Freitag, 25. Mai 2012

Vorarlbergerisch für Anfänger, oder: Red körig!

Sie kennen Vorarlberger und fragen sich oft, was die eigentlich so sagen, wenn sie in ihrer Sprache reden? Hier können sie die Grundkenntnisse dieses Geheimidioms erlernen beziehungsweise ihr verstaubtes Wissen wieder auffrischen.
Vorarlbergerische Ortsangaben


Die Sprache, die es eigentlich nicht gibt -
D'Språch wo oagatlich koane isch
Wenn Sie sich von Vorarlbergerisch die Vorstellung einer einheitlichen Sprache machen, muss ich Sie leider enttäuschen. Da es nie amtlich verschriftlicht wurde, gibt es auch keine alleingültigen Schreib- und Ausspracheregeln. Je nachdem, ob man aus dem Ober-, Unter oder Vorderland, dem Montafon, dem Bregenzer Wald oder dem Walgau kommt, spricht und folglich schreibt man es anders. Der Dialekt kann sich im nächsten Ort schon ändern. In Lustenau und Dornbirn zum Beispiel spricht man zum Teil völlig anders. Dementsprechend kann es für ein simples Wort wie „Wasser“ verschiedenste Aussprachemöglichkeiten geben:
Wasser
Wassr
Wassa
Wassar
Oft bewegt sich die Phonetik auch zwischen diesen Möglichkeiten. Das gilt insbesondere für Wörter, die wie Wasser auf „a“ oder „r“ ausgesprochen werden können. Dabei wird der letzte Laut häufig nur so angedeutet, dass man gar nicht weiß, ob das Gegenüber jetzt „Tüa“ oder „Tür“ gesagt hat. Das wird auch dadurch begünstigt, dass auf Vorarlbergerisch Wörter grundsätzlich eher auf der ersten Silbe betont werden („Féaldkirch“ nicht „Feldkírch“, aber wichtige Ausnahme: „Vorárlberg“ nicht „Vórarlberg“).

Basics -
Was ma halt so wissa söt
In Vorarlberg werden hoch- und höchstalemannische Dialekte gesprochen. Das bedingt gewisse Gemeinsamkeiten mit den schwäbischen, liechtensteinischen und Schweizer Nachbarn. Trotzdem erkennt man Vorarlberger doch recht leicht. Im Gegensatz zu den Schweizern gibt es kein Kehlkopf-ch und Verniedlichungen erfolgen auf „-le“ nicht auf „-li“. Wie an anderer Stelle schon einmal bemerkt heitß also ein kleiner Küchenschrank „Kuchekäschtle“ nicht „Chuchichäschtli“. Die Vorarlberger neigen überhaupt zum überverniedlichen. Als ob „a bitzle“ und „a kle“ (beides „ein bisschen“) nicht ausreichen würden, gibt es auch noch „a bitzile“ und „a klele“, was dementsprechend noch kleinere Mengen beschreibt.

Lautmäßig gibt es neben den üblichen Vokalen und Diphthongen der deutschen Sprache noch ein gutturales a/o, das am besten mit dem skandinavischen „å“ wiederzugeben ist sowie ein in der Tendenz aussterbendes „ouw“ das sehr dem entsprechenden Laut im Niederländischen und Mittelhochdeutschen ähnelt. Man findet es vor allem noch in entlegenen Tälern und bei älteren Menschen, die dementsprechend „Frouwa“ und nicht „Fraua“ sagen.
Bei den Konsonanten gilt es zu beachten, dass das „r“ rollend ausgesprochen wird, während „g“ und „k“ oft kaum zu unterscheiden sind und häufig mit einem nur angehauchten „h“ versehen werden. Ob man nun „ghörig“, „körig“ oder „khörig“ (von „gehörig“ - siehe dazu weiter unten) schreibt, ist also eine Frage des Geschmacks und der Herkunft.


Die Lautverschiebung -
D'Usspråch
Das wesentlichste Charaktermerkmal des Vorarlbergerischen ist das Fehlen der für Deutsch typischen Lautverschiebung. Das erschwert dem Deutschsprachigen das Verstehen der Vorarlberger, diesen aber erleichtert es das Erlernen anderer germanischer Sprachen wie Niederländisch, Norwegisch, Dänisch oder Schwedisch. Ein Beispiel:
dt.: das Haus/die Häuser, vlbg.: s'Hus/d'Hüsa(/er), no.: huset [hüse]/husa [hüsa]/husene [hüsene], nl.: het huis [höis]/de huizen [höise(n)]
Das ließe sich beliebig lang fortsetzten: träumen (de.), tröma (vlbg.), drømme (no.) oder malen (de.), måla (vlbg.), måla (se.). Dementsprechend gelten grundsätzlich folgende Regeln für die Umwandlung von Lauten von Deutsch auf Vorarlbergerisch:
  • au → u/o (Haus → Hus, Maus → Mus, Staub → Stob, Baum → Bom)
  • äu → ö (träumen → tröma, Bäume → Böm)
  • eu → ü (heulen → hüla, Feuerwehr → Fürwehr)
  • ie → ia (Trieb → Triab, gießen → giaßa)
  • ei → ie (greifen → griefa, Wein → Wie)
  • ü → üa/u (trüb → trüab, Küche → Ku(c)he)
  • a → a/ä/å/e (tanzen → tanza, tragen → träga, lassen → lå)
  • e → ea/å (leben → leaba, gehen → gå)
Wie die Beispiele bei „e“ und „a“ zeigen, sind die Regeln für die Umwandlung nicht immer klar und schwer konkretisierbar. Oft ist kein Muster erkennbar: Manche Verben gehen von „a/e“ nach „å“ (lassen - lå, haben - hå, gehen - gå, fragen - fråga) andere nach „ea“, „e“ oder „ä“ (sehen - seaha, sagen - sega, tragen - träga). Unter Strich muss man also sagen, dass die Lautbildung beim Verb unregelmäßig ist und bis dato jeder Systematik harrt. Man muss sie wie so vieles einfach auswendig lernen.

