Dienstag, 15. Dezember 2009

„Lei laafn loosn“, oder: Wie exekutiert man ein Bundesland?

Es sei, so der Landeshauptmann, ein finanzieller Abwehrkampf gewesen. Während er diese Worte spricht, hat er Mühe sein freudestrahlendes Gesicht unter Kontrolle zu halten. Der Landeshauptmann ist ein Mann kleiner Gedanken, großer Worte und noch größerer Gesten. Während er an diesem Tag das Verhandlungsergebnis zur Notverstaatlichung der Hypo-Alpe-Adria-Group (HAAG) mit dem Guerillakrieg der Kärntner gegen den Versuch des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen Teile des Landes zu besetzen vergleicht, hat er am Tag zuvor eigenhändig Teuerungsausgleiche in bar an Bedürftige verteilt.(Kurier)

Kärnten, das war immer ein Sonderfall. Während fast jeder Kärntner eine slowenische Urgroßmutter hat und in den Telefonbüchern des südlichsten Bundeslandes Namen die auf -ik, -ig oder -itsch enden eher die Regel als die Ausnahme sind, weigert sich das Land strikt sich an ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu halten und zusätzliche zweisprachige Ortstafeln aufzustellen. Bei Dörflers Argument, das Erkenntnis verstoße gegen das „gesunde Volksempfinden“, läuft es einem kalt den Rücken hinunter. Wenn Österreich das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten ist, so ist Kärnten das Land der unmöglichen Begrenztheiten. Dinge die anderswo selbstverständlich sind, treffen hier auf Abwehrkampfmentalität. Die „Windischen“ sollen ja nicht glauben sie könnten mit Ortstafeln ihre Ansprüche markieren. Da schmeißt man sie lieber um, schraub sie ab, versetzt sie oder ergänzt die deutschsprachigen Tafeln durch winzige slowenischsprachige Zusatztafeln. Österreichischen Politikern wird nachgesagt, sie könnten Dinge tun und sagen, die ihren Amtskollegen im benachbarten Ausland längst Kopf und Kragen gekostet hätten; in Kärnten wiederum sind Dinge möglich die auf Bundesebene intolerabel wären. Als Jörg Haider die Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches lobte, hätten ihm in Kärnten vielleicht keine Gefahren gedroht, wenn nicht österreichweit Empörung lautgeworden wäre. Und als er vor einem Jahr sturzbetrunken ein Klagenfurter Szenelokal verließ und mit extrem überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über seinen VW-Phaeton verlor, wurde in Kärnten an seiner Apotheose gearbeitet. Ein Heiliger kann nicht strunzendicht aus einer Homobar torkeln und dann auch noch autofahren. Ein Heiliger kommt unter mysteriösen Umständen ums Leben, wird vom Mossad abgefüllt und mit einem präparierten Wagen in den Tod geschickt. Genauso kann sich jemand der Globocnik heißt als lupenreiner Deutscher vermarkten. Hätte Siegmund Freud nicht in Wien sondern in Klagenfurt ordiniert, er hätte das Prinzip der Verdrängung wohl noch früher entdeckt.

Nun muss das Land im Süden 200 Mio. Euro in die marode Hypobank nachschießen und Haiders geliebtes Kärnten steht kurz vor dem Staatsbankrott. Wer im Stil eines Volkstribunen öffentlichkeitswirksam Geld an Bürger verteilt, anstatt es nach Antragsprüfung zu überweisen, wie dies in modernen Rechtstaaten für gewöhnlich geschieht, weckt den Anschein es mit der Haushaltsgebarung nicht ganz so ernst zu nehmen. Kärnten gewährt jedem Jugendlichen 1.000 Euro Startgeld und traditionsbewusste Kärntner die sich gerne entsprechend kleiden möchten, erhalten 60 € Zuschuss für jeden gekauften Trachtenanzug. Für keinen billigen Populismus waren sich das BZÖ in Kärnten und sein Steigbügelhalter ÖVP-Landesrat, Finanzreferent und Campingplatzbesitzer Joseph Martinz zu schade. Wirklich traurig ist aber, dass 44,89% der Kärntner bei der Landtagswahl 2009 darauf erneut hineingefallen sind. Seit dort nach Haiders Himmelfahrt die Sonne vom Himmel gefallen ist, scheint in noch mehr Köpfen das Licht ausgegangen zu sein. Dafür steigt die Prokopfverschuldung des Landes auf 6.634 € und die Gesamtverschuldung wird 2014 bereits 3,7 Mrd. Euro betragen, während Oberösterreich selbst im Krisenjahr 2009 ausgewogen bilanzieren konnte. Kärnten ist mittlerweile das höchstverschuldete Bundesland und kann fällige Kredite teils nur noch mit Mühe bedienen.

