie annahmen, weshalb diese eingelagert werden musste. 

Wussten Sie schon, dass...
König Juan Carlos von Spanien den Titel eines Grafen von Tirol trägt?


13. Dezember      
Politik und Presse
Es gibt wohl kaum zwei Berufsgruppen, außer Ärzte und Bestatter vielleicht, deren Arbeit so grundlegend von der des jeweils anderen abhängt, wie die von Politikern und Journalisten. Die Verflechtungen sind so intensiv, die Versuche gegenseitiger Einflussnahmen so häufig, dass man korrekterweise nicht mehr von Medien sprechen dürfte. Denn sie transportieren nicht nur Nachrichten, sie machen sie auch. Wenn also die Ehefrau des Innenressortchefs der Kronenzeitung jahrelang im Vorzimmer des Bundeskanzlers saß, ist das nur ein Teil des Sittenbildes. 

Die Beziehung von Politik und Medien ist ansonsten durchaus ambivalent. Als der SPIEGEL etwa 1962 unter Berufung auf militärische Dokumente die deutsche Bundeswehr als nur bedingt abwehrbereit bezeichnete und feststellte, dass diese einem Angriff des Warschauer Paktes nicht standhalten würde, erwirkte die Bundesanwaltschaft Haftbefehle gegen mehrere Mitarbeiter und Redakteure der Zeitschrift. Die Angelegenheit führte letztlich zu einer Regierungskrise und dem Rücktritt von Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. Trotzdem wird es dem Chefredakteur Rudolf Augstein lieber gewesen sein, 103 Tage unter dem Vorwurf des Landesverrates im Gefängnis gesessen zu haben, als das Schicksal vieler anderer Journalisten zu erleiden, die wie Anna Politkowskaja Opfer ihrer Courage wurden. 

Dass die Medien selbst aber keine Heiligen sind, weiß man nicht erst seit dem Skandal um das Medienimperium von Rupert - er ist ein wunderbarer Mann - Murdoch. Mit welch perfiden und ganz und gar unmoralischen Methoden die heimischen Zeitungsmacher den Politmarkt aufmischen, hat der Falter in einem Artikel geschildert, den ich hiemit nochmals wärmstens empfehlen möchte. Ansonsten genügt es ein Boulevardblatt aufzuschlagen oder bei Kobuk nachzulesen, wenn man wissen möchte wie Berichterstattung selbst zum Skandal werden kann. Bei der Krone zumindest wundert einen ja schon lange nichts mehr. Selbst Ihre Entstehung wurde durch illegale ÖGB-Gelder finanziert und war somit an sich schon skandalös. 

Wussten Sie schon, dass...
Bundespräsident Franz Jonas Esperanto sprach und strikter Antialkoholiker war?


14. Dezember       
Skandalöse Suizide
Es war während der Affäre um die Dissertation eines bekannten deutschen Ministers, als ich in irgendeiner Zeitung oder - wohl wahrscheinlicher - online den Kommentar las, dass Politiker früher für solche Fälle noch einen Revolver in der Schublade gehabt hätten. Das klingt zwar recht grausam ist aber durchaus richtig. Der Suizid war lange Zeit der Begleiter von Adel, Militär und Politik. Als der österreichische General und Mitglied des Herrenhauses Ludwig Karl Wilhelm von Gablenz seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte, zog er daraus 1874 denselben Schluss wie 1939 der deutsche Kapitän zur See Hans Langsdorff, als er seine gesamte Besatzung nicht wie gefordert in den Tod schicken wollte. Kurz: Der Selbstmord galt als ehrenvoll und allemal besser als Ruin oder Gefangenschaft.

Weil aber der Glauben an das christliche Jenseits im letzten Jahrundert vehement ab- und der Glaube ans begüterte Diesseits im selben Ausmaß zugenommen hat, ist auch die Zahl der Selbsttötungen aus Gründen der Ehre stark rückläufig. Daher wollen wir unser besonderes Augenmerk auf die prominenten Politikersuizide richten, die nach 1946 und nicht mit Zyankali ausgeführt wurden. Ein bekanntes Beispiel für eine Verzweiflungstat ist dabei der chilenische Staatspräsident Salvador Allende, der sich im Zuge des Militärputsches gegen seine demokratisch gewählte Regierung das Leben nahm.
Bis heute nicht geklärt sind allerdings die Abgänge von Karl Lütgendorf und Uwe Barschel. Ersterer, österreichischer Verteidigungsminister und Brigadier des Bundesheeres, wurde 1981 erschossen aufgefunden. Ein Suizid wird von vielen Seiten angezweifelt, vor allem, da der Schuss durch die Zähne ausgeführt wurde, für einen Offizier höchst ungewöhnlich. Sein Tod wird daher sowohl mit der Lucona-Affäre also auch mit der Stasi oder sogar mit der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Sadat in Verbindung gebracht, bleibt aber bis heute ungeklärt. Ebenfalls im Dunkeln blieben die Gründe für das Ableben des schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten Barschel, der am 11. Oktober 1987 tot in einer Genfer Hotelbadewanne aufgefunden wurde. Dem war einer der schmutzigsten Wahlkämpfe der deutschen Nachkriegsgeschichte vorangegangen, in dem die CDU ihren Gegnern SPD und Grüne unter anderem die Förderung von Pädophilie unterstellte. Mit Hilfe eines Springer-Journalisten wurde der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten Engholm von Privatdetektiven überwacht, um seine gemutmaßte Homosexualität gegen ihn verwenden zu können. Außerdem versuchte die CDU ihm AIDS anzudichten und unterstellte ihm öffentlich, er werde Nazis und Kommunisten im Staatsdienst beschäftigen. Als die Sache aufflog und man Barschel beschuldigte nicht nur davon gewusst, sondern die Aktionen auch initiiert zu haben, sagte dieser auf einer Pressekonferenz:
„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“
Am 2. Oktober musste er dennoch als Ministerpräsident zurücktreten. Eine Woche später war er tot.  

Wussten Sie schon, dass...
das österreichische Parlament eine eigene Postleitzahl - 1017 Wien - hat?


15. Dezember    
Kinder der Liebe
Herzog Sigmund von Tirol soll an die 50 gehabt haben, bei Kaiser Franz Joseph weiß man die genaue Zahl nicht, bei Fürst Albert II. von Monaco sind es zwei bis drei, bei Udo Jürgens und Boris Becker braucht man mit dem Zählen gar nicht erst anzufangen. Arnold Schwarzenegger hat, wie viele andere, seins lange verheimlicht. Dass es auch gute Gründe gibt, uneheliche Kinder unter dem Teppich zu halten, wissen wir nicht erst seit die griechische Göttermutter Hera hinter Herakles und Konsorten her war. Wer nicht will, dass sein Auto so aussieht, wie das von Tiger Woods, sollte entweder seinen Mund oder seine Lenden geschlossen halten. Weltweit ist man aber - abgesehn vom Ehebruch, der wohl nirgendwo gern gesehen wird - bezüglich der Ehelichkeit von Kindern nicht überall gleich sittenstreng. In Island sind 66% aller neugeborenen Kinder unehelich, in Japan nur 2%. Selbst in Österreich gibt es starke Schwankungen. Traditionell an der Spitze der Unehelichkeitsstatistik steht Kärnten mit über 53% unehelichen Kindern im Jahr 2008 Schlusslicht ist Wien vor Vorarlberg mit nur 31%.

Den Unverheirateten kann's egal sein, aber der Trost nicht der einzige Fehlbare zu sein, hilft untreuen Ehemännern nur wenig. Gut, als Schauspieler kann man vom Medienhype rund um eine Affäre mitunter sogar profitieren, wenn man nicht Mel Gibson heißt. Als Politiker bedeutet es aber oft das Karriereende, besonders dann, wenn man sich so anstellt wie der US-Senator und ehemalige Vizepräsidentschaftskandidat John Edwards. Der schwängerte nicht nur eine Schauspielerin und versuchte das zu vertuschen, sondern betrog auch seine schwer krebskranke Ehefrau. John, John, John... 

Wussten Sie schon, dass...
man das Wort „König“ in der Verfassung großteils einfach nur durch „Präsident“ ersetzte, als Island zur Republik wurde?


16. Dezember         
Beleidigungsaffären
Hilmar Kabas hatte in seinem Politikerleben wenig Glück, das kann man wohl ernstlich behaupten. Eigentlich hätte er unter Schwarz-Blau ja Verteidigungsminister werden sollen, aber Bundespräsident Klestil lehnte seine Ernennung ab, weil gegen ihn ermittelt wurde. Dann versuchte er der illegalen Prostitution mit einem Lokalaugenschein in einem Wiener Bordell Herr zu werden, was ihm leider keiner glaubte, als die Sache ans Licht kam. Und weil er verständlicherweise noch immer ziemlich angefressen auf das Staatsoberhaupt war, ließ er sich hinreißen ihn bei einer Rede als Lump zu bezeichnen. Weil die Beleidigung des Bundespräsidenten in Österreich strafbar ist, suchte die Staatsanwaltschaft bei Klestil um die Ermächtigung zu Kabas Verfolgung nach. Kabas gab zu Protokoll, die Sache sei eh nur Geblödel gewesen und er habe wohl eher Hump oder Dump gesagt, konnte aber auf Nachfragen nicht beantworten, was diese Wörter denn bedeuten sollten. Der Präsident verzichtete dennoch auf ein gerichtliches Nachspiel.
Als aber der Salzburger FPÖ-Chef Schnell meinte, er könne die Verbalinjurie gegenüber dem Staatsoberhaupt wiederholen, wurde er zu 100.000 Schilling Strafe verurteilt.

Auch die Journalistenbeschimpfung ist ein unangenehmes Kapitel im Buch der Polit-Fauxpas. Als George W. Bush eine recht unangenehme Pressekonferenz verließ, hörte man ihn über die Lautsprecheranlage noch „sons of bitches“ fluchen. Und auch der britische Thronfolger Prinz Charles äußerte sich einmal recht ungehalten wenn auch etwas gepflegter über einen BBC-Korrespondenten: „Grässliche Leute, ich kann den nicht ausstehen.“ 

Besonders peinlich wird's natürlich, wenn vertrauliche Gespräche von Politikern an die Öffentlichkeit gelangen. So beschimpfte der französische Staatspräsident Sarkozy gegenüber US-Präsident Obama den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu als Lügner, worauf Obama antwortete: „Du bist ihn leid, aber ich habe jeden Tag mit ihm zu tun!“ Und auch eine Rede des Tiroler Ex-Landeshauptmanns Herwig van Staa wurde mittgeschnitten, als dieser den deutschen Außenminister Fischer als „Schwein“ bezeichnete. Als die Aufnahme online gestellt wurde, behauptete van Staa er habe „Schweigen“ gesagt, was in diesem Zusammenhang allerdings wenig Sinn ergibt. Schließlich wurd die Aufnahme gefälscht und die Staatsanwaltschaft Innsbruck eröffnete ein Verfahren gegen denjenigen, der sie ursprünglich mitgeschnitten und veröffentlicht hatte. Erst ein Datenforensiker konnte feststellen, dass van Staa gelogen und das Beweismittel nicht die Originalaufnahme war. Für den damaligen österreichischen Außenminister Wolfgang Schüssel war es 1997 ebenfalls höchst unangenehm, als er den deutschen Bundesbankpräsidenten „eine richtige Sau“ und einen skandinavischen Kollegen „den Schweden, den Trottel“ nannte und die Medien darüber berichteten. Schüssel leugnete seine Aussagen, geriet jedoch ins Schwitzen, als  mehrere Journalisten von Standard, Salzburger Nachrichten und ORF bestätigten, die Worte gehört zu haben. Der Außenminister flog nach Frankfurt, entschuldigte sich beim Bundesbankchef und konnte so drei Jahre später Bundeskanzler werden, obwohl die FPÖ damals seinen Rücktritt gefordert hatte. Die Politik hat eben ein sehr kurzes Gedächtnis.  

Wussten Sie schon, dass...
das deutsche Bundesverfassungsgericht 1956 feststellte, dass das Land Baden-Württemberg verfassungswidrig gegründet worden war und eine neuerliche Volksabstimmung im Landesteil Baden verlangte, die jedoch erst 1970 stattfand?


17. Dezember             
Der Rassismusfettnapf
Gut, von Rechtsparteien ist man ja nichts anderes gewöhnt. Exiljudensager á la Egger, Dörflers „Neger-Witze“ oder die Bezeichnung des Holocaust als „ein Detail der Geschichte“, wie es der französische Politiker Jean Marie Le Pen ausdrückte, sind zwar immer noch Aufreger, aber längst keine Überraschung mehr.
Wenn aber die deutsche Linkspartei ein Machwerk mit dem Titel „Antisemiten als Koalitionspartner?“ herausgibt, hebt man doch beide Augenbrauen. Aber wenigstens ist man in Deutschland zum Ziehen der Konsequenzen bereit, manchmal zumindest. Als der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann 2003 die Juden als „Tätervolk“ bezeichnete, musste er aus sein Mandat verzichten. Den CDU-Spitzenkandidaten für die Berliner Abgeordnetenhauswahlen 2001 Frank Steffel aber, ließ man an Ort und Stelle, auch nachdem publik geworden war, dass er die wenig charmanten Bezeichnungen „Bimbos“, „Mongos“, und „Kanaken“ für Schwarze, Behinderte und Türken verwendet hatte. Wirklich ratzfatz Karriereende gibt es vor allem in den USA, wo man auch political correctness mehr wert legt, als sonst wo. So musste der republikanische Fraktionschef im US-Senat Trent Lott 2002 seinen Hut nehmen, weil er sich positiv über Strom Thurmond, den Präsidentschaftskandidaten von 1948 geäußert hatte, einem vehementen Verfechter der Rassentrennung. Andererseits blieb der demokratische Mehrheitsführer im Senat im Amt, als dieses Jahr bekannt wurde, dass er Obama gelobt hatte, weil sich dieser ohne „negroide Sprachfärbung“ ausdrücken könne. Seinen Rücktritt forderten just die Republikaner.
Letztendlich ist Rassismus aber keine Einbahnstraße und jeder von überallher kann sich unpassend abfällig über einen anderen äußern. So meinte etwa der ehemalige türkische Generalkonsul in Düsseldorf Hakan Kivanc:
„Wenn man den Deutschen die Pulsadern aufschneiden würde, würde bei ihnen braunes Blut fließen.“
Wussten Sie schon, dass...
die Beschussämter in Wien und Ferlach für die Funktionsüberprüfung von Waffen zuständig sind?


18. Dezember - 4. Adventsonntag 
Militäraffären
ie Quote der Affären mit politisch-militärischem Bezug am Gesamtskandalaufkommen ist hoch; in Militärdiktaturen beträgt sie sogar an die 100%. Hauptverantwortlich dafür ist der von Norbert Darabos so oft zitierte Primat der Politik, nachdem militärische Entscheidungen immer politischen unterworfen sind. Dementsprechend trägt für die allermeisten Militärskandale auch die Politik die Verantwortung. Sei es, wenn man als Mopeds deklarierte Waffen ins kriegsführende Ausland verschifft oder einen General entlässt, weil er angeblich schwul ist, eine Schwäche der militärischen Führung ist auch immer eine politische Schwäche.

Als der österreichische Botschafter in Athen an das Außenministerium meldete, er habe österreichische Waffenexporteure der VÖST bei Verhandlungen mit Vertretern kriegsführender Staaten beobachtet, schenkte man ihm keine Beachtung. Wenig später starb er unter bis heute ungeklärten Umständen. Erst als es gelang auf einem jugoslawischen Militärflughafen Fotos von Noricum-Kanonen zu schießen, die für den Iran bestimmt waren, kam der Skandal an die Öffentlichkeit. Mehrere Minister mussten ihren Hut nehmen. Gleich erging es dem Chef des deutschen Verteidigungsressorts Wörner, als er 1983 den General der Bundeswehr Gün­ter Kieß­ling entließ, weil er angeblich schwul und damit ein Sicherheitsrisiko sei. Die „Vorwürfe“ erwiesen sich als haltlos, Kießling wurde wieder eingestellt, Wörner aber musste gehen. Umgekehrt verlief hingegen die Iran-Contra-Affäre, in der US-Präsident Reagan gegen das Verbot des Kongresses Gelder für rechte Rebellen Nicaragua aufbrachte indem er sie aus Waffenverkäufen an den Iran abzweigen ließ. Schließlich wurde Oberstleutnant Oliver North als Bauernopfer fallen gelassen, um den Präsidenten vor der Amtsenthebung zu retten.

Dagegen wirken Skandale, die das Militär ohne Politik zu verantworten hat zwar immer noch unschön, aber lange nicht so bombastisch. Wenn die Post von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan geöffnet ankommt, selbige sich ihre Ausrüstung bei Tchibo kaufen müssen oder russische Soldaten Hundefutter serviert bekommen, ist das zwar individuell sehr unangenehm, aber eben kein Vergleich zu Guantanamo oder Abu Ghuraib. 

Wussten Sie schon, dass...,
obwohl es seit 1991 keinen rechtlichen Unterschied mehr zwischen unehelichen und ehelichen Kindern gibt, der Bundespräsident nach wie vor erstere zu letzteren erklären kann?


19. Dezember   
Umweltskandale
Es ist nicht schwer über dieses Thema zu schreiben, wenn eigentlich der Zustand des Planeten insgesamt ein einziger Umweltskandal ist. Außerdem gibt es so viele skandalbereichsüberschreitende Begebenheiten: War die Versenkung des Green-Peace-Schiffs „Rainbow Warrior“ durch den französischen Geheimdienst selbst schon ein Umweltskandal wie die Atombombentests, gegen die die Umweltorganisation protestiert hatte, oder war es doch eher eine Geheimdienstaffäre? Jedenfalls als Umweltskandal bezeichnet werden kann jedoch der Versuch der Franzosen ihren asbestverseuchten Flugzeugträger Clemenceau kostengünstig in Indien abwracken zu lassen. In beiden Fällen war jedenfalls der Staat als Haupt- oder zumindest Mitverantwortlicher auszumachen.

Ebenso verhält es sich bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, die nicht nur auf ein Fundamentales Versage der Firma BP, sondern auch auf die nachlässigen Kontrollen der US-Behörden zurückzuführen war. Tschernobyl wäre vielleicht nie passiert, wenn nicht der allgegenwärtige politische Druck in der UdSSR zu überhasteten Entscheidungen geführt hätte. Die Auswahl eines ungeeigneten Salzstockes bei Gorleben als Atommüllzwischenlager offenbart das Versagen der Umweltpolitik in Deutschland, damals unter der Leitung von Ministerin Angela Merkel. Und auch die Tatsache, dass bleivergiftete Kindermilch ihren Weg in Chinesische Läden fand spricht gegen die verantwortlichen Stellen in der Volksrepublik. Die öffentliche Hand ist oft selbst nicht besser, als private Betriebe, die die Umwelt verschmutzen. Immerhin hat eine staatliche Chemiewaffenproduktionsfirma die russische Stadt Dserschinsk zum verseuchtesten Ort auf Erden gemacht. 

Wussten Sie schon, dass...
die Schweiz das einzige Nachbarland ist, das Deutschland seit seiner Gründung 1871 nicht militärisch besetzt hat?


20. Dezember    
Falsche Freunde
Heute widmen wir uns dem größten Skandal überhaupt: Der Isolation des tapferne Nordkoreas durch das faschistische und vom Kapital regierte Ausland! Eigentlich müsste Weihnachten abgesagt werden, denn Kim-Jong-Il, der geliebte Führer aller hungernden Koreaner ist nicht mehr. Der Stern von Korea ist verblasst, aber das Leuchtfeuer der Juche-Ideologie strahlt weiterhin hell über die ganze Welt hinweg. Trotz der unglaublichen Errungenschaften des Genies des 21. Jahrhunderts wird sein, durch die werktätigen Massen geheiligtes Andenken, aber immer noch durch das kapitalistisch-imperialistische Ausland besudelt. Unter den wenigen vorbildhaften Westlern ist jedoch die ehemalige US-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin hervorzuheben. Sie war als einzige amerikanische Politikerin bereit, ein klares Bekenntnis zum Arbeiter- und Bauernparadies abzugeben: 
 „Aber natürlich müssen wir unseren nordkoreanischen Verbündeten beistehen. Wir sind vertraglich daran gebunden.“
In Europa kann man solche Solidarität sonst nur in Griechenland finden, wo auch die örtliche KP-Chefin Aleka Papariga angesichts der jüngsten kapitalistischen Krisen zur Solidarität mit Nordkorea aufgerufen hat. Und die sächsische Antifa bringt es auf den Punkt, wenn sie konstatiert:
„Nordkorea, ein Staat in Asien. Vom Personenkult um Kim Il Sung geprägt, einer der letzten streng sozialistischen Staaten der Erde. Ein sehr schöner Staat.  Durch den Rest der Welt vernachlässigt, muss dieser Staat sich irgendwie auf den Beinen halten. Wir müssen Nordkorea helfen, zum Beispiel dass das Essen wieder reicht.“
In dieselbe Richtung zielt lobenswerterweise auch der NPD-Landesvorstand des Freistaates Sachsen, der für sein außerordentliches Engagement zugunsten der Demokratischen Volksrepublik Korea durch deren Botschafter in Berlin empfangen wurde. Mit Griechenland und Sachsen weiß die Heimat der koreanischen Werktätigen somit die beiden wirtschaftsstärksten Regionen Europas im Kampf gegen den Kapitalismus an ihrer Seite.

Im Gegensatz dazu muss die deutsche Partei „Die Linke“ als Schande des Sozialismus gebrandmarkt werden. Weder erklärte sie sich mit dem großen General Kim-Jong-Il solidarisch, wie sie es mit Fidel Castro tat, noch verschaffte sie dem nordkoreanischen Tourismus jene Blüte, die ihm durch ihren Vertreter Thomas Lutze verheißen worden war. Diesem waren in der DRVK ein herzlicher Empfang und Treffen mit höchsten Funktionären der KP zu teil geworden. Auf eine Frage des SPIEGEL - einer von den Yankee-Schweinen gekauften imperialistischen Hetzzeitschrift - wen er in Nordkorea getroffen habe, durfte er sogar stolz antworten:
„Viele wichtige Nordkoreaner. Ich habe mir mit dem Leiter der Verkehrsbehörde den Hauptbahnhof in Pjöngjang angeschaut.“
Dass dieser bis dato nicht vor Urlaubern wimmelt, ist allein die Schuld der verräterischen Linkspartei! Sollte Nordkorea auch weiterhin das einzige Land ohne nennenswerte Zahl an deutschen Touristen weltweit bleiben, wird es sich gezwungen sehen, mit Verweis auf diesen Umstand in Österreich Reisende anzuwerben! 

Wussten Sie schon, dass...
König Harald V. von Norwegen in der britischen Thronfolge an 73. Stelle steht?


21. Dezember    
Der Nazivergleich 
Er ist der argumentative Vorschlaghammer schlechthin und manche Leute zählen sogar, wie oft ich ihn verwende. Außerdem ist er ein Jobvernichter, garantiert bei entsprechender Prominenz aber gleichzeitig einen Platz in den Schlagzeilen: der Nazi-Vergleich.
Die deutsche Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin zum Beispiel musste auf ein erneutes Regierungsamt verzichten, nachdem sie gemeint hatte, dass die Kriege George W. Bushs nur zur Ablenkung von innenpolitischen Problemen betrieben würden und dies eine Taktik sei, die schon Hitler beherrscht habe. Da die Rücktrittskultur in Österreich bekanntlich eine andere ist, kam aber Maria Fekter mit einer Entschuldigung davon, als sie die Kritik an Banken und Reichen mit der Judenverfolgung im Dritten Reich verglichen hatte. Doch selbst Wissenschafter sind vor diesem ultimativsten aller ultimativen Verbalfehltritte nicht gefeit. Der deutsche Politikwissenschafter Christian Hacke nannte Guido Westerwelle etwa den borniertesten Außenminister seit von Ribbentrop.
Dabei ist der Nazi-Vergleich nicht völlig verpönt: Laut einem Urteil des deutschen Bundesarbeitsgerichtes, darf ein behinderter Arbeitnehmer, dem mitgeteilt wird, man wolle nur gesunde und voll einsatzfähige Mitarbeiter, seinen Arbeitgeber durchaus mit dem NS-Regime vergleichen, ohne dass eine Kündigung ausgesprochen werden kann.
Manchmal werden entsprechende Vergleiche aber auch nur aus vorwerfbarer Dummheit heraus angestellt. So musste die Moderatorin Juliane Ziegler ihren Hut nehmen, nachdem sie eine Anruferin folgendermaßen zu motivieren versucht hatte:
„Ja aber komm, da musst Du ein bisschen enthusiastisch und... yeah arbeiten! ... Arbeit macht frei!“
Der kleine Bruder oder vielmehr eine Variante des Nazivergleiches ist die sogenannte „reductio ad hitlerum“ nach der jedes Argument seiner Schlagkraft entblättert werden kann, indem man es quasi post mortem dem „Führer“ in den Mund legt. Zwar stellte Leo Strauss fest, dass eine Ansicht noch nicht durch die Tatsache widerlegt werde, dass sie „zufällig von Hitler geteilt“ worden sei, das heißt aber umgekehrt auch nicht, dass Anschauungen von Leuten wie Eva Herman damit automatisch vernünftig wären. Wer die Familienpolitik eines totalitären Regimes positiv hervorhebt, das mit Slogans wie „Räder müssen rollen für den Sieg und Kinderwagen für den nächsten Krieg!“ warb, hat offensichtlich die tieferen Intentionen hinter dem Mutterkreuz nicht verstanden. Auf die 16,8 km Autobahn, die Hitler in Österreich hat bauen lassen, hätten wir von mir auch übrigens auch gern verzichten können. Was soll man außerdem, von einer Person wie Herman halten, die die Love-Parade-Katastrophe als Eingriff höherer Mächte darstellte, „um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen“? Die ehemalige Tagesschau-Moderatorin hat sich jedenfalls mit ihrer ungeschickten bis perversen Argumentation innert kürzester Zeit sämtliche Sympathien - zumindest in Westdeutschland - ebenso schnell verspielt wie Jean-Paul Gaultier und Lars von Trier mit diversen nazistischen Verbalausfällen.

Zum Schluss muss natürlich noch der unbewusste Nazivergleich Erwähnung finden: Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Josef Riemer wusste nichts von der Bedeutung des SS-Sonnenrades und verwendete es daher auf seiner Internetseite. Auch der freiheitliche Mandatar Ernest Windholz griff auf einen alten Slogan zurück, weil er angeblich von seinem historischen Hintergrund nichts wusste: „Unsere Ehre heißt Treue!“ Für solche Formen von Dumm- oder Dreistheit fallen einem jedenfalls keine Vergleiche ein.


Am Ende dieses Eintrages gebühren meine besten Grüße der Oma von Sophie, die sicherlich nichts mit dem heutigen Thema zu tun hat, aber auf besonderen Wunsch hin an dieser Stelle recht herzlich gegrüßt werden soll.

Wussten Sie schon, dass...
in der Schweiz lange Zeit mehrere Frauenvereine für die Beibehaltung des reinen Männerstimmrechtes eintraten?


22. Dezember
Abhörskandale
Die Europäische Union wäre besser beraten gewesen, eine andere Baufirmen für die Errichtung des Justus-Lipsius-Gebäudes in Brüssel zu beauftragen. Denn als man 2003 - ganze achte Jahre nach dessen Einweihung - Probleme mit der Haustechnik bekam, stellte man fest, dass die Ratsfazilität mit einer sogenannten „chinesischen Mischung“ errichtet worden war. Das heißt, dass die bei dieser Gelegenheit aufgefundenen Wanzen bereits beim Bau miteinbetoniert worden waren. In diesem Fall waren es jedoch nicht die Chinesen, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Amerikaner gewesen. Dass es die USA ihren Bündnispartnern nicht blind vertrauen, wurde spätestens ein Jahr später offenbar, als bekannt wurde, dass die US-Geheimdienste scheinbar mehrfach Telefonate des französischen Staatspräsidenten belauscht hatten.

Abhörspitzeleien sind pikante Geschichten und haben nicht nur Richard - die Putzfrau hat die Bänder gelöscht - Nixon den Job gekostet. Jüngst musste unter anderen der slowakische Verteidigungsminister zurücktreten, weil bekannt wurde, dass der Heeresgeheimdienst neben Journalisten auch die eigene Ministerpräsidentin belauscht hatte. Auch der niederländische militärische Nachrichtendienst schlitterte 2009 in einen Skandal, öffentlich wurde, dass er kritische Journalisten überwacht hatte. Das Haus einer Reporterin wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft sogar gestürmt und durchsucht.
In Österreich hingegen wurde lange spekuliert, ob die Heeresgeheimdienste damals noch illegale Abhörmethoden anwenden würden, mit Geräten die sie im Austausch für Informationen von den US-Behörden bekommen haben sollen. Hierzulande muss man sich aber doch eher vor der Politik als vor dem Militär fürchten, vor allem, seit 2000 bekannt wurde, dass die FPÖ über Polizeikontakte illegal vertrauliche Informationen über politische Gegner bezogen hatte.

Das allergrößte Interesse an vertraulichen Informationen hat bekanntlich aber immer noch die Presse. So gesehen verwundern aktuelle Affären rund um britische Boulevardblätter wenig, vor allem, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass sich diese schon in der Vergangenheit nicht zu schade war, selbst das Königshaus abzuhören. Seitdem wissen wir, was wir eigentlich niemals wissen wollten: Prinz Charles möchte gern Camillas Tampon sein. 

Wussten Sie schon, dass...
das Burgenland als einziges österreichisches Bundesland eine gendergerecht formulierte Verfassung besitzt?


23. Dezember                       
Sexismus und andere Zoten
Bill, Dominik und Mosche sind schlechte Vorbilder, was den Umgang mit Frauen anbelangt. Zumindest bei Bill aber beruhte die Sache aber auf beiderseitigem Einvernehmen. Eine Affäre heißt ja auch noch nicht, dass man Sexist ist, außer natürlich man heißt Berlusconi. Der fiel in der Vergangenheit nicht nur mit diversen Bungabunga-Parties auf, sondern auch mit seinem etwas antiken Frauenbild:
„Ein guter Grund, in Italien zu investieren ist, dass wir tolle Sekretärinnen haben - wirklich hervorragende Mädchen.“
Unter anderem meinte der ehemalige italienische Ministerpräsident auch im Zuge einer Debatte um den unzureichenden Schutz vor Vergewaltigungen, dass zusätzliche Polizeipräsenz keine Option sei, da es in Italien zu viele schöne Frauen gebe, um sie alle bewachen zu lassen. Die nicht gerade mit dem Äußeren eines Mannequins gesegnete Oppositionspolitikerin Bindi nannte er in einer TV-Konfrontation schöner als intelligent. Als Berlusconis Gattin eine Affäre nachgesagt wurde, meinte er zum dänischen Premier Rassmussen, dieser sei sehr gutaussehend und er werde ihn daher seiner Frau vorstellen. Seine Kandidatinnen für die Wahl des Europäische Parlaments - zu einem Gutteil Showgirls - verteidigte er mit der Aussage, dass diese schließlich, im Gegensatz zu jenen anderer Parteien, gut angezogen, wohlriechend und keine alten Schachteln seien. Zusätzlich machte er eine ihrer Berufskolleginnen, das Aktmodell Mara Carfagna, bekannt als „die schöne Mara“, zur Gleichstellungsministerin.

Dagegen sind die Anfeindungen gegen Barak Obamas Aussage, man könne einem Schwein Lippenstift auftragen, es bleibe immer noch ein Schwein, geradezu übertrieben. Man warf ihm vor, er habe damit Sarah Palin gemeint. Lange nicht so daneben wie jene Abgeordneten des wallonischen Parlaments, die sich verbal und per SMS besonders positiv über das Gesäß einer Mandatarin geäußert hatten. Peinlich war es auch, als das österreichische Bundesheer versuchte sich mit einem besonders billigem Panzerwerbespot bei der Jugend beliebt zu machen. Immerhin aber würde hierzulande niemand mehr den Frauen bei Wahlen jene Bedeutung zumessen, wie Silvio Berlusconi es tat:
„Frauen, ich habe eine Mission für euch am Wahltag: Kocht!“
Wussten Sie schon, dass...
der amtsösterreichische Fachausdruck für Schubhaftgefängnis „Kompetenzzentrum für aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ ist?


24. Dezember          
Weihnachtsskandale
Die Aufregung war groß, als 2008 nicht wie gewohnt Elizabeth II. die Weihnachtsansprache auf dem britischen Sender Chanel 4 hielt, sondern Mahmud Ahmadinedschad. Obwohl sich dieser moderat gab und von Frieden und Liebe sprach, erschien es vielen doch etwas anrüchig einen psychopathischen Holocaustleugner Sendezeit zu Weihnachten einzuräumen.

Weniger heikle Reaktionen aber immerhin noch eine Diskussion löste 2005 die offizielle Weihnachtskarte des Weißen Hauses aus. Präsident George W. Bush wünschte darin nicht frohe Weihnachten, sondern Festtage, was in den USA - wie könnte es auch anders sein - unmittelbar zu einer Debatte über religiöse Werte und political correctness führte. Ähnlich erging es heuer seinem Nachfolger Obama, dessen Weihnachtskarte den Familienhund neben Weihnachtsbaum und Geschenken zeigt. Prompt meldete sich Sarah Palin zu Wort und kritisierte, dass dadurch keine traditionellen Werte wie die Familie repräsentiert würden.

Man kann sich aber natürlich auch gleich auf den Standpunkt stellen, dass Weihnachten ein bourgeoises Fest des dekadenten Bürgertums ist, wie es der mexikanische Filmemacher Luis Buñuel tat. Der versuchte aus ebendiesem Grund auf Charlie Chaplins Weihnachtsfeier mit einem Freund den Christbaum umzuwerfen und zertrampelte schließlich - nach dem dieses Attentat gescheitert war - alle Geschenke.
Was immer Sie von Weihnachte halten mögen: Ich wünsche Ihnen ein schöneres. 

Wussten Sie schon, dass,..
wenn die Queen eine Rede im Parlament hält, traditionell ein Abgeordneter zum Pfand für ihre Sicherheit als Geisel in den Buckingham Palace muss?

Dienstag, 29. November 2011

Der Christkindlmarktwahnsinn, oder: Wurzelseelenkauf für Fortgeschrittene

Voll, klebrig, kalt, laut und teuer. Was nach einer Episode aus Dantes Inferno klingt, ist in Wahrheit ein alljährlicher Kommerzerfolg der österreichischen Bundeshauptstadt: der Christkindlmarkt. Jährlich strömen Tausendschaften von Touristen nach Wien, um mit großen glänzenden Augen die mit Elektroglitzer festlich bekitschte Stadt zu bewundern, allerlei überteuerten Ramsch zu erstehen und sich die Birne mit erhitzten Alkoholika wegzulöten.

Christkindlmärkte haben ja mit dem Christentum in etwa so viel zu tun, wie Cordon Bleu mit koscherem Essen. Als Jesus vor 2000 Jahren durch Palästina marschierte, hatte er sicherlich anderes im Sinn, als die Verehrung seines gemutmaßten Geburtstages mittels Schneekugeln, Lametta und Ingwer-Mandarinen-Punsch - der trotzdem sehr empfehlenswert ist. Aber sei's drum, Tote können sich ja nicht wehren, auch Auferstandene nicht. Und weil die JC-Masseverwaltung Katholische Kirche und andere die davon profitieren es für eine gute Idee halten, wird jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit das Wort „besinnlich“ neu definiert.

Massen von Italienern, Slowaken, Tschechen, Ungarn und sogar Deutschen schieben sich dann über die Kitschzentrale am Rathausplatz, um Gallertkerzen in Bierglasform, bunt behaarte Schispringerhauben oder esoterische Räucherstäbchen zu kaufen. Vorbei an Wienern, die sich am überteuerten Glühwein mit Billigzutaten berauschen, vorbei am Christbaum aus dem Burgenland mit entsprechender Widmung des Landeshauptmannes und vorbei an plärrenden Kindern, die unbedingt bunte Zuckerwatte aus einem Kübel fressen möchten. An einem Stand werden Handpuppen in Stofftierform angeboten. Die Verkäuferinnen tragen Einmalhandschuhe aus Latex während sie ihre Hände in immer neue Plüschtierafter schieben. Der Brezelstand ist heuer wieder um 20 Cent teurer geworden, was aber außer mir keinem auffällt. Zwischen den Normalgroßen stolzieren einige zwergwüchsige Apenninenbewohner in überetikettierter Markenkleidung für Teilnehmer von Arktisexpiditionen umher. Ein paar Deutsche begeistern sich für Kerzen, in die Muscheln, Seesterne und Trockenblumen versenkt wurden.

Kurz: Es ist eine Freude den Christkindlmarkt am Rathausplatz zu besuchen, aber auch die gefühlten tausend anderen adventzeitlichen Barackensiedlungen haben ihren Reiz. Der mittlerweile überlaufene Exgeheimtipp am Spittelberg etwa ist traditionell der Ort wo Linksalternative nicht Weihnachten feiern, aber den Hype darum kommerziell ausnutzen. Dementsprechend bekommt man dort weniger Christliches zu kaufen, sondern eher ein Mixtum aus südamerikanischer, afrikanischer und australischer Eingeborenenkultur nebst allerlei Naturplunder. Beliebte „product samples“ alternativer Weihnachtsmärkte sind Duftkerzen von „Weihnachtstraum“ bis „Kamasutra“, Sand-hinter-Glas-Kipprahmenbilder und die allgegenwärtige Rose von Jericho.

Vergessen werden darf natürlich auch nicht der Markt zwischen den Museen, wo man von einem gelangweilten Postler hinter einer stets verschlossenen Glasscheibe Ersttagsbriefe kaufen kann, während modisch und chirurgisch aufgebrezelte Ivankas aus Pressburg im imperialen Ambiente ihre Kunstpelzmäntel spazieren tragen. Über alldem thront, mächtig an Körper und Haltung, Maria Theresia und schaut mit ihren Feldherren und Staatsmännern auf das punschtrinkende Standlvolk.
In Richtung Kunsthistorischem Museum erhält man  - gleich vis a vis von einem Stand mit recht weihnachtsfremder afrikanischer Stammeskunst - die Möglichkeit, bunte Wachssterne für einen guten Zweck zu kaufen, um sie mittels Flaschenzug in einen Plexiglaszylinder zu verfrachten. Man hält es kaum für möglich, dass manche Menschen sogar mit der Bedienung der dafür benötigten Kurbel überfordert sind. Die hämische Beobachtung einiger Damen, die sich ob des nicht funktionierenden Geräts schließlich sogar bei der Standlerin beschweren wollten, endete dann aber doch in einer mitleidsbedingten Systemerklärung durch den guten Wolfi und meine Wenigkeit. Man sollte sich wirklich Gedanken machen, wenn man sich von mir Technik erklären lassen muss...

Man kann mir jetzt natürlich auch vorwerfen, dass ich offenbar selbst ein regelmäßiger Besucher dieser vorweihnachtlichen Freiluftshoppingeinrichtungen bin, aber ich versichere Ihnen hiemit, dass dies aus rein sozialwissenschaftlichem Interesse heraus und aufgrund von nicht nachlassendem Gruppendruck geschieht. Aber ich gebe auch bereitwillig zu, dass ich ein großer Fan der Honiggummibärchen bin, die man in Schönbrunn und am Maria-Theresien-Platz bekommt. Gerade als Weihnachtsmensch bin ich jedoch auf das ganze Kitschbrimborium mit roten Zipfelmützen deren Bommel elektrisch beleuchtet sind, ebenso wenig aus, wie auf „Hasibutzimausischatzi“-Lebkuchenherzen und Schneekugeln mit Plastiksteffl.

In einem anderen Seitenarm des Museumsmarktes findet alljährlich eine Dependance eines fernöstlichen Wurzelschnitzers, dessen Wiener Verkaufsleiterin mich beim Betrachten ihrer künstlerisch eher mediokren Waren vor einigen Jahren einmal fragte, ob ich wüsste, was diese seien. Noch bevor ich prosaischer Mensch noch „Holz“ sagen konnte, sprudelte die Antwort aber schon ebenso ungebeten aus ihr heraus, wie zuvor die Frage: „Das sind Seelen!“ sagte sie mit einem leicht wirren Blick und einer ins Transzendente abschweifenden Stimme.
Schön zu wissen, dass man auf Wiener Christkindlmärkten wirklich alles bekommt.

Dienstag, 22. November 2011

Freunderlschaft, oder: Die Krise der Sozialdemokratie.

Die österreichische Sozialdemokratie liegt 122 Jahre nach ihrer Gründung am Boden. Das ist keine Miesmacherei, das ist die Wahrheit. Sukzessive hat man Inhalte durch „Messages“ ersetzt, Menschen durch Personen. Was dabei herausgekommen ist sieht man: Ein Kanzler und seine politische Entourage, die als einzige Macht im Staate nur die Medien kennen und deren Ziel allein der Machterhalt ist.

Nun, das könnte man auch anderen Parteien und Politikern vorwerfen, sicherlich. Und wenn andere Mächte der SPÖ Verfehlungen vorwerfen, ist das natürlich auch von Kalkül begleitet. In der Politik ist der Revanchismus sowieso eine verbreitete Taktik. Dieser Politiker hat dies gesagt, der hat das hinterzogen. Es ist oft wie mit Kindern, die der Lehrer in der Pause bei einem Streich erwischt hat und die sich jetzt gegenseitig denunzieren, nur um selbst weniger schlecht dazustehen. Karlheinz hat Geld aus der Klassenkasse genommen, Udo hat in der Abwasch ein Papierschiff versenkt und Leopold hat zugesehen. Martin hat böse Buben zu Gangordnern gemacht. Josef isst unter der Stunde, Alexander raucht heimlich hinterm Papiercontainer und Werner war in Info die ganze Zeit auf Facebook.

Wenn die Menschen in unserem Land in die Zeitungen sehen, lesen sie nur das, bzw. was die jeweilige Zeitung mit Rücksichtnahme auf ihre Günstlinge und die Eigentümerstruktur davon veröffentlichen möchte. Im Prinzip besteht ja die ganze österreichische Politik nur noch aus Tingeltangel: Die FPÖ drillt sich im Phrasendreschen. Alle sagen immer und überall dasselbe, damit es beim Wähler möglichst geballt ankommt. Die Grünen versuchen es mit seriösem Populismus, einer mehr als abstrusen Technik. Das BZÖ besetzt alle übrigen Lücken: Zuwanderungskritische liberale Bürger- und Autofahrerpartei, pro NATO-Beitritt, pro Raucher. Die ÖVP streitet wie seit Jahrzehnten mit sich selbst. Der ÖAAB achtet darauf, dass die Beamten ja um keinen Cent eine Minute mehr arbeiten müssen, der Wirtschaftsbund schaut auf niedrige Körperschaftssteuern, der Bauernbund darauf, dass am reduzierten Dieselpreis für Traktoren nicht gerüttelt wird und dass die Agrarökonomen ja nicht mehr als ein Butterbrot in die Sozialversicherung einzahlen müssen. Und was macht die SPÖ? Sie eckt nicht an. Das hat sie mittlerweile perfektioniert. Welche Inseratenkampagne kann uns welche Berichterstattung sichern? Welche möglichst vage Aussage zum Fremdenrecht hindert den linken Parteirand daran sich abzuspalten? Wie viele Facebook-Accounts braucht man um beliebt zu sein? Wie können wir Politik machen ohne allzu politisch zu sein?

Unterm Strich steckt zwar die gesamte Politik in einer nicht auflösbaren Vertrauenskrise, der Sittenverfall ist aber bei den Roten am größten. Von der FPÖ hätte man sich nichts anderes erwartet, bei der Sozialdemokratie tut es einem aber weh. Im Bauch, im Hirn, einfach überall. Aus Angst vor der öffentlichen Meinung versucht man eine öffentliche Meinung zu fabrizieren, die möglichst viel mit Öffentlichkeit und möglichst wenig mit Meinung zu tun hat. Die SPÖ hat sich von allem entfernt, mit dem sie einmal verbunden wurde: Der Arbeiterschaft (die ist zur FPÖ gewandert), den Intellektuellen (wählen alle grün) und dem linksliberalen Mittelstand (geht gar nicht mehr zur Urne). Wer von den sozialdemokratischen Bundesgrößen hat sie schon einmal abseits des Vorwahlrummels besucht, die Städte, wo das Gras aus den Bahnsteigen sprießt, die Orte, deren Kerne verweist sind und verfaulen? In diesen bevölkerungspolitischen Todeszonen Niederösterreichs, der Steiermark und des Burgenlandes verirrt sich keiner von ihnen hin, wenn es keinen Fototermin mit der Kronenzeitung zur Einweihung eines Tierheimes, wenn's sein muss, auch eines Kindergartens gibt. Länder, Städte, Menschen zählen nur noch als Wahlkreise und Stimmen. Was richtig und falsch ist, interessiert heute noch weniger als früher.
„Wir werden diese Accounts umgehend blockieren.“ - Team Faymann
Ein paar Millionen mehr Schulden bereitetem ihm weniger schlaflose Nächte als ein paar tausend Arbeitslose mehr, hat Kreisky gesagt. Kontrovers, diskutabel, aber er hat es gesagt. Heute hört man nur noch Sätze wie: „Wir müssen mit dem Blick auf das allgemeine Wohl aller Generationen darauf achten, sowohl innen- als auch außenpolitisch und vor allem mit Bedachtnahme auf die europäische Integration möglichst ausgewogene Entscheidungen zu treffen, die weder die urbane Mittelschicht, noch die ländliche Haupterwerbsbauernschaft einkommenssteuertechnisch benachteiligt oder den Eindruck erweckt die Bundesregierung würde eine Gesellschaftsschicht bevorzugen oder benachteiligen.“ Der Slogan „Tee kocht man am besten mit Wasser!“ wäre wohl aufreibender. Diese Kritik gilt nicht nur für die Roten, sie gilt für alle und man könnte sie an diversen hohlen Beispielen („Wer, wenn nicht er?“ „Sein Handschlag zählt.“, „VdB“) beliebig weiterführen.

Aber es ist ja nicht nur die Phrasendrescherei, es ist die Inhaltsleere und die damit einhergehende Erfolgslosigkeit der Roten, mitunter auch mitverursacht durch die ständige  Blockadehaltung der ÖVP. Aber auch abseits davon fehlen der SPÖ die großen Visionen von einst. Wer bezahlt in 30 Jahren die Pensionen? Wie kann man das Schulsystem optimieren? Wer finanziert die Unis, wenn sie keine Studiengebühren einheben dürfen? Wie kann man sich heute noch eine Familie leisten? Fragen, auf die es keine verlässlichen sozialdemokratischen Antworten mehr gibt. Kritik daran, die aus Oberösterreich oder der Steiermark kommt, nennt man in Wien indes provinziell oder Kernölsozialismus und fährt lieber weiter den Kurs ins intellektuelle nirgendwo.
„Tiere würden Faymann wählen!“ - Neue Kronenzeitung im letzten Wahlkampf
Dabei waren die Anfänge so vielversprechend: Es war 1889 im niederösterreichischen Hainfeld, als sich die Sozialdemokratie der österreichischen Reichshälfte der K&K-Monarchie zu einer Partei vereinigte. Ihr Vorsitzender war Viktor Adler. Seine Fraktion - die Sozialdemokratische Arbeiterpartei - war, damals für eine linke Gruppierung eigenartig, eher staatstragend orientiert als umstürzlerisch. Man nannte sie sogar die K&K-Sozialdemokratie, weil sie eher antirevolutionär gesinnt war. Noch nach der Ausrufung der Republik soll Karl Renner mit Bezug auf den 1916 verstorbenen Kaiser Franz Joseph gemeint haben: „Wenn der alte Kaiser noch gelebt hätt', hätten wir uns das nicht getraut.“

Man organisierte mit nahestehenden Vereinen Streiks und versuchte die Lebensbedingungen der Arbeiter zu heben, die zu jener Zeit so schrecklich waren, dass man es sich heute als zivilisierter Mensch kaum noch vorstellen kann. Die Menschen wohnten in Baracken, arbeiteten 12 Stunden am Tag und die Tuberkulose war ihr ständiger Begleiter. Wurden sie aufmüpfig, sperrten die Arbeitgeber sie aus dem Betrieb aus, denn die Arbeiter waren meist Taglöhner. Wurde nicht gearbeitet, gab es kein Geld und die Frage, wer sich so eine Betriebsaussperrung länger leisten konnte, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, war schnell beantwortet. Die Analphabetenrate war immens hoch, es gab keine funktionierende Gesundheitsversorgung, keine Pensionsversicherung und Gewerkschaften waren verboten. Viele Arbeiter hatten eine große Familie, die sie kaum ernähren konnten und der Alkoholismus war sehr verbreitet. Deshalb waren die ersten Wegbegleiter der Arbeiterpartei die Nichttrinker und die Einkindbewegung; der Esperantismus spielte im Bereich der Arbeiterbildungsvereine ebenfalls eine große Rolle.

Trotzdem war auch die SDAP kein Heiligenverein. Der revolutionäre Parteiflügel blieb lange immanent. Friedrich Adler, der Sohn Viktors, erschoss während des Ersten Weltkrieges den kaiserlich-königlichen Ministerpräsidenten Graf Strürgkh, der neben Franz Joseph die österreichische Kriegserklärung  an Serbien unterschrieben hatte. Die Urgroßnichte des Getöteten managet heute den Opernball.

Lange Zeit war es ein Dilemma der Sozialdemokratie sich mit ihren revolutionären Strömungen und Wurzeln auseinandersetzen zu müssen. Die Bandbreite der linken Bewegung reicht ja von der Aufhebung des privaten Eigentums über die Verstaatlichung der Industrie bis zur sozialen Marktwirtschaft. Mitten in diesem Pool der ideologischen Strömungen schwamm die SDAP, auch nach der Ausrufung der Republik. Großdeutsch, antiklerikal, antimonarchistisch und antikapitalistisch war die österreichische Sozialdemokratie nach 1918. Ideologisch machte der Begriff  „Austromarxismus“ die Runde: Marxismus, aber doch sehr Austro. Zuerst Wahlen, dann proletarische Diktatur war das Motto. Auf gut österreichisch hätte man es unter „ein bissl Revolution“ zusammenfassen können. Nach dem austrofaschistischen Putsch („Ein bissl Faschismus“) wurde die Sozialdemokratie verboten, arbeitete im Untergrund oder lief zu den Nazis über, leistete Widerstand und erstand 1945 wieder als „Sozialistische Partei Österreichs“.
Die Revolution wurde dann aber doch zu Grabe getragen. Man arbeitete in diversen großen Koalitionen mit und führte dann unter Kreisky in der Alleinregierung ein bisher nie dagewesenes Paket an gesellschaftspolitischen Reformen durch. Familienrechtsreform, Schulbuchaktion, Schüler- und Lehrlingsfreifahrt, Fristenlösung, Abschaffung der Studiengebühren und die große Strafrechtsreform waren nur einige Punkte, die damals umgesetzte wurden. Die SPÖ war der Reformmotor der Republik. 1991 wurde dann aus der inhaltlich längst in die Mitte gewanderten Bewegung die „Sozialdemokratische Partei Österreichs“.

Heute hat sie aber diese Mitte in Richtung Diffusität verlassen. Doch ihre Jünger halten ihr weiterhin die Stange. Die Sozialdemokraten sind grundsätzlich ein komisches Volk. Politikwissenschafter wissen: keine Partei spaltet sich so selten wie eine sozialdemokratische. Denn für gewöhnlich wird man dort sozialisiert. Man hat einen sozialistischen Urgroßvater, einen sozialdemokratischen Opa und Vater. Man ist bei den Kinderfreunden, bei den Naturfreunden, beim Begräbnisverein „Die Flamme“. Das Prinzip „von der Wiege bis zur Bahre“ hat sich nirgends so verwirklicht wie in dieser Partei. Doch auch das lässt nach und was einmal eine durchorganisierte Schicksalsgemeinschaft war, ist heute eine lasche Ansammlung von Altfunktionären und jungen Apparatschiks, die gerne diverse Aufsichtsrats oder Kabinettsposten besetzen.

Sozialdemokratie, das hieß einmal Gerechtigkeit und egalitäre Selbstbestimmung im Verband mit seinen Mitmenschen. Man wählt seine Vertreter und tritt für eine gerechte Umverteilung der Mittel innerhalb der Gesellschaft ein. Soweit die grundlegende Theorie. Aber jetzt? Was heißt Sozialdemokratie noch? Falsche Facebook-Accounts gründen, Wikipedia zweifelhaft editieren und Leserbriefe an die Krone schreiben? Als Sozialdemokrat, der noch auf etwas auf den ursprünglichen Wesensgehalt dieser Partei hält, muss es einen ja geradezu ankotzen, wie für das Butterbrot einer kriecherischen Hofberichterstattung jahrhundertealte humanistische Werte über Bord geworfen werden.

Wen interessieren schon Adler, Bauer und Lassalle? Heute hat ja keiner mehr TBC oder Läuse. In der Annahme, dass das moderne Prekariat mit Gemeindebauwohnung, Flatscreen, Ottakringer und Krone-Abo gut versorgt sei, hat man eine ganze Bevölkerungsschicht sehenden Auges in die Arme der FPÖ getrieben, nicht erkennend, dass Armut heute vor allem im Kopf beginnt.
„Jeder Mensch der sich für etwas engagiert, hat eine bessere Lebensqualität, als andere die nur so dahinvegetieren.“ - Bruno Kreisky
Die SPÖ macht sich nicht länger die Mühe, die Leute auf ihr Ideal zu heben, sie geht nicht mehr persönlich auf das Proletariat zu, sie tut es nur noch niveaumäßig. Warum Menschen irgendwo abholen, wenn es doch viel bequemer ist, sie stehen zu lassen. Was früher einmal sozialdemokratische Politik war, ist heute meist nur noch billige Effekthascherei. Man kann den politischen Sittenverfall zwar auch andernorts beobachten, aber der SPÖ ist er aufgrund ihrer Geschichte und ihres Anspruchs an sich selbst besonders vorwerfbar.
„Weil der Mensch zählt!“ - SPÖ Kampagne 2002