Montag, 26. Juli 2010

Vorarlberg zur Schweiz? Oder: Kein Anschluss unter dieser Nummer.

Am 15 Mai 1919 stimmten 47.727 Vorarlberger, das waren über 80% der Stimmbevölkerung, für die Aufnahme von Verhandlungen über einen Anschluss des Landes an die Schweiz. Das Schicksal wollte es anders: Der österreichische Staatskanzler Karl Renner hatte verständlicherweise wenig Interesse daran bei den Friedens„verhandlungen“ in St. Germain en Laye aus eigenem Antrieb die Abtrennung eines weiteren österreichischen Gebietes zu betreiben. Welcher Staat, der gerade 90% seines Territoriums eingebüßt hat, bemüht sich um weitere Sezessionen? Die Schweiz wiederum hatte wenig Interesse daran ein wirtschaftlich marodes Gebiet aufzunehmen, das zudem noch deutschsprachig und katholisch war, wodurch viele die innere Balance der Eidgenossenschaft bedroht sahen. Eine schweizerische Verfassungspetition für die Aufnahme des Landes erhielt nur 29.132 Unterstützungen, weit entfernt von den nötigen 50.000 Stimmen. Das hämische Wort vom „Kanton Übrig“ machte die Runde, übrigens keine Schweizer Erfindung sondern ein hausgemachter Neologismus aus Vorarlberg. Der Friede wurde geschlossen, das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) verabschiedet und der Beitritt zur Schweiz war gegessen. Der Landtag erklärte den Beitritt des Landes zu Österreich. Die Geschichte nahm ihren Lauf und mit Anschlüssen machte man schlechte Erfahrungen.

Kürzlich, 91 Jahre und 60 Tage nach dem unglücklichen Pebiszit  vor dem Arlberg veröffentlichte die Schweizer Zeitschrift „Weltwoche“ eine Umfrage laut der sich 52% der Vorarlberger weiterhin den Beitritt zur Schweiz wünschen. Abgesehen von der Schwankungsbreite die Umfragen mit unter 500 Befragten mit sich bringen, stellt sich natürlich die Frage: Wer kommt auf solche Ideen? Die Antwort heißt Dominique Baettig, seines Zeichens SVP-Abgeordneter im Nationalrat zu Bern. Er hat seinen Parteivorsitzenden dazu gebracht eine Petition zu unterschreiben laut der grenznahen Gebieten der Beitritt zu Schweiz ermöglicht werden soll. Neben Vorarlberg trifft diese Expansionspolitik auch einige französische und italienische Regionen sowie das deutsche Bundesland Baden-Württemberg. Das Wiener Qualitätsblatt „Österreich“ schlug mit der Schlagzeile „Dieser Schweizer will unser Vorarlberg“ zurück. Ein merkwürdiges Besitzdenken wechselt damit das andere ab. Schon Renner soll nach der Unterzeichnung des Vertrages in St. Germain gemeint haben: „Untertannowitz [Renners Geburtsdorf in Südmähren, Anm.] haben wir verloren, aber wenigstens haben wir Vorarlberg behalten.“ Dieser Satz soll zu seiner Beliebtheit in besagtem Bundesland nicht unbedingt beigetragen haben und Mitauslöser der sogenannten Fußachaffäre gewesen sein, bei der etwa 30.000 Vorarlberger die Taufe eines Bodenseedampfers auf den Namen des - das kommt noch dazu - sozialdemokratischen Staatsmannes verhinderten. Die Nussschale heißt heute „Vorarlberg“.
Es wäre falsch die Österreichhasser in Vorarlberg klein zu reden. Sie sind gewiss keine Mehrheit, aber die rot-weiß-roten Fahnen die in Fußach von der tobenden Menge in den Dreck getreten wurden, haben einige noch nicht vergessen. Das Verhältnis des „Ländles“ auf der anderen Seite des Berges mit Restösterreich, dem „Osten“ war und ist angespannt. Einerseits wird das kleine Land, in dem gerade mal 4,4% der österreichischen Gesamtbevölkerung leben, vom Rest gerne etwas belächelt. Im Land selber wird das dann oft in ein „die sind ja nur neidisch auf unseren wirtschaftlichen Erfolg“ umgedeutet. Aussagen wie jene von Rainer Nikowitz im letzten Profil - auch wenn sie nur im Scherz gemeint sind - tragen zur Sympathiegewinnung des restlichen Österreichs im äußersten Westen aber auch nur wenig bei:

„Die Vorarlberger wollen mehrheitlich los von Wien, ergab eine Umfrage der Schweizer „Weltwoche“. Und sie schmeißen sich, wie eine billige Vorstadtnutte an den Freier, der mit dem größeren Schein winkt, in einem entwürdigenden Akt der kollektiven Länderflucht an die Schweiz ran.“ Rainer Nikowitz - Gsi-Gong

Ein bisschen Minderwertigkeitskomplex spielt beim Vorarlberger Blick nach Osten natürlich auch mit. Das Klischee von den großen Faulen in Wien, die über die kleinen Fleißigen Vorarlberger bestimmen wollen, wird da gern und oft bedient. Auch die Politik der latenten Spannung, die von Vorarlberger Seite gefahren wird, trägt ihr Scherflein zu diesem West-Ost-Konflikt der besonderen Art bei. Man findet solche Interferenzen in interkollektiven Beziehungen sehr häufig (Österreich - Deutschland, Kanada - USA, Australien - Neuseeland, Norwegen - Schweden). Meist geht es dabei um kulturelle Nähe und unterschiedliche Größe.
Der ÖVP-Vorarlberg ist es - unter Nutzung dieses massenpsychologischen Phänomens - geglückt, was nur wenige (Regional)parteien schaffen: Sie wird mit dem Land identifiziert. Wie die CSU in Bayern, aber auch die SPÖ in Wien tritt sie als Verteidigerin der Tradition gegen „die Anderen“ auf. Das Umfrageergebnis ist aber auch ihr peinlich. Der ÖVP-Klubobmann im Nationalrat und Vorarlberger Karlheinz Kopf gab etwas tangiert zu Protokoll er fühle sich als „hundertprozentigen Österreicher“. Die Politik der Ländle-ÖVP lebt nämlich von der Spannung und nicht vom endgültigen Bruch.

Was hätte aber Vorarlberg von einem Anschluss an den Nachbarn im Westen? Wirtschaftliche Prosperität? Nur Idioten können so etwas denken. Vorarlberg hat - besonders in den Jahren seit dem EU-Beitritt - im Verhältnis zur Schweiz enorm aufgeholt. Die Schweizer kaufen mittlerweile jenseits des Rheins ein, vor Zeiten waren es noch die Vorarlberger die zum Shoppen auf die andere Seite des Flusses fuhren. Natürlich käme da noch mehr auf das „saubere Ländle“ zu: Die Schweiz hat nicht nur andere Steckdosen und Küchenzeilenformate, auch die längere Wehrpflicht wäre zu erdulden, der Export in die Union würde beim Übertritt zum Nichtmitglied Schweiz teilweise wegbrechen, das strikt atomkraftfeindliche Vorarlberg müsste sich mit den  Meilern in der Schweiz anfreunden und ein großteils privatfinanziertes Gesundheitssystem ließe für viele eine Arztbehandlung zum Luxus werden. Spätestens bei der ersten Kopfpauschale ihrer Krankenkasse würden sich die meisten Anschlüssler das gute alte Österreich wohl zurückwünschen.

