Mittwoch, 23. Dezember 2009

Die Nullerjahre, für'n Arsch!

Unser aller Lieblingsbesserwisser Paul, hat mich kürzlich darauf aufmerksam gemacht, dass es unzulässig sei bereits jetzt von einem ausgehenden Jahrzehnt zu sprechen, weil ja das Jahrhundert/-tausend auch erst 2001 begonnen habe. Diese dümmliche Einrichtung, die darauf zurückzuführen ist, dass Jesus angeblich im Jahr 1 geboren wurde, es ein Jahr 0 nicht gibt und das Jahrhundert daher erst bei 01 voll ist, wird von mir hier aber großzügig ignoriert. Bekanntlich ist Megalomanie nur eine meiner kleineren Psychosen und daher bestimme ICH: Das Jahrzehnt ist mit 31. Dezember 2009 zu Ende. Wer will es sich auch antun das Jahr 2030 noch zu den Zwanzigern zu zählen, weil die Dreißiger (hoffentlich besser als die letzten) erst mit 2031 beginnen? Außerdem will ich natürlich auch Pauls kümmerlichen Jahresrückblick toppen und gleich eine ganze Dekade ausschlachten:

Ich sag's gleich, das Jahrzehnt war nicht gerade umwerfend positiv: Begonnen hat es noch großzügig mit einer Katastrophe die nicht eintrat, dem sogenannten Millennium Bug. Er allein wäre es gewesen, der sämtliche Atomraketen auf einmal zünden und uns die folgenden zehn Jahre ersparen hätte können. Aber nein, das Schicksal mag ja das langsame Leiden lieber als den schnellen Tod und so hat es uns in die schlimmsten zehn Einzelrunden seit den 1940ern geschickt. Hier einmal die Lowlights:

- George W. Bush wird zum Präsidenten der USA gewählt
- Gletscherbahnunglück in Kaprun
- 11. September 2001
- Afghanistankrieg
- Irakkrieg
- George W. Bush wird zum Präsidenten der USA gewählt
- Anschläge in Madrid und London
- Benedikt XVI.
- Katrina vernichtet New Orleans
- Tsunami vernichtet Südostasien
- Völkermord in Darfur
- Bundesregierung Schüssel I.
- Bundesregierung Schüssel II.
- KHG
- KHG's Homepage
- Sechs Staffeln DSDS
- Josef F.
- Wolfgang P.
- Jack Lemmon und Walter Matthau sind tot
- Tom Cruise und John Travolta nicht
- 24, nein 18, nein 15 Eurofighter
- Wirtschaftskrise
- Noch mehr CO2


Auf den ersten Blick wundert man sich also nicht, dass das verflossene Jahrzehnt in den Printmedien dieses Landes bereits als “Die Nullerjahre“ rekapituliert wird. Wer gehofft hatte das 20. Jahrhundert könnte auf absehbare Zeit das schlimmste gewesen sein, wurde durch den Beginn des neuen Hektoniums nicht gerade in Euphorie versetzt. (Ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich mich vertrauensvoll an das Internet gewandt habe um möglichst viele Temporalvokabeln zu requirieren, die nicht zu meinem natürlichen Wortschatz zählen.) Wie gesagt: Der Verlauf des gesamten Centenniums, oder gar des Millenniums, lässt sich zwar anhand eines Dezenniums noch nicht prognostizieren, Anlass zur Freude gibt uns der Einstieg allerdings nicht. Sollte die Menschheit die nächsten 90 Jahre überleben, wird dies sicherlich das Jahrhundert des größten technologischen Umbruchs gewesen sein. Allein die Tatsache, dass ich geboren wurde, bevor sich „jeder“ einen PC und ein Handy leisten konnte, als niemand wusste was SMS und E-Mails sind, als es noch die Sowjetunion und noch keine EU gab, wird mich vor meinen Enkeln schon zum Fossil machen. Natürlich hätte ich es auch gern, wenn dann Krieg, Hunger und Folter genauso antiquiert sind wie Telegramm, Wählscheibentelefon und Disketten heute aber schon allein mein Skeptizismus lässt mich diese Hoffnung ins Reich der Träume verbannen. Das Jahrhundert wird sicher der Horror, gottseidank bin ich tot bevor es zu Ende ist. Die Wirtschaftskrise dieses Jahrzehnts wird wohl auch nicht gleich die letzte vor 2100 gewesen sein. Solange sich die Erkenntnis nicht durchsetzt, dass man Geld nicht essen kann, Börsenmakler aber schon und dass ein paar Reiche weniger und dafür ein paar Arme mehr nicht zu ausgleichender Gerechtigkeit führen, können wir der Weltwirtschaft so sehr vertrauen wie einem mehrfacht vorbestraften Serienmörder. Insofern ist der Kommunismus egalitärer als der Kapitalismus, er verspricht uns den Hungertod für alle, nicht nur für die meisten.
Trotzdem war ja zwischen 00 und 09 nicht alles schlecht und man darf auch die glanzvollen Lichtpunkte des Jahrzehnts nicht außer Acht lassen. Besonders hervorgetan haben sich dabei:

- Eine Flasche Wodka im Stadtkrämer
- Kim Jong Ills Herzinfarkt
- Robert Mugabes hohes Alter, das einen baldigen Exitus erhoffen lässt
- Hans Adam von Liechtenstein drückte eine neue Verfassung durch und ist fortan nicht mehr geheiligt, sondern nur noch unantastbar
- Peter Westenthaler wurde nur zweimal vorbestraft
- Franz Fuchs konnte sich nicht von seinem Rasiererkabel trennen (er hing so daran...)
- Benita Ferrero Waldner verhalfen weder ihre päpstlich annullierte Ehe, noch ihre Vagina oder ihre Sprachkenntnisse zum Einzug in die Hofburg


Natürlich beinhaltet ein angemessener Rückblick auch ein sentimentales Schweifenlassen jener Gedanken, die sich um unsere großen Verluste drehen. Viele sind - zu unser aller Mitleid - gestorben, pensioniert, verschrottet, eingesperrt oder abgeschafft worden. Was haben wir verloren?

- Den (aller)letzten Rest von Jeannine Schillers Jugend
- Den Schilling
- Einen kaum gebrauchten VW-Phaeton
- Das Bankgeheimnis
- Die BUWOG, die AUA, die VÖST, die Österreichische Staatsdruckerei, die Austria Tabak etc. an die (bekanntlich viel bessere) Privatwirtschaft
- Britney Spears' Haare
- Alexander Van der Bellens bedächtigen Zynismus im Fernsehen
- Über 60.000.000.000.000 $ (in Worten: Sechzig Billionen Dollar) durch die Weltwirtschaftskrise (bisher)
- Sechs Verkehrsminister in zehn Jahren (aus dem Amt geschieden)
- Drei (ehemalige) Bundespräsidenten (aus dem Leben geschieden)
- Helmut Elsners Freiheit


Und auch der hoffnungsfrohe Blick in die Zukunft wird hier nicht ausgelassen. Schließlich wird man ja noch träumen dürfen…
Dinge auf die wir im nächsten Jahrzehnt verzichten könn(t)en:

- Kärnten und seine Schulden
- Schweine-/Vogel-/Hamster-/Elefantengrippe
- Zwei Zähne von Silvio Berlusconi
- Das BZÖ
- Wilhelm Molterer als Kommissar
- Richard Lugner
- Mausi Lugner
- Das unter ADS leidende roten Faschistensackerl aus der KIK-Werbung
- Mitten im 8en
- Jörg-Haider-Dauerbeweihräucherungsausstellungen
- DJ Ötzi


Zwar überfordert schon allein der Gedanke, was im nächsten Jahrzehnt alles geschehen könnte unsere Vorstellungskraft, trotzdem will ich zum Schluss noch einige Prognosen für die kommende Dekade wagen, die ich gemeinsam mit Experten des MIT von einem supergeheimen Supercomputer errechnen habe lassen:

- Prinz Charles bleibt Thronfolger
- Heinz Fischer verstirbt drei Tage vor Ende seiner zweiten Amtszeit auf der Hofburgtoilette, seine Nachfolgerin wird Barbara Prammer, die eine Quotenregelung für ihre Fernsehauftritte einführt: Ab sofort heißt es „Die Silvesteransprache“ und „Der Nationalfeiertagspalaver“
- Die „Republican Party“ in den USA ändert ihren Namen auf „The Evil Empire“ und wird vom Europaparlament auf die EU-Liste der Verbrecherorganisationen gesetzt
- Otto Habsburg und Joopi Heesters feiern gemeinsam ihre 101. und 110. Geburtstage und singen dabei im Duett „Als Böhmen noch bei Österreich war“
- Christoph Blocher wird erster Militärdiktator der Schweiz und führt ein absolutes Halbmondverbot ein, ab sofort dürfen Kipferl nur noch gerade geformt sein
- Katholiken, Protestanten und Orthodoxe finanzieren die Klonung Jesu Christi (aus Blut vom heiligen Kreuznagel), um von ihm die Nachfolgefrage klären zu lassen. Ergebnis: Der reformierte Presbyterianismus im mittleren Westen der USA wäre das Richtige gewesen.
- BZÖ, FPK und FPÖ finanzieren die Klonung Jörg Haiders (aus Blut von der heiligen Windschutzscheibe) um von ihm die Nachfolgefrage klären zu lassen. Ergebnis: Scheuch, Strache und Bucher werden in den siebten Kreis der Hölle geschlagen, Haider übernimmt wieder das Ruder und gründet die Neue Supertolle Durchgestylte AntiortstafelPartei
- Barak Obama erhält den Pulitzer Preis für sein Buch „Hillary Clinton – Der Feind in meinem Kabinett“
- Richard Lugner heiratet eine 16-Jährige und verstirbt in der Hochzeitsnacht an einem Infarkt
- Das Komikerduo Stermann und Grissemann outet sich als schwules Liebespaar, wird entführt, von einem Unbekannten im Klagenfurter Stadtkrämer abgefüllt und kommt daraufhin bei einem mysteriösen Autounfall zu Tode.
- Natascha K. holt ihren Hauptschulabschluss nach und moderiert mit Lissi Engstler die neue Sendung Kellerzeit im ORF
- Peter Pilz enttarnt ein vom kasachischen Geheimdienst und der RZB finanziertes und von Karl-Heinz Grasser zusammen mit EADS aufgezogenes Kärntner Atomwaffenkartell zur Unterstützung des Iran, ein angesetzter Untersuchungsausschuss endet ergebnislos

Dienstag, 15. Dezember 2009

„Lei laafn loosn“, oder: Wie exekutiert man ein Bundesland?

Es sei, so der Landeshauptmann, ein finanzieller Abwehrkampf gewesen. Während er diese Worte spricht, hat er Mühe sein freudestrahlendes Gesicht unter Kontrolle zu halten. Der Landeshauptmann ist ein Mann kleiner Gedanken, großer Worte und noch größerer Gesten. Während er an diesem Tag das Verhandlungsergebnis zur Notverstaatlichung der Hypo-Alpe-Adria-Group (HAAG) mit dem Guerillakrieg der Kärntner gegen den Versuch des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen Teile des Landes zu besetzen vergleicht, hat er am Tag zuvor eigenhändig Teuerungsausgleiche in bar an Bedürftige verteilt.(Kurier)

Kärnten, das war immer ein Sonderfall. Während fast jeder Kärntner eine slowenische Urgroßmutter hat und in den Telefonbüchern des südlichsten Bundeslandes Namen die auf -ik, -ig oder -itsch enden eher die Regel als die Ausnahme sind, weigert sich das Land strikt sich an ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu halten und zusätzliche zweisprachige Ortstafeln aufzustellen. Bei Dörflers Argument, das Erkenntnis verstoße gegen das „gesunde Volksempfinden“, läuft es einem kalt den Rücken hinunter. Wenn Österreich das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten ist, so ist Kärnten das Land der unmöglichen Begrenztheiten. Dinge die anderswo selbstverständlich sind, treffen hier auf Abwehrkampfmentalität. Die „Windischen“ sollen ja nicht glauben sie könnten mit Ortstafeln ihre Ansprüche markieren. Da schmeißt man sie lieber um, schraub sie ab, versetzt sie oder ergänzt die deutschsprachigen Tafeln durch winzige slowenischsprachige Zusatztafeln. Österreichischen Politikern wird nachgesagt, sie könnten Dinge tun und sagen, die ihren Amtskollegen im benachbarten Ausland längst Kopf und Kragen gekostet hätten; in Kärnten wiederum sind Dinge möglich die auf Bundesebene intolerabel wären. Als Jörg Haider die Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches lobte, hätten ihm in Kärnten vielleicht keine Gefahren gedroht, wenn nicht österreichweit Empörung lautgeworden wäre. Und als er vor einem Jahr sturzbetrunken ein Klagenfurter Szenelokal verließ und mit extrem überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen VW-Phaeton verlor, wurde in Kärnten an seiner Apotheose gearbeitet. Ein Heiliger kann nicht strunzendicht aus einer Homobar torkeln und dann auch noch autofahren. Ein Heiliger kommt unter mysteriösen Umständen ums Leben, wird vom Mossad abgefüllt und mit einem präparierten Wagen in den Tod geschickt. Genauso kann sich jemand der Globocnik heißt als lupenreiner Deutscher vermarkten. Hätte Siegmund Freud nicht in Wien sondern in Klagenfurt ordiniert, er hätte das Prinzip der Verdrängung wohl noch früher entdeckt.

