Samstag, 10. Juli 2010

Ein bisschen Friede...

Im Burgenland haben sie's etwas mit der kleinteiligen Staatsverwaltung. Die nicht einmal 284.000 Einwohner verteilen sich auf sieben Bezirke und zwei Freistädte, die wiederum in 171 Gemeinden, 13 davon Städte, zerfallen. Eine dieser Metropolen liegt im Südburgenland - Bezirk Oberwart - und trägt den wohl erworbenen Titel schon im Namen: Stadtschlaining. Heißt schon immer so, ist aber erst seit 1991 wirklich Stadt. Ganze 2.067 Einwohner zählte die Gemeinde laut Statistik Austria mit 1. Jänner 2010. Groß ist also was anderes. In Schlaining herrscht meist Friedhofsfrieden, außer in der zweiten Juliwoche jeden Jahres.

Just zu diesem Zeitpunkt haben die Wege des lieben Paul und meiner uns heuer nach Schlaining verschlagen. Ja, ich geb's zu: Geld war auch im Spiel, aber nicht genug um eine Woche Totalperipherie zu ertragen. Der tatsächliche Grund war - halten Sie sich fest - der Weltfrieden. Ja, genau, ich und Weltfrieden... Der gute Paul und ich haben ein Praktikum beim Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung absolviert, dessen 27. Sommerakademie mitorganisiert und dort einen JungforscherInnenworkshop geleitet. Ja, etwas musste ich mich für die Sache schon verbiegen, zumal mir schon beim Schreiben des Binnen-I in der Workshopbezeichnung fast die Hand abgefallen wäre. Ungemein profitiert hat unsere Tätigkeit dort aber weniger von unserer Fähigkeit uns zusammenzureißen - die ist bei beiden nicht sonderlich ausgeprägt, bei mir aber noch am wenigsten - sondern vielmehr von der unendlichen Geduld unseres Chefs Thomas, der nicht nur diverse Nordkoreavergleiche, sondern noch weiß Gott Schlimmeres tolerieren musste.

Wie stellt man sich so ein Treffen von Friedensfuzzis (terminus technicus: Friedensbewegten) vor? Da gibt es natürlich auch wieder mehrere Kategorien von Besuchern. Die Studenten, die den günstigen Teilnahmetarif nutzen um ihren Lebenslauf aufzuboosten und Neues aus der Welt der Grausamkeiten zu erfahren, die Alt68er, die nach ihrer Pensionierung nun wieder zum Ursprung ihrer gesellschaftspolitischen Entwicklung zurückkehren und die Vortragenden, die meist eher abgeklärte Professoren älteren Kalibers und mit dem Fachwissen einer mittelgroßen Universitätsbibliothek ausgestattet sind.
Ohne den üblichen Zynismus muss ich eingestehen, dass es wirklich sehr interessante Vorträge und Diskussionen gegeben hat, Thema war heuer "Vergessene Kriege". Da es aber eben so ist, dass nur schlechte Nachrichten sich gut verkaufen - siehe Veranstaltungstitel - werde ich mich in der Folge anekdotenmäßig auf solche Ereignisse der Woche konzentrieren, die allein Ihre Gier nach billigen kleinen Geschichtchen und Brachialgewalt befriedigen:

- Sex, verkauft sich immer gut und soll es Gerüchten zu folge auch in Schlaining immer wieder geben. Letztes Jahr, als der liebe Paul und ich noch Besucher und nicht Praktikanten waren, war die letzte Nacht am Zeltplatz hinter der maroden Volksschule durchzogen von immer wiederkehrenden Stöhnintervallen, ausgelöst von einem liebestollen Pärchen, respektive vom weiblichen Teil dieses Powercouples. Der Geräuschpegel war dermaßen laut und hemmungslos, dass am Ende der nicht involvierte Teil des Zeltplatzes kurzerhand in offenen Applaus überging. Vor allem die beteiligte Dame erschien am letzten Tag daher mit hochrotem Gesicht im Veranstaltungssaal der Burg Schlaining, wo das Friedenszentrum untergebracht ist.

- Studenten, bauen immer gern etwas..., weshalb der Katalog der Hausordnung für das kostenlose Übernachten im und um das Schulgebäude fast jährlich erweitert werden muss: Etwa um die Bitte doch kein Feuer in der Turnhalle zu betreiben, da erhitzte Gaskocher ohne Unterlage gerne das Parkett einschmelzen lassen. Auch das Defäkieren in die Nasszellen ist nach Möglichkeit zu unterlassen, seit die Putzfrauen letztes Jahr eine Wurst aus den Duschen entfernen mussten, mit der sich ihr Schöpfer zuvor auch noch malerisch an den Fliesenwänden verewigt hatte. Pauls diesbezüglicher Neologismus Kakademiker erhält dabei meine vollste Zustimmung.

- Spezialmeinungen, nennen wir es einmal so, gibt es auf allen politischen Veranstaltungen. Dabei kann man zwischen den sympathischen und den geisteskranken unterscheiden. Eine nette Schlaininger Institution ist etwa ein enthusiastischer 91jähriger Herr (nicht 92 wie der gigantomanische Paul wieder behauptet), der jedes Jahr mit einem neuen Projekt startet. War es letztes Jahr noch eine neue Steuer, ist es heuer eine Gratiszeitung, die von den Millionären bezahlt werden muss. Zu letztere Kategorie zählt da schon eher der schmierige Rossschwanzträger, der allen seine abstrusen Thesen erläutert, bis diese sich angewidert abwenden. So gesellte er sich etwa zu unserer Genderdiskussion und merkte an, dass physische männliche Gewalt in der Familie nicht schlimmer sei, als der "subtile Psychoterror", dem die Frauen ihre Männer täglich aussetzten. Selbst als ich darauf meinte, dass man wohl nicht behaupten könne, dass ein Mann der seine Frau vermöbelt weniger oder gleich viel Schuld auf sich lade, wie eine Gattin, die ihren Ehemann mit Verachtung straft, wollte er von seiner Position nicht abrücken. Fast wäre ich sprachlos gegangen, verließ den Ort des Grauens dann aber doch noch mit der Bemerkung, dass der subtile Psychoterror der Frauen von den meisten Männern mangels ausreichender Subtilität ihrerseits wohl gar nicht erst wahrgenommen werde. Für solche Leute hat man in Deutschland glaube ich die Sicherungsverwahrung geschaffen.

-Schnecken, gibt es vor Ort reichlich. Eines dieser Mistviecher hätte mir letztes Jahr fast das Leben gekostet, als ich im Dunkeln beinahe darauf ausgerutscht wäre. Als letzte Rache ergoss es seine Innereien bis zur Kniekehle über meine Hose. Wer meinen Sinn fürs Ästhetische kennt weiß, wie ekelhaft das für mich als Reinlichkeitsfanatiker war.

- Zuhälterei, ja, Sie lesen richtig, ist offensichtlich in das Gewerbekonzept des lieben Paul übergegangen, als er versuchte mich für ein Glas Bier an einen grabschenden - fragen Sie nicht nach Details – Levantebewohner zu verschachern. Wie zudringlich angetrunkene Libanesen sein können, weiß nur wer sie einmal erlebt hat. Nicht dass ich homophob wäre, mir sind Menschen nur grundsätzlich suspekt, die von mir mehr Körperkontakt als nur einen Händedruck erwarten. Und der hat eben nicht nur meine Hände gedrückt...

- Verallgemeinerungen, sind auf Friedensakademien nicht gern gesehen. Meine Aussage, dass die da unten im Kaukasus ja alle korrupt seien, stieß auf vehementen Einspruch. Das sei doch nicht wissenschaftlich. Zum Einen kann ich keinen Satz ohne Verallgemeinerung oder unpassendem Hitler-Vergleich bilden und zum Anderen soll man mir mal einen integeren Beamten der kaukasischen Failed-states-liega zeigen. Zumindest kamen die Definition des armenisch-türkischen Verhältnisses als genozidal und die Bezeichnung der Südtiroler als Tschetschenen Europas besser an.

- Menasse, Robert, war heuer zu Gast für ein Gespräch mit dem Moderator und (Ex)journalisten Wolfgang Machreich. Herr Menasse trat dabei als durch und durch selbstgerechter Mensch auf, der von seinem selbstgezimmerten Elfenbeinturm auf die anderen heruntersieht. Nicht, dass ich das nicht auch wäre und täte, aber ich verlange dafür kein Honorar. Als er behauptete alle Regierungen der EU-Staaten - insbesondere die Österreichische Bundesregierung - würde gewählt, regte sich vehementer Widerspruch im Saal, dem er mit Geschrei und rotem Kopf begegnete. Als Überschusshandlung begann er dann auch noch zu rauchen, was seinen Eindruck beim Publikum nicht unbedingt verbessert haben dürfte. Als ein Zuhörer nach der Veranstaltung lautstarken Protest gegen den rauchenden Egomanen beim abziehenden Moderator anmeldete, meinte dieser nur lapidar: "Wer bin i? Da Hausmaster?"

Nochmal ernsthaft: So eine Sommerakademie ist nicht übel und das sage ich, der abgetakelte alte Zyniker. Man trifft dort tatsächlich interessante und nette Menschen, sogar Deutsche (sic!), kann über alles Mögliche sprechen und erfährt Dinge, für die man sonst viele Bücher lesen müsste. Ja, Weltfrieden gut... aber immerhin: Einen Versuch sollte es uns wert sein und einen friedlicheren Ort als Stadtschlaining wird man dafür wohl kaum finden. Kommen auch Sie nächstes Jahr ins Burgenland, wenn es wieder heißt: "Friede, Freude, Völkermord".

Schenken Sie bitte auch Pauls Ausführungen in seinem Blog Beachtung, aber keinen Glauben.

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