Bei den Konsonanten fällt auf, dass Vorarlberger doch recht häufig zum „sch“ greifen. Das tun sie aber niemals bei  „ss“ oder  „ß“ sondern grundsätzlich nur, bei  „st“ und „sp“ ( „gießt“ → „güßt“, „frisst“ → „frisst“, aber „Frist“→ „Frischt“). Steht ein „st“ am Wortende wird das „t“ oft gleich ganz weggelassen ( „ist“ → „isch“).

Die Zeiten - D'Zita
Vorarlbergerisch kennt grundsätzlich drei Zeiten: Präsens, Perfekt und Futur. Während das Plusquamperfekt ausschließlich im Konjunktiv vorkommt, ist das Präteritum/der Imperfekt unbekannt. Das neuerdings immer häufigere Vorkommen des Wortes „war“, manchmal sogar in ganz fürchterlichen Pseudoplusquamperfektkompositionen („Wo warsch gsi?“) ist eine Konsequenz der sprachlichen Globalisierung sowie der Bildungsprekarisierung und daher rundweg abzulehnen. Konjugieren wir als Beispiel das Wort „gehen“/„gå“:
Präsens
i gang  -  mir gón
du gåsch  -  ihr gón
er/sie/es gåt  -  sie gón

Perfekt
i be/bin ganga

Futur
i würr gå  -  mir/ihr/sie werren gå
du würrsch gå
er/sie/es würt gå

Der Konjunktiv - Da/Dr Konjunktiv
Der Konjunktiv I kann im Präsens mit „täte“ oder „würde“ gebildet werden. Mangels Präteritum kennt das Vorarlbergerische lediglich den Konjunktiv II-Plusquamperfekt. Diese Zeitform findet ausschließlich hier Anwendung und wird wie auf Deutsch mir „wäre“ und „hätte“ gebildet.
Kunjunktiv I Präsens
(du) tätsch/würdsch gå - du gehest/würdest gehen

Kunjunktiv II Plusquamperfekt
(du) wärsch ganga - du wärest gegangen

Possesiv- & Personalpronomen -
bsitzazoagende und persönliche Fürwörtr
In diesem Zusammenhang muss zunächst erwähnt werden, dass persönliche Fürwörter in Fragesätzen meist an das Verb angehängt werden („Gehen wir?“ - „Gómma?“, „Habt ihr?“ - „Honda?“). Die Zusammenschreibung bietet sich vor allem deshalb an, weil die Fragepartikel auch am Stück ausgesprochen werden (daher auch nicht „Håt er?“ , sondern „Håta?“ und „Håsch?“). Das Personalpronomen wird - ähnlich dem „ego“ im Lateinischen - nur separat gebraucht, wenn man jemanden mit der Frage direkt ansprechen bzw. die betreffende Person herausheben möchte.  („Håsch du min Kuli gseaha?“, wenn dem anderen aber bereits bekannt ist, dass man den Kugelschreiber sucht: „Håsch min Kuli gseaha?“).

Das besitzanzeigende Fürwort „sein“ gibt im Vorarlbergerischen - im Gegensatz zum Deutschen - auch den Unterschied zwischen männlichen und sächlichen Subjekten wieder:
„sein Haus“ - „si(s) Hus“
„sein Schuh“ - „sin Schua(c)h“
Hingegen fungiert das Wort „ihr/e/r/s“ - „era“ meist nur als Personal-, jedoch nicht als Possessivpronomen. Um Einegtumsverhältnisse einer Frau anzugeben, muss das besitzanzeigende Fürwort „sein“ - „si(s)“ hinzugezogen werden:
„Ich habe es ihr gesagt.“ - „I hans era gset.“
„Es ist ihre Kleidung.“ - „Es isch era si(s) Häs.“
Wörtlich übersetzt ist es also „ihr seine Kleidung“. Das Hinzuziehen von „si(s)“ entfällt nur, wenn das Wort, dessen Besitz angezeigt wird, vom Objekt zum Subjekt wird:
„Es ist ihr Auto.“ - „Es isch era sin Karra.“
„Das Auto gehört ihr.“ - „Da Karra kört era.“

Die Artikel - D'Artikl
Der Artikel wiederum wird bei Feminina und Neutra grundsätzlich durch angedeutete Konsonanten, bei Maskulina mit „da“ gebildet („d'Stråß“, „s'Hus“, „da Zu“ - „die Straße“, „das Haus“, „der Zaun“) Wie bei österreichischen Dialekten allgemein üblich, werden Namen Grundsätzlich mit Artikeln oder Artikelkürzeln versehen. Wir rekapitulieren:
„Paul baut ein neues Modellschiff. Hast du es gesehen?“ -
„Da Paul baut a neus/nös Modeallschiff. Håsches gseaha?“
Eine Ausnahme bildet wiederum die Betonung von besonderen Bedeutungen. In diesem Fall haben „dia“/„ene“, „des“/„e(na)s“ und „der“ dieselbe Bedeutung wie im Deutschen „der, die, das“ und „diese/r/s“.
Die geht mir vielleicht auf die Nerven.“
Dia/Ene gåt ma viellicht uf'd Nerva.“
 „Dieses Buch gehört ihm.“
„Des/es/enas Buach kört eam.“

Die Kasus -
D'Fäll
Was die Fälle betrifft zeichnet sich Vorarlbergerisch durch eine gewisse Kargheit aus. Charakteristisch ist das vollständige Fehlen des Genitivs - er wird mit Hilfe des Dativ und einer Präposition gebildet („Das Haus des Mannes.“ - „S'Hus vum Ma.“) - und die fast durchgehende Übereinstimmung des Nominativs mit dem Akkusativ. Weitestgehend ist Vorarlbergerisch also auf zwei Kasus reduziert.
maskulinum - ein/der Apfel
Nom.: da/an Öpfl  -  d'Öpfl
Akk.: da/an/dean Öpfl - d'Öpfl
Dat.: am/deam Öpfl -  deanna Öpfl

femininum - eine/die Suppe
Nom.+
Akk.: a/d'Suppa - d'Suppana
Dat.: ana(ra)/da Suppa - da Suppana

neutrum - ein/das Haus
Nom.+
Akk.: a/s'Hus - d'Hüsa(e/r)
Dat.: anam/am Hus - da Hüsa(e/r)

Achtung Verwechslungsgefahr -
Ned vrtuscha
Manche Worte werden so ähnlich ausgesprochen, dass man sie verwechseln könnten, andere haben sogar mehrere Bedeutungen. Das Verb „gealta“ etwa bedeutet „gelten“, während das Nomen „Gealta“ eine Schaffel/ einen Waschtrog bezeichnet. Während „Tür“ Türe heißt, meit „tür“ teuer. „Gmoand“ ist die Gemeinde, aber „gmoant“ heißt „gemeint“. Dass beim Wort „Vorhut“ die Bedeutung gänzlich davon ab, ob das „u“ lang oder kurz ausgesprochen wird habe ich schon einmal erwähnt und ich wiederhole mich auch, wenn ich darauf hinweise, dass „schoa“ von „schauen“ kommt und nichts mit dem Holocaust zu tun hat.

Die liebe Familie -
D'Familie
„Brüada(r)“ wiederum ist mancherorts ein Pluraletantum wie „Eltern“ im Deutschen. Das heißt man kann sowohl „oan Brüada(r)“, als auch mehrere „Brüada(r)“ haben. Für Schwestern gilt das aber nicht, die bilden sowohl einen Singular („Schwöschter“) als auch einen Plural („Schwöschtara“) aus. Was meine Ohren immer zum bluten bringt ist die vorarlbergerische Aussprache von Cousin und Cousine, die auf jede Anleihe bei der französischen Ursprungsbetonung verzichtet und daraus brachial „Kusin“ und „Kusine“ (im Plural beinah noch schlimmer „Kusins“ und „Kusinina“) macht. Der/Die Taufpate/Taufpatin wird „Götte“ bzw. „Gotta“ genannt, was man ja auch in Ostösterreich als „Göd“ und „Godl“ kennt.


Weitere Besonderheiten -
Was sunsch no andersch isch
Es gibt im Vorarlbergerischen zwei Wörter, die - weil eigentlich inexistent - de facto keine Rolle spielen: „war“ und „Liebe“. Während „war“ schon in Ermangelung eines Präteritums flachfällt, ist „Liebe“ etwas, das nur in Umschreibungen vorkommt. Man kann zwar „verliabt“ sein, aber nicht „lieben“, jemand kann zwar „liab“ sein, aber „Liebe“ an sich gibt es nicht. Als ein alemannisches Volk von prosaischem Charakter und ausgeprägtem finanziellen Gespür, haben sich die Vorarlberger einfach nur „gerra“, also gern, und das muss auch reichen.

Zwei andere Wörter allerdings sind von enormer Wichtigkeit: „körig“ und „odr“. Es würde dem Wort „körig“ nicht gerecht und seine Bedeutung unendlich verkürzen, wenn man es lediglich mit „gehörig“ übersetzte. Denn „körig“ heißt auch ordentlich, gut oder fleißig. Es gibt sowohl „körige Fraua“, als auch „körige Lungaentzündunga“. Wenn man sich schwer geirrt hat, hat man sich „körig vertua“ und einen „köriga Schießdreck“ gebaut. Kurzum: „körig“ dient der (meist, aber nicht immer positiven) Betonung. Es erfüllt also eine entfernt ähnliche Funktion wie die Vorsilbe „ur-“ im Wienerischen.
Mit dem englischen „isn't ist?“ oder dem norddeutsche „nich?“ wiederum lässt sich das vorarlbergerische „odr“ vergleichen. Es ist einfach eine rhetorische Floskel, die - oft in gewisser Gemütshitze - zur Affirmation an eine Aussage angehängt wird („Er isch a so an Trottl, odr.“). „Odr“ ist etwas, das so manchen Vorarlberger auch verrät, wenn er versucht Hochdeutsch zu sprechen.

Verben der Wahrnehmung -
Was ma siacht und schmeckt
Die Vorarlberger sind offenbar Meister der Wahrnehmung, denn der diesen Bereich betreffende Wortschatz ist diffiziler und reichhaltiger als im Deutschen:
  • Wer sich artikulieren will kann „schwätza“, „redda“ und „sega“, aber nicht „sprechen“. Höchstens - und sehr selten - kann man das Partizip Perfekt „gsprocha“ als zulässig ansehen.
  • Wer sich visueller Wahrnehmung bedient kann „schoa“, „seaha“ und „luaga“.
  • Auditive Sinnesreize wiederum kann man „höra“ oder „los(n)a“. Wobei „los(n)a“ sich auf „zuhören“ bezieht („Los amol.“ - „Hör mal zu.“).
  • Man kann Parfum „riacha“ und „schmecka“, aber Zucker nur letzteres.

Was ist österreichisch am Vorarlbergerischen?
Wia öschterrichisch isches Vorarlbergerische?
Sollten Sie ein Ostöstereicher sein, dürften Sie mittlerweile gemerkt haben, dass sich Vorarlbergerisch doch wesentlich von ihrer Sprache unterscheidet. Man gehröt aber nicht ein paar hundert Jahre lang zu einem Land, ohne dann von dort etwas zu übernehmen. Klassische Beispiele sind Verwaltungsbegriffe wie Akt oder Jänner. Aber auch „Pickerl heißen nicht „Sticker, sondern „Pickerle“, „Marilla“ nicht „Aprikose“, „Kren“ nicht „Meerrettich“, „Lietuach“ nicht „Laken“, „Säckle“ nicht „Tüte“, „Polschter“ nicht „Kissen“ und die Glimmstängel hat man gleich unverändert als „Tschick“ übernommen.

Spezialvokabeln -
Körige Wörtr
Die „Gealta“ haben Sie schon kennen gelernt, aber es gibt noch unendlich viele, oft nur regional vorkommende, Vorarlberger Spezialvokabeln. So ist „Gofa“ ein oft abwertendes Wort für Kinder, „bluescht“ ist lauwarmes Wetter, ein „Firka“ ist ein Waschbecken, eine „Grumpra“ ein Erdapfel („Grundbirne“) und aus Vorarlberger Leitungen kommt „Brunnawassa“. Ostöstereichische Kulinarikbegriffe sind manchmal bekannt, werden aber kaum verwendet. Paradeiser, Häuptelsalat und Karfiol müssen sie also jenseits des Arlbergs kaufen. Vorsicht auch bei der Getränkebestellung: Nicht jeder Vorarlberger weiß, was ein „Seiderl“ und ein „Krügerl“ ist. Das heißt einfach großes und kleines („klenns“) Bier. „Obi“ und „Capi g'spritzt“ heißen einfach „g'spritzta Öpfl-“ bzw. „Oroschasaft“. Unter „Diesel“ verstehen die Vorarlberger Cola mit Rotwein und nicht mit Bier. Und wer einen weißen Spritzer bestellt, bekommt in der Regel Weißwein mit Sprite oder Almdudler. Will man ihn mit Mineralwasser, muss man „wieß sur“ („weiß sauer“) bestellen.

Wenn Sie jetzt noch nicht genug Vorarlbergerisch verstehen, um einer Unterhaltung folgen zu können, empfehle ich ihnen Intensivnachhilfe. Vielleicht findet sich ein netter Vorarlberger, der sich ihrer Sprachbehinderung annimmt.

Freitag, 18. Mai 2012

Die Salzburger, oder: the missing link

Wie eine Klammer legen sich fünf Gaue und eine Stadt um den Landkreis Berchtesgadener Land, den man in Österreich besser unter dem Namen „deutsches Eck“ kennt. Das umliegende Gebiet, das irgendwie an eine adipöse Version des Mercedes-Logos erinnert und das in seiner Hymne etwas pathetisch als „Garten behütet vom ew'gem Schnee“ bezeichnet wird, heißt wie seine Hauptstadt Salzburg.

Nach dem Burgenland ist Salzburg die historisch jüngste Region Österreichs. Es kam erst mit der Säkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluss 1806 an die Habsburger. Später fiel es während der Koalitionskriege vorübergehend an die Bayern, kam zurück zu Österreich und wurde Teil des Erzherzogtums ob der Enns - aka Oberösterreich -, um 1850 wieder als Kronland und eigenständiges Herzogtum errichtet zu werden. Die lange Unabhängigkeit des Fürsterzbistums Salzburg, beziehungsweise dessen Eigenschaft als Pufferstaat zwischen Bayern und Österreich macht die Salzburger damit bis heute zu einer Art „Homo habilis“, zum „missing link“ zwischen Bajuwaren und Austriaken.

In der Stadt Salzburg selbst hat sich das Germanische schon schrecklich breit gemacht. Überall wird hemmungslos Hochdeutsch gesprochen und Champagner getrunken. Die ganze Agglomeration ist wie eine Retorte der Inneren Stadt zu Wien, nur teurer. Das erklärt auch, warum der Tourismusort Salzburg so ungeheuer lukrativ ist. In der Getreidegasse und an den Originalschauplätzen des Films „Sound of Music“ werden Japaner und Amerikaner wie die Mastgänse ausgenommen. Und auf dem Domplatz muss das deutsche Publikum beim jährlichen „Jedermann“ dran glauben. Mit dem millionenfach breitgewalzten und ausgequetschten Thema Mozart wiederum, lässt sich auch ganzjährig Zaster machen.

Dass die Salzburger noch auf der evolutionären Leiter zum vollwertigen Österreicher feststecken, beweist auch die Tatsache, dass der Erzbischof nach wie vor den Titel „Primas Germaniae“ führt. Das lässt sich aber natürlich bei Weitem nicht so gut verkaufen wie Mozartkugeln oder „What would Maria do?“-T-Shirts und wird deshalb nicht an die große Glocke gehängt.

Das „Rom der Alpen“, wie sich die Stadt der Stierwäscher auch nennt, und sein gleichnamiger Speckgürtel sind aber nicht nur für den Wolferl, die Trapps und Hugo von Hofmannsthal bekannt, sondern auch für... Ja wofür eigentlich? Die Salzburger haben weder einen besonders einprägsamen Dialekt, noch besonders auffällige Kulturformen entwickelt. Vielleicht war Musil ja in Salzburg, bevor er „Mann ohne Eigenschaften“ schrieb. Das einzig Besondere, das mir zu Salzburg sonst noch einfällt sind die gleichnamigen Nockerl und die Tatsache, dass der dortige Landtag als einziger in Österreich lediglich einen Vizepräsidenten hat, aber wen interessiert das schon...

Salzburg ist neben Vorarlberg das einzige Bundesland, das nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kein Territorium eingebüßt hat. Es gibt einen ganzen Haufen Seen, den sich die Salzburger aber zum Großteil mit den Oberösterreichern teilen müssen. Das Gebiet der Erzdiözese Salzburg reicht nach Tirol hinein, wo man die Zugehörigkeit an den grünen Kirchtürmen erkennt (rote gehören zur Diözese Innsbruck). Und der Erzbischof konnte bis zum Konkordat von 1934 selbst Bischöfe in den umliegenden Bistümern ernennen. Neben Bregenz ist Salzburg die einzige Landeshauptstadt, die ans Ausland grenzt. Die Stadt verfügt außerdem über das größte O-Bus-System Westeuropas.

Ansonsten sind die Salzburger aber leider sehr durchschnittlich. Natürlich ist man katholisch, die Protestanten wurden während der Gegenreformation durch den gebürtigen Vorarlberger Fürsterzbischof Markus Sittikus endgültig vertrieben. Aber ansonsten ist Salzburg für ein österreichisches Bundesland merkwürdig kantenlos: Kein Ortstafelstreit, keine unterdrückten Minderheiten, keine sonderlichen Stereotype. Man könnte höchstens sagen, die Salzburger sind nockerlnessende Blasmusikanten die im Frühjahr gern Felsenputzen. Gäähhhn . . . Sogar die öffentlichen Aufreger sind irgendwie farblos. Vor einigen Jahren gab's da mal eine Phallusstatue, die man schließlich abmontiert hat und dann ist da noch die ewige Frage, ob und wie man den Residenzplatz pflastern soll. Wow. . . Österreich erstickt in Korruption, in Salzburg spricht man über Bodenbeläge.

Es zeigt sich also: Wenn die Salzburger noch vollwertige Österreicher werden wollen, müssen sie sich ein paar negative Seiten zulegen. Alkoholismus und Fremdenfeindlichkeit sind leider schon belegt. Aber wie wär's mit mangelnder Körperhygiene? Das ist ein Stereotyp, das die Wiener sicherlich gern abtreten würden und jeder faule Zyniker könnte in Hinkunft sagen: „Do foa i ned hi, duat föits wia in Soizbuag.“ Also liebe Salzburger: Hört auf euch zu waschen, das gibt Charakter! Nach Geld zu stinken zählt übrigens nicht, das tun die Vorarlberger schon.

Donnerstag, 10. Mai 2012

Spätzle et circenses, oder: Ein Fest für Vorarlberger

Alle zwei Jahre findet in Wien das „Best West Fest“ statt. Eine einmalige Gelegenheit für Sozialanthropologen und andere arbeitslose Geisteswissenschafter das dynamische Gruppenverhalten von Vorarlbergern aus der Nähe zu studierten. Sie waren noch nie auf einem Fest für Vorarlberger? Dann lassen Sie es sich beschreiben.

Schon mein Klassenvorstand meinte einmal es sei unglaublich, wie viel in einen Menschen hineinpasse, wenn das Essen gratis sei. Außerdem müsse man nur etwas gratis hergeben, wenn man wolle, dass Leute kommen. Für Vorarlberger gilt das alles in verschärftem Maße. Die Ankündigung Kässpätzle kostenlos auszukochen hätte genügt, um die tausenden Gsibergianer, die ansonsten ihre biederen Untergrundidentitäten in der Bundeshauptstadt pflegen,ins WUK in der Währingerstraße zu locken. Aber die alemannischen Buschtrommeln haben den „Es git eppas gratis, do müamma ane“-Reflex des Vorarlbergers noch zusätzlich verstärkt und für eine außerordentlich gute Befüllung der Veranstaltungsfazilität gesorgt.

Jedes Mal schwöre ich mir: Dieses Mal stellst du dich nicht um die Gratis-Spätzle an. So gratis können die gar nicht sein, dass man dafür eine halbe Stunde Wartezeit in Kauf nimmt. Aber dann bemächtigen sich primordiale Wesenszüge meiner Entscheidungsgewalt und ehe ich es mich versehe stehe ich wieder in einer Reihe mit schnatternden Vorarlbergern und ein paar Quotenwienern. Wenn die nicht gerade „Wie bitte?“ sagen, zeigen sie ihre Verwunderung über die allgemeine Zurückhaltung und das höfliche Verhalten der Cisarulaner. Sie selbst sind leider bei weitem nicht so zurückhaltend. Beim Daueranstehen an der Bar erklärt eine Hauptstädterin den Umstehen sie brauche nur einen Radler aus der Flasche und wolle daher vorgelassen werden. Die Vorarlberger ihrerseits nehmen die Gelegenheit zum Anlass einmal ungeniert über die Wiener lästern zu können. Der gute Jochen etwa berichtet, dass er auf einer Rolltreppe beim Westbahnhof eine alte Dame samt Gepäck vorm Absturz bewahrt und sich dabei die Schulter ausgerenkt hat. Erster Kommentar der Wienerin: „Wo is mei Handtoschn?“

Wenn eingangs berichtet wurde, dass Vorarlberger ein gewisses Faible für allerlei Kostenlosigkeiten haben, so heißt das aber nicht, dass sie auf eine unhöfliche Weise gierig wären. So lagen auf einem Tisch Werbeartikel der landeseigenen und - weil alemannisch geführt - nicht bankrotten Hypobank. Die meisten trauten sich gar nicht eines zu nehmen - ich bin halb Steirer und hab mir daher zwei eingesteckt - bis ein Wiener mit einem Plaschtiksäckle kam und alle auf einmal mitnahm. Vorarlberger sind sparsam, aber nicht raffsüchtig.

Dieser Sparsamkeit ist es wohl auch gedankt, dass die gegenständliche Festivität jährlich alternierend in Wien und Innsbruck stattfindet. Zwei Amüsements mit Gratisverpflegung zu sponsern wäre dem Land und seinen Sponsoren dann wohl doch zu viel. Dafür gibt es noch den Ball der Vorarlberger, bei dem man allerdings Eintritt bezahlen muss und den es daher jedes Jahr gibt.

Irgendwie gibt die Seltenheit der Veranstaltung dann aber natürlich auch etwas Spezielles. Man trifft Leute, mit denen man verwandt, bekannt oder im schlimmsten Fall beides ist und unterhält sich sporadisch mit selbigen. Menschen, deren Namen man schon vergessen hat, lächeln einem freundlich zu und der Landeshauptmann bewegt sich stimmenfangend durch die wahlberechtigte Menge. Aus selbigem Grund sind auch die Vertreter anderer Parteien stets bei solchen Zusammenkünften anwesend. Sei es beim „Funken“ am Himmel, den die Wiener Feuerwehr regelmäßig für zu gefährlich hält, um abgrebrannt zu werden oder besagtem Fest: Bundespolitische Kapazitäten aus dem Ländle wie ÖVP-Abgeordnete Anna Franz oder der Grüne Harald Walser geben sich ebenso heimatverwurzelt wie das spätzlegeile Fußvolk.

Die gsibergyness der ganzen Geschichte wird schließlich noch durch einen Auftritt des Holstuonarmusigbigbandclub und den Ausschank von Bier der Marke Fohrenburger abgerundet. Irgendjemand fragt, ob man sich zuerst einen Bon holen müsse. Das ginge dann aber wohl schon zu sehr in richtung Dorfkilbi - in Ostösterreich auch als Kirtag bekannt. Dafür ist auch die Akademikerquote deutlich zu hoch. Der Großteil der Anwesenden studiert in Wien. Die Hipster-Dichte ist erdrückend: Überall sieht man Bärte, karierte Hemden und dickrandige Brillen. Ich bin froh, dass ich diesmal rasiert und brillenlos gekommen bin. Auf einer waschechten Kilbi würde jetzt schon irgendwo ein fünfzigjähriger Gebi mit halblangen fettigen Locken und bierdunstigem Blick einer gleichaltrigen Ilse den Hof machen. Bei einer Wälderkilbi wäre der Boden zudem schon mit Zähnen und Blutlachen zugepflastert. Aber wir sind ja in Wien unter Mittel-/Oberschichtgsibergern die, wären sie Wiener, von ihrer Mutter sicher Maximilian oder Konstantin genannt worden wären, so aber einfach nur Simon oder Matthias heißen.

Gegen Ende hin ersticken die ohnehin überforderten Barkeeper in Arbeit, weil die Vorarlberger alle ihr Becherpfand wiederhaben wollen. Zum Abschied gibt es im engen Innenhof noch ein alemannisches Gruppenkuscheln mit Schieberkappen- und Gelbe-Hosen-Trägern. Beim Gehen frage ich mich, ob das zweijährige Intervall nicht doch so seine Vorteile hat.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Der Wiederholungstäter, oder: die kranke Welt des Gottfried Küssel

Der gedrungene Herr mit dem Hut und dem stechenden Blick wirkt ein wenig, als hätte er sein bisheriges Leben auf der dunklen Seite des Mondes verbracht. Bleich und ausdruckslos blickt er zumeist in die Kameras, wahrscheinlich soll das kämpferisch wirken. Einst bezeichnete er Adolf Hitler „als einen der größten Männer in der Geschichte Deutschlands“, verlangte die Wiederzulassung der NSDAP als Wahlpartei und wollte den österreichischen Staat „zertrümmern“, jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Am 14. Mai wird sich der mehrfach vorbestrafte Neonazi Gottfried Heinrich Küssel erneut wegen Verbrechen nach dem Verbotsgesetz vor einem Geschworenengericht verantworten müssen. Es wird ihm vorgeworfen einer der Betreiber der rechtsradikalen Homepage „Alpen-Donau.info“ gewesen zu sein. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Dabei hatte die rechte Karriere des Sohnes eines niederösterreichischen Hofrates so glänzend angefangen: Nach Abstechern in diverse Burschenschaften, Hooligan-Szenen und sonstige rechte Randgruppierungen, hatte er 1986 die „Volkstreue außerparlamentarische Opposition“ (VAPO) gegründet. Die, so sollte der Oberste Gerichtshof später feststellen, machte es sich unter anderem zum Ziel „die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben“. Küssel organisierte regelmäßige Veranstaltungen, darunter auch Wehrsportübungen, und ernannte „Gauleiter“ für ganz Österreich. Das Tagebuch der Anne Frank bezeichnete er als eine von Juden erfundene „Lüge“ und „Fälschung gegen das deutsche Volk“. Mit seinen Anhängern fuhr Küssel ins KZ Sachsenhausen und errichtete eine hölzerne Gedenkstätte für die dort tätigen Mitglieder der SS. Der Falter berichtete, er sei auch in Theresienstadt gewesen, wo er „sehr gelacht“ habe.

Küssels Lebensweg zeichnet das Sittenbild eines Vollblutnazis. Bei ihm gibt es kein herumlavieren, nicht einmal eine Relativierung, er ist ein zu tiefst überzeugter Holocaustleugner, Nazi und Rassist. Als geistiges Kind der 30er Jahre erstaunt er nur insofern, als dass ihm bisher keine konkreten terroristischen Ambitionen nachgewiesen werden konnten.

Vor den Briefbombenanschlägen des Franz Fuchs, genoss die rechte Szene in den 80ern und Anfang der 90er noch Freiheiten, die ihr später durch die Verschärfung des Verbotsgesetzes mit der Novelle von 1992 nicht mehr zur Verfügung standen. Zu dieser Zeit bewegte sich auch der spätere FPÖ-Chef Strache im Milieu um die Neonazis Burger und Küssel. Erst durch das immer aggressivere Auftreten der Rechten, sah sich der Staat gezwungen die Gesetzeslage zu verschärfen beziehungsweise auch im Hinblick auf die polizeiliche Vorgehensweise härtere Bandagen anzulegen.

Im Klima der staatlichen Untätigkeit machte auch Küssel zunächst Karriere. Die deutsche Ikone der Ewiggestrigen Michael Kühnen - der später an AIDS verstarb - ernannte ihn 1987 zum „Bereichsleiter Ostmark“. In der Folge wurde er neben Norbert Burger zu einer der zentralen Führungspersonen der äußersten Rechten in Österreich. Nach Kühnens Verhaftung packte Küssel dann vollends der Größenwahn. Er versuchte zunächst die Kontrolle über die deutsche Neonaziszene zu übernehmen, scheiterte dabei jedoch. Schließlich gab er im Dezember 1991 den Fernsehsendern „Tele 5“ und „ABC“ Interviews, in denen er nicht nur seine Sympathie für Hitler kundtat, sondern auch ankündigte, er wolle die VAPO in NSDAP umbenennen und dann versuchen über Nationalratswahlen an die Macht zu kommen. Sollte dies nicht gelingen, strebte er - so die spätere Feststellung des OGH - an „mit einem Putsch die österreichische Regierung zu stürzen, die rechtsstaatlichen Einrichtungen auszuschalten und die Macht in Österreich zu ergreifen.“ Im Jänner des Folgejahres legte er in einem weiteren Interview mit „ABC-News“ nochmals nach. Auf die Frage, ob er einen zweiten Holocaust anstrebe, antwortete er:
„Ich glaube nicht an den ersten“ - Küssel OGH/13Os4/94
Dem ORF sagte er schließlich, er sehe sich als Nationalsozialist. Weil 1992 aber nicht mehr 1938 war, wurde es der Republik irgendwann doch zu bunt. Küssel hatte die lange Zurückhaltung des österreichischen Staates fälschlicherweise als Schwäche interpretiert. Diese Einschätzung und seine Dreistigkeit wurden ihm nun zum Verhängnis. Er wurde verhaftet und wegen des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung vor Gericht gestellt. Die Geschworenen befanden ihn für schuldig, das Strafmaß wurde auf zehn Jahre Haft festgesetzt. Der erste Prozess wurde später wegen Verfahrensmängeln vom OGH in Teilen aufgehoben, im zweiten Anlauf verschärfte sich das Strafmaß dann auf elf Jahre. Seine VAPO-Organisation wurde zerschlagen, einige seiner Mitstreiter mit ihm der Gerechtigkeit zugeführt. Der braune Traum des Gottfried K. war vorerst ausgeträumt.

Küssel wurde 1999 vorzeitig wegen „guter Führung“ entlassen, danach wurde es für einige Zeit still um ihn. Er nahm an der Sonnwendfeier der „Österreichischen Landsmannschaft“ teil und man sichtete ihn an den Gräbern der NS-Schergen Walter Nowotny und Otto Skorzeny. Öffentlich zu sprechen begann er erst wieder 2007 beim „Fest der Völker“ im deutschen Jena. In Leipzig beschwerte er sich 2009 über den  „Genozid des deutschen Volkstums in Österreich“, weil nur noch 4,3% der Österreicher gerne Deutsche wären. Zwischendurch kam Küssel immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. 2005 wurde er wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt, die Behörde hatte über ihn wegen seiner Vorgeschichte bereits 1982 ein absolutes Waffenverbot verhängt. 2010 wurde er angezeigt, weil er mit „Kammeraden“ in einem Lokal den Hitlergruß gezeigt und die Lokalbesitzerin verprügelt hatte.

Schließlich wurde Gottfried Küssel im April 2011 im Zuge einer Razzia erneut verhaftet. Die Aktion war durch Journalisten der Kronenzeitung gefährdet worden, die bereits vor dem Eintreffen der Cobra mit Kameras vor Küssels Wohnhaus gewartet hatten.
Er steht im Verdacht im Verein mit anderen Rechtsextremen die neonazistische Webseite „Alpen-Donau.info“ betrieben zu haben, die auch durch den damaligen freiheitlichen Abgeordneten Werner Königshofer mit Informationen versorgt worden war.

Küssel ist ein Überzeugungs- und ein Wiederholungstäter. Wer einmal die Auslöschung der Juden bezweifelt und jene Österreichs gefordert hat, wird von dieser braunen Agitationsdiarrhö so schnell nicht abweichen. Man wird sich auch schwer tun, in Österreich einen überzeugteren Neonazi zu finden als ihn. Was Küssel gerne wäre, ist er in Wahrheit aber nie gewesen: Eine Gefahr für den Bestand der Republik Österreich. Sein Deutschnationalismus und paranoider Rassismus sind höchstens geeignet, andere zu verhetzen oder im Untergrund als ideologische Batterie jener Neonaziszene zu dienen, die als geistiger Fußpilz der Gesellschaft nur in den verrauchten Vereinsstuben von Landsmannschaften und dem Bierdunst rechtsextremer Burschenschafterbuden überlebt. Da Herr Küssel aber offenbar nicht gelernt hat, was es heißt, einem antifaschistischen Rechtsstaat ans Bein zu pinkeln, wird er wohl neuerlich Gelegenheit erhalten mit dem Gefangenenhaus in der Josefstadt den einzigen Ort aufzusuchen, an dem er zu guter Führung fähig ist.