Freitag, 27. Mai 2011

Die ÖH-Qual, oder: Eine Nachbesprechung.

Also doch noch einmal ÖH-Wahl. Jetzt, nachdem alle Zettel verteilt, alle Kugelschreiber verschenkt und jeder Slogan an den Mann/die emanzipierte Frau gebacht wurde, raffe ich mich auf um diese Großmutter aller Wahlschlachten zu rekapitulieren. Die Vorbesprechung der ÖH-Wahl hätte mir persönlich ja schon gereicht.

Als Braver Staatsbürger und Student bin ich natürlich wählen gegangen, hatte aber noch nie so ein ungutes Gefühl dabei. Man war in den Tagen und Wochen vor der Abstimmung tatsächlich gut beraten in Uninähe ein Speibsackerl mitzuführen. Denn die dargebotenen politischen Inhalte und Nichtinhalte konnten einen gelegentlich schon zur Regurgitation treiben. Vielleicht ging es den etwa 72% der Studenten, die nicht wählen gegangen sind ja auch so.
Ich jedenfalls habe mich Mittwochabend nach der Arbeit in mein Institut geschleppt. Wo mir prompt mitgeteilt wurde, dass Doktoranden am Campus zu wählen hätten. Nach einer beengten Straßenbahnfahrt zur Stoßzeit am Campus angekommen und nach längerem Suchen nach dem Wahllokal fündig geworden, teilt mir die aus drei Kerlen bestehende Wahlkommission mit, dass ich nicht auf der WählerInnenliste stehe. Ich nehme an sie waren sich der Abstrusität, dass vier Angehörige des männlichen Geschlechts untereinander gendergerechte Sprache verwenden nicht bewusst. Jedenfalls sagte man mir ich sei nicht der erste, der nicht auf der Liste stünde und ich müsse mich zur Hauptwahlkommission auf der Hauptuni begeben. Gesagt, getan und zurück zum Ring. Die kahlrasierte Spitzenkandidatin der Grünen war dabei so freundlich mir den Weg zu zeigen. Dort angekommen: „Du stehst ja auf der Liste! Aber du musst nicht am Campus sondern im Hauptgebäude wählen.“ Ich schlage vor die Wahlkommissionen am Campus und im NIG anzurufen, damit die wissen, wer bei ihnen wählen darf und wer nicht. „Gute Idee!“ bekomme ich zur Antwort, verzichte aber darauf eine Honorarnote für meine Beratertätigkeit zu stellen. Endlich im Wahllokal angekommen - Punkt vier meiner unendlichen Reise zur Stimmabgabe - bekomme ich den Stimmzettel, aber nur einen weil es keine Doktoratsvertretung Politikwissenschaft gibt; es hat sich nur Einer aufstellen lassen. In der Wahlzelle liegen Wahlwerbekulis der Aktionsgemeinschaft (AG) herum. Ich mach mein Kreuz und bring der Kommission das politische Schreibwerkzeug. Wahlwerbung ist in Wahllokalen verboten und Ordnung muss sein. Der Rain Man in mir ist zufrieden. Hätte aber jeder den gleichen Weg für die Stimmabgabe zurücklegen müssen, die Wahlbeteiligung wäre womöglich noch niedriger ausgefallen.

Das Wahlergebnis hingegen war weniger überraschend: Seit Elisabeth Gehrer die ÖH-Wahlordnung ändern ließ, wird die Bundesvertretung nicht mehr direkt gewählt, auch deshalb ist die ÖVP-nahe AG immer stimmenstärkste Partei. Aber sie hat mit 30,8% der Stimmen und 23 von 96 Mandaten auch den meisten Zuspruch bekommen und das kann man ihr nicht abstreiten. Leicht verloren haben die Grünen (GRAS) mit 18,7% und 14 Sitzen, einem weniger. Wahlsieger ist der Verband Sozialistischer Student_innen Österreichs (VSStÖ) der mit 17,5% der Stimmen auf 12 von 96 Mandaten kommt und den dritten Platz belegt. Die Fachschaftslisten erzielten 16,4% erhalten aufgrund der Wahlarithmetik aber 15 Mandate, was die nach Stimmen Vierten zur mandatsmäßig zweitstärksten Fraktion macht. Den Liberalen (JuLis) gelang mit drei Sitzen (4,2%) der Wiedereinzug. Sie profitierten vor allem vom schlechten Abschneiden der AG auf der WU-Wien, wo diese 10,3% verlor und die JuLis 7,7% gewinnen konnten. Mit 55% hält die AG jedoch nach wie vor die absolute Mehrheit auf der Wirtschaftsuniversität. Je ein Mandat in der Bundesvertretung geht schließlich an den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) mit 2,9% und die beiden kommunistischen Streitfraktionen KSV (2,0%) und Lili (1,9%), was einen wenig wundert, weil einerseits das Wählerpotential für die Liste des Führers endenwollend und es andererseits schwer ist GRAS und VSStÖ links zu überholen. Weiter Mandate verteilen sich auf Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen, die keine Parteilisten kennen.

Die Wahlverliererin Sigrid Maurer (GRAS) gab nach den ersten Hochrechnungen auch prompt den Grund für ihre Niederlage bekannt: „Wir haben zu wenig Propaganda gemacht“. Über zwei Jahre hinweg ihre Errungenschaften zu preisen sei aber nicht ihr Stil. Es sei aber leider nicht gelungen den Studierenden zu vermitteln, dass die „gute Arbeit“ [sic!] der Bundes-ÖH vor allem der GRAS zu verdanken sei.(Die Presse)

Dass die Wähler das vielleicht anders sehen könnten wäre der GRAS-Beauftragten für Propaganda und Volxaufklärung natürlich nicht eingefallen. Ihre Nachfolgerin als grüne Spitzenkandidatin Janine Wulz weiß zumindest der 28%-Wahlbeteiligung etwas abzugewinnen. Sie zeige „wie präsent die ÖH in den letzten zwei Jahren war.“(Der Standard) Klar, 28,38% sind im Verhältnis zu den  25,76% vor zwei Jahren schon ein Wahnsinnserfolg, vor allem wenn man sich mit slowakischen EU-Wahlbeteiligungen messen möchte. Darauf, dass einfach ein Gutteil der Studierenden die ÖH-Politik insgesamt als fleischgewordenen Antichristen der Demokratie und ihre Vertreter_innen als so sympathisch wie spanischen Gurkensalat empfinden könnten, kommt von den Marx-Sisters freilich keine. Aber was will man auch verlangen, wenn sogar der Bundeskanzler seine Freude über 28% Wähler nicht bremsen kann:
„Die gestiegene Wahlbeteiligung ist ein ermutigend positives Ergebnis der Mobilisierungskraft der Österreichischen Hochschülerschaft.“ Werner Faymann
Weniger was zu lachen haben freilich die Recken vom RFS. Obwohl von Parteiführer Strache im Wahlkampf unterstützt, vermochten sie mit ihren Anliegen („RFS wählen heißt Linke quälen“) nicht zur zukünftigen intellektuellen Elite des Landes durchzudringen. Eine Tatsache, die man als Demokrat und Anschlussgegner nur begrüßen kann. RFS-Chef Chlodwig Mölzer kommentierte seine bundesweit 2007 Stimmen wiefolgt:
„Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge: An der KFU in Graz und in Leoben konnten wir dazugewinnen.“ Chlodwig Mölzer (Der Standard)
Man fragt sich nur, wie der Spitzenkandidat zu diesen Schlussfolgerungen kommt. Freilich, in Leoben haben sich die Blauen - die dort scheinheilig als „Liste Leobner Studenten“ antraten - mit 21,6% zwar mehr als verdoppelt, in Graz hat der RFS aber 0,13% verloren.
Die Deutschnationalen Wehrmachtfans konnten also von der politischen Stimmung nur lokal profitieren und die Stimmen Frustrierten nur im Mikobereich anziehen. Dafür gelang es der Linzer Protestgruppe „No Ma´am“ mit 11% ein Achtungsergebnis zu erzielen. Die reine Männer-Liste wurde 1997 gegründet, weil einer ihrer Exponenten auf einem Uni-Fest wegen seines „No Ma´am“-Shirts von der ausschänkenden Frauenreferentin kein Bier bekommen hatte. So kann's auch gehn...

Dass man schon 11% der Stimmen bekommen kann, nur weil man artikuliert, dass man die permanente weinerliche Berufsopferhaltung und die feministische Ideologiediarrhö mancher ÖH-Vertreterinnen nicht mehr aushält,  sollte einem doch zu denken geben. Nicht, dass Frauenförderung nicht wichtig wäre, aber bitte im Sinne von Gleich- nicht von Überberechtigung. Wenn die Wiener ÖH-Vertretung mehre Zehntausend Euro für Genderforschung und 350.000€ für das  „Café Rosa“ in der Währingerstraße - ein Fünftel des Budgets der ÖH-Vertretung Uni Wien - ausgibt, darf man doch Zweifel an der Sinnhaftigkeit solcher Investitionen hegen. Um solche Projekte zu rechtfertigen wird ein homophob-rechtsradikales Stimmungsbild verbreitet. Als bräuchte es unbedingt einen Zufluchtsort für die tausenden geschlechtsverwirrten Kommunist_innen, die ansonsten täglich von der erbarmungslosen Masse der Kronenzeitungleser mit Heugabeln und Fackeln durch die Straßen Wiens gejagt werden.
Aber wer geht nicht gern in so ein antikapitalistisches selbstverwaltetes Café, das laut Stellenausschreibung besonders „antiklerikale“ Kellner_innen sucht? Der ÖH-Vorsitz ist dabei überzeugt, dass sich das Lokal bald von selbst tragen wird. Bei Angeboten wie „Afrikanisches Buffet - zahl soviel es dir wert ist“ steht das selbstverständlich außer Zweifel. Was die ideologische Bedeutung so eines Beisels betrifft, sind die Studentenvertreterinnen aber ungemein realistischer:
„Natürlich wird ein Raum alleine nicht die nächste Revolution mit sich bringen, dