Dienstag, 27. April 2010

Heinz dir im Siegerkranz... oder: Der Wahlsonntag der Fleißigen.

Was macht man an einem Sonntag wie dem letzten? Die Hälfte der Österreicher lässt sich am Gänsehäufel zum ersten Mal im Jahr die Sonne auf den blanken Arsch scheinen oder verbringt die Freizeit sonst irgendwie unproduktiv. Die Braven gehen Wählen und die ganz Braven sind Wahlbeisitzer. Diesen Sonntag durfte ich für die 766 Wiener, die im Wahlsprengel 16. im 8. Gemeindebezirk gemeldet waren, im Dienste der linken Reichshälfte dieser Republik gemeinsam mit Raul Piener - an dieser Stelle die Empfehlung für seinen Wahlblog - und der besten von allen seinen Ehefrauen Kathi, den korrekten Ablauf der Wahl überwachen, wohlgemerkt als - worauf mich der Herr Piener oft genug mit der Arroganz eines Neowieners hingewiesen hat - Ersatzwahlbeisitzer. Für mich war's das erste Mal, dass ich im Dienste von Recht und Staat, den Leuten erklären durfte, dass sie nur den zahlreichen Pfeilen folgen müssen, um den richtigen Eingang in die Wahlzelle zu finden. Gefühlte 50% der Kundschaft war dazu nicht fähig und das in einem Bezirk mit wohl mehr als 1/3-Akademikeranteil unter den Wählern.


Gleich zu Beginn herrscht mich eine sichtlich genervte Ordnerin an, nachdem ich versucht habe die Werbebroschüre einer Partei zu entsorgen. Sie habe strikte Anweisungen, man dürfe im Lokal - in diesem Fall ein Seniorentreff - nichts verändern. Ich will ihr das Heftchen, von dem ein Parteilogo und ein Minister lächeln, in die Hand drücken. Sie meint, sie sei dafür nicht zuständig. Meinem Hinweis auf die Bestimmungen des Wahlgesetzes und die sogenannten Bannmeilen für politische Werbung in und rund um Wahllokale, begegnet sie mit der Wiederholung ihrer ersten Aussage. Ich unterdrücke die Frage ob der Bundesgesetzgeber nun neuerdings weniger zu sagen habe, als ein Seniorenclub und stecke die Broschüren unter einen Stapel unverfängliche Folder. Schließlich stellt sich heraus, die genervte Ordnerin ist eine übernächtigte Krankenschwester, die für eine Kollegin einspringen musste. Grant und Unkenntnis des Bundesgesetzblattes seien ihr großzügig verziehen.


Österreich ist ein schönes Land, hier ist man als Bürger nicht nur eine Nummer, nein man bekommt zwei Nummern und manchmal einen Titel dazu. Eine wunderbare fortlaufende Registrierungsnummer und eine Wählernummer werden nach jeder Wahl mit Ihnen in Verbindung gebracht. Das Wählerevidenzverzeichnis hat sogar ein Zusatzblatt für Menschen die zum Beispiel einen Magister, zwei Bachelors und einen überlangen Nachnamen haben.


Um Sie von der Sinnhaftigkeit des Wählens zu überzeugen führe ich Sie noch einmal zurück zum vergangenen Wahlsonntag. Stellen Sie sich einmal vor, Sie betreten „meinen“ Sprengel: Sie gehen als erstes schnurstracks am zweiten Ordner, der ihnen die Lage erklären könnte, vorbei zu den armen Leuten vom Sprengel 17, die näher an der Türe postiert sind und deshalb nicht nur die Bürokratieaufwändigen Wahlkartenwähler fast zur Gänze abbekommen, sondern auch alle Leute, die nicht lesen wollen oder können und dem Wahlsprengel 16 zugeteilt sind, an uns verweisen. Man schickt Sie also zwei Stufen hoch zu uns. Wenn Sie gehschwach sind und die Rampe rechts entdecken, können Sie auch die verwenden. Sie können aber auch weit jenseits der 70 sein, die Stufen abseits des Geländers erklimmen wollen und - nachdem Sie beinahe zu Boden gegangen sind - meine Hilfe nur wiederwillig und mit dem Kommentar annehmen, sie versuchten so gut wie möglich unabhängig zu bleiben. Das sagt Heinz Fischer auch, aber Oberschenkelhalsbrüche schaden der Gesellschaft mehr als rote Bundespräsidenten.

Sie kommen schließlich zu mir, halten Ihren Pass her und sehen mich erwartungsvoll an. Vielleicht sind sie weit über 80, aber immer noch Inhaber eines niegelnagelneuen blauen Diplomatenpasses mit biometrischem Daten-Chip, weil sie in grauer Vorzeit einmal Sektionschef oder Abteilungsleiter im Außenministerium waren. Wahrscheinlich ist ihr Pass aber grün und seit hundert Jahren abgelaufen. Überhaupt hat man es als Wahlbeisitzer scheinbar mit mehr abgelaufenen als mit gültigen Pässen zu tun. Wenn Sie also vor mir stehen und den Zettel, auf den ich freundlich "Zum nächsten Schalter bitte" geschrieben habe, nicht sehen, verweise ich mit einer Handbewegung auf die Vorsitzende und sage „Zur Dame bitte“ oder zur Abwechslung „Bitte zur gnädigen Frau“. Wenn Sie ein renitent wirkender Rechtsanwalt sind, setzen Sie bei ihr die Zulässigkeit Ihres Anwaltsausweise als amtlichen Lichtbildausweis durch. Diese kontrolliert dann Ihre Identität und die Wahlverständigung, die Sie natürlich vergessen haben, weshalb wir Sie anhand der Wohnadresse aus dem Wählerverzeichnis filtern müssen und Ihnen dabei Straße, Hausnummer, Stiege und Türe einzeln aus der Nase ziehen dürfen. Man liest ihren Namen vor und sie beschweren sich über die Betonung... „Cádice, nicht Cadíce“. Man reicht ihnen Stimmzettel und Kuvert, Sie finden aber trotz der Pfeile nicht in die Wahlzelle, woraufhin Ihnen der hatscherte Wahlbeobachter der ÖVP - der Arme leidet unter einer Achillessehnenentzündung - den Weg zeigt. Sie verbleiben kurz in der Zelle, vielleicht malen Sie aus Spaß ein Hakenkreuz auf den Aushang oder die Wahlschablone, damit die Beisitzer auch was zu tun haben, wenn sie ab und an die Zelle kontrollieren. Möglicherweise sind Sie auch einer von den mitdenkenden Zeitgenossen, die uns den Kugelschreiber aus der Wahlzelle heraustragen und in die Hand drücken, damit wir ihn wieder zurückbringen dürfen. Dann werfen Sie das Kuvert in die Urne, natürlich haben Sie die Lasche nicht eingeklappt, weshalb man nachstopfen muss. Die Kommission wünscht einen schönen Sonntag und sagt „auf wiederschaun“.
Tatsächlich wieder sehen wir aber nur die kleine Simone, die am Vormittag mit Papa und am Nachmittag mit Mama wählen geht. Dabei hat sie nur beim ersten Besuch durch das Verschieben der Zellenwand beinahe die Schreibunterlage auf den Schädel gedonnert bekommen. Aber wer kann einem Kleinkind böse sein, das freundlich winkt und „baba“ sagt? - Außer ich natürlich.

Selbstverständlich gibt es nicht nur Standardwähler wie Sie einer sind. Da ist auch die resolute ältere Dame, die ihr Tascherl auf die Urne stellt, um ihren Ausweis zu verstauen und auf die Frage eines anderen Wählers, ob er die Tasche zur Seite stellen dürfe: „Kommt drauf an, was gwählt ham.“ antwortet. Oder die arme Frau die ihren Vornamen mit der altnordischen Todesgöttin Hel teilt und von mir - vermutlich ob der ähnlich klingenden griechischen Gottheit - prompt mit der Sonnengöttin verwechselt wird. Sie selbst ärgert sich, dass sie schon so oft ihren zweiten Vornamen zu Protokoll gegeben hat, den ersten findet sie - wer versteht es nicht - schrecklich. Meine kleine Aufheiterung, dass Hel immerhin etwas mit Ruhe zu tun habe, wenn es auch die letzte sei, nimmt sie halb dankbar entgegen. Etwas pikierter reagiert die Dame mit unaussprechlichem Doppelnachnamen, die ich frage, ob sie sich nicht etwas Leichteres hätte aussuchen können. Wenigstens hat die Schwangere Humor, zu der ich sage, man dürfe ja normalerweise nicht zu zweit in die Wahlzelle, wir machten aber eine Ausnahme für sie. An dieser Stelle möchte ich Raul Pieners Liste der außergewöhnlichen Wählernamen um den Vornamen Radium (Absolut kein Scherz!) ergänzen. Der Namensträger war offensichtlich osteuropäischer Herkunft und, soweit ich mich erinnere, Titelträger. Ob Marie und Pierre Curie seine Taufpaten waren, ist leider nicht überliefert.


Als Wahlhelfer weiß man nahezu alles über seine Klienten. Wo sie wohnen, wie alt sie sind, ob sie einen Titel haben und wer noch alles dieselbe Adresse hat. Auf diese Weise lässt sich das schwule Pärchen sehr leicht entlarven, ebenso wie die fünfköpfige Familie Küblböck, die über den Tag verstreut eintropft, gottseidank kein Daniel dabei. Wen Herr Adolf - Geburtsjahr 1954 - wählt, braucht man auch gar nicht erst zu raten. Aber alle werden höflich bedient, auch die Dame die sich beschwert, dass sie nun einem anderen Wahllokal zugeteilt sei und auf meine Antwort, dass dies auf die Bemühung, möglichst überall Barrierefreiheit zu gewährleisten zurückzuführen sei, mit einem otierten „Woher wissen SIE des?“ reagiert. Eine Kundin zeigt sich verdutzt, als der ÖVP Wahlzeuge sie fragt, ob sie reserviert habe und ich mich nach dem Verlassen der Wahlzelle erkundige: „Die Dame haben gewählt?“ Ein exdeutscher Neoösterreicher der uns mit dem Satz „Is das erste Mal, dass ich bei euch hier wähle.“ gegenübertritt, bekommt ein säuerliches Lächeln von mir und den Kommentar „Ja, wir wählen unsere Präsidenten hier selber.“ Aus dem „euch“ sollte er bei Gelegenheit außerdem ein „uns“ machen. Die Vorsitzende ist tolerant und lässt auch Aussagen wie „Wenn Sie nicht wählen kommen, füllen wir die Stimmzettel aus.“ durchgehen.


Für die Wahlbeisitzer gibt es zwei Posten, daher bemüht man sich um Beschäftigung, weil es unglaublich langweilig sein kann, über zehn Stunden auf das Eintreffen von 766 Wahlberechtigten (minus 16 Wahlkartenwähler des eigenen und plus fünf von anderen Sprengeln) zu warten. Entweder man sucht die Wähler aus der Evidenz - anhand der Nummer oder des Wohnortes - oder man trägt sie in eine zweite Liste ein und teilt ihnen eine fortlaufende Nummer zu. Für beide Jobs bin ich, um ehrlich zu sein, nicht gerade prädestiniert: Die zweite Aufgabe wird, vor allem aufgrund meiner Legasthenie, schwierig, wenn ich irgendeinen Buchstaben einfach auslasse oder bei der Evidenznummer Zahlen vertausche. Daher ist es auch besser mir solche Chiffren als eins-sieben-drei anzugeben und nicht als einhundertdreiundsiebzig. Problematisch ist es auch, wenn ich wegen meiner dezenten Schwerhörigkeit Namen nicht oder falsch verstehe. Bei der zweiten Aufgabe verlese ich mich dafür gerne. Ja, Wahlkommissionen sind mitunter geschützte Werkstätten. Umso mehr Spaß macht es mir aber mit der Förmlichkeit eines Beamten und voll Inbrunst den Namen des Wählers/ der Wählerin samt Titel laut vorzulesen: „Prohaska, Elisabeth Doktor Magistra.“


Wenn man nichts zu tun hat, vertreibt man sich die Zeit anderweitig. Man spricht leise - ja das kann ich auch oder versuche es zumindest- über Politik, bezeichnet etwa Robert Mugabe aufgrund seiner Barttracht und wenig korrekt als Schokohitler oder frägt die Vorsitzende ob Stimmen aus der Wahlkabine für Wähler mit besonderen Bedürfnissen auch nur Halberte sind. An dieser Stelle gebührt der stellvertretenden Vorsitzenden ein großes Lob, einer gelernten Sonderkindergärtnerin, die schon von Berufswegen political correctness atmet und nur einmal leise nachgefragt hat, ob man denn heute irgend eine Minderheit auslasse. Dafür erzählt sie uns die Geschichte einer Kollegin, die als Vorsitzende einen Haufen Fäkalien in der Wahlzelle vorfinden durfte. Der betreffende Wähler hatte diesen offensichtlich von zuhause mitgebracht.


Insgesamt gilt bei Wahlen in Wien scheinbar weniger das Korrektheits- sondern eher das „Wird-scho-passn“-Prinzip, nachdem das Gesetz nur so weit befolgt werden muss, als dies sinnvoll erscheint. Auf meine Frage nach einer allfälligen Angelobung erfolgt der Satz „Ihr seits hiermit angelobt“ nebst freundlicher Handbewegung. Die Stimmen für die Patin des österreichischen Neofaschismus werden ausschließlich von zwei roten Wahlbeisitzern ausgezählt, die es aber ehrlich meinen und den Wählerwillen korrekt wiedergeben: 25 Stimmen für die Hausfrau Barbara Rosenkranz. Eine mehr - und damit muss ich Raul Piener widersprechen - als die ungültigen Stimmen. Nicht gewählt haben 370 Stimmberechtigte, auf seine Exzellenz Bundespräsident Univ. Prov. Dr. Heinz Fischer entfallen 327 - 84,9% der abgegebenen und damit 90,5% der gültigen - Stimmen und Herr Gehring, der sich wohl zu sehr auf Gott verlassen hat, erhält ganze neun Kreuzchen. Die vierundzwanzig Weißwähler, nein Karlheinz Kopf war nicht in unserem Sprengel, haben entweder leere Zettel eingeworfen oder alle durchgestrichen. Ein Wähler gab zu Protokoll er nehme dem Amtsinhaber die Nichtanwesenheit bei Lech Kaczyńskis Beerdigung übel und legte ihm daher die Pensionierung nahe. Ein anderer kreuzte Rosenkranz an, meinte aber in eher gebrochenem Deutsch anmerken zu müssen, er halte das Amt an sich für verzichtbar. Sein Stimme wurde dennoch für Rosenkranz gezählt. Ordnung muss sein. Über einen Smiley im Kreis neben dem Namen Heinz Fischers entstand ein kurzer Disput. Der zuständige Ordner nahm eine Ungültigkeit an, wogegen die angehende Verfassungsrechtlerin und der Politikwissenschafter in spe Einspruch erhoben. Der Wählerwille war eindeutig dokumentiert, bei einem traurigen Gesicht wäre das anders gewesen. Nach Widerspruch des Ordners brachte ich kurz die Möglichkeit einer Abstimmung ins Spiel, bei der die beiden von der SPÖ nominierten Beisitzer ein wohl höchst ungewisses Urteil gefällt hätten. Auf diese Wurde aber schließlich verzichtet. Auch ein Smiley gilt als Stimme. Meine Befürchtung einer der Stimmzettel könnte, wie die Plakate und Schablonen in den Wahlzellen, mit Swastika im Kreis für eine bestimmte Kandidatin verziert sein, blieb gottseidank unerfüllt. Die Kontrollorin des Magistrats hatte die Gültigkeit einer solchen Stimme angemahnt. Daher eine kleine Bitte zum Schluss:


Für die Gfraster: Gehts gfälligst wöhn, es saufauln Negeranten es elendichen! I hock ma ned in Oasch o fia eich, damit's ned daherkummts!

Für die Braven: Wählen Sie bitte mit Kreuz, aber ohne Haken und bringes bei der nächsten Wahl den gschissenen Wählerinformatitonszettel mit, das erleichtert unsere Arbeit ungemein.

Besten Dank, ihr Wahlbeisitzer - stellvertretender Weise.

Sonntag, 18. April 2010

Guten Abend die Madln, Servas die Buam... oder: Wer braucht den ORF?

Kürzlich durfte ich erleben, wie in zwei Zeit im Bild Sendungen an einem Tag Kirgisistan (alternativ auch Kirgisien oder Kirgistan) geografisch in den Kaukasus verlegt wurde. Auf ORF 1 läuft nachmittags zum gefühlten millionsten Mal Malcolm mittendrin, wer hätte sich gedacht, dass man einem diese Serie durch schiere Dauerpräsenz verleiden kann. Das Kinderprogramm wird jetzt von einem Schwein geleitet und mit Danielle Spera verlässt eine der letzten integeren Moderatorinnen den Sender.
Der ORF ist der größte Medienkonzern Österreichs mit über 4.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von etwa 900 Millionen Euro. Dennoch schreibt er - trotz so überzeugender Sympathieträger wie Wolfram Pirchner und Lizzi Engstler - rote Zahlen, wird von der Politik vereinnahmt und fortlaufend kommerzialisiert. Der Österreichische Rundfunk strahlt immer noch etwas aus, leider nicht immer das Beste.

Wahrscheinlich können sich viele auf die Standpauken der eigenen Eltern erinnern: „Als ich jung war, gab’s am Mittwoch den Kasperl und sonst nix!“ Wer hätte gedacht, dass wir selber einmal sagen würden: „Als ich jung war gab’s Am Dam Des und später den gschüttelten Confetti und sonst nix.“ Jetzt gibt es nicht nur Kinderprogramm auf dutzenden Kanälen, nein es gibt auch eigene Kindersender, die die Entinfantilisierung des Nachwuchses weiter vorantreiben. Hannah Montana und andere christlich-patriotisch-amerikanische Sexbomben in spe machen den lieben Kleinen klar, wie wichtig Pailletten für die Kleidung und dämliches Herumgekreische für einen Ruf als überdrehte Hollywoodschnalle sind. Wer wie ich ein pubertierendes weibliches Familienmitglied hat, wünscht sich spätestens seit High School Musical X und den Jonas Brothers die sofortige Realisierung der Selbstmordzellen aus Futurama. Man muss sich - wie das betreffende pubertierende weibliche Familienmitglied - nicht einmal im Entferntesten für diesen inhaltsleeren Amerikanischen Exportwahnsinn interessieren: Sobald ein Teenie im Haus ist, lacht die Fratze von irgend einem halbwarmen Highschool Musical Sunnyboy von jeder Zeitschrift, jedem Schokoriegel und auch sonst von jedem Produkt, dass jemand zwischen 12 und 18 kaufen könnte. Wir mussten uns wenigstens nur über die Backstreet Boys ärgern. Dem ORF sind diese Serien und Filmchen noch zu teuer, er bewirbt einstweilen fleißig die Merchandiseingprodukte und wartet bis Hannah Montana so abgestanden ist wie die erste Staffel von Malcolm mittendrin.

Für uns waren noch der Clown Habakuk - im bürgerlichen Namen Arminio Rothstein und leider schon 1994 verstorben - und sein Nachfolger Enrico - bürgerlich Heinz Zuber und Burgschauspieler - die Größten. Wie der es geschafft hat zwischen seine behandschuhten Finger zu pusten und dabei den Ton einer Trillerpfeife zu erzeugen wird mir immer ein Rätsel bleiben. Sowas lernt man wohl nur im Reinhardtseminar... Auch die Musik wurde damals vom guten Enrico übernommen und nicht von einer millionenschweren US-Göre, die mit einem falschen Muff auf dem Kopf ins Mikro plärrt. Unter dem Motto „Ich sage nichts, ich singe viel viel lieber!“ war Musik zu meiner Zeit noch Teil des Unterhaltungsprogramms. Das einzig künstliche im damaligen Kinderfernsehen war das x-fach geliftete Gesicht von Moderatorin Ingrid Riegler. Die nahm sich dafür noch Zeit uns sinnvolle Basteltipps zu geben, nicht wie die schlecht synchronisierten Tucken aus dem britischen Handarbeits-TV, die aus Müll in 60 Sekunden noch mehr Müll machen.
Die von meiner Mutter handverlesenen und als kindertauglich befundenen Sendungen wie Nils Holgersson, Wickie, Heidi, Alfred Jodocus Kwak und Niklaas der (zugegeben etwas schwul wirkende) Junge aus Flandern hatten wenigstens noch einen pädagogischen Mehrwert, im Gegensatz zu dem südkoreanischen Importstumpfsinn á la Spongebob, der Kika, Nick und SuperRTL heute überflutet. Der einzig vernünftige Charakter ist dabei der talentierte Thaddäus Tentakel. Eine Generation die Patrick Star als Vorbild hat, läuft unaufhaltsam auf den Abgrund zu.

Das Fernsehprogramm hatte zu unserer Zeit noch einen Sinn und im Radio hieß es bedeutungschwer und großspurig „Der österreichische Rundfunk sendet Nachrichten“. Das allein bewirkte schon, dass man sich aufrecht hingesetzt hat. Damals wurde auch noch zum Sendeschluss im Fernsehen - ja sowas gab's tatsächlich - die Bundeshymne gespielt. Heute lässt man zwei Takte anklingen, wenn der Bundespräsident am Nationalfeiertag oder zu Silvester um 19:48 seine Rede ans Volk verliest. Früher unterrichtete die Mini-ZIB auch Schmalspurcharaktere wie mich über das Weltgeschehen und Hans Georg Heinke hat uns dabei sogar noch geduzt! Mittlerweile hat man sich im ORF scheinbar damit abgefunden, dass sich die Jugend nicht für die Politik interessiert. Dass das Thema heute nicht mehr kommuniziert wird, haben sich die Politiker, die - und das ist kein Scherz - in der Beliebtheitsskala der Österreicher kurz vor den Waffenhändlern rangieren, aber auch selbst zuzuschreiben.

Die Politik versucht dabei noch fleißig von allen Seiten auf den ORF Einfluss zu nehmen. Als Wolfgang Schüssel 2005 als erster Bundeskanzler überhaupt eine Ansprache im Fernsehen halten durfte, wusste man, woher der Wind nun wehte. Im folgenden Wahlkampf erlaubte ihm der Küniglberg sogar den Austausch seiner Sitzgelegenheit bei der TV-Diskussion. Der Bundeskanzler hatte sich auf dem ORF-Sessel einfach nicht wohl genug gefühlt. Davor war das Fernsehen in Österreich jahrzehntelang eine rote Sache. Julius Raab wollte das Radio als schwarze Dömäne behalten und soll dabei mit Bezug auf das Fernsehen den legendären Spruch „In des Kastl schaut eh kaner eini.“ getätigt haben. Erst das Rundfunkvolksbegehren hat den heimischen TV-Markt etwas entpolitisiert. Doch jetzt greifen die Parteien wieder nach dem Sender und versuchen ihn unter die Kontrolle des Bundeskanzleramtes zu ziehen. Die Demokratisierung des ORF ist dabei ein zurückgebliebener schlechter Scherz. Die Seher dürfen per Fax - wer hat sowas noch? - den Publikumsrat wählen, der wiederum ein bisserl was beraten und mitstimmen darf. Diese Wahl war schon eine demokratiepolitische Farce, als die SPÖ sie gewann und ist auch nach dem kürzlichen ÖVP-Sieg immer noch ein politischer Humunculus. Die Mächtigen ändern sich, ihre Methoden bleiben dieselben...

Zu schaffen machen dem ORF derzeit aber die Einschaltquoten, noch vielmehr als die Politik. Gab es früher nur zwei Österreichische Sender, so etablieren sich seit den späten 90ern auch Privatanstalten und das deutsche Fernsehen überschwemmt den Markt mit teutonischem Unterhatungschauvinismus. Das heimische Fernsehen ist mittlerweile schon so in Bedrängnis, dass der Verkauf eines der beiden großen ORF-Sender - der älteren Generation noch als FS 1 und FS 2 bekannt - oder von TW 1 (Maschek-Freunde verwenden die Bezeichnung „Total Watch One“) in Betracht gezogen wurde.

In Zeiten von marktorientierter Programmgestaltung lässt natürlich auch das Niveau immer mehr zu wünschen übrig. Rosamunde Pilcher und schmalzige Telenovelas ersetzten den Auslandsreport, den Club 2 und die Doppelmoderation in der ZIB um 19:30 Uhr. Erst die Programmreform hat sie uns, den Auslandsreport nunmehr als Weltjournal, wiedergebracht. Dennoch leidet der gesellschafts- und kulturpolitische Auftrag, für den die braven Bürger (nein Sie nicht Herr Wolfgang E.) ihre GIS-Gebühren zahlen, unter dem permanenten Druck der verblödeten Masse, die bei der Millionenshow mehrheitlich schon bei der 500€-Frage aussteigt.

Der ORF macht es sich aber auch leicht. Er sieht seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag schon erfüllt, wenn er am Beispiel der Schrebergärtnerin Otti K. erklärt, dass man von Zecken auch am hellichten Tag überfallen werden kann und diese erst nach Stunden von ihrem Opfer ablassen. Dafür rechtfertigt man den Musikantenstadel und Dancing Stars mit dem Wunsch der Zuschauermassen. Genauso schwachsinnig erscheint die Sendeplatzzuteilung, wenn etwa die Eigenproduktion Schnell ermittelt nach dem deutsche Tatort kommt, den man wie den Mutantenstadel auch im Piefke-TV „genießen“ kann. Am jämmerlichsten sind aber immer noch die ORF-Produktionen, in denen die Schauspieler auffällig schönes Hochdeutsch sprechen und damit die leise Hoffnung des Senders offenbaren, die ARD oder das ZDF möchten den Stumpfsinn kaufen und vom Rhein bis zum Belt ausstrahlen. Im Schweizer Fernsehen wird wenigstens noch hemmungslos Dialekt gesprochen, was nicht nur den Wetterbericht von Meteo zum Horror für alle Zugereisten werden lässt.
Höhepunkt der Entaustrifizierungsaktion des österreichischen Fernsehens war bis dato die vollständig gefloppte Serie Mitten im 8en. Alexander Wrabetz hat auf einer Veranstaltung vor dem Start der Serie allen Ernstes Befürchtungen geäußert, diese könnte der ZIB nachhaltig Zuseher abgraben. Auf die Frage des Stiftungsrates nach einem Plan-B, sollte die Sache ein Misserfolg werden, habe er geantwortet, er glaube fest an den Erfolg und habe daher keinen Plan-B. So läuft das Management im ORF… Mitten im 8en hat den Sender etwa 20 Millionen Euro gekostet. Ich glaube Wrabetz versteht bis heute nicht, warum ein von deutschen Regisseurinnen umgesetztes holländisches Drehbuch in Österreich nicht angekommen ist.

Wo ist die gute alte Zeit des Staatsfernsehens in Österreich hingekommen? Aus Am Dam Des wurde Confetti TV, daraus wieder Okidoki. Die Kinderstars wechselten dabei von Habakuk und Enrico auf Confetti und schließlich auf ein violettes Schwein im scheinbaren Dauer-LSD-Rausch, dessen Name ich vergessen habe. Der Seniorenclub wurde zu Willkommen Österreich, das wiederum in Heute in Österreich und Frühling-, Sommer-, Hernst- und Winterzeit umgetauft und aufgespalten wurde, um dazwischen legal Werbung senden zu dürfen. Aus dem beschaulichen Alfred Böhm als Oberkellner für die alten Schachteln wurde die hysterisch-fröhliche Lizzi Engstler die alle Anrufer mit dem Hamburger Sie anspricht:
„Grüßi Frau Marianne, was können Sie uns zum Thema Verstopfung im Alter sagen?“

Zumindest hat man die schreckliche Russwurm und ihr Warzenmuttermal nachhaltig aus dem Hauptabendprogramm entfernt. Dafür versucht das Öffentlich-rechtliche mit der Abwerbung des allseits verhassten Dominic H. (Name der Redaktion bekannt) vom Privatfernsehen wieder etwas jugendlichen Schwung in die vorabendliche Society-Berichterstattung zu bringen. Seitenblicke mit Jeannine Schiller und Waltraud Haas für die Omas, Chilli mit Richard Lugner und Mausi, Katzi, Bambi, Hasi, Hundi, Pferdi oder Stachelschweindi für die Jungen… Was für ein Konzept! Wenn der ORF weiter an seiner Strategie feilt, auch die letzte Gesellschaftsschicht noch mit irgendeiner Sendung zufriedenstellen zu wollen, bekommt die Familie Rosenkranz bald ihr heiß ersehntes Heute in Großdeutschland.

Anstatt nur nach billigen Einschaltquoten zu fischen und es allen Recht machen zu wollen, sollte endlich ein einheitliches Senderkonzept her, das Information, Kultur und Unterhaltung in einer stimmigen Art und Weise verbindet. Dass niemand um 20.15 von Barbara Rett die neuesten Auswüchse des internationalen Ausdruckstanzes präsentiert bekommen möchte, ist dabei ebenso einleuchtend wie die Ansicht, dass der ORF am Vorabend keine deutsche Telenovelas wiederholen muss, die die ARD schon vor Wochen gesendet hat. Zur Umsetzung der dringend erforderlichen Programm- und Strukturreform gehört aber auch, dass die Damen und Herren Landeshauptleute nicht länger an der ORF-Gebühren mitnaschen und für ihre parteipolitischen Interessen deftige Aufschläge erheben. Wenn nicht bald was geschieht, wird Julius Raab noch im Nachhinein Recht bekommen und keiner wird mehr ins österreichische Kastel hineinschauen, sondern nur noch deutsches Fernsehen gucken. Prost Mahlzeit!

Freitag, 9. April 2010

Es ist ein gutes Land... oder: Irrationalität aus Überzeugung.

Es gibt Tage, da zweifle ich an Österreich. Das sind dann meistens jene Tage, an denen ich einer der grausamen Wahrheiten, die dieses Land in sich birgt, nicht durch Verdrängung entkommen kann. Dann wenn Barbara Rosenkranz als Bundespräsidentschaftskandidatin aufgestellt wird, man die Mauern von Mauthausen mit Nazislogans besprayt, ein Länderspiel gegen die Färör ansteht oder ein peinlicher Möchtegernzwerglatinlover für uns beim Song Contest antritt. Dann fluche ich manchmal leise in mich hinein, über die stinkende Verkommenheit der Republik, oder bekomme vor guten Freunden kurze aber heftige Tobsuchtsanfälle, reiße mich wieder zusammen, schimpfe über Rosenkranz, Neonazis, die Nationalelf und Manuel Ortega aber schweige über das Land. Ja, ich bin still. Ich denke an Grillparzer und seinen in der Überschrift zitierten Satz aus „König Ottokars Glück und Ende“, belüge mich selber ein bisschen über dessen Wahrheitsgehalt und bin still, nur wegen Österreich, weil ich mich ihm gegenüber nicht zur selben zynischen Verachtung durchringen kann, die ich für sonst fast alles empfinde.

Der österreichische Patriotismus war für lange Zeit ein Elitenpatriotismus (Dass ich jetzt auf das Thema komme, beweist wohl, dass er es nicht mehr ist). Gepflegt in Kaminzimmern mit Lehnstuhl und Meerschaumpfeife bei einem Glas Port. Auf der Straße wurde er kleingeredet, lächerlich gemacht, verleugnet. Wäre Patriotismus ein Produkt, man hätte es lange nur im Meinl am Graben bekommen und heimlich nachhause getragen, in einem roten Papiersackerl mit politisch unkorrektem Logo. Heute bekäme man ihn beim Hofer ums Eck, billig nachgemacht und hergestellt in China.

An Österreich ist sogar der Patriotismus typisch österreichisch: zerrissen, abstrus, verleugnet, oft ein bisserl verlogen und ein dauerhaftes Provisorium. Erfunden haben ihn die Monarchisten für Gott, Kaiser und Vaterland. Die Kommunisten haben später die Nation dazu gebastelt, mit Unterstützung der Legitimisten. Sonst brauchte lange keiner Österreich, weil man ja deutsch genug sein wollte. Die Austrofaschisten haben den Österreichpatriotismus dann ideologisch ausgeplündert und mit der spinnerten Idee vom „besseren Deutschland“ verknüpft, aus Angst vor dem Anschluss. Verboten war er dann natürlich bei den Nazis, aber das Verbot hat ohnehin nicht viele gereizt. Neu inszeniert und definitiv entdeutscht haben ihn dann die ersten Regierungen nach 1945 - allen Parteien voran die ÖVP - auch passend zum Opfermythos. Dann wars eine Weile still um ihn, weil man auch die deutschnationalen „Ehemaligen“ als Wähler haben wollte. Für sich entdeckt haben ihn langsam aber auch die Roten. Bekämpft wurde er lange, und wird er zum Teil noch heute, von den Blauen und den Grünen. Durchwegs österreichische Allianzen der Widersprüchlichkeit.

Es gab eine Zeit, da war es unter Linken teilweise akzeptiert österreichischer Patriot zu sein, weil die Unis voller Deutschnationaler waren. Kommunenpatriotismus á la Austria quasi. Da die österreichische Nation an der Wurzel eine kommunistische Koproduktion war, konnte man sich damit eher anfreunden. Die Teutschen aus dem Dritten Lager verachteten diese Nation und ihre Patrioten zu tiefst. Der Historiker, Altnazi und gestandene Antisemit Taras Borodajkewycz nannte sie einen „blutleeren Literaturhomunkulus“ und ein „Gemisch von Anmaßung und Unkenntnis“. Ein geheimschwuler Kampftrinker mit Bleifuß bezeichnete sie dann als „ideologische Missgeburt“. Bis heute hat sich die FPÖ vom Deutschnationalismus nicht wirklich verabschiedet, aber sie hat sich etwas verbogen, dem Populismus zuliebe. Schließlich ist die eigenständige Nation heute von etwa 90% der Österreicher anerkannt. Auf die als Wähler kann man nur schwer verzichten. Auf den Plakaten der Blauen sieht man daher jetzt rot-weiß-rote Flaggen zuhauf und das Wort „Deutsch“ wird nur noch in Verbindung mit geforderten Sprachkenntnissen für Zuwanderer gebraucht. Ein stilisierter Bundesadler zeigt seinen ornithologisch nicht vorhandenen Daumen und das kollektivierende „wir“ der Wahlkampagnen gehört jetzt „den Österreichern“. Strache spricht sogar von der „österreichischen Staatsnation“, ein Begriff der Martin Graf wohl nicht von den Lippen tropfen dürfte, trotz der immer noch mitschwingenden Relativierung.

Der de facto Österreichnationalismus, den die FPÖ nun vordergründig betreibt, ruft natürlich auch die dauerunangepassten Sozialanthropologiestudenten und Theaterwissenschafter auf den Plan, die dann - wenn sie nicht gerade irgendwelche Klubs gründen, in denen Komposita mit „Volk-“ grundsätzlich nur mit „x“ geschrieben werden - Demos unter dem Titel „still not loving austria“ abhalten oder auf andere Weise die kollektive Staatsmoral untergraben. Diese historisch hochgebildeten und nur peripher überideologisierten Mensch_innen verbreiten dann ihre Sicht der Dinge natürlich auch über das Internet:

„Bezeichnend ist, dass der österreichische Staat ausgerechnet den 26. Oktober zum Anlass nimmt um seine Freiheit zu feiern. Nicht der 8. Mai, der Tag der Niederringung des Nationalsozialismus und damit das Ende der mordenden „Volksgemeinschaft“, sondern der Tag an dem der letzte alliierte Befreiungssoldat „österreichischen Boden“ verlassen hat, wird gefeiert.“ Still not loving Austria – Antinationalfeiertag

Zu blöd nur, dass am 26. Oktober 1955 das Neutralitätsgesetz verabschiedet wurde. Das mit dem letzten Soldaten (Warum eigentlich nicht Soldat_in? Zumindest bei den Russen gab's die auch.) war einen Tag vorher, was eigentlich auch nur ein Mythos ist, weil ein paar Briten in Kärnten verpennt haben. Aber gegen immerwährenden Frieden hätten sie sicher auch ein Argument gefunden…

Der gute Paul, den erst das schwarzbrotlose Spanien zum Österreicher gemacht hat, kann sich vielleicht noch an meine explosive Stimmungslage erinnern, als die Grüne Jugend die „Nimm ein Flaggerl für dein Gaggerl“-Aktion mit dem Untertitel „Wer Österreich liebt muss scheiße sein“ lancierte. Die Plakate hingen zumindest am Powi-Institut nicht lange...

Aber wer bezeichnet sich heute noch als Patrioten? Nur minderbezahnte langzeitarbeitslose Gewohnheitskleinkriminelle vielleicht, die Strache im Herz und Fäkalien im Hirn haben? Das Wort ist so furchtbar plakativ, historisch belastet und strahlt eine natürliche Arroganz aus, die einen eher abstößt. Trotzdem bin ich einer, der sich aufregt wenn jemand sagt, dass ihm Österreich am Arsch vorbeigeht oder der einen hochroten Kopf bekommt und die Fäuste ballt, wenn ein unbedarfter Numerus-clausus-Flüchtling seine Ansichten vom Deutschtum der Österreicher ausbreitet. Ich bin der, der alle drei Strophen der Bundeshymne kennt und am Nationalfeiertag die Rede des Bundespräsidenten im ORF anschaut. Wahrscheinlich kann man das Patriotismus nennen. Jedenfalls ist es in meinem Bekanntenkreis ein beliebtes Reizthema, um mich aufzuziehen. Der liebe Paul hat die Leugnung der österreichischen Nation nebst pangermanischer Phrasendrescherei und der Verherrlichung meiner rechtspolitische Hassfigur Carl Schmitt in piekfeinem Piefkenesisch mittlerweile schon so perfektioniert, dass ich manchmal doch noch meine selbstverordnete Contenance verliere.

Mein Freund Dave, ein ausgesprochener Linker, kennt mehrere Arten mit Menschen umzugehen, die - sagen wir es einmal vorsichtig - politisch anders orientiert sind. Da gibt es das Aufstehen und Kopfschütteln beim Weggehen für die, die er - immer zu Recht - für intellektuell nicht proportional genug ausgestattet hält, um eine Diskussion mit ihnen zu führen. Gleichzeitig hält er sich wohl für emotional nicht hinreichend ausbalanciert, um die verbale Politdiarrhö seines Gegenübers zu verkraften. Dann gibt es da den heftigen Widerspruch... oh wie ich ihn liebe... und für manche - oft meine - Aussagen das verstörte Husten mit unterdrücktem Lacher nebst schwingender Faschismuskeule.
Wenn wir aber über Österreich reden, hat er für mich noch eine ganz besondere Variante im Petto: Das offene Mitleid. Ja, meine Damen und Herren, es gibt noch einen zynischen, von der faschistoiden Alltagsgesellschaft verhärmten und vom Rechtsstaat enttäuschten linken Intellektuellen, der das Mitleid kennt. Ich hätte dem Absatz vorausschicken müssen, dass ich eigentlich jemand von der Sorte bin, dem der liebe Dave sonst den Schwarzen Block vor die Tür stellen würde. Aber aus einem unerfindlichen Grund genieße ich auch bei ihm ein Stückchen Narrenfreiheit und bin jemand den man noch bemitleiden kann und nicht einfach nur verachtet, wie gegelte Wirtschafts- und Sportstudenten. Dass ein halbwegs vernünftiger Mensch - ungerechtfertigte Lorbeeren an mich selbst -, so einem kollektiven Schwachsinn wie dem Patriotismus erliegen kann, ist ihm jedenfalls schleierhaft. Was - so hat er mich einmal im empathischsten Ton gefragt, den er aufbringen konnte - was zu Hölle will man da schon lieben an diesem Land? Vielleicht HC-Strache, oder - etwas anspruchsvoller - einen Stein am Wegrand? Patriotismus, so nicht nur Daves Fazit, ist irrational.

Ja, das ist er, durch und durch irrational. Ich würde mich selbst zum Affen machen, wenn ich es leugnen würde.
Aber Emotionen sind immer irrational. Der Mensch an sich ist irrational, weil vielmehr gefühls- als vernunftbegabtes Wesen. Dass mir jene, die auf facebook und StudiVZ massenhaft Bilder von sich in rot-weiß-roter Ganzkörperkostümierung aus EM-Zeiten hochgeladen haben, Irrationalität vorwerfen, juckt mich eigentlich nicht. Wenn Sie meine Blogs gelesen haben, wissen Sie wie irrational ich bin, nämlich völlig. Was mich - hoffentlich - von den beflissenen FPÖ-Wählern - die wohl in der Masse eher in das Schema Nationalist passen würden - unterscheidet, ist, dass ich weiß wo ich den Patriotismus einordnen muss. Die österreichische Nation und das österreichische Volk sind ideologische Erfindungen, wie jede andere Nation, jedes andere Volk, wie Weihnachtsfriede, Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Moral, Demokratie, die Intelligenz von Nadja Abd el Farrag und die ökologische Steuerreform von Josef Pröll. Jeder hat eine Meinung dazu, aber niemand kennt den wirklichen Gehalt der Sache, weil er eben höchstens definierbar (z.B.: ökologisch), aber nicht wirklich fassbar (z.B.: Josef Pröll) ist. Man nennt das glaube ich eine Konstruktion und ich muss sagen ich mag Konstruktionen. Vielleicht nicht gerade die mit Rassenhass, Völkermord und Gendergerechtigkeit (der war für dich Eli), aber die wo man was zum sich aufregen hat, ohne sie für völlig abartig halten zu müssen, wie im Übrigen auch den Nationalismus.

Aber Österreich und ich? Eine 83.871 KM² große Spielwiese für Zyniker, einfach so brach liegen lassen? Mitnichten. Wenn es einen Herrgott gibt, hat er mich in den richtigen Sandkasten gesetzt: grassierender Alkoholismus, chronischer Nepotismus, korrupte Politiker, ungesühnte Polizeibrutalität, parteiische Beamte, weltfremde Linke, menschenverachtende Rechte, die Kronenzeitung und Kärnten. Einfach herrlich! Schon der ausgewachsene Berufsanus Thomas Bernhard war über sein Österreichertum so erfreut, dass er wohl zuhause heimlich geweint hat vor Glück. Elfriede Jelinek haben ihre Österreichpsychosen - gepaart mit einem gewissen ödipalen Mutterhass - sogar den Literaturnobelpreis eingebracht. Dieses Land ist ein Fluch für Menschen, die noch bei Verstand sind und ein Segen für Leute wie mich. Es bietet so viele Herrlichkeiten wie die weltweit einzige für die Ohren erträgliche Variante der deutschen Sprache, arrogante pelztragende alte Schachteln in der Wiener Innerenstadt, Nachrichtenmoderatoren die "Jänner" und "das Monat" sagen, Kommerzial-, Regierungs-, Amts-, Ökonomie-, Studien-, Oberstudien- und Hofräte, zwiebelige Bosna und sauren Schilcher. Es ist ein herrliches Soziotop und deshalb bin ich auch gern bereit die weniger aufregenden Dinge zu verteidigen, wie den Sieg von Aspern, Cordoba, alle 12 Isonzoschlachten, den österreichischen Skisport, Hans Moser, den Opfermythos, die Sachertorte, das schrottreife Bundesheer, den Staatsvertrag, den Donauwalzer und Dancing Stars. Patrotismus ist trotzdem keine Kritiklosigkeit. Man differenziert nur zwischen Umständen und Ideal. Karl Kraus hat das ein bisschen radikal ausgedrückt:

„Ich habe mich mein Lebtag geschämt, ein Österreicher zu sein, und nie mich dieser Scham geschämt, wissend, daß sie der bessere Patriotismus sei.“

Nein, ich schäme mich nicht Österreicher zu sein, weil ich ein schamloser Mensch bin. Patriotismus ist der verpönte Glaube an das nebulöse Ideal des Vaterlandes unter Missachtung der bitteren Realität. Wie geschaffen für mich. Nur ist der Patriotismus generell nicht mehr so en vogue. Man glaubt besser an irgendeine Form des realen Sozialismus, die Anarchie, die ehrlichkeit von Bankmanagern, die Zukunftsfähigkeit des Bologna-Systems oder den guten Leumund der Scheuchs, an sein Land lieber nicht. Vielleicht auch deshalb, weil Patriotismus zum Proletensport geworden ist, für Leute die bei diversen Sportereignissen gerne im Vollsuff „Immer wieder Österreich!“ schreien. Deshalb wird man gleich zum Nazi, Chauvinisten und Fremdenhasser erklärt, wenn man im Stadion die Hymne singt. Alles wegen ein bisschen Sympathie für eine Konstruktion, die keinem weh tun soll. Ich mag diese Konstruktion und weil der Mensch viel lieber das verteidigt was er mag, als das was er weiß, bin ich wohl ein patriotischer Überzeugungstäter, der manche zum Aufstehen, Weggehen und Kopfschüttel, manche zum Widerspruch und den armen Dave zum Mitleid reizt.

„Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“Johannes Rau

Welch Ironie, dass ich zum Schluss ausgerechnet einen Deutschen zitieren muss...

Dienstag, 6. April 2010

Schein- Heiligkeit

Der ehemalige Abt des Klosters Mehrerau Lauterer hat Verbrecher gedeckt, ebenso wie es vermutlich der Papst getan hat, als er noch Bischof von München-Freising war. Der Bischof von Feldkirch, Fischer, hat Kinder geschlagen, ebenso wie sein Amtskollege Mixa aus dem deutschen Augsburg. Selbiger hat die Schuld an den jüngst aufgekommenen sexuellen Missbrauchsfällen an Kindern und Jugendlichen der 68er-Bewegung zugeschoben. Die sexuelle Revolution hat die armen pädophilen Priester verführt. Kardinal Groër hat sexuellen Missbrauch an Minderjährigen begangen, dessen wurde auch Fernsehprediger August Paterno beschuldigt. Die Kirche hat einen langen Zeigefinger, aber Schwierigkeiten ihn auf sich selbst zu richten.

In dutzenden Fällen, europaweit, hat die Heilige römisch-katholische Kirche Priester und Ordensleute, die bereits durch Kindesmissbrauch auffällig geworden waren nicht angezeigt und oft erneut in der Jugendseelsorge eingesetzt. Pädophile Padres aus Baden-Württemberg wurden kurzerhand in die österreichische Mehrerau versetzt - ein Kloster mit Knabeninternat und Schule. Dort vergingen sie sich erneut an Zöglingen. Der Abt, Kassian Lauterer, hat nach einem Schüleraufstand - die Opfer sprachen geschlossen bei ihm vor - die Kinder zum Stillschweigen verpflichtet und den Täter erneut versetzen lassen. Währenddessen wurde auch bekannt, dass seine hocherwürdigste Exzellenz der Bischof von Feldkirch Elmar Fischer in seiner Zeit als Seelsorger, Kinder zu Erziehungszwecken nicht nur geohrfeigt, sondern auch einem Buben auf dem Fußballplatz eine Rippe gebrochen haben soll, weil er das Gefühl hatte gefoult worden zu sein. Der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn hat das als "schwarze Pädagogik" verurteilt und Fischer indirekt zum Rücktritt aufgefordert.

Der Heilige Stuhl indessen, sieht in der Aufdeckung der Anschuldigungen eine Kampagne gegen seine Heiligkeit den Papst, Diener der Diener Gottes. Wen interessieren schon missbrauchte Kinder, wenn ein Propagandakrieg gegen den Vatikan befürchtet wird? Dementsprechend wortreich ging der größte Brückenbauer in seiner Osteransprache auch auf die Vorfälle ein. Nämlich gar nicht. Er ließ sich von einem Mitglied des Kardinalkollegiums den Rückhalt der gesamten Kirche versichern und sprach über die Stadt und den Erdkreis seinen Segen in mehr Sprachen, als Benita Ferrero-Waldner beherrscht. Die Kirche sagt: "Wer bereut, dem wird vergeben." Doch wo bleibt ihre Reue? Ein "Kein Pfarrer macht mehr Kindersex, verspricht euch euer Pontifex!" wäre schon ein Anfang gewesen, doch aus dem Mund des Stellvertreters Jesu Christi auf Erden kam nur Staub von der Kreide, die er über die Jahre konsumiert hat. Und auch wenn Kirchenvertreter von den verbrecherischen Vorfällen sprechen, die sich über Jahrzehnten in kirchlichen Einrichtungen zugetragen haben, bedauern sie zwar immer den Missbrauch, stellen ihn aber gleichzeitig als Einzelfall dar und warnen vor Verallgemeinerungen. Dass die Kirche selbst - vertreten durch ihre Bischöfe - systematisch und über Jahre hinweg nicht nur Pädophile gedeckt, sondern auch erneut mit Kindern in Kontakt gebracht und etwa im Fall von Irland die Ermittlungen der staatlichen Behörden behindert hat, wird meist mit keinem Wort erwähnt oder gar bedauert. Missbrauch und Gewalt gebe es auch andernorts, das sei kein kirchliches Phänomen, heißt es. Das ist wahr, aber die Kirche erhebt einen Wahrhaftigkeitsanspruch und hat viele Schäfchen im Regen stehen lassen und die Herde belogen. Vor lauter Angst, es könnte dem Ansehen der Kirche schaden, wurden verbrecherische Handlungen systematisch vertuscht. Jetzt sind jahrzehntelang angesammelte Kriminalfälle über die Mutter Kirche hereingebrochen wie ein Tsunami und haben ihr Ansehen de facto vernichten. Die Herausbildung einer aufgeklärten Zivilgesellschaft hat mit der Diktatur des Schweigens gebrochen. Ohrfeigende Priester werden angezeigt, Pädophile verfolgt. Als ich noch Volksschulkind war, hätte niemand es gewagt gegen den Dorfpfarrer vorzugehen, der unliebsame Zöglinge an Ohren und Haaren riss. Keiner hätte sich getraut den Seelsorger von Gisingen vom Schulunterricht auszuschließen, der die Kinder vor der Tafel knien ließ und den Buben erklärt hatte, es sei verboten sich "unten" anzufassen, weshalb manche am Klo freihändig pinkelten und sich einnässten.

Die sancta ecclesia catholica hat sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte darin gefallen jeden in die Hölle oder zumindest ins Fegefeuer zu schicken, der ihrer Doktrin nicht entspricht. Joan K. Rowling, Karl Marx, Klaus Wowereit... alle sollen nach Wunsch mancher kirchlicher Exponenten für ihre Sünden im ewigen Feuer brennen. Jedes Kind wird in die Erbsünde geboren, doch nicht so die Gottesmutter Maria. Dank Pius XII. ist sie nicht nur sündenfrei zur Welt gekommen, sondern - seit 1950 amtlich - wie Jesus in personam in den Himmel aufgefahren. Während Protestanten sich mitunter vor der ewigen Verdammnis fürchten müssen, kann jeder spinnerte Marienverehrer sich unter die Fittiche des Heiligen Stuhles stellen. Schwulen gegenüber fühlt sich die Kirche genauso liberal. Ihre Veranlagung sei zwar eine "schwere Abirrung" (Weltkatechismus), aber man solle doch bitte Mitleid empfinden für die armen Perversen. Schließlich ist ihnen die Menschenwürde nicht genommen, so der Jesuitenpater Anton Rauscher:

"Auch dem Verbrecher kann man diese Würde nicht entziehen oder absprechen."

Päderasten werden in der Kinderseelsorge eingesetzt, aber Evangelische dürfen die Kommunion nicht empfangen, weil sie deren theologische Grundlagen nicht anerkennen. Schließlich ist es für das Seelenheil eines Christenmenschen unerlässlich, dass er nicht an die sakrale Einheit von Jesu Leib und Blut mit Brot und Wein beim Abendmahl glaubt (Konsubstantiation), sondern an die Tatsächliche Veränderung der Substanz hin zu Brot und Wein (Transsubstantiation). Zur Hölle mit den Lutherandern!
Zwar hat die Kirche den Lehrsatz extra ecclesiam nulla salus (kein Heil außerhalb der Kirche) in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr ganz so strikt ausgelegt, aber die Karfreitagsfürbitte für die armen Juden, die doch den Heiland nicht erkennen wollen, hat man wieder aufgenommen. Man bemüht sich in letzter Zeit auch wieder mehr um die Gruppierungen am rechten Rand, wie Opus Dei oder Piusbruderschaft, als um kritische Plattformen wie "Wir sind Kirche".

Wie versteinert die Kirche ist, zeigt sich vor allem daran, dass sie nicht bereit ist, den Zölibat, der nicht einmal dogmatisch verankert, sondern eine bloße Disziplinarentscheidung ist, auch nur zur Diskussion zu stellen. Man wolle die völlige Hinwendung zu Gott nicht gefährden. Wenn sich ein Priester im Geheimen einer Frau zuwendet, wird das toleriert, solange er es nicht öffentlich macht. Die Kirche ist scheinheilig geworden. Sünden, die sie in der Welt anprangert, findet sie unter dem eigenen Dach zuhauf:

- Homosexualität ist des Teufels. Schwule Priester werden stillschweigend geduldet.

- Die Gier ist das Übel dieser Welt. Die Vatikanbank wäscht Schwarzgeld für die Mafia.

- Es ist ein Verbrechen den Holocaust zu leugnen, an der neuerlichen Aufnahmen von Bischof Richard Williamson in den Schoß der heiligen Mutter Kirche hindert das nicht.

- Verhütung ist strikt verboten, aber der Vatikan hielt Anteile an einem Pharmaunternehmen (Serono), das die Pille herstellt.

- Gottes Schöpfung muss geschützt werden. Der Heilige Stuhl ist Großaktionär von Fiat und Agip.

Die Welt wendet sich von der Kirche ab, doch diese sieht keinen Grund zur Selbstkritik. Vielmehr mauert man sich noch stärker ein, um den angeblichen Sündenpfuhl draußen zu halten. Die Moral der Spätantike und des Mittelalters wird auf das 21. Jahrhundert umgelegt. "Liebt eure Feinde" (Mt. 5,43) sprach der Herr. Fastbischof Josef Maria Wagner ist begeistert von der Zerstörung von Abtreibungskliniken durch den Hurrikan Kathrina und gibt die Schuld am Erdbeben in Haiti dem Voodookult.

Seit Jahresanfang sind in Österreich schon mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten als im gesamten Jahr 2008. Nur noch weniger als Zweidrittel der Österreicher sind katholisch. Die Kirche blutet aus und sie setzt sich dabei selbst das Messer an die Pulsadern. Wer Antworten für Lebensprobleme haben will, interessiert sich einen Dreck für die Transsubstantiation. Wer seine Kinder in eine katholische Schule gibt, will sich nicht fragen müssen, ob sie dort missbraucht werden. Der Katholizismus ist zum Synonym für Doppelmoral geworden und hat sich das selbst zuzuschreiben. Wer Zöglinge vergenusszwergelt und gleichzeitig Schwule verdammt, wer Verbrecher deckt aber wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion zulässt, wer Menschen in die Hölle tritt und ihnen dabei lächelnd "Jesus liebt dich!" nachruft, hat jeden Anspruch auf Wahrhaftigkeit verloren. Die Kirche ist zum verrosteten Moralkonzern geworden, der den Kerngehalt der Lehre jenes Mannes mit Füßen tritt, der sich nach ihren Aussagen vor etwa 2000 Jahren für unsere Sünden hat ans Kreuz schlagen lassen.

Paul Gerhardt und Johann Crüger haben im 17. Jahrhundert Text und Melodie des Chorales "O Haupt voll Blut und Wunden" geschrieben, den Johann Sebastian Bach später in seine Matthäuspassion aufnahm. Mir hat immer eine Stelle in der zweiten Strophe ganz besonders gut gefallen, in der vom Augenlicht Jesu die Rede ist. Sie steht symbolisch für die Beschmutzung seines Andenkens, durch Pädophile Priester, selbstgerechte Bischöfe und weltfremde Kardinäle:

Du edles Angesichte,
Vor dem sonst schrickt und scheut
Das große Weltgewichte,
Wie bist du so bespeit!

Wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
Dem sonst kein Licht nicht gleichet,
So schändlich zugericht?