Nun muss das Land im Süden 200 Mio. Euro in die marode Hypobank nachschießen und Haiders geliebtes Kärnten steht kurz vor dem Staatsbankrott. Wer im Stil eines Volkstribunen öffentlichkeitswirksam Geld an Bürger verteilt, anstatt es nach Antragsprüfung zu überweisen, wie dies in modernen Rechtstaaten für gewöhnlich geschieht, weckt den Anschein es mit der Haushaltsgebarung nicht ganz so ernst zu nehmen. Kärnten gewährt jedem Jugendlichen 1.000 Euro Startgeld und traditionsbewusste Kärntner die sich gerne entsprechend kleiden möchten, erhalten 60 € Zuschuss für jeden gekauften Trachtenanzug. Für keinen billigen Populismus waren sich das BZÖ in Kärnten und sein Steigbügelhalter ÖVP-Landesrat, Finanzreferent und Campingplatzbesitzer Joseph Martinz zu schade. Wirklich traurig ist aber, dass 44,89% der Kärntner bei der Landtagswahl 2009 darauf erneut hineingefallen sind. Seit dort nach Haiders Himmelfahrt die Sonne vom Himmel gefallen ist, scheint in noch mehr Köpfen das Licht ausgegangen zu sein. Dafür steigt die Prokopfverschuldung des Landes auf 6.634 € und die Gesamtverschuldung wird 2014 bereits 3,7 Mrd. Euro betragen, während Oberösterreich selbst im Krisenjahr 2009 ausgewogen bilanzieren konnte. Kärnten ist mittlerweile das höchstverschuldete Bundesland und kann fällige Kredite teils nur noch mit Mühe bedienen.

Wären jene Haftungen schlagend geworden, die Kärnten gegenüber seiner ehemaligen Landesbank einging – 18 Mrd. Euro – wäre das wohl das Ende für die Landesfinanzen gewesen. Zehnmal mehr Geld als Kärnten im Jahr zur Verfügung steht, hatte das Land gedeckt. Um diesen Wahnsinn nachzuahmen müsste der Bund im Verhältnis dazu Bürgschaften über mehr als 770 Milliarden Euro übernehmen (für die Freunde der alten Währung: Das wären mehr als 10 Billionen Schilling), demgegenüber wüchsen sich die momentanen Staatsschulden von ca. 188 Mrd. Euro als geradezu lachhaft aus.(Österreichische Staatsverschuldung - Zähler)

Wie konnte es soweit kommen? Wer trägt die Verantwortung?
Die Hypo-alpe-Adria hat, vor und nach ihrer Übernahme durch die Bayrische Landesbank, immer wieder als Financier der Landespolitik, sprich des BZÖ und zuvor der FPÖ, gedient. Waren für Politik und Z-Promis irgendwelche Veranstaltungstickets zu kaufen, die Hypo griff in ihre Taschen. Fand ein Fußballverein keinen Sponsor, die Hypo legte ein paar hunderttausend Euro hin. Wollte der Landeshauptmann ein Schlosshotel renoviert haben, die Hypo trat als Kapitalgeber auf. Kurzum: Ausgaben für die nicht einmal das überfrachtete Landesbudget reichte und die ein zurechnungsfähiger Investor nie getätigt hätte, wurden auf die Bank abgewälzt. Nun, solche „Investitionen“ tätigt jede Bank, die im Einfluss der Politik steht, das hat – wenn es auch als moralisch fragwürdig erscheint – noch kein Geldinstitut umgebracht. Leider kam bei der Hypo-Alpe-Adria eine weitere Misere hinzu:
Ein katastrophales Management und eine nicht vorhandene Aufsicht paarten sich zum Finanzdebakel. Man investierte in desaströse Villenprojekte an der kroatischen Adriaküste, machte dubiose Geschäfte mit korrupten Generälen und kaufte ein paar dutzend Yachten und Autos, von denen niemand mehr weiß wo sie jetzt sind. Die Bank vergab auch Kredite an Leute, die mittlerweile ebenso verschwunden sind wie die das Geld das man ihnen lieh. Das Institut hatte weder ein Geschäftsmodell noch eine funktionierende Kontrolle. Die Politiker, die im Aufsichtsrat saßen und vom Bankgeschäft noch weniger verstanden als die Manager, nickten natürlich alles fleißig durch was ihnen vorgelegt wurde. Solange die Hypo ihre Interessen finanzierte, bestand für sie kein Grund zur Unzufriedenheit. Man folgte der Devise „lei laafn loosn“. Die chronisch unterbesetzte Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank prüften schließlich nicht ausreichend und zu spät. Hätte man die etwa vier Milliarden Euro, welche die bereits damals marode Hypo seit der Übernahme durch die Bayern-LB in des Sand gesetzt hat, in Lehman-Aktien oder Madoff-Papiere investiert, es wäre sicher nichts Schlechteres herausgekommen.

Das politische Debakel, das hinter dem finanziellen steht wächst sich aber noch bedeutend größer aus. Der Kärntner Landespolitik fehlt es in weiten Teilen schlicht und einfach an der nötigen intellektuellen Kapazität, um die Vorgänge um die HAAG, die sie mitverschuldet hat, überhaupt zu begreifen.
Bis nach Mitternacht verhandelte Landeshauptmann Dörfler im Finanzministerium in Wien um den Kärntner Beitrag zur Rettung der Bank. Der ansonsten zurückhaltende Gouverneur der österreichischen Nationalbank Ewald Nowotny sprach davon, dass die Kärntner sich gelinde gesagt wenig kooperativ verhalten hätten. Am Ende mussten die österreichischen Systembanken 500 Mio. Euro Kredit unter Staatshaftung gewähren, weil Kärnten nicht zahlen wollte oder konnte. Wusste Herr Dörfler, dass wenn die Bank nicht vor Schalteröffnung am nächsten Morgen im Trockenen stand, nicht nur eine Massenflucht der Kunden, sondern auch die zwangsweise Verhängung des Konkurses drohte? Wusste der Landeshauptmann, dass in diesem Fall alle Konto- und Spareinlagen eingefroren worden wären? Wie wäre es ihm und seiner Partei mit Hang zu Minderbegabten wohl bekommen, wenn tausende Kärntner vor Weihnachten ohne Geld dagestanden wären, wenn Unternehmen ihren Miterbeitern keine Löhne hätten zahlen und Rechnungen nicht hätten begleichen können? Für Dörfler war das aber alles am Ende ein super Geschäft. Unterstützung in dieser Haltung erhielt er dabei von seinem Stellvertreter als Landeshauptmann, dem gelernten Land- und Forstwirt Uwe Scheuch, der in der ORF-Sendung „Runder Tisch“ nicht nur OeNB-Gouverneur und WU-Professor Ewald Nowotny, sondern auch dem Staatssekretär im Finanzministerium und studierten Ökonomen Andreas Schieder und dem Deutschen Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessor a.D. Wolfgang Gerke die tatsächliche Lage der Dinge erklärte und die Vorwürfe gegen Kärnten und seine Pimperlpartei als böswillige politische Angriffe zurückwies. Jeder mache Fehler, an und für sich sei es aber für Kärnten positiv ausgegangen, eine Verantwortung der Politik nicht auszumachen.
Man habe für den Verkauf seinerzeit 600 Millionen erhalten, nun müsse man 200 davon wieder einbringen, blieben unterm Strich 400 Millionen Euro Gewinn meint auch der Landeshauptmann.
So sieht die Milchmädchenrechnung aus, die sich ein ehemaliger Volksbankfilialleiter macht, nachdem er und sein Vorgänger ein Kreditinstitut mitruiniert haben. Dass Dörfler kein Überflieger sein dürfte, hört man nicht nur wenn er den Mund aufmacht, sondern kann es unter Umständen auch aus der windigen Stellungnahme ablesen, die sich die Staatsanwaltschaft Klagenfurt in der Causa Ortstafelverrückung nach Wien zu schicken erdreistete: Der damalige Landesrat und nunmehrige Landeshauptmann sei nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen.
Was für einen Verstand hat ein Mensch mit derart mangelhaftem Unrechtsbewusstsein? Sein jüngster Kommentar zur Hypo-Verstaatlichung gibt vielleicht darüber Aufschluss:

„Wir sind nicht so Neger wie man glaubt das schreiben zu müssen.“Gerhard Dörfler


In den Bayern hatten die Kärntner einen noch Dümmeren gefunden, der ihnen die damals schon verzettelte Bank abgekaufte. Dass der Deal just von jenem Mitarbeiter der Bayrischen Landesbank eingefädelt wurde, der von der Hypo-Alpe-Adria eine dicke Provision als Berater kassierte, mag eine Rolle gespielt haben. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft München.

Mittlerweile haben auch hierzulande Innen- und Justizministerium ihre Emissäre nach Klagenfurt entsandt. Ermitteln sie unabhängig, wird wohl noch einiges zu Tage gefördert werden, bei dem sich jedem Steuerzahler die Nackenhaare kräuseln.

In Österreich mehren sich nun die Stimmen die eine Handhabe des Bundes gegen derart fahrlässiges Verhalten eines Landes fordern. Diese soll zum einen in einer Begrenzung der Haftungsmöglichkeiten der Länder liegen, zum anderen wollen manche Politiker die Kärntner unter Kuratel stellen. Das Instrument einer Bundesexekution aufgrund budgetärer Verfehlungen findet sich in der österreichischen Bundesverfassung nicht. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer meinte dazu im „Report“, der Verfassungsgesetzgeber habe damals ja nicht ahnen können, dass in Kärnten solche Politiker an die Macht kämen. Das Mittel der "Sachwalterschaft" für ein ganzes Bundesland kannte bisher nur die austrofaschistische Maiverfassung, es wäre ein Armutszeugnis für die Kärntner Landespolitik, müsste es nun wegen ihr erneut eingeführt werden.
Schade nur, dass man es sich aus gesamtstaatlichen Überlegungen heraus nicht leisten kann ein Land Pleite gehen zu lassen. Im Falle Kärntens wäre man durchaus versucht.

Das Generalversagen aller Verantwortlichen rund um die Kärntner Hypo, hat Milliarden vernichtet und wird weiter Geld kosten. Zu den rund vier Mrd. Euro, die die BLB abschreiben kann, muss sie noch 850 Mio. zuschießen, der Bund gibt bis zu 450 Mio. € bei, Kärnten 200 Mio. und die Grazer wechselseitige Versicherung steigt mit 30 Mio. noch recht günstig aus. Auch die „Beigabe“ der Bayern relativiert sich, wenn man bedenkt, dass es sich dabei größtenteils um Kreditumwandlungen und Investitionsabschreibungen handelt. Die Republik erhält dafür 100% Eigentum an einem finanziellen Schrotthaufen.

„Was wir brauchen, ist eine klare und ehrliche Rückbesinnung auf jene Werte und Tugenden, die uns im Wohlfahrts- und Wachstumstaumel der Vergangenheit ein bisschen abhanden gekommen sind. Ich meine Werte wie Fleiß, Leistungswillen, Arbeitsmoral, Disziplin und Ordnung. Ich meine Tugenden wie Bescheidenheit, Gemeinsinn, Sparsamkeit und vor allem Anständigkeit.“ Jörg Haider

Montag, 7. Dezember 2009

Die FPÖ verbieten?

Bevor ich auf das heutige Thema eingehe, noch einige Bemerkungen: Vielen Dank an Paul für die häufige Nennung meiner Wenigkeit in seinem Blog, daher ist eine lobenswerte Erwähnung von meiner Seite schon längst überfällig: Lest Paules Blog!
Des Weiteren habe ich die Kritik daran, dass ich mich nicht auf alle Themen mit der gleichen heiteren Bestialität stürze wohl vernommen. Ich schreibe nach Lust und Laune und nach Gemütsverfassung, einen unsachlichen Unterton wird man aber hoffentlich trotzdem nie vermissen. Das heutige Thema ist etwas lang geraten, aber es musste wohl so sein:

Das Erkenntnis vom 28. Feber 1991 war gespickt mit zynischen Bemerkungen und ein vernichtendes Urteil über einen moralisch und intellektuell weit unterlegenen Gegner, den Rechtsextremismus in Österreich. „Im Namen der Republik!“ so sprachen die 14 Richter des Verfassungsgerichtshofes der Liste „NEIN zur Ausländerflut“ (NA) die Eigenschaft als Partei ab. Ihr Versuch bei der Nationalratswahl anzutreten sein ein „verfassungsgesetzlich verpönter Akt nationalsozialistischer Wiederbetätigung“. Sie sei, so die höchstrichterliche Beurteilung, eine nazifaschistische Partei, die nicht nur rassistische Ziele verfolge, die Friedensordnung in Europa ändern wolle und demokratiefeindlich sei, sondern auch die österreichische Nation verleugne und Österreichs Eigenstaatlichkeit in Frage stelle. Dies seien typische Zeichen nazistischer Bewegungen befanden die Hofräte, als sie in ihren hermelinbesetzten Talaren in der ehemaligen böhmischen Hofkanzlei am – welch Ironie – Judenplatz in Wien ihre Entscheidung bekannt gaben. Schon drei Jahre zuvor hatte der Gerichtshof die „Nationaldemokratische Partei“ aus ähnlichen Gründen aus der politischen Realität ausradiert. Die drei Herren die das Verbot der NA direkt betraf wurden im Erkenntnis nur mit Namenskürzeln genannt. Wenn sie nicht gerade in VfGH-Papieren auftauchen heißen sie aber Franz Radl, Gerd Honsik und Horst Jakob Rosenkranz. Letzterem komme „im Hinblick auf seinen engagierten Einsatz mehr als die Rolle eines schlichten Mitläufers zu. Im übrigen ist er auch Exponent der Notwehrgemeinschaft 'Ein Herz für Inländer'.“ Honsik sei „laut Eigendefinition seit seinem 17. Lebensjahr für die deutsche Sache in Österreich tätig“, er weise „als offenbare Folge dieser Tätigkeit eine Reihe von Vorstrafen auf.“ Radl schließlich sei „im Zuge des Wahlkampfes […] in kampfmäßiger Skinhead-Tracht und in zumindest räumlichem Naheverhältnis zu einer Reihe von Waffen“ unterwegs gewesen.

Nicht nur das Verbotsgesetz 1947, sondern auch der Staatsvertrag von Wien verpflichtet Österreich Organisationen die nazistische Ziele verfolgen oder den Anschluss propagieren zu verbieten. Sie gefährden die innere und äußere Sicherheit der Republik und des österreichischen Volkes und sind daher intolerabel. Seit die NDP 1988 der Auflösung verfiel, hat es keine Splitterpartei der extremen Rechten mehr geschafft jene Strömungen zu sammeln, denen die FPÖ als zu liberal gilt. Auch die NA war letztendlich nur ein mickriger Versuchsballon dreier dummdreister Neonazis. Neueste Versuche in diese Richtung (die Welt lacht über die „Nationale Volkspartei“) sind an Dilettantismus und Jämmerlichkeit kaum zu überbieten.
Möglicherweise macht es ihnen auch die Partei, in deren Dunstkreis sich die Rechtsextremen bewegen, immer schwerer noch in blau-braunen Gewässern zu fischen. Seit Heide Schmidt (LIF) und Jörg Haider (BZÖ) zweimal jegliche „liberale“ Strömung aus der Partei entfernt und der FPÖ damit eine rechte Katharsis ermöglicht haben, schleift diese immer stärker am Rahmen des Verbotsgesetzes entlang. Den berühmten – von Andreas Khol erfundenen und großzügig interpretierten – „Verfassungsbogen“ haben die Freiheitlichen längst verlassen; nicht einmal die ÖVP will mit ihnen zurzeit koalieren. Die Frage die sich langsam aber sicher stellt ist: Ab wann kann man die FPÖ verbieten?

Andreas Mölzer genießt hohes Ansehen unter den europäischen Rechten, er galt als Haiders Chefideologe und Exponent des nationalen Flügels innerhalb der FPÖ, als es auch noch einen „liberalen“ gab. Mölzer geht mit großer Leidenschaft seiner publizistischen Tätigkeit nach und veröffentlicht nicht nur Bücher und Gastkommentare – unter anderem in der „Presse“ – sondern gibt auch ein Magazin mit dem schmissigen Titel „Zur Zeit“ heraus. Dort kann der interessierte Neonazi von Welt das lesen, was die vom Gleichheits- und Genderwahnsinn befallene linkslinke Gutmenschenpresse dem braven Bürger mit Absicht verschweigt. Man kann sich nicht erwehren einen Hauch von „Stürmer“ zu verspüren, wenn eine „Karikatur“ im Blatt einen Israelischen Soldaten zeigt, der mit seinem Maschinengewehr einen palästinensischen Kinderwagen durchlöchert. So kritisch man der israelischen Politik gegenüberstehen kann, wir alle wissen was Leute wie Mölzer mit solchen Bildern bezwecken wollen. In ebenjener Zeitung lesen sich dann auch Gastkommentare wie folgender:
„Es wäre eine Verfälschung der Geschichte, etwa bestimmte Ritualmorde zu mittelalterlicher Zeit dem phantasiebestimmten 'Hass des Nationalsozialismus' zuzuschreiben. Auch Verbrechen von jüdischen Menschen an Christen sind beklagenswerte Geschichte, an Kindern, wie etwa dem seligen Märtyrerkind Anderl von Rinn [...]. Auch das Blut gemordeter Christen, vergossen durch jüdische Hand, schreit zum Himmel! So erwartet man einen Kongress der Weltjudenheit auf religiöser Grundlage, in dessen Verlauf das 'Neue Gottesvolk' - des 'Neuen Testaments', geboren aus dem Blute Jesu, am Kreuze durch den Hohen Rat der Judenheit vor knapp 2000 Jahren - um Verzeihung gebeten wird.“ Robert Prantner 1997 in "Zur Zeit"

Ernest Windholz ist ein vollschlanker Mann mit wahrscheinlich eher beschränkten Geisteskräften, er versteht nicht viel von Geschichte und offensichtlich nichts von Politik, zumindest – so seine Entschuldigung – habe er keine Ahnung gehabt dass seine Aussage „Unsere Ehre heißt Treue!“ historisch vorbelastet sei. Selbst wenn das stimmt, was nach dem Grad der Imbezillität, den man aus seinem Gesicht ablesen zu können glaubt, fast anzunehmen ist, so wird dieser Satz wohl kaum dem Wortschatz und der Syntaxerfahrung des Herrn Windholz entsprungen sein. Es ist wohl eher plausibel, dass er ihn während seiner politischen Prägephase irgendwo aufgeschnappt hat.

Die Neger, so erklärt Susanne Winter – ihres Zeichens FPÖ-Gemeinderätin in Graz und Islamexpertin mit Weltruf – seien deshalb ein so aggressiver Menschenschlag, weil sich ihre primitive Kultur in den Genen abgelagert habe:
„Sie wissen, dass Tradition, dass alles, was sich mit einer gewissen Menschenschicht in der Geschichte abgespielt hat, als Transformation in den Genen weitergegeben wird. Sie haben dadurch automatisch zu wenig Selbstbewusstsein und zu viel Hoheitsdenken der anderen Hautfarbe gegenüber in sich, deshalb sehen Sie das so.“ Susanne Winter im Falter

Selbst wenn sie also in Österreich geboren und aufgewachsen seien, so trügen sie doch immer noch ihren afrikanische Genballast mit sich herum. Dass Frau Winter ein ausgeprägtes Gefühl für gewählte Formulierungen und eine fundierte Kenntnis fremder Kulturen besitzt, ist spätestens bekannt, seit sie das Siegel der Propheten quasi als Wolfgang Priklopil mit Epilepsie beschrieben hat. Gütiger weise hat Frau Winter bisher darauf verzichtet darauf einzugehen, warum Neger von Natur aus Baströckchen und Knochen im Haar tragen und Menschenfleisch verzehren sollten. Vermutlich hatte sie das abschreckende Beispiel ihres Sprosses vor Augen, der aufgrund seiner Aussage, man möge doch Schafe im Grazer Stadtpark aufstellen um damit muslimische Mitbürger von Vergewaltigungen abzuhalten, ein Urteil wegen Verhetzung ausfasste.

Barbara Rosenkranz ist eine stille Frau, im Gegensatz zu den Bierzeltnazis, die sich ständig vor der Staatspolizei fürchten müssen, sagt sie nichts was man ihr gerichtlich vorwerfen könnte. Dass sie Mutter von zehn Kindern ist – die allesamt teutonische Namen tragen, die verdammt an eine Geschichte mit Zyankalikapseln im Führerbunker erinnern (Hedda, Ute, Alwine, Sonnhild, Volker, Hildrun, Mechthild, Arne, Horst und Wolf) – sieht man ihr äußerlich nicht an. Ihr Ehemann, ein schnurrbarttragender Volksgenosse, schreibt – seit seine sämtlichen politischen Ambitionen mit NDP und NA vor dem Verfassungsgerichtshof gescheitert sind – Artikel für Blätter deren einzige Abonnenten die Generation 80+ und der Verfassungsschutz sind. Sie habe, so die Brunhilde der Freiheitlichen nach dem Erscheinen eines besonders dezenten Beitrags ihres Gatten in einer Nazizeitung, den Artikel zwar auf Rechtschreib- und Grammatikfehler hin überprüft, aber nicht wirklich gelesen. Eine Gabe die sich jeder Volkschullehrer wünscht, der 20 Aufsätze über Lieblingshaustiere korrigieren muss. Die Gabe Problemen auszuweichen stellt Barbara Rosenkranz immer wieder unter Beweis: Etwa wenn sie eine Veranstaltung verlässt, just bevor der nach dem Verbotsgesetz verurteilte und in Österreich mit Aufenthaltsverbot belegte David Irving via Internet zugeschaltet wird. Parlamentarier die mit Verbrechern konferenzieren kommen selbst in der FPÖ nicht sonderlich gut an. Für ihr zurückhaltendes Auftreten hat Frau Rosenkranz daher auch den Titel „Kellernazi“ erhalten, mit dem man sie auf Gerichtsbeschluss hin ungestraft benennen darf.

Der Knittelfelder FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Zanger ist da schon eher vom Schlag eines Ernst Windholz. Er – ganz volksnaher Politiker – habe sich mit einer älteren Dame unterhalten die ihm die Sache mit dem Hitler sehr anschaulich erklärt habe: Es sei ja nicht alles schlimm gewesen damals. Das Volk habe sich quasi nach dem Führer gesehnt – das Autobahnargument darf natürlich auch nicht fehlen. Herr Zanger, der unter anderem auch dafür bekannt ist 16jährigen Buben beizubringen wie man sich mit einem Säbel gegenseitig blutig schlägt, hat offenbar vergessen, dass es der ersehnte Führer war, der jenen Krieg vom Zaun gebrochen hat, der nicht nur Millionen Menschen das Leben gekostet, sondern unter anderem auch Knittelfeld fast dem Erdboden gleich gemacht hat. Trotzdem: Danke lieber Adi für die tolle Autobahn, die 50 Millionen Toten waren‘s echt wert! Wahrscheinlich wäre es besser für Herrn Zanger in Zukunft sein Geschichtsbild nicht mehr von Gudrun Himmler oder der Cousine der Stute von Majdanek zu beziehen.
„Natürlich hat es gute Seiten am Nationalsozialismus gegeben, nur die hören wir heute alle nicht mehr. Alle lechzten nach Beschäftigung. Und als dann der Führer gekommen ist...“ Wolfgang Zanger

Martin Graf lacht viel, er hat auch viel zu lachen. Seit Monaten liegen sich die Spitzen der anderen Parteien in den Haaren, ob und wie man ihn als dritten Präsidenten des Nationalrates wieder loswerden könnte, bisher ohne Ergebnis. SPÖ und Grüne möchten ihn lieber heute als morgen wieder in die Abgeordnetenbank zurückschicken, das BZÖ hält ihm trotz Zersplitterung die Nibelungentreue und die ÖVP möchte die Geschäftsordnung nicht aufweichen, um die Handlungsfähigkeit des Parlamentes nicht zu gefährden (*hüstel* 1933/34 *hüstel* – eine Ironie der Geschichte?). Das „profil“ hat ihm vor einigen Monaten eine Titelgeschichte gewidmet und ihn den „bösen Österreicher“ genannt. „NEWS“ retuschierte ihn gar als Reichstagspräsident Göring hinter seinen Führer und Reichskanzler HC Strache. Martin Graf ist nicht nur deutscher Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat (quasi ein politischer Wolpertinger), sondern auch Olympe. Das hat jetzt vordergründig nichts mit griechischer Mythologie zu tun, sonst hätte ihm Michael Köhlmeier zumindest ein Kapitel in einem seiner Bücher gewidmet. Nein, Graf ist „Alter Herr“ der akademischen Burschenschaft Olympia, die einst gleichfalls der Auflösung durch den VfGH verfiel und später niegelnagelneugegründet wurde. Ihre Homepage (Heimseite) ist kürzlich nach längerer Abwesenheit wieder online (anschnur) gegangen und gibt einen dezenten Vorgeschmack auf das, was sich wohl wirklich abspielt, wenn sich die Olympen sturzbetrunken und nur gehört von Ihresgleichen und den Wanzen des BVT über ihr Weltbild unterhalten. Auch wenn allen Menschen gerade noch die gleiche Würde zugestanden wird, glauben die Olympen wahrscheinlich nicht wirklich daran:
„Es ist in den meisten Bereichen (z.B. Intelligenz, Medizin, Sport, etc.) von Relevanz, von welcher biologischen Abstammung ein Mensch ist.“ Burschenschaft Olympia

Das übliche Lametta über deutsche Österreicher, Meinungsfreiheit, in diesen Kreisen immer gleichbedeutend mit „Verbotsgesetz abschaffen“, Volksgemeinschaft, Ausländer und Geburtenraten darf natürlich auch nicht fehlen. Germanias akademische Arschwarzen treten die österreichische Nachkriegsordnung mit Füßen.
Das Problem bei all diesen Dingen ist, dass die FPÖ sich ganz leicht aus der Affäre ziehen kann. Während nazistische Splitterparteien kollektiv hinter ihren „Kameraden“ stehen und deren Aussagen mittragen, sprechen die Freiheitlichen von Privatmeinungen. Während manche Neonazis so dumm sind Teile von SS-Erziehungrichtlinien wortwörtlich in ihr Parteiprogramm zu übernehmen (siehe: die Welt lacht über die „Nationale Volkspartei“), teilt die FPÖ oft den Inhalt, aber nicht die Sprache. Die FPÖ hat aber den antifaschistischen Grundkonsens willentlich und wissentlich verlassen. Sie wird nie mehr unter den kholschen Verfassungsbogen zurückkehren. Daher ist es dennoch fraglich, wie lange sie sich noch solche Aussagen leisten wird können:


„Nicht die Freiheitlichen sind die Schädlinge der Demokratie. Wir sind das Schädlingsbekämpfungsmittel. Bei uns regieren die Rothäute und die Schwarzen - und nicht wie üblich, dass sie in den Reservaten leben.“ Jörg Haider

„Die Waffen-SS war Teil der Wehrmacht und es kommt ihr daher alle Ehre und Anerkennung zu.“ Jörg Haider

„Im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt.“ Jörg Haider

„Dem Wiesenthal habe ich gesagt, wir bauen schon wieder Öfen, aber nicht für Sie, Herr Wiesenthal – Sie haben im Jörgl seiner Pfeife Platz.“ Peter Müller

„Nazi? Neu, attraktiv, zielstrebig und ideenreich. Es hat mit der Vergangenheit nichts zu tun.“ Reinhard Gaug (er fuhr später betrunken Auto und musste deshalb zurücktreten)

„Beeindruckend fand ich schon, was die damals für ein Wirtschaftsprogramm aufgestellt haben“. Veit Schalle

„Der Häupl hat einen Wahlkampfstrategen, der heißt Greenberg. Den hat er sich von der Ostküste einfliegen lassen. Liebe Freunde, ihr habt die Wahl, zwischen Spindoctor Greenberg von der Ostküste oder dem Wienerherz zu entscheiden.“ Jörg Haider

„Hier 50.000 Juden anzusiedeln, wie [ich] das gehört habe von Zilk, das ist unmöglich. Was täten wir damit, der kennt die Juden nicht. Ich war im Krieg überall. Ich hab sie überall kennengelernt [...] na ja, die würden sich wundern, wenn die Bejkelesjuden würden herumrennen in Wien. Machen wir doch lieber unser eigenes Volk.“ Raimund Wimmer

„Homosexualität ist nicht normal, sondern wider der Natur.“
„Homosexualität ist eine Kultur des Todes“.
Karlheinz Klement

„Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich. Sondern in Polen. So steht das auch in Schulbüchern. Ich habe nie gesagt, dass ich prinzipiell Gaskammern anzweifle.“ Man solle „nicht Tabus aufstellen, sondern man soll physikalisch und wissenschaftlich prüfen.“ John Gudenus

„Der Faschismus von heute sagt, ich bin der Anti- Faschismus.“
Johann Gudenus, der Sohn seines Vaters


Am Ende sieht man sich am Judenplatz...

Donnerstag, 3. Dezember 2009

(Un)heil dir Helvetia! Oder: Ein Land sehnt sich nach Liebe.

Nach allerlei Ausfällen nun wieder zurück zur scheinbaren (Halb)seriosität:


Ungeheuerlichkeiten gehen vor in der Welt und sie betreffen ausgerechnet die Schweiz. Für das Auenland Europas und seine demokratiefanatischen Hobbits kommt allein die Nachricht, dass es irgendetwas von „draußen“ betrifft einer Hiobsbotschaft gleich. Neben Käse, Schokolade, Uhren, hauseigenen Bunkern, Sturmgewehren im Schrank und dem Bankgeheimnis hat die Schweiz vor allem eines kultiviert:
Das nationale Wachkoma.


Die Schweiz und der Krieg, der niemals kam.
Seit dem Ende der Sonderbundkriege und der Errichtung des Bundesstaates 1848 war es ruhig in den helvetischen Bergen und Tälern und fertig lustig mit Krieg und sonstigen Sachen die nur kosten und sowieso keinem einen Zins bringen. Fürsten und Völker erklärten sich den Krieg, die Schweiz erklärte sich neutral. Österreich-Ungarn zog gegen Serbien zu Felde, die Schweizer erfanden die Toblerone. Und während sich die Soldaten in ganz Europa kollektiv in Schützengräben verscharrten, machte die Schweiz Löcher in den Käse. Vorarlberg wollte den Anschluss, die Schweiz wollte nicht belästigt werden. Es ist ein Land, in dem gute Beziehungen zum Ausland bedeuten, keine Beziehungen zu haben; zumindest keine die nicht über einen Kontoauszug zu handhaben wären. Als das jüdische Europa vor den Nazis floh und zu Asche verbrannt wurde, machte die Schweiz was sie konnte: Geschäfte. Immerhin, man hat dem jüdischen Vermögen das Überleben gesichert. Dass auch die Nazis ihre Barschaft krisen- und kriegssicher bei den Eidgenossen verstauten, war nebensächlich. Das Bankgeheimnis ist egalitär, es kennt nur Gleiche.
„Trittst im Morgenrot daher, Seh ich dich im Frankenmeer, Dich, Du hochverzinslicher, Herrlicher!“

Wäre das seit Asterix und Obelix nicht abgeschafft worden, die Schweizer hätten vermögenden Flüchtlingen vielleicht Wohnschließfächer mit Raclette angeboten. Doch leider war das Boot schon voll und nur für Geld hatte man noch etwas Stauraum. Während in Europa wieder einmal die Lichter ausgingen, achtete die Schweiz auf Ordnung und Sauberkeit – im eigenen Land. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, grub man sich aber ein und plante die großartigste Defensive aller Zeiten, das „Reduit“ – Schweizer sind fantastisch-fanatische Defensivspieler. Die schönen Berge wurden unterkellert, dass selbst Josef F. die Brauen gehoben hätte. Stollen, länger als jede Toblerone, Gebirgsmassive, durchlöcherter als jeder Käse, und Bunker, sicherer als das Bankgeheimnis. Das Volk musste Notrationen anlegen, die vereinigte Bundesversammlung wählte – was nur in Kriegszeiten geschieht – einen General, sicher ist sicher. Die eidgenössische Außenpolitik kannte von da ab nur noch zwei Varianten: Schweigen oder Schießen. Wer ihren Luftraum verletzte wurde abgeschossen, wer als Zöllner Verfolgten half wurde entlassen. Gegen Rechtsbrecher wird die Schweiz hässig. Alles braucht seine Richtigkeit. Nur als Göring das mit dem Abschießen zu bunt wurde und der Konföderation mit Bombardierung drohte, verzichtete der sicherheitshalber gewählte General vorsichtshalber auf den Beschuss, zumindest für deutsche Flugzeuge. Man bricht die Ordnung in der Schweiz nur, um die Ordnung zu retten.
Die Schweiz wartete auf den Krieg, er kam nicht. Weder der Erste, noch der Zweite und der Dritte, für den alle bauwilligen Schweizer heute noch die Bunkerabgabe hinlegen oder ihren eigenen Luftschutzkeller einrichten müssen, hat sich auch noch nicht sehen lassen. Die Schweiz war sicher, für Geld, Gold, Käse, Uhren, Schokolade und Schweizer, die anderen sollten sehen wo sie blieben. Verminte Autobahnen und sprengbereite Tunnel, geheime Luftwaffenstützpunkte in den Bergen, Notfallbanknotenserien – falls der Franken mit Fälschungen angegriffen würde, fünf Geheimdienste, ein stehendes Heer mit Miliz von etwa 625.000 Mann, 840 Kampfpanzer – mehr als Frankreich, 1300 Schützenpanzer, 504 Flugzeuge und ein streng geheimes – und dann doch fallen gelassenes – helvetisches Atomwaffenprogramm (das Bundesbömbli) finanzierten sich schließlich nicht von selbst. Die Schweiz war eine Festung. Militärisch, moralisch, politisch. Ein Professor der Politikwissenschaft nannte als oberste Handlungsmaxime für Feldherren und ihre Eroberungspläne:
„Greifen Sie nie ein Bergvolk an, Sie werden es nicht bezwingen.“
Die Schweiz dürfte zu diesem Mythos wesentlich beigetragen haben. Die militärische Einbunkerung wurde nach dem kalten Krieg beendet, die politische blieb. Zurzeit wird die Schweizer Armee (XXI.) gerade auf die Größe der deutschen Bundeswehr geschrumpft.


Die Schweiz und die Demokratie, die zum Problem wurde.
Obwohl im Land von Käse und Kapital selbst über Dinge abgestimmt wird, die bei uns ein Bezirkshauptmann im Verordnungsweg regelt, verwaltet es sich als sei seit nunmehr 161 Jahren Margaret Thatcher Alleinherrscherin. Traditionell ist das einzige was sich in der Schweiz bewegt der Zeiger der Uhr und die Summen auf den Banken. Die Schweiz verhält sich politisch wie eine Amish-Ordnung. Das Frauenwahlrecht musste den Männern erst durch Volksabstimmung abgerungen werden, das war 1971. Der Kanton Appenzell-Innerrhoden – die Schweiz der Schweiz – musste gar 1990 durch Bundesgerichtsurteil dazu gezwungen werden. In einer Gegend, in der die Männer seit Jahrhunderten als Landsgemeinde mit dem gezogenen Säbel jedes Gesetzesvorhaben abstimmten, ein Skandal. Die Frauen kamen, die Säbel gingen (teilweise), die Landsgemeinde blieb. Dass sich die Schweizerische Volkspartei jetzt gegen Ganzkörperverschleierungen ausspricht erscheint im Lichte helvetischer Frauenpolitik zumindest merkwürdig.
Veränderungen und Steuern sind für wahre Schweizer des Teufels. Der Staat hat nur zwei Hauptaufgaben: Schutz des Volkes und Schutz des Bankgeheimnisses. Kein Wunder also, dass die Schweiz mehr rechts-liberal-bürgerliche Parteien hat als ein Hund Flöhe. Dank dieser politischen Einstellungen ist sie auch einer der letzten Nicht-Sozialstaaten Europas. Für Familien ist die Krankenversicherung mit Kopfprämie oft kaum finanzierbar.



Die Schweiz und die Welt, die sie nicht will.
Nun fällt den Eidgenossen plötzlich die Welt auf den Kopf und kein Reduit, keine Armee kann helfen. Das Land hat es verabsäumt sich das wichtigste Kapital zu sichern: Beziehungen.