Die Argumentation gegen den Panallemannismus muss aber über bloße wirtschaftliche Erwägungen hinausgehen. Wer von einer staatlichen Gemeinschaft profitiert, muss auch ein Mindestmaß an Loyalität für diese aufbringen können. Das staatsbürgerliche Treueverhältnis zur Republik Österreich für ein paar „Fränkli“ über Bord zu werfen ist schlichtweg unehrenhaft, man könnte es auch moralischen Landesverrat nennen. Keine Angst, ich stehe noch nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen auf der „Wacht am Rhein“. Die bloße Unwahrscheinlichkeit eines solchen Anschlusses kann mich aber nicht übern den Ärger über dieses  kolportierte Umfrageergebnis hinwegtrösten. Würde man es ernst nehmen, bewiese es doch gerade, wie österreichisch die Vorarlberger eigentlich sind. Welcher Schweizer Kanton würde sich ohne Anwendung von Waffengewalt an einen fremden Staat anschließen lassen? Für das bloße Versprechen eines ökonomischen Vorteils die Büchse ins Korn zu werfen und die Seiten zu wechseln, klingt  hingegen nach 1938, nach Österreich.
Dem Anschlussversuch von 1919 kann man noch gewisses Verständnis entgegenbringen, war er doch Ausdruck einer Zeit, in der viele nicht wussten, was sie am nächsten Tag  essen sollten. Die Schweiz versprach eine sichere Zukunft. Wer sich zwischen seinen hungernden Kindern und dem Vaterland entscheiden muss, hat in Wirklichkeit nur eine Wahl. Dass Vorarlberg jetzt als abtrünniger Buhmann der Republik dasteht ist jedenfalls ungerechtfertigt. Waren es nicht Salzburg und Tirol, die - das Bundes-Verfassungsgesetz war schon in Kraft - mit über 90%iger Mehrheit den Anschluss an das Deutsche Reich beschlossen? Sind wir plötzlich „Vorstadtnutten“, weil eine windige Umfrage uns mangelnden Patriotismus bescheinigt? Für besagte Umfrage wurden 1791 Interviews geführt. Zwischen 300 und 400 davon mit Vorarlbergern. Bei einem Ergebnis mit knapper Mehrheit bedeutet das eine Schwankungsbreite von etwa 5% (Schwankungsbreiten genauer erklärt). Was sagt das überhaupt aus? Vor allem junge Leute hätten für die Schweiz optiert heißt es. Sind das die Jungen, die gelinde gesagt soviel Ahnung von Politik haben wie der Papst von Safersex? Oder doch die, die wegen ein bisschen billigem Diskopopulismus in Scharen FPÖ wählen?
Die vol.at-Foren quellen über vor Anschlusslobhudelei und dämlichen Anfeindungen gegen eine angeblich unfähige Koalition in Wien, in der sich vergessener Maßen auch die Vorarlberger Mehrheitspartei befindet. Früher hatten die Leute vielleicht nichts zu essen, aber heute hungert keiner mehr in Vorarlberg und nichts rechtfertigt in Wahrheit den Versuch auf - man verzeihe mir die pathetische Wortwahl - hochverräterische Art und Weise die Abtrennung österreichischen Territoriums an eine fremde Macht zu betreiben.
Diejenigen, die jetzt ihre Schweiz-Nostalgie entdecken, vergessen, dass absolut freie Marktwirtschaft, direkte Demokratie und Föderalismus auch Schattenseiten haben. Man soll auch nicht so naiv sein zu glauben, dass die „Schweizer Brüder“ mit offenen Armen auf uns warten. Immerhin: Als die Eidgenossenschaft nach dem Ende des Kalten Krieges ihre Verteidigungsdoktrin überarbeitete und von defensiv auf offensiv umschwenkte, wurde bekannt, dass Vorarlberg für die Schweiz eine wichtige Rolle spielt: Als potentielles Schlachtfeld  in einem Konflikt gegen Deutschland.

Samstag, 10. Juli 2010

Ein bisschen Friede...

Im Burgenland haben sie's etwas mit der kleinteiligen Staatsverwaltung. Die nicht einmal 284.000 Einwohner verteilen sich auf sieben Bezirke und zwei Freistädte, die wiederum in 171 Gemeinden, 13 davon Städte, zerfallen. Eine dieser Metropolen liegt im Südburgenland - Bezirk Oberwart - und trägt den wohl erworbenen Titel schon im Namen: Stadtschlaining. Heißt schon immer so, ist aber erst seit 1991 wirklich Stadt. Ganze 2.067 Einwohner zählte die Gemeinde laut Statistik Austria mit 1. Jänner 2010. Groß ist also was anderes. In Schlaining herrscht meist Friedhofsfrieden, außer in der zweiten Juliwoche jeden Jahres.

Just zu diesem Zeitpunkt haben die Wege des lieben Paul und meiner uns heuer nach Schlaining verschlagen. Ja, ich geb's zu: Geld war auch im Spiel, aber nicht genug um eine Woche Totalperipherie zu ertragen. Der tatsächliche Grund war - halten Sie sich fest - der Weltfrieden. Ja, genau, ich und Weltfrieden... Der gute Paul und ich haben ein Praktikum beim Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung absolviert, dessen 27. Sommerakademie mitorganisiert und dort einen JungforscherInnenworkshop geleitet. Ja, etwas musste ich mich für die Sache schon verbiegen, zumal mir schon beim Schreiben des Binnen-I in der Workshopbezeichnung fast die Hand abgefallen wäre. Ungemein profitiert hat unsere Tätigkeit dort aber weniger von unserer Fähigkeit uns zusammenzureißen - die ist bei beiden nicht sonderlich ausgeprägt, bei mir aber noch am wenigsten - sondern vielmehr von der unendlichen Geduld unseres Chefs Thomas, der nicht nur diverse Nordkoreavergleiche, sondern noch weiß Gott Schlimmeres tolerieren musste.

Wie stellt man sich so ein Treffen von Friedensfuzzis (terminus technicus: Friedensbewegten) vor? Da gibt es natürlich auch wieder mehrere Kategorien von Besuchern. Die Studenten, die den günstigen Teilnahmetarif nutzen um ihren Lebenslauf aufzuboosten und Neues aus der Welt der Grausamkeiten zu erfahren, die Alt68er, die nach ihrer Pensionierung nun wieder zum Ursprung ihrer gesellschaftspolitischen Entwicklung zurückkehren und die Vortragenden, die meist eher abgeklärte Professoren älteren Kalibers und mit dem Fachwissen einer mittelgroßen Universitätsbibliothek ausgestattet sind.
Ohne den üblichen Zynismus muss ich eingestehen, dass es wirklich sehr interessante Vorträge und Diskussionen gegeben hat, Thema war heuer "Vergessene Kriege". Da es aber eben so ist, dass nur schlechte Nachrichten sich gut verkaufen - siehe Veranstaltungstitel - werde ich mich in der Folge anekdotenmäßig auf solche Ereignisse der Woche konzentrieren, die allein Ihre Gier nach billigen kleinen Geschichtchen und Brachialgewalt befriedigen:

- Sex, verkauft sich immer gut und soll es Gerüchten zu folge auch in Schlaining immer wieder geben. Letztes Jahr, als der liebe Paul und ich noch Besucher und nicht Praktikanten waren, war die letzte Nacht am Zeltplatz hinter der maroden Volksschule durchzogen von immer wiederkehrenden Stöhnintervallen, ausgelöst von einem liebestollen Pärchen, respektive vom weiblichen Teil dieses Powercouples. Der Geräuschpegel war dermaßen laut und hemmungslos, dass am Ende der nicht involvierte Teil des Zeltplatzes kurzerhand in offenen Applaus überging. Vor allem die beteiligte Dame erschien am letzten Tag daher mit hochrotem Gesicht im Veranstaltungssaal der Burg Schlaining, wo das Friedenszentrum untergebracht ist.

- Studenten, bauen immer gern etwas..., weshalb der Katalog der Hausordnung für das kostenlose Übernachten im und um das Schulgebäude fast jährlich erweitert werden muss: Etwa um die Bitte doch kein Feuer in der Turnhalle zu betreiben, da erhitzte Gaskocher ohne Unterlage gerne das Parkett einschmelzen lassen. Auch das Defäkieren in die Nasszellen ist nach Möglichkeit zu unterlassen, seit die Putzfrauen letztes Jahr eine Wurst aus den Duschen entfernen mussten, mit der sich ihr Schöpfer zuvor auch noch malerisch an den Fliesenwänden verewigt hatte. Pauls diesbezüglicher Neologismus Kakademiker erhält dabei meine vollste Zustimmung.

- Spezialmeinungen, nennen wir es einmal so, gibt es auf allen politischen Veranstaltungen. Dabei kann man zwischen den sympathischen und den geisteskranken unterscheiden. Eine nette Schlaininger Institution ist etwa ein enthusiastischer 91jähriger Herr (nicht 92 wie der gigantomanische Paul wieder behauptet), der jedes Jahr mit einem neuen Projekt startet. War es letztes Jahr noch eine neue Steuer, ist es heuer eine Gratiszeitung, die von den Millionären bezahlt werden muss. Zu letztere Kategorie zählt da schon eher der schmierige Rossschwanzträger, der allen seine abstrusen Thesen erläutert, bis diese sich angewidert abwenden. So gesellte er sich etwa zu unserer Genderdiskussion und merkte an, dass physische männliche Gewalt in der Familie nicht schlimmer sei, als der "subtile Psychoterror", dem die Frauen ihre Männer täglich aussetzten. Selbst als ich darauf meinte, dass man wohl nicht behaupten könne, dass ein Mann der seine Frau vermöbelt weniger oder gleich viel Schuld auf sich lade, wie eine Gattin, die ihren Ehemann mit Verachtung straft, wollte er von seiner Position nicht abrücken. Fast wäre ich sprachlos gegangen, verließ den Ort des Grauens dann aber doch noch mit der Bemerkung, dass der subtile Psychoterror der Frauen von den meisten Männern mangels ausreichender Subtilität ihrerseits wohl gar nicht erst wahrgenommen werde. Für solche Leute hat man in Deutschland glaube ich die Sicherungsverwahrung geschaffen.

-Schnecken, gibt es vor Ort reichlich. Eines dieser Mistviecher hätte mir letztes Jahr fast das Leben gekostet, als ich im Dunkeln beinahe darauf ausgerutscht wäre. Als letzte Rache ergoss es seine Innereien bis zur Kniekehle über meine Hose. Wer meinen Sinn fürs Ästhetische kennt weiß, wie ekelhaft das für mich als Reinlichkeitsfanatiker war.

- Zuhälterei, ja, Sie lesen richtig, ist offensichtlich in das Gewerbekonzept des lieben Paul übergegangen, als er versuchte mich für ein Glas Bier an einen grabschenden - fragen Sie nicht nach Details – Levantebewohner zu verschachern. Wie zudringlich angetrunkene Libanesen sein können, weiß nur wer sie einmal erlebt hat. Nicht dass ich homophob wäre, mir sind Menschen nur grundsätzlich suspekt, die von mir mehr Körperkontakt als nur einen Händedruck erwarten. Und der hat eben nicht nur meine Hände gedrückt...

- Verallgemeinerungen, sind auf Friedensakademien nicht gern gesehen. Meine Aussage, dass die da unten im Kaukasus ja alle korrupt seien, stieß auf vehementen Einspruch. Das sei doch nicht wissenschaftlich. Zum Einen kann ich keinen Satz ohne Verallgemeinerung oder unpassendem Hitler-Vergleich bilden und zum Anderen soll man mir mal einen integeren Beamten der kaukasischen Failed-states-liega zeigen. Zumindest kamen die Definition des armenisch-türkischen Verhältnisses als genozidal und die Bezeichnung der Südtiroler als Tschetschenen Europas besser an.

- Menasse, Robert, war heuer zu Gast für ein Gespräch mit dem Moderator und (Ex)journalisten Wolfgang Machreich. Herr Menasse trat dabei als durch und durch selbstgerechter Mensch auf, der von seinem selbstgezimmerten Elfenbeinturm auf die anderen heruntersieht. Nicht, dass ich das nicht auch wäre und täte, aber ich verlange dafür kein Honorar. Als er behauptete alle Regierungen der EU-Staaten - insbesondere die Österreichische Bundesregierung - würde gewählt, regte sich vehementer Widerspruch im Saal, dem er mit Geschrei und rotem Kopf begegnete. Als Überschusshandlung begann er dann auch noch zu rauchen, was seinen Eindruck beim Publikum nicht unbedingt verbessert haben dürfte. Als ein Zuhörer nach der Veranstaltung lautstarken Protest gegen den rauchenden Egomanen beim abziehenden Moderator anmeldete, meinte dieser nur lapidar: "Wer bin i? Da Hausmaster?"

Nochmal ernsthaft: So eine Sommerakademie ist nicht übel und das sage ich, der abgetakelte alte Zyniker. Man trifft dort tatsächlich interessante und nette Menschen, sogar Deutsche (sic!), kann über alles Mögliche sprechen und erfährt Dinge, für die man sonst viele Bücher lesen müsste. Ja, Weltfrieden gut... aber immerhin: Einen Versuch sollte es uns wert sein und einen friedlicheren Ort als Stadtschlaining wird man dafür wohl kaum finden. Kommen auch Sie nächstes Jahr ins Burgenland, wenn es wieder heißt: "Friede, Freude, Völkermord".

Schenken Sie bitte auch Pauls Ausführungen in seinem Blog Beachtung, aber keinen Glauben.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Die Jungpolitiker, oder: ungustiöser geht's kaum.

Es gibt für mich in der Politik, mal abgesehen von Personen mit eindeutig verfassungsfeindlichen Tendenzen, kaum etwas grauslicheres als Jungpolitiker oder jene die sich dafür halten. Für die Politik braucht man den Willen zur Macht, da junge Leute meist nicht nur diesen Willen im Übermaß haben, sondern auch noch mit einer gewissen Kreuzfahrermentalität ausgestattet sind, eignen sie sich ganz besonders gut zur Projektion diverser Antipathien. Meist paart sich dann das eigene Sendungsbewusstsein mit einer gesunden Portion Dilettantismus und politischer Unerfahrenheit zu einem Potpourri der schlechtesten Charaktereigenschaften die ein Mensch haben kann. Weil junge Politiker - und damit meine ich nicht Christian Wulff, der von der CDU mit über 50 noch als Jungspund gepriesen wird, nur weil er seine etwas taufrischere Pressereferentin geschwängert hat - eben zu einer gewissen Pointiertheit, wenn nicht sogar Radikalität neigen, lassen sie sich noch ganz wunderbar in Kasterln einteilen:

JVP - Die Jungschnösel
Die ganz Ambitionierten gehen zur Jungen Volkspartei, wo man für seine Angepasstheit belohnt wird. Polohemd ist Vorschrift, nach hinten gegelte Haare und Seglerschuhe sind erwünscht. Mein Bruder hat einen äußerst treffenden Begriff für sie geprägt, er nennt sie die „Wannabes“. Und in der Tat ist die JVP beseelt vom Geist des großen "Möchtegern". Sie möchten gern so fesch wie die geschniegelten Affen aus der Peek&Cloppenburg Werbung sein, so erfolgreich wie Julius Meinl (in der Frühphase) und so beliebt wie Karlheinz Grasser (auch in der Frühphase). Das Möchtegern strahlen sie daher auch bei jeder Gelegenheit aus. Sie reden mit einem Akzent den man als Mischung aus Wolfgang Schüssel und Edmund Stoiber bezeichnen könnte und der überaus opernballtauglich wäre. Sie geben die entspannte Jugend, die Antworten auf alles hat, gern Wein trinkt - aber nur den guten - und über den neuesten Jahrgang Ruster Ausbruch philosophiert, als hätten alle eine Sommeliersausbildung genossen. Arme kennen sie nicht als gesellschaftliche Erscheinung, sondern nur als Gliedmaße. Wer kein Geld hat ist selber schuld. Sie sehen sich als Inbegriff der Leistungsgesellschaft, während sie sich von Papa Anwalt aushalten lassen. JVP-Vorsitzende neigen dazu nach Amtsantritt mit äußerst qualifizierten Aussagen mediale Strohfeuer zu entfachen, um danach gleich wieder in der Versenkung zu verschwinden. Am besten eignet sich dabei das Thema Generationenvertrag. Da alte Leute nicht mehr arbeiten und der Gesellschaft folglich auf der Tasche liegen, haben sie für den JVPler von Welt höchstens noch einen Brennwert im örtlichen Krematorium. Es verwundert daher auch nur wenig, wenn etwa die Einstellung von Operationen ab dem 70. Lebensjahr gefordert wird oder man erhöhte Beitragssätze für die Krankenversicherung mit der Aussage rechtfertigt, dass sich der Mindestpensionist jetzt zwar drei Wurstsemmeln weniger leisten könne, dafür aber seine Versorgung mit künstlichen Hüftgelenken sichergestellt sei. Die Herren von der JVP sind groß im Diskutieren, die Damen meist groß im lächeln und nicken. Dabei ist der Neoliberalismus meist Ersatzreligion und wird in einem Maße verteidigt, das es sogar republikanische Senatoren frösteln würde. Die geschickteste - und zugegeben auch plausibelste - Masche der Jungschwarzen besteht dabei in der ständigen Betonung der Alternativenlosigkeit. Wer nachstehende Kategorien an Politgschroppen genauer unter die Lupe nimmt, wird vielleicht verstehen, warum sich ihnen gegenüber eine gelackte Truppe von Allesverstehern und Alleskönnern als Heilsbringer aufspielen kann, die Oma und Opa am liebsten pünktlich zur Pensionierung einschläfern würde.

Die Roten und soo... - A bisserl Anpassung muss schon sein
Da gibt’s so die Jungen in der SPÖ, die wo was ein voll leiwandes Programm machen und soo, das wo ur viel bewegen kann und soo. Wer jetzt den Eindruck gewinnt ich stürze mich auf ein billiges Klischee, das über eine gewisse SPÖ-Bundesgeschäftsführerin kursiert, der hat völlig recht. Als evolutionäre Zwischenstufe zwischen Homo Snobiticus (siehe oben) und Homo Stalinensis (siehe in der Folge) hat sich in der SPÖ die sogenannte Rudas-Pelinka-Connection gebildet, die sich gemeinsam ur viele Aufsichtsratsposten und soo unter den Nagel gerissen hat. Im Prinzip pflegt man den Pathos des Linken, mit ein bisserl Verständnis für die da unten. Man gelt sich aber auch die Haare und trinkt nur den guten Wein, tut aber so als hätte man dabei ein etwas schlechtes Gewissen. Wobei das Vorhandensein eines solchen nicht als gesichert gilt. Die absolute gesellschaftspolitische Inhaltsleere dieser Jungpolitikerkaste verunmöglicht weitere Beschreibungen bereits im Ansatz. Man erinnert sich entfernt an Musils Mann ohne Eigenschaften... und soo.

Die gaaanz Roten - Überzeugte Revolutionsgardisten
Das Ende der androzentristischen kapitalistischen Ausbeutergesellschaft ist nah! Wieso wissen Sie das nicht? Nun, vielleicht deshalb, weil man Sie zur Klasse der Ausbeuter zählt und Sie von der bevorstehenden Revolution möglichst überrascht werden sollen, vielleicht aber auch weil nur wenige Eingeweihte zur antiimperialistischen Speerspitze gehören, die die geknechtete Arbeiterschaft vom Los der Lohnarbeit befreien wird. [In diesem Zusammenhang stellt sich für mich die Frage, ob Angestellte als Arbeiter im Sinne des geplanten gesellschaftlichen Paradigmenwechsels gelten. Falls nicht muss die Revolution wohl ohne den tertiären Sektor stattfinden. Arbeiter-, Bauern- und Angestelltenparadies klingt auch nicht wirklich schmissig.] Revolutionen werden interessanterweise immer von oben organisiert. Lenin fuhr im deutschen Panzerzug nach Russland, der Arzt Ernesto Guevara mit dem Motorrad auf Diktaturen-Sightseeing durch Lateinamerika. Die Umstürzler von heute sind meist Sozialanthropolog_Innen, Politikwissenschaftler_Innen (Ja ich gehöre zu einer prekären Kaste) oder Theaterwissenschaftler_Innen, die im Hauptberuf reden und Gruppen gründen die mit "Volx-" anfangen (aber nicht mit "-gerichtshof" aufhören). Das Programm ist quasi Antipode zur JVP, wer möglichst unangepasst ist wird herzlich willkommen geheißen. [Haben Transgenderpersonen eigentlich Anspruch auf Berücksichtigung durch die Frauenquote oder nicht?] Sind die Dialogpartner mal wieder rar, besetzt man kurzweg ein öffentliches Gebäude. Dann stimmt mensch ab, ob mensch über etwas abstimmen soll [Sollte man nicht auch darüber abstimmen, ob man darüber abstimmen soll, ob man über etwas abstimmt?]. Am Ende beschränkt man sich auf Plakataktionen in denen zur Zerschlagung des Kapitalismus oder des Parlaments aufgerufen wird. Basisdemokratie für alle ist auch so eine Forderung... nur an den ganzen Schwachsinn zu denken regt mich schon furchtbar auf. Das Weltbild von Akademikerkindern, die sich weigern arbeiten zu gehen, wenn ihnen der Papa den Geldhahn zudreht, weil das moderne Ausbeutung wäre, ist hier nicht ergänzungsbedürftig. Anzumerken bleibt nur, dass so mancher Jungsozialist oder Kommunist der 68er-Bewegung heute im Vorstand einer Bank sitzt. Die revolutionäre Karriere der heutigen Weltverbesserer scheint also absehbar. Die fetten Jahre sind eben vorbei...

GAJ - Die single issue party
Das Programm der Grünalternativen Jugend überschneidet sich inhaltlich stark mit jenem der Vorgängergruppe, wenn es nicht deckungsgleich ist. In Wirklichkeit wollen die Junggrünenn aber eh nur eines: Sich hemmungslos einrauchen. Dementsprechend kreativ auch die Namensgebung ihrer Studenten... pardon Studierendenvertretung GRAS. Da es meine feste Überzeugung ist, dass in diesen Kreisen weit weniger Verbaldiarrhö produziert wird, wenn sie so richtig zugedröhnt sind, unterstütze ich Legalisierungsbestrebungen voll und ganz. Kürzlich habe ich gelesen es gebe in Österreich 30.000 Konsumenten illegaler Drogen. Nachdem mir - außer mir selbst (kein Scherz, ich bin ein gesetzestreuer Spießer) - tatsächlich kein Gleichaltriger einfällt, von dem ich wüsste, dass er noch nie gekifft hat, bin ich zum Schluss gekommen, dass sich die Behörden wohl lediglich auf eine nichtamtliche Zählung der GAJ-Mitglieder_Innen stützen.

RFJ - Heil dem Verfassungsschutz
Oh was wäre die jungpolitische Landschaft ohne ihre Blaukehlchen? Dass das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes den Ring Freiheitlicher Jugend als rechtsextrem einordnet stört dabei nicht im Geringsten. Auch dass so manches Mitglied schon Tuchfühlung mit dem Verbotsgesetz hatte, ist bloß eine Lappalie. Der RFJ steht für die Ordentlichen und Anständigen und bewahrt auch das Andenken an jene Generation von SS-Gangstern die nur ihre Pflicht getan hat, als sie im rückwärtigen Heeresgebiet mit fleißiger Unterstützung der sauberen Wehrmacht ein paar Milliönchen Menschen beseitigt hat. Während Stalin der Völkerschlächter noch immer ungeschoren bleibt, wird der arme Adi-Onkel gaaaanz böse angefeindet, vor allem von den linkslinken Gutmenschen, die dann auch immer gleich Gräuelpropaganda betreiben und auch nicht vor Hetzt- oder Schmutzkübelkampagnen, Hexenjagden und Rufmord zurückschrecken. Als strammer Homo Germanicus glaubt man natürlich nicht alles, was einem die Schuldgesellschaft vorschreibt und hat seine eigene Meinung. Die Gattung „Wannabe“ hat auch hier einen Fuß in der Tür, wobei natürlich anzumerken ist, dass sie ja gewissermaßen der vierte Aufguss einer braunen Brühe sind (Adi-Onkel - Jörgl-Papa - HC-Bruder). Auch wenn die Burschenschaften stetig im Schrumpfen begriffen sind, so rücken im RFJ doch immer wieder jene Nazi-Proleten nach, die wir alle für ihre Schlagfertigkeit so schätzen. Wenigstens hat der Verfassungsschutz hin und wieder ein Auge auf die Nachwuchsbraunen.

Ferner liefen
Es gibt da ja noch weitere Wurstelvereine wie die GZÖ (Generation Zukunft Österreich) - kein Scherz - die vor allem dadurch auffiel, dass sie im Wesentlichen ohne Mitglieder und Programm fast die ganze Jugendförderung des Sozialministeriums kassierte, als Uschi Haubner dort noch im Chefsessel saß. Da das BZÖ generell nur aus Jung(geblieben)en besteht, erübrigt sich die weitere Frage nach den GZÖ-Aktivitäten. Nicht einmal gegen die Solariumbeschränkung für Jugendliche unter 18 wurde Protest eingelegt.
Verzeichnet ist auch noch eine rudimentäre liberale Jugend, auch hauptsächlich Mitglieder der „Wannabe“-Fraktion, die sich in der Liberalen Studentenschaft kumulieren, deren deutsche Vorsitzende bei der letzte ÖH-Wahl zu blöd war die Wahlunterlagen rechtzeitig einzureichen.

Sollten sie jetzt vollends verzweifelt sein, möchte ich Sie beruhigen. Es gibt zwar nur solche Jungpolitiker wie sie hier dargestellt wurden, und NUR solche, aber die schlimmsten fallen durch den grausamen Parteidarwinismus durch die Netze. Übrig bleiben dann die, die schlau genug waren nur so viel wie nötig zu sagen und die Meinung mit so vielen wie möglich zu teilen.

Am Schluss zur besseren Übersicht noch eine kleine Tabelle:


Die Supertypen
Frisur
Kleidung
Schuhe
Motto
JVP
Yuppie-Style
P&C
Seglerschuhe aus Kalbsleder
Jeder ist sich selbst der nächste
Die Roten und soo…
Ur fesch und soo…
P&C
(aber rote Sachen)
Seglerschuhe, aber nicht von den armen Kuhbabys
Ur viel Gerechtigkeit und soo…
Die gaaanz Roten
Uhu nach dem Waldbrand
VEB Kleidung
Schuhe sind Fußvergewaltigung, wenn’s sein muss Converse
Völker hört die Signale…
GAJ
Dreads
Selbst gewebt oder aus dem Reformladen
Sandalen von Birkenstock
If you’re eyes aint red, your stuff’s not good.
RFJ
Kurzhaarschnitt
(0,1 - 0,0 mm)
Neueste Mode vom Aufruhrversand
Springerstiefel
(die guten mit den Stahlkappen)
Unsere Ehre…
GZÖ
KHG-Look
Alles für die Fete Blanche
Spitz zulaufende genagelte Krokoschuhe
Oh Soli mio…