Wären jene Haftungen schlagend geworden, die Kärnten gegenüber seiner ehemaligen Landesbank einging – 18 Mrd. Euro – wäre das wohl das Ende für die Landesfinanzen gewesen. Zehnmal mehr Geld als Kärnten im Jahr zur Verfügung steht, hatte das Land gedeckt. Um diesen Wahnsinn nachzuahmen müsste der Bund im Verhältnis dazu Bürgschaften über mehr als 770 Milliarden Euro übernehmen (für die Freunde der alten Währung: Das wären mehr als 10 Billionen Schilling), demgegenüber wüchsen sich die momentanen Staatsschulden von ca. 188 Mrd. Euro als geradezu lachhaft aus.(Österreichische Staatsverschuldung - Zähler)

Wie konnte es soweit kommen? Wer trägt die Verantwortung?
Die Hypo-alpe-Adria hat, vor und nach ihrer Übernahme durch die Bayrische Landesbank, immer wieder als Financier der Landespolitik, sprich des BZÖ und zuvor der FPÖ, gedient. Waren für Politik und Z-Promis irgendwelche Veranstaltungstickets zu kaufen, die Hypo griff in ihre Taschen. Fand ein Fußballverein keinen Sponsor, die Hypo legte ein paar hunderttausend Euro hin. Wollte der Landeshauptmann ein Schlosshotel renoviert haben, die Hypo trat als Kapitalgeber auf. Kurzum: Ausgaben für die nicht einmal das überfrachtete Landesbudget reichte und die ein zurechnungsfähiger Investor nie getätigt hätte, wurden auf die Bank abgewälzt. Nun, solche „Investitionen“ tätigt jede Bank, die im Einfluss der Politik steht, das hat – wenn es auch als moralisch fragwürdig erscheint – noch kein Geldinstitut umgebracht. Leider kam bei der Hypo-Alpe-Adria eine weitere Misere hinzu:
Ein katastrophales Management und eine nicht vorhandene Aufsicht paarten sich zum Finanzdebakel. Man investierte in desaströse Villenprojekte an der kroatischen Adriaküste, machte dubiose Geschäfte mit korrupten Generälen und kaufte ein paar dutzend Yachten und Autos, von denen niemand mehr weiß wo sie jetzt sind. Die Bank vergab auch Kredite an Leute, die mittlerweile ebenso verschwunden sind wie die das Geld das man ihnen lieh. Das Institut hatte weder ein Geschäftsmodell noch eine funktionierende Kontrolle. Die Politiker, die im Aufsichtsrat saßen und vom Bankgeschäft noch weniger verstanden als die Manager, nickten natürlich alles fleißig durch was ihnen vorgelegt wurde. Solange die Hypo ihre Interessen finanzierte, bestand für sie kein Grund zur Unzufriedenheit. Man folgte der Devise „lei laafn loosn“. Die chronisch unterbesetzte Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank prüften schließlich nicht ausreichend und zu spät. Hätte man die etwa vier Milliarden Euro, welche die bereits damals marode Hypo seit der Übernahme durch die Bayern-LB in des Sand gesetzt hat, in Lehman-Aktien oder Madoff-Papiere investiert, es wäre sicher nichts Schlechteres herausgekommen.

Das politische Debakel, das hinter dem finanziellen steht wächst sich aber noch bedeutend größer aus. Der Kärntner Landespolitik fehlt es in weiten Teilen schlicht und einfach an der nötigen intellektuellen Kapazität, um die Vorgänge um die HAAG, die sie mitverschuldet hat, überhaupt zu begreifen.
Bis nach Mitternacht verhandelte Landeshauptmann Dörfler im Finanzministerium in Wien um den Kärntner Beitrag zur Rettung der Bank. Der ansonsten zurückhaltende Gouverneur der österreichischen Nationalbank Ewald Nowotny sprach davon, dass die Kärntner sich gelinde gesagt wenig kooperativ verhalten hätten. Am Ende mussten die österreichischen Systembanken 500 Mio. Euro Kredit unter Staatshaftung gewähren, weil Kärnten nicht zahlen wollte oder konnte. Wusste Herr Dörfler, dass wenn die Bank nicht vor Schalteröffnung am nächsten Morgen im Trockenen stand, nicht nur eine Massenflucht der Kunden, sondern auch die zwangsweise Verhängung des Konkurses drohte? Wusste der Landeshauptmann, dass in diesem Fall alle Konto- und Spareinlagen eingefroren worden wären? Wie wäre es ihm und seiner Partei mit Hang zu Minderbegabten wohl bekommen, wenn tausende Kärntner vor Weihnachten ohne Geld dagestanden wären, wenn Unternehmen ihren Miterbeitern keine Löhne hätten zahlen und Rechnungen nicht hätten begleichen können? Für Dörfler war das aber alles am Ende ein super Geschäft. Unterstützung in dieser Haltung erhielt er dabei von seinem Stellvertreter als Landeshauptmann, dem gelernten Land- und Forstwirt Uwe Scheuch, der in der ORF-Sendung „Runder Tisch“ nicht nur OeNB-Gouverneur und WU-Professor Ewald Nowotny, sondern auch dem Staatssekretär im Finanzministerium und studierten Ökonomen Andreas Schieder und dem Deutschen Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessor a.D. Wolfgang Gerke die tatsächliche Lage der Dinge erklärte und die Vorwürfe gegen Kärnten und seine Pimperlpartei als böswillige politische Angriffe zurückwies. Jeder mache Fehler, an und für sich sei es aber für Kärnten positiv ausgegangen, eine Verantwortung der Politik nicht auszumachen.
Man habe für den Verkauf seinerzeit 600 Millionen erhalten, nun müsse man 200 davon wieder einbringen, blieben unterm Strich 400 Millionen Euro Gewinn meint auch der Landeshauptmann.
So sieht die Milchmädchenrechnung aus, die sich ein ehemaliger Volksbankfilialleiter macht, nachdem er und sein Vorgänger ein Kreditinstitut mitruiniert haben. Dass Dörfler kein Überflieger sein dürfte, hört man nicht nur wenn er den Mund aufmacht, sondern kann es unter Umständen auch aus der windigen Stellungnahme ablesen, die sich die Staatsanwaltschaft Klagenfurt in der Causa Ortstafelverrückung nach Wien zu schicken erdreistete: Der damalige Landesrat und nunmehrige Landeshauptmann sei nicht in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen.
Was für einen Verstand hat ein Mensch mit derart mangelhaftem Unrechtsbewusstsein? Sein jüngster Kommentar zur Hypo-Verstaatlichung gibt vielleicht darüber Aufschluss:

„Wir sind nicht so Neger wie man glaubt das schreiben zu müssen.“Gerhard Dörfler


In den Bayern hatten die Kärntner einen noch Dümmeren gefunden, der ihnen die damals schon verzettelte Bank abgekaufte. Dass der Deal just von jenem Mitarbeiter der Bayrischen Landesbank eingefädelt wurde, der von der Hypo-Alpe-Adria eine dicke Provision als Berater kassierte, mag eine Rolle gespielt haben. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft München.

Mittlerweile haben auch hierzulande Innen- und Justizministerium ihre Emissäre nach Klagenfurt entsandt. Ermitteln sie unabhängig, wird wohl noch einiges zu Tage gefördert werden, bei dem sich jedem Steuerzahler die Nackenhaare kräuseln.

In Österreich mehren sich nun die Stimmen die eine Handhabe des Bundes gegen derart fahrlässiges Verhalten eines Landes fordern. Diese soll zum einen in einer Begrenzung der Haftungsmöglichkeiten der Länder liegen, zum anderen wollen manche Politiker die Kärntner unter Kuratel stellen. Das Instrument einer Bundesexekution aufgrund budgetärer Verfehlungen findet sich in der österreichischen Bundesverfassung nicht. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer meinte dazu im „Report“, der Verfassungsgesetzgeber habe damals ja nicht ahnen können, dass in Kärnten solche Politiker an die Macht kämen. Das Mittel der "Sachwalterschaft" für ein ganzes Bundesland kannte bisher nur die austrofaschistische Maiverfassung, es wäre ein Armutszeugnis für die Kärntner Landespolitik, müsste es nun wegen ihr erneut eingeführt werden.
Schade nur, dass man es sich aus gesamtstaatlichen Überlegungen heraus nicht leisten kann ein Land Pleite gehen zu lassen. Im Falle Kärntens wäre man durchaus versucht.

Das Generalversagen aller Verantwortlichen rund um die Kärntner Hypo, hat Milliarden vernichtet und wird weiter Geld kosten. Zu den rund vier Mrd. Euro, die die BLB abschreiben kann, muss sie noch 850 Mio. zuschießen, der Bund gibt bis zu 450 Mio. € bei, Kärnten 200 Mio. und die Grazer wechselseitige Versicherung steigt mit 30 Mio. noch recht günstig aus. Auch die „Beigabe“ der Bayern relativiert sich, wenn man bedenkt, dass es sich dabei größtenteils um Kreditumwandlungen und Investitionsabschreibungen handelt. Die Republik erhält dafür 100% Eigentum an einem finanziellen Schrotthaufen.

„Was wir brauchen, ist eine klare und ehrliche Rückbesinnung auf jene Werte und Tugenden, die uns im Wohlfahrts- und Wachstumstaumel der Vergangenheit ein bisschen abhanden gekommen sind. Ich meine Werte wie Fleiß, Leistungswillen, Arbeitsmoral, Disziplin und Ordnung. Ich meine Tugenden wie Bescheidenheit, Gemeinsinn, Sparsamkeit und vor allem Anständigkeit.“ Jörg Haider

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