Der wildgewordene (mittlerweile Ex-)Finanzminister der Deutschen – Peer Steinbrück – vergreift sich am Bankgeheimnis der Schweiz wie einst der Vogt Hermann Gessler an deren Würde. Ein Angriff auf das Allerheiligste des Helvetentums.
Die Amerikaner wollen der UBS die Lizenz entziehen, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Seit wann ist Kundenberatung strafbar?
Ein verrückter lybischer Staatschef mit Uniformen im Stil von Gerry Kessler nimmt zwei Schweizer Geschäftsleute (eigentlich eine müßige Anmerkung, weil ja alle Schweizer ex officio Geschäftsleute sind) als Geiseln, weil die Genfer Kantonspolizei die Chuzpe hatte seinen missratenen prügelnden Spross in Gewahrsam zu nehmen und zu verzeigen. Wer wollte das nicht? Schweizer sind die perfekten Geiseln: Sie sind ruhig, brauchen nur etwas Wasser und Käse und zahlen pünktlich.
Dann wollen die Amis einen Kinderschänder der Filme macht festgenommen sehen. Überraschenderweise sind seine Filme nicht das, was dererlei Leute sonst so fabrizieren und halb Europa findet, dass für Genies das Strafgesetzbuch nicht gelten sollte.
Und als sich schließlich das Schweizervolk für die Aufnahme einer Bauordnungsbestimmung in die Bundesverfassung ausspricht, droht die islamische Welt mit Boykott der heimischen Banken und gar noch schlimmerem.
Eine Welt, von der die Schweiz gar nichts wissen wollte, wird plötzlich unausweichlich zum Problem, weil sie sich ökonomisch, aber nicht politisch globalisiert hat. Die Schweiz hat es verabsäumt sich Verbündete zu suchen und die Zeichen der Zeit ignoriert. Jetzt steht sie da, wie ein reicher Einzelgänger ohne Freunde der zu ertrinken droht.

Die Schweiz und ihre Probleme, die sie ignoriert.
Hans Rudolf Merz ist verzweifelt. Der schweizerische Bundespräsident und Finanzminister, der ansonsten nur zweimal monatlich die Tatsache, dass er noch lebt ärztlich bestätigen lässt und einmal pro Woche zusammen mit seinem Büro abgestaubt wird, muss sich mit etwas beschäftigen, was Schweizern überhaupt nicht liegt: Di…iii….pppp…llllooo…maa…tiiee. Sprich: Fremdkontakt.
Um die Dinge wieder ins Reine zu bringen bereist Hans Ruedi also mit einer Bundesrätin aus Genf, die sich ihren Vornamen seltsamer weise mit einer französischen Reifenfirma teilt, die – pfui, schon das Wort lässt den Schweizer erschauern – „Welt“ wie ein Außerirdischer auf Antrittsbesuch, entschuldigt sich beim debilen Diktator und räumt – was für eine Verbalinjurie – „Änderungen“ beim Schweizer Bankgeheimnis ein. Änderungen, das waren in der Schweiz bisher die Abschaffung der Velostaffel der Armee oder Anpassungen beim Goldkurs. Schon der UNO-Beitritt 2001 galt als nationaler Kraftakt, kennt die UNO doch keine Volksabstimmung und kein Ständemehr! Schon fordert die rechtskonservative SVP den Austritt: Wo konnte der verrückte Libyer sich denn produzieren? Vor diesem schuftigen Weltverband der Antidemokraten und Schweizhasser!
Nun wäre da noch das Problem mit den Minaretten und der Volksabstimmung. In einem Land, in dem Pensionäre mehr abstimmen als Tabletten schlucken und die Wahlbeteiligung stellenweise dem absoluten Nullpunkt zu sinkt, sparen es sich Parteien oft für Referenden zu mobilisieren, die sie als gegessen betrachten. Blöderweise kommt es manchmal dann doch vor, dass die Anderen gewinnen und dann hat man den Scherben auf. Wäre man in Irland würde man einfach etwas warten und dann noch einmal abstimmen. Ob die demokratische Würde der Schweiz so etwas zulässt ist aber fraglich. Populus dixit!
Die Schweiz muss sich fragen, wie zeitgemäß es ist zu wirklich jedem Thema einen Volksentscheid herbeizuführen. Man hat doch so ein schönes politisches Milizsystem mit satten Tagungsgeldern, wo sich Berufstätige in ihrer wohlbezahlten Freizeit mit Motionen und Vernehmlassungsverfahren beschäftigen können. Wozu noch Volk und Stände belästigen, vor allem wenn sie auch mächtig Mist bauen können?

Das Demokratische System wurde mittlerweile auch schon ausgehöhlt. Die Schweiz, die sich am liebsten aus allem raushalten würde, muss, will sie nicht enden wie Simbabwe unter Robert Mugabe, gezwungenermaßen das Recht der großen EU adaptieren. Nur wenn es unvermeidbar ist, wird das Volk einbezogen. Um die EU-Anbindung (nicht Einbindung) nicht zu verlieren bewilligten die Stimmbürger gar die sogenannte Kohäsionsmilliarde zum Aufbau von Infrastruktur in Osteuropa. Ein Unterfangen das hierzulande wohl nicht nur am Widerstand der Kronen Zeitung gescheitert wäre. Das Gegenszenario hätte für die Schweiz wohl die wirtschaftliche Isolation bedeutet. Sie ist nun abhängig geworden und hat keine Möglichkeit mehr auf Entzug, kann aber auch nicht mitgestalten, sondern muss fressen was Brüssel ihr vorsetzt.

Das politische System der Schweiz ist derzeit mit jenen der restlichen Welt gänzlich inkompatibel. Man kann im Ausland keine bindenden Zusagen geben, weil man sich auf die Unterstützung zu Hause nicht verlassen kann. Das Volk, der Brutus in der schweizerischen Politik. Wenn die Eidgenossen glauben, dass – sollten sie tatsächlich einmal EU-Mitglied werden – Parlament, Rat und Kommission warten bis Ueli Maurer das Stimmvolk bemüht hat, haben sie sich wohl geschnitten. Die Schweiz wie sie ist passt zu Europa wie eine Kuckucksuhr ans Handgelenk. Sie hat es so gewollt, jetzt muss sie erstmals die bitteren Seiten der Einsamkeit auskosten. Europa hat lange genug auf die Schweiz verzichtet, jetzt ist es plötzlich umgekehrt. Wer die schweizerische Medienlandschaft beobachtet, möchte zum Eindruck gelangen, die Confoederatio Helvetica erlebe zurzeit einen Kulturschock wie ein indigener Stamm aus Papua, der zum ersten Mal auf die Zivilisation trifft. Personenfreizügigkeit, Ostöffnung, EU… Themen mit denen HC Strache in Österreich „gerade mal“ 20% zahnlose Verängstigte ohne Hauptschulabschluss und ein paar universitäre Nazis mobilisiert, schütteln das Schweizervolk wie kollektives Frieselfieber. Das Thema „Weltanbindung“ wird die Eidgenossenschaft noch länger beschäftigen. Bleibt zu hoffen, dass sie die Sache nicht regelt wie andere Probleme auf die sie sich nicht einigen konnte:
Von Kanton zu Kanton unterschiedlich.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Frauke und Kai kaufen "Bongbongs", oder: Wie viel Deutschland verträgt der Mensch?

Wer kennt sie nicht, die peinliche Situation im Ausland: Man Trifft auf Menschen - eh schon schlimm genug - und wird gefragt "Are you German?" Bei mir ziehen sich dann immer die Mundwinkel zusammen als hätte ich gerade auf einen "Center Shock" gebissen und eine meist vehemente Verneinung tropft von meinen gekräuselten Lippen. Auf die Antwort wir seien Österreicher, attestierte einst eine ca. 80-jährige griechische Ladenbesitzerin auf Kreta einmal: "Ahhh, much better! Much better!" (Ob das nur aus Marketinggründen geschah bleibt fraglich, zumal im Landen auch etliche Deutsche gewesen sein dürften.) Man könnte nun natürlich zynischer weise sagen, dass der österreichische Opfermythos uns vor dem Schicksal des wahrscheinlich meistgehassten Volkes in Europa bewahrt hat und dadurch Aktionen wie die blutige Besetzung Kretas durch deutsche Fallschirmjäger nicht auf uns zurückfallen, aber vielleicht steckt doch mehr dahinter...

Man verstehe mich nicht falsch, Österreicher sind auch nicht wirklich überall beliebt: Sie gelten als misanthropische Melancholiker, aufbrausend, cholerisch und seit Schiller den Phäakenmythos in die Welt gesetzt hat, heißt man uns auch faul und verfressen. Trotzdem ist es überall wo man hinkommt so: Niemand mag die Deutschen wirklich. Man mag ihr Geld, aber das ist etwas anderes. Vielleicht mag man auch einzelne Deutsche - frei nach Lueger: "Wer ein Deutscher ist bestimme ich!" - aber mit der Masse weiß man nichts Positives anzufangen. Irgendwie ist es mit ihnen wie mit Alkohol, von zu viel wird einem schlecht. Sie sind laut, wissen alles besser und geben sich unerträglich arrogant. Man begegnet ihnen einfach überall, zuhause und - noch schlimmer - im Urlaub: Jutta erklärt dem türkischen Kellner im "All Inklusive Hotel" wie man in Deutschland richtige Cocktails mischt, während sich ihr Mann Heiko bei der Rezeption über die Anwesenheit zu vieler Russen beschwert und ihre Kinder Jörn, Ingo und Mareike schreiend den ganzen Poolbereich tyrannisieren.
Ja, ich spiele hier mit Klischees, richtig bemerkt. Irendwas muss aber schließlich dran sein: Man kann einer Gruppe von Menschen bestimmt eine Quintessenz von Eigenschaften zuschreiben. Auch wenn sie auf den Einzelnen überhaupt nicht zutreffen, so schimmern sie doch als Gruppencharakter immer wieder durch. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass mich einige jetzt nicht mehr für voll nehmen, aber ich gebe allen den guten Rat das gar nicht erst zu versuchen. Alles was ich sage, tue und schreibe ist gespickt mit gigantischen Subjektivitäten und himmelschreienden Vorurteilen. Ich liebe sie und ich lasse sie mir von keinem wegnehmen! Wenn ich es nun also vorsichtig ausdrücken soll: Ich habe ein Problem mit Deutschen. Ich habe schon etliche getroffen, einige waren wirklich sehr nett - hüstel -, aber wenn sie den Mund aufmachen dann stellen sich mir die Nackenhaare auf und es kommt mir vor als würde ein preußisches Kürassierregiment durch meine Eingeweide defilieren. Sprache und Ausdrucksweise ähneln dabei einem Presslufthammer der meine Zahnfüllungen zum Tanzen bringt. Manchen fällt das gar nicht auf, aber wenn jemand...
... im Supermarkt [lange Betonung auf dem "u"] Quark und Bonbons [ausgesprochen "Bongbongs"] für 5 € kauft, das Ganze dann in ein Tüte gibt, nach Hause fährt, die Einkäufe auf den Tisch stellt, auf dem Stuhl Platz nimmt eine Cola trinkt und im Taschenkalender noch schnell ein paar Termine für Januar einträgt...
... kommt mir einfach das Kotzen. Zugegeben, ich gehöre zu jenen die absichtlich Austriazismen verwenden um Deutsche zum Widerspruch zu reizen und dann mit der "Das-ist-österreichisches-Deutsch-Keule" zuschlagen zu können. Auch wenn ich persönlich nicht Eiskasten sondern Kühlschrank sage und verstehe wenn Vorarlberger keine Paradeiser, Fisolen, Erdäpfel und keinen Karfiol kaufen wollen, so gehören manche Wörter doch zu meiner Mindestanforderung für erträgliches Deutsch. Es kommt auch darauf an, wie man etwas betont: Man kann Kartoffel auch österreichisch aussprechen. Aber um Himmels Willen: Es sage bloß niemand in meiner Gegenwart Káffee [kurze Betonung auf dem "a" und das "e" nur kurz anklingen lassen]! Der Tag an dem ich deutschen Studentinnen in der U-Bahn zuhören musste, als sie davon sprachen, dass ihnen "der Jens noch so n' Káffeehaus zeichn wollte" hat bei mir tiefe sprachpsychologische Wunden hinterlassen. Mir ist es halt immer noch lieber, wenn man ...

... im Geschäft Topfen und Zuckerl um 5 € kauft, das Ganze dann in einen Sack packt, nachhause fährt, die Einkäufe am Tisch stellt, am Sessel Platz nimmt ein Cola trinkt und im Taschenkalender noch schnell ein paar Termine für den Jänner einträgt...


Aber das Maschinengewehrtrommeln deutscher Zungen ist nicht das Einzige (Tod allen die "das Einzichste" sagen) was mich an unseren nördlichen Nachbarn zur Weißglut treibt. Sie sind meist sehr germanozentristisch: Deutsch ist die Sprache der Deutschen, die anderen dürfen sie quasi leasen. Daher sind Wörter wie Jänner, Ordination, Lacke, heuer, Gehsteig und Bankomat für Deutsche auch nur "Dialekt" und nicht "österreichisches Deutsch" - Gott bewahre sie vor plurizentristischen Sprachen!- das korrekt im Österreichischen Wörterbuch und nicht im Duden steht. Die Österreicher sind dann auch ziemlich schnell "etwas andere Deutsche" (Hier sei angemerkt, dass ich nicht der Einzige bin, der dermaßen arroganten Zeitgenossen für solche Aussagen auf Partys Prügel androht.), unterstützt wird diese Ansicht von landesverräterischen deutschnationalen Burschenschaften und sonstigen Spinnern. Die "abgemilderte" Version lautet dann "etwas andere Bayern", worauf ich auch getrost verzichten kann. Außer dass sie manche Vokale wie Hundebellen aussprechen und im Lenz gerne um Maibäume tanzen, ist von einer angeblichen kulturellen Gemeinsamkeit zwischen (Alt-)Bayern und Österreich nicht mehr viel übrig geblieben. Mir persönlich sind Wiener Klassik und österreichische Literatur auch lieber als Florian Silbereisen und Weißblaue Geschichten. Warum in den alpenidyllischen deutsch-österreichischen Koproduktionen noch der letzte Bergbauer wie ein Hannoveraner spricht, kann mir wohl auch keiner erklären. Volkstümliche Musik und alpenländisches Kitschfernsehen sind die letzten Bastionen des Deutschfaschismus. In einer kotzrosafarbenen Dirndlheilewelt wird ein deutsch-österreichisch-schweizerischer Einheitskulturbrei serviert in dem Alltagsprobleme keine Rolle spielen. Da müssen dann beim "Winterfest der Volksmusik" gequält lächelnde Kinder in wechselnden Tuckenkostümen um einen geheimschwulen Moderator im Glitzeranzug herum hüpfen, während eine Brachialvolksmusikkombo aus Braunau mit Winterhauben im Styroporkunstschnee sitzt und irgendeine sinnleere Schmachtmusik via Playback zum Besten gibt. Der einzige Ausländer der sich dorthin verirrt hat, ist der Türke "Erol Sander" der nach einer Namensänderung für befähigt gehalten wird in diversen Alpenromanzen auch den "Anton von der Kofleralm" zu spielen.

Ein weiterer Kritikpunkt, der vor allem - aber nicht nur - den deutschen Studenten in Österreich vorgehalten wird (und das kommt nicht von mir): "Sie sind hier zu Gast, benehmen sich aber nicht so."
Eine gewisse respektlose Verniedlichung und Provinzialisierung gegenüber allem Österreichischen - wie bezüglich des Themas Sprache schon dargelegt - ist bei vielen Exemplaren der Gattung numerus clausus fugitor anzutreffen. Die Verblüffung darüber, dass mancher Einheimischer auf deutsche Verbaldiarrhö mitunter pikiert reagiert, ist dann oft grenzenlos: "Nun hab dich doch ma' nich' so!" Andererseits kommt man mit dem österreichischen Humor "jar nich'" zurecht, der wird als zu brutal und geschmacklos empfunden. Eben! Jedem seinen Geschmack, jedem seine Kultur! Ein Österreicher braucht sich von keinem Deutschen erzählen zu lassen, wie deutsch er denn eigentlich sei. Genauso gut kann man ihm auch sagen er habe keine Familie und sein Vater sei ein preußischer Postbote (nicht Briefträger).
Ich unterstelle den Deutschen hier hauptsächlich mangelndes Einfühlungsvermögen. Der Österreicher mag ein xenophobes Brachialarschloch sein, aber zumindest haben wir ein Gefühl dafür wie wir andere zielsicher beleidigen können. Der Deutsche hingegen tapt fleißig und unabsichtlich von einem Fettnäpfchen ins andere, weil er seine Nase permanent nach oben streckt. Schon Hugo von Hofmannsthal warf den Preußen "Mangel an historischem Sinn" vor, hielt sie aber auch für konsequenter. Nach 1945 wurde nicht Preußen abgeschafft, sondern Deutschland verpreußt. Vom Bodensee bis zum Belt und vom Rhein bis zur Oder trifft man nur noch Preußen. Wenn man nicht das bekommt was einem zusteht macht ein deutscher Student Krawall: "Das geht doch so nicht, na hör'n sie ma'!", während der österreichische zunächst lieber auslotet, schmeichelt, Umwege sucht "Gibt's denn irgendeine Möglichkeit?" und am Ende auch eher bereit ist zu resignieren. Man denke dabei an das berühmte Zitat von Joseph Roth:
"Da kann man nix machen! fügte er im stillen hinzu. denn er war ein Österreicher..."
Während die preußische Generalität als ein Hort von selbstkasteiender Manneszucht galt, vertrieb Admiral Tegethoff die Italiener bei Lissa im Vollsuff. Das Nievelierende, relativierend Melancholische, die eigene Begrenztheit Erkennende und trotzdem Größenwahnsinnige, das depressiv Volltrunkene, das Zerissene, das war immer schon, oder galt zumindest als, Österreichisch. Mit Ballermann hat das nicht viel zu tun:
"Der Österreicher, wenn er betrunken war, wollte die ganze Welt umarmen; der germanische Bruder, im gleichen Fall, sie kurz und klein schlagen." ALFRED POLGAR
Manchmal wird das Österreichische auch zu nivelierend und wer daran denkt wozu sie 1938 nüchter fähig waren, der wünscht sie sich oft nur noch betrunken. Da mag es ein Vorteil der Deutschen sein, dass sie wirklich entnazifiziert wurden, während das Jahr '68 in Österreich erst '86 stattfand. Vergangenheitsbewältigung auf Österreichisch heißt schweigen: "Das war ja sicher furchtbar damals, aber man kann ja eh nix mehr machen. Es is ja eh schon so lang her." Auch die österreichische Seele hat ihre Schattenseiten, trotzdem bleibt sie österreichisch. Bei aller österreichischer Beteiligung an deutschen Verbrechen, die Verfeindungsquote der Deutschen erfüllen wir nicht: Die Schweiz ist das einzige Nachbarland, gegen das Deutschland seit der Reichsgründung 1871 keinen Krieg geführt und das es nicht gewaltsam besetzt hat.

Was es bedeutet ein Deutscher zu sein erleben viele trotzdem erst im Ausland. Von manch einem Deutschen habe ich schon gehört, er sei noch nie so deutsch gewesen wie in Österreich. Sogar eine Studentin die aus Freilassing in Bayern über die Grenze in Salzburg zur Schule ging sagte mir einmal sie sei nur "die Deutsche" gewesen. So gesehen möchte man manchem Deutschen einen verpflichtenden Ku(ltu)raufenthalt in Österreich auferlegen, damit er sich seine Meinung nicht via Tourismuswerbung und Kitsch-TV bildet.

Ich gestehe: Ich bin kein Freund der Deutschen im Allgemeinen, dafür aber im Speziellen. Für jemanden der sich als Jugendlicher auf Wintersportwochen noch extra gefreut hat, wenn diejenigen die aufgrund seiner mangelhaften Schifahrkenntnisse zu Sturz kamen Deutsche waren und der Anno Domini 1994 oder '95 auf einem vielbelebten Strandabschnitt in Malia (Kreta) einen deutschen Jugendlichen - der ihn in der Strandduschordnung übergehen wollte - verprügelt und dabei permanent "Scheiß Piefke" gekreischt hat, während dutzende bestürzte Deutsche zusahen und seine Familie beim Abendessen viele böse Blicke erntete, ist das ein großer Schritt. Wie gesagt: Ich liebe meine Vorurteile, aber ich nehme sie nicht immer ernst. Was wäre die Welt ohne Geothe, Bach und Kant? Heutzutage muss sie sich aber mit Jutta, Wiebke, Hans-Christian und Karl-Otto begnügen. Da kann man halt nix machen...

Der Österreicher unterhält sich am liebsten über ANDERE, und das ÄTZEND. Stundenlang können Österreicher zusammensitzen und sich beschweren, sich auslassen, bekritteln, schimpfen. Es ist ein Volk der Nörgler, der Stänkerer, der Schimpfer, solange es „unter sich ist", d.h. unter Freunden.
GERHARD ROTH

Freitag, 27. November 2009

Gott erhalte, Gott beschütze, vor dem Kaiser unser Land... Oder: Wie sinnhaft sind die Habsburgergesetze?

Ulrich Habsburg-Lothringen ist ein Herr von fortgeschrittenem Alter und ärgert sich: Er darf, so die österreichischen Behörden, nicht zur Wahl des Bundespräsidenten im kommenden Jahr antreten. Die zuständigen Ämter berufen sich dabei unter anderem auf Artikel 60 Absatz 3 zweiter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes von 1920:

Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben.


Herr Habsburg findet das ungerecht. Schließlich kann er ja nichts dafür, dass seine Familie - nach Eigendefinition Berufspolitiker seit 800 Jahren - von 1282 bis 1918 - also 636 Jahre lang - mit nahezu unumschränkter Machtfülle dieses Land beherrscht haben. Kluge und dumme, fortschrittliche und konservative Habsburger hat Österreich in allen Funktionen gesehen auch exzentrische Schwule und bigotte Katholiken (von Letzteren etliche mehr). Mörder, Lügner und Urkundenfälscher aber auch Reformer und Visionäre. Eine typische Familie möchte man meinen, mit dem Unterschied eben, dass ihre Spinnereien wesentlich mehr Menschen als nur sie selbst betroffen haben. "Wenn es den Kaiser juckt müssen die Völker sich kratzen." hieß es nicht umsonst.

Seit dem 11. November 1918 aber, seit der etwas naive und geistig mäßig begabte, dafür aber umso gläubigere Kaiser Karl (Ausspruch eines Generals: "Kaiser Karl ist dreißig Jahre alt, sieht aus wie ein Zwanzigjähriger und denkt wie ein Zehnjähriger."), unter Druck und nachdem er zunächst in Ohnmacht gefallen war, "auf alle Anteile an den Regierungsgeschäften" verzichtet hat und schließlich das Land verlassen musste, seit damals hat sich das mit den Habsburgern etwas geändert. Kaiser Karl hat 1922 auf Madeira wegen einer Lungenentzündung das Zeitliche gesegnet und wurde mittlerweile aufgrund der mirakulösen Heilung einer brasilianischen Nonne von den Krampfadern seeliggesprochen, obwohl er im Ersten Weltkrieg noch großzügig den Einsatz von Giftgas erlaubt hatte. Ulrich Habsburg-Lothringen ist zwar auch noch Politiker, aber eben nicht Erzherzog und Mitglied des cisleithanischen Herrenhauses, sondern Gemeinderat von Wolfsberg in Kärnten, für die Grünen wohlgemerkt. Er strengt nun, gemeinsam mit seiner Nichte, ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof an, um die diskriminierenden Bestimmungen aufheben zu lassen. Die einschlägige 800-jährige Berufserfahrung seiner Familie hat sich auf seine Kenntnis der österreichischen Verfassung jedoch scheinbar nicht positiv ausgewirkt. Was aber nur mäßig verwundert, bedenkt man das habsburgische Verhältnis zur Constitution, die sie als Beleidigung ihres Gottesgnadentums betrachteten. Kaiser Franz Joseph sagte deshalb dereinst zu einem seiner Minister: "Ich verbiete ihm das Wort Verfassung noch einmal in den Mund zu nehmen!", erließ dann aber doch - gezwungenermaßen - mehr Verfassungen als Richard Lugner Hasen hat. Es ist aber eben ein Merkmal der Demokratie, dass vor allem jene sich allzugerne auf die Verfassung berufen, denen sie an und für sich ein Dorn im Auge ist. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wird aber - diese bescheidene Expertise erlaube ich mir hiermit abzugeben - die betreffenden Bestimmungen ganz gewiss nicht aufheben. (Sie sind seit 1920 im Bundes-Verfassungsgesetz bzw. in Verfassungsrang, gehören also nach der "Versteinerungstheorie" zum Urbestand des Bundesverfassungsrechtes, und können daher per se nicht baugesetzwidrig sein - nur das würde eine Aufhebung ermöglichen. Außerdem könnte man argumentieren - auch wenn ich mich dem nicht anschließen würde, dass sie sogar den Schutz des republikanischen Grundprinzips der Bundesverfassung genießen.)

Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob man Menschen für die (ehemalige) Stellung ihrer Familie zur Verantwortung ziehen kann und soll. Nun hat die Familie Habsburg dem Lande Österreich in seiner Geschichte zweifellos großen Ruhm beschert und es verdankt ihr gewissermaßen seine heutige Existenz. Den Ruhm haben die Habsburger aber in einem Aufwisch auch wieder beseitigt und was die Existenz anbelangt wäre die ihrer Deutschtümelei auch beinahe zum Opfer gefallen. Österreich ist seit 1918 wohl etwa 40% größer als es 1282 war. Das beträgt einen jährlichen Gebietszuwachs von statistisch 0,06%, auch das relativiert ihren Erfolg. Wären die Habsburger eine Bank, ich würde ihnen mein Geld nicht anvertrauen.



Dennoch kann Ulrich Habsburg-Lothringen für sich anführen, dass er mit dem allen nichts zu tun habe. Auch wenn er sich stolz "Mitglied des Hauses Habsburg-Lothringen" nennt - worauf Mitglieder der Häuser Prohaska und Pospischil wohl nie kommen würden - und sich vom Beifall der ewig Vorvorgestrigen zu seiner Verfassungsklage nicht irritiert zeigt. Die Habsburger-Gesetze, um die es in seiner Klage unter anderem geht, entstanden in den Gründungsjahren der Republik aus Angst vor einer Restitution der Monarchie. Diese stand im Raum, da sich vor allem die Christlichsozialen in der Frage der Staatsform zwiegespalten zeigten. Die Ansicht, dass Habsburg das einzig österreichische an Österreich gewesen sei, verschärfte diese Haltung nur noch. Die Zerrissenheit zeigt sich gut in einer damals kursierenden Scherzstrophe auf die alte Kaiserhymne:


Gott erhalte, Gott beschütze
Unsern Renner, unsern Seitz,
Gott erhalte vorsichtshalber
Auch den Kaiser in der Schweiz.


Wer von den Habsburgern sich nicht zur Republik bekannte, musste gehen. Die Situation verschärfte sich noch einmal, als Kaiser Karl - offensichtlich vom Lauf der Dinge gefrustet und noch ohne Wissen um seine postmortale Tätigkeit als seeliger Krampfadernheiler - bei seiner Ausreise in die Schweiz - die roten Eisenbahner hatte zu seiner Begrüßung im letzten Bahnhof vor der Grenze eine Strohpuppe in K&K Uniform aufgehängt - das sogenannte "Feldkircher Manifest" erließ, in dem er nicht nur seinen Machtverzicht zurücknahm, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Deutschösterreichischen Regierung verneinte. Diese reagierte patzig und hob neben dem Adel, auch seine Vorrechte und Orden auf und erließ das Habsburger-Gesetz, das unter anderem bestimmte:


Im Interesse der Sicherheit der Republik werden der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen, diese, soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben, des Landes verwiesen.


Seitdem muss sich jeder, der seine ehemaligen Titel öffentlich verwendet vor der Zahlung von 20.000 Kronen oder 6 Monaten Gefängnis fürchten. Otto Habsburg durfte erst in den 60ern nach Österreich einreisen, nachdem er erneut Verzicht geübt hatte. Der Ausschluss der Habsburger vom passiven Wahlrecht zum Bundespräsidenten - findig formuliert um sie nicht explizit nennen zu müssen - war nur eine weitere logische Konsequenz.

Wie zeitgemäß es heutzutage noch ist eine Familie von der Wählbarkeit auszuschließen die ihre besten Zeiten schon länger hinter sich hat als Jeannine Schiller, kann man sich gerne fragen. Auch ob jemand, dessen Aufenthalt in Österreich nur auf seinen Verzicht, oder den Verzicht seiner Vorfahren, auf die Mitgliedschaft im Hause Habsburg-Lothringen zurückgeführt werden kann, überhaupt unter die Bestimmungen des Art. 60 Abs. 3 S. 2 fällt, weil er dann ja eigentlich gar kein Mitglied dieses Hauses mehr sein kann, darf diskutiert werden.
Wer die Unterstützung einer Handvoll bierseliger schwarz-gelber CV'ler und der Kaiser-Karl-Gebetsliga genießt, hat wohl kaum Chancen auf das höchste Staatsamt, zumal die intellektuellen Kapazitäten vieler Habsburger, bedingt auch durch ihre übermäßige Verwandtschaft untereinander, nicht gerade bombastisch ausfallen. Spätestens seit ihr mittlerweile 97-jähriger Patriarch Otto vom US-amerikanischen Außenministerium als Negerministerium und vom Department of Defence als Judenministerium sprach oder den Namen Habsburg mit dem Tragen des Judensterns verglich, hat sich das Ansehen der allerhöchsten Familie in Kreisen von Zurechnungsfähigen, die nicht täglich beim Zähneputzen das Gott-erhalte summen oder dem tridentinischen Ritus anhängen, merklich geschmälert. Auch die Tatsache, dass der greise Otto die Chuzpe hatte vor einer ÖVP-Veranstaltung im Sitzungssaal der Bundesversammlung die Errichtung der austrofaschistischen Diktatur des Engelbert Dollfuß mit dem Satz "Wenn's ums Land geht ist alles erlaubt." zu rechtfertigen - was sogar Wolfgang Schüssel zum sanften Widerspruch reizte - sollte einem zu denken geben. Die Tatsache, dass jemand sieben Sprachen fließend spricht (Deutsch, Englisch, Kroatisch, Ungarisch, Spanisch, Französisch und Latein) und sich von Hitler nicht hat vereinnahmen lassen, kann über seine erzkatholische und zutiefst reaktionäre Weltanschauung nicht hinwegtäuschen. Trotz oder gerade wegen alledem braucht sich aber eine moderne und gefestigte Republik vor einer mehr schrulligen als gefährlichen Familie nicht zu fürchten. Die Zeiten in denen für Habsburger österreichische Reisepässe ausgegeben wurden in denen "gilt für alle Staaten der Welt mit Ausnahme Österreichs" stand, sind vorüber. Die Beziehung des Staates zu diesem Teil seiner Bürger hat sich letztendlich normalisiert. Das sollte sich auch im Gesetzesbestand auswirken. Wofür eine völlig normale Familie weiterhin ein eigenes Gesetz braucht ist heutzutage erklärungsbedürftig. Solange die Enteignung der habsburgischen Vermögen - Geld das sie vom Volk bezogen/ dem Volk entzogen haben - gewährleistet bleibt spricht nichts gegen einen Abbau sonstiger Beschränkungen. Verbietet man ihnen das Antreten zu Wahlen, gesteht man ihnen in Wirklichkeit eine Wichtigkeit zu die sie schon lange nicht mehr besitzen. Diese Familie gefährdet sich selbst weitaus mehr als die Republik. Wenn Habsburg ein Name wie Maier oder Gruber sein soll, muss er auch auf einem Wahlzettel stehen dürfen. Zumindest zum Amüsement des Wählers.

Montag, 23. November 2009

Warum Hass gegen Angst hilft, oder: Wie der Faschismus in die Welt kam.

Die Menschenmenge auf der Plaza de Oriente in Madrid schwenkt Fahnen und Transparente. Drei halten den Schriftzug Accion Juvenil Española (Junge Spanische Aktion) hoch, unter ihnen ein etwa 80jähriger. Eine Frau hat sich in eine rot-gelb-rote Fahne gewickelt auf der ein riesiger Adler prangt, in seinen Fängen Pfeile und Bogen, die Symbole der Falange. Das Spruchbanner über seinem Haupt verspricht Una grande Libre (Eine große Freiheit).



Falange ist das spanische Wort für Phalanx, es symbolisiert Geschlossenheit, Schutz, Abwehr. Bis zur Transición, der Zeit des politischen Übergangs zur Demokratie nach Francos Tod 1975 , war die Falange Einheits- und Sammelpartei des Spanischen Faschismus. Ihr Regime war zunehmend autoritär und weniger totalitär, wer den Mund halten konnte durfte sich ins Privatleben flüchten. Der starke Stützpfeiler der Falangediktatur war neben ihrem milizartig organisierten Repressionsapparat, der Guardia Civil, vor allem die katholische Kirche. Was fängt man mit so einem Regime an? Was sind das für Leute, die es als seine giftige Verlassenschaft zurücklässt?

Die Falange, so sind sich die Fachwissenschaftler einige, war/ist eine faschistische Organisation. Faschismus ist eines von den Dingen die man über das definiert, was sie nicht sind. So wie die Europäische Union weder Staat noch Staatenbund ist, so ist faschistisch was antidemokratisch und antikommunistisch ist. Dazwischen spannt sich ein weiter Bogen: Während die Neofaschisten auf der Plaza de Oriente "Es lebe Christus der König!" rufen, können jene, die der deutschen Faschismusfiliale nachtrauern, u. a. im Aufruhrversand dieser Tage Karten für das Julfest ordern auf denen Väterchen Odin, flankiert von seinen Raben, als Christkind- und Nikolaussurrogat herhalten muss. Während Mussolini durch die Lateranverträge den Katholizismus zur Staatsreligion machte, gab Hitler der Kirche ein Konkordat, das das Papier nicht wert war auf dem es geschrieben stand. Die große Klammer die sich um all diese Faschismusvarianten schließt ist aber, neben den antiideologischen Gemeinsamkeiten, vor allem eines: Die Angst.

Wer eine ausreichende Portion Mut mit Lebensmüdigkeit in sich vereint und einen Faschisten frägt, ob er Angst habe, wird entweder ein verbales oder ein nonverbales "Nein" zur Antwort bekommen. Letzteres könnte durchaus schmerzhaft ausfallen. Faschisten fürchten nichts - außer Gott vielleicht und das trifft wie gesagt auch nicht auf alle zu. Sie sind auch meistens bereit dies eher schlagkräftig als schlagfertig unter Beweis zu stellen. Das Gefühl das diese Leute permanent, teils offen, teils versteckt, zum Ausdruck bringen ist Hass. Aber auch ohne hier zu sehr in star-wars-philosophische Überlegungen abgleiten zu wollen (Angst führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unermesslichem Leid! Die dunkle Seite lockt und verführt.), kann sich jeder vorstellen, dass Hass eine Abwehrreaktion gegen Angst ist, denn Faschisten haben sehr wohl Angst und zwar mächtig. In solchen Versammlungen wie jener in Madrid findet man Menschen verschiedener, meist aber unterer Schichten. Jene die sich an ihre Spitze heben sind praktisch immer ausgesprochene Riesenegos, noch größer als in der Politik ohnehin üblich. Was erwartet man sich auch von Menschen, die Verfechter des Führerprinzips und des Kampfes der Starken gegen die Schwachen sind? Oft atomisieren sich faschistische Splitterparteien daher bald nach ihrer Entstehung, weil solche Egos meist aufeinandertreffen wie Nuklearteilchen im CERN. Die Radikalität ihrer Mitglieder erweist sich daher häufig eher als Trennungs-, denn als Einigungsgrund. Da helfen auch die größten Ziele nichts: Was dermaßen gleich stark geladen ist, stößt sich meist ab. Was sie unter Umständen doch zusammenhält ist die genannte Angst, die sie sich persönlich nicht eingestehen, mit der sie aber nach außen hin spielen: Sein Traum, so ruft die Stimme eines Unsichtbaren per Mikrofon aus der Menge, sei ein Spanien für Alle (alle Spanier wohlgemerkt). Die sogenannten demokratischen Kräfte hätten Versagt, Spanien sehe sich ernsthaften Bedrohungen gegenüber... Angst. Angst vor Veränderung, vor Verlust, vor der Fremdartigkeit.
Das Weltbild des Faschismus ist ein konservatives. Er lebt vom Glauben an den Status Quo, der aber erst (wieder)hergestellt werden muss. Veränderung ist schlecht, wenn sie nicht auf die Herbeiführung des gewünschten "Gleichgewichtes" abzielt. Ein Europa der Völker wünschen sich die meisten, souveräne Nationalstaaten, Wohlstand für alle, aber jeder für sich. Ausländer weg mehr "eigene" Kinder her. In einer globalisierten Welt sind sie nicht angekommen und sie werden es auch nie. Geschichtliche Zusammenhänge orientieren sich bei Extremisten generell am Weltbild und nicht umgekehrt: Guernica war halb so schlimm, Auschwitz ein Ausrutscher, wenn überhaupt. Zuflucht sucht man in der Autorität, jener des Führers, des Königs oder abstrakter bei Gott und im Volk. Autorität vermittelt Sicherheit, Sicherheit ist das Gegenteil von Angst. Damit Autorität aber wirken kann muss sie allumfassend sein: Jeder muss sich ihr beugen. Autorität hat, wer stark ist. Wer Stark ist braucht sich nicht zu fürchten. Wer Angst hat ist schwach. Schwache stehen außerhalb, sind des Führers nicht würdig, Gottlose, die nicht zum Volk gehören. Die Schwachen an die sich der Faschismus richtet sind nicht schwach, denn sie sind ja viele und viele sind stark. Daraus leitet sich auch das Wort Faschismus ab, Fasces sind Rutenbündel. Jede einzelne Rute kann man brechen, alle gemeinsam nicht: Der Faschismus hat den Anspruch alle einzubeziehen an die er sich richtet. Wer nicht will, an den richtet er sich nicht mehr. Er wird ausgestoßen, hat sein Recht auf Schutz verwirkt, wird schwach gemacht, ausgemerzt, getötet. Die anderen werden uniformiert, in jederlei Hinsicht. Wer Uniform trägt hat Autorität, ist den anderen äußerlich gleich und doch einer Hierarchie unterworfen. Nach 1933 trug in Deutschland noch der letzte Zivilbeamte eine Uniform. Die Männer die auf der Plaza de Oriente vor dem Teatro real, hinter Tischen mit Nazi- und Falangedevotionalien Aufstellung genommen haben tragen grüne Hemden und rot-gelb-rote Armbinden.

Der Faschismus ist exklusiv und inklusiv zugleich. Menschen gegenüber kennt er nur zwei Standpunkte: Du schon. Du nicht. Wer ausgeschlossen ist oder sich selbst ausschließt wird zum Feindbild, zur Projektionsfläche der Angst: "Wir sind zwar stark, aber DIE wollen das nicht." Der Faschismus fürchtet sich de facto vor sich selbst, vor anderen die so sind wie er: Viele, stark, autoritär. Deshalb kennt er Mittel und Wege die Angst in Balance zu halten: Das Volk muss sich fürchten, aber gleichzeitig auch überlegen fühlen. Die anderen wollen zwar ihren Untergang, können ihn aber nicht herbeiführen, weil sie: Rassisch, religiös, moralisch minderwertig sind. Die Bedrohung wird aufrechterhalten und gleichzeitig relativiert. Wie paradox das sein kann zeigt sich am Beispiel Hitlers: In den letzten Kriegstagen vollzog sich bei ihm, so mehrere Beobachter, ein totaler Meinungs- und Stimmungsschwenk. Angesichts der unausweichlichen Niederlage fiel der relativierende Ansatz der faschistischen Angstpropaganda weg:
"Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das deutsche Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil, es ist besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das deutsche Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen."

Der Faschist lässt sich nicht vom Gegenteil überzeugen, außer man beweist es ihm konkret durch (Beinahe)ausrottung seines Idols. Solange hält er sein Volk für das Beste und sich für einen Teil einer größeren Sache.

Die spanischen Faschisten folgen dem Ruf ihres Einpeitschers: "¡Arriba España! ¡Viva Cristo Rey!" Die rechten Hände fliegen ausgestreckt zum Himmel. Was man sich bei uns nicht träumen lassen würde ist in Spanien legal und wird deshalb auch gemacht. Man braucht sich ja nicht zu fürchten, zumindest auf dem Platz ist man in der Mehrheit und die Autorität. Nur vier madrilenische Stadtpolizisten verstecken sich hinter einer Hauswand.

Die faschistische Angst offenbart sich in vielen Gestalten:

Der Faschismus ist feige: Er windet sich vor dem Rechtsstaat wie ein Wurm, wenn ihm Strafe droht. Am Ende war immer alles nicht so gemeint, wurde falsch verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen. Der Faschist ist nur stark durch seine eigene Autorität, trifft er auf eine übermächtig stärkere, wirft er sich auf den Rücken und winselt.

Der Faschismus lügt: Er sagt was er denkt nur wenn er nichts zu befürchten hat. Er schleicht sich durch juristische Schlupflöcher, sagt Dinge im Ausland, zieht sich ins Internet zurück. Werden sie öffentlich bekannt folgt die Relativierung: "Wir sind ja gar nicht so, man stellt uns nur so dar." Verbote will man nur aus Gründen der "Meinungsfreiheit" abschaffen. Ein Rechtsstaat brauche sich ja schließlich nicht vor der Wahrheit zu fürchten.

Der Faschismus hasst: Er ist brutal und rücksichtslos. Meist schlägt er im Verborgenen zu, verstohlen, feige. Für ihn ist das ehrenhaft. Er weiß das absolute Recht auf seiner Seite, warum sich an das positive halten? Der Faschist ist stark in der Gruppe, die Mehrheit gibt ihm im Abstrakten und in der Praxis Schutz. Gegner sind Todfeinde und vogelfrei. Erbarmen gibt es - wenn überhaupt - nur für die Angehörigen der eigene Gruppe.

Der Faschismus in überheblich: Er ist in keinster Weise selbstreflexiv und verbittet sich grundsätzlich Kritik, sei sie aus den eigenen Reihen oder von Außen. Kritik an anderen wird dagegen hämisch und untergriffig geführt. Der billige Lacher und der jolende Applaus sind Wegbegleiter des Faschismus. Sein Weltbild ist gefestigt und unantastbar. Daher wird auch die eigene Angst nicht thematisiert sondern tabuisiert.

Der Faschismus ist dumm: Er braucht einen Katalysator und gedeiht nicht auf jedem Untergrund. Angst wächst nur wo sie auf fruchtbaren Boden stößt, in Wirtschaftskrisen, Kriegen, Katastrophen. Während die Demokratie ein langsam gedeihendes Gewächs ist, schießt der Faschismus aus und wird zur Schlingpflanze, verdorrt aber umso schneller. Da es sich um eine Extremistische Ideologie handelt, zieht sie naturgemäß Extremisten an. Extreme Meinungen sind vereinfachte Weltbilder, wer sie pflegt schottet sich ab von der Wirklichkeit. Es sind die Weltbilder der simplen Zusammenhänge und Lösungen. Alles ergibt sich aus Kausalzusammenhängen, es gibt nur Schuld und Unschuld, keine Graustufen, keine fließenden Grenzen. Sie kennen nur Holzhammermethoden und Amputationen, langsam wirkende und komplizierte Medizin liegt ihnen nicht. Kleingeistige Weltbilder dienen kleinherzigen Menschen. Bildung schützt vor dem faschistischen Virus nicht, Bildungschauvinismus macht dafür geradezu anfällig. Wer dem Punkteprogramm auf der neuen Homepage der Burschenschaft Olympia folgt erkennt das.

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Antoine de Saint-Exupéry

Dienstag, 17. November 2009

Mitzi Fekter Homos Lupus... oder: Wie modern ist die ÖVP?

"Das ist in der ÖVP nicht Mehrheitsfähig." Ein Satz, ein Todesurteil. Seit die Österreichische Volkspartei erkannt hat, dass die Tatsache, dass die Sozialdemokratie den parlamentarischen Faschismus in Österreich nicht als koalitionsfähig ansieht, ihr zu dem Vorteil gereicht deren einziger potenzieller Mehrheitsbeschaffer und damit Koalitionspartner zu sein (teils auch bedingt durch die politische Hyposomie der heimischen Grünen) und im Gegensatz zu dieser aber auch Alternativen zu besitzen, seit dem kann die demokratische Neuauflage der Vaterländischen Front jedes Vorhaben im Ansatz ersticken, das Österreich zu einem moderneren, weltoffeneren Staat machen könnte. Jene die jetzt einwenden die ÖVP habe zumindest in Sachen Gesamtschule einen Kurswechsel vollzogen, möchte ich daran erinnern dass es nicht die ÖVP war die in Österreich Schüler- und Lehrlingsfreifahrt, Schulbuchaktion, freien Hochschulzugang, Wahlgerechtigkeit, Mutter-Kind-Pass und Fristenlösung eingeführt hat. Auch, dass sie, obgleich sie sich heute gerne weltgewandt und offen zeigt, den Bau der UNO-City und des Austria-Centers in Wien bekämpft hat soll nicht unerwähnt bleiben. Auch ist seit Otto Glöckel, der nicht nur erste durchgreifende Reformen (Koedukation, demokratische Erziehung, Schülerselbstverwaltung, Individualpsychologie als Faktor im Schulwesen) im österreichischen Schulsystem durchgeführt hat, sondern auch durch das austrofaschistische System zu Tode kam, in Österreich keine wesentliche Bildungsreform mehr durchgeführt worden. Was die ÖVP unter Modernisierung versteht hat meistens etwas mit Privatisierung oder der Stimmabgabe über das Internet zu tun.
Nun ist dieser fatale Satz wieder gefallen, aus dem Mund von Maria Fekter Herrin von der Kiesgrube. Sie hat, obwohl keine Tirolerin, die Führung des konservativen Flügels - obwohl das eher als Tautologie erscheint - innerhalb der ÖVP übernommen und postuliert seitdem die vier modernen K's des christlich-sozialen "Wertekonservativismus":

- Kreuze in den Klassen
- Keine Homoehe
- Keine Gesamtschule
- Keine Zogajs

(Auch wenn die ÖVP seinerzeit gegen die Strafrechtsreform - das alte StG kannte nicht nur den "schweren Kerker" bei "Wasser und Brot", sondern auch das Vergehen der "Ehestörung" und stellte Homosexualität unter Strafe- wegen der darin enthaltenen Fristenlösung ablehnte und sogar ihr mickriges Bundesratsveto dagegen mobilisierte, hat sie das fünfte K - "Keine Abtreibung" - mittlerweile eingemottet.)

Besagte Frau Fekter hat es verhindert, dass gleichgeschlechtlich orientierte Paare sich in Österreich am Standesamt "partnerschaften" können, von heiraten ganz zu schweigen. Als staatsrechtlich interessierter Mensch fragt man sich natürlich, was für eine - mit Sicherheit intendierte - abwertende Wirkung es haben soll, wenn eine Zeremonie nicht in die Kompetenz der Gemeinden (wie die standesamtliche Hochzeit) sondern in die des nächsthöheren Verwaltungsverbandes, des Bezirkes fällt. Wahrscheinlich war Frau Fekter nur von der Angst geleitet, Heteros und Homos könnten sich in den Fluren der österreichischen Standesämter begegnen und Letztere Erstere gar kurz vor der Hochzeit "umpolen". Eventuell empfindet sie gewissen Menschen auch einfach nur als wandelnde visuelle Beleidigung (Was mag sie nur von schwulen Asylanten halten?). Auch wenn es sich vielleicht noch nicht in die oberösterreichischen Beichtstühle durchgesprochen hat, dass sexuelle Affiktion die auf gegenseitigem Einverständnis beruht keine Krankheit ist, so hätte man doch erwarten können, dass eine Partei, die sich immer gerne als die des Steuerzahlers präsentiert, einsieht, dass die Delegation von artverwandten Verwaltungsangelegenheiten in den Aufgabenbereich verschiedener Behörden zumindest als finanziell unvernünftig bezeichnet werden kann. Um das Ganze neue Gesetzeswerk auch vom menschlichen Standpunkt aus verständlicher darzustellen, folgendes Fallbeispiel:

Ein lesbisches Paar entschließt sich ein Kind zu haben. Eine Partnerin unterzieht sich einer künstlichen Befruchtung, gebiert ein Kind und zieht dies gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin auf. Nach ein paar Jahren stirbt die leibliche Mutter, das Kind muss in ein Pflegeheim, weil ihm zwar zugemutet werden kann von zwei Homos aufgezogen zu werden, aber nicht von einer.

Die Perversität dieses Eingriffes in das Kindesleben, das mit einem Schlag die beiden wichtigsten, vielleicht einzigen, Bezugsquellen in seinem Leben verliert, kann man sich gar nicht ausmalen. Da es in Zukunft wohl auch die Grundrechtsbeschwerde über Kinderrechte in der Verfassung geben wird, kann ich mir nicht vorstellen, vor welchem verfassungsgerichtlichen Hofrat eine Beschwerde gegen einen solchen Kindesentzug kein Gehör finden würde.
Es soll mir jemand, der sich wertverbunden nennt erklären, warum das Kindswohl in Österreich plötzlich hinter der katholischen Weltanschauung firmiert. Es soll mir Josef Pröll, der sich als Vorsitzender der "ÖVP-Perspektivengruppe" noch für das Standesamt ausgesprochen hatte erklären, warum päpstliche Enzykliken schwerer wiegen als die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Tatsächlich wird hier Gleiches ungleich behandelt, eine Handhabung die einem modernen Rechtsstaat nicht würdig ist. Warum hält eine Partei ihre religiösen Anschauungen - fraglich ob eine Partei solche überhaupt haben sollte - höher als das Menschenrecht? Ich persönlich halte staatliche Eingriffe in die Gleichheit aller Menschen nur für legitim, wenn diese vom Standpunkt des Schutzes des Einzelnen und der Gesellschaft als unbedingt notwendig erscheinen. Ist es unbedingt notwendig Homosexuellen den Zutritt zu den Standesämtern dieser Republik zu verwehren? Ist es notwendig aus gesellschaftspolitischen Erwägungen einem Kind die Mutter und einer Mutter das Kind zu nehmen? Wer tatsächlich glaubt die österreichische Gesellschaft würde morgen erodieren, weil Homosexualität eine Krankheit ist, mit der man Menschen anstecken kann und die die Familie zerstört, der sollte einen Psychiater aufsuchen und sich wegen Paranoia behandeln lassen. Familien werden durch fremdvögelnde Väter zerstört, durch Mütter die ihre Säuglinge im Papiercontainer entsorgen und Eltern die ihre Kinder schlagen und missbrauchen. Angesichts dessen, dass weite Teile der Bevölkerung gescheit genug zum f*cken aber zu blöd zum verhüten sind, halte ich es für unverantwortlich Menschen - die bereit wären Kindeserziehung zu übernehmen - aufgrund ihrer Sexualität zu diskriminieren.
Auf die Fahne der Österreichischen Volkspartei passen viele Wörter, "modern" gehört aber sicher nicht dazu.

-

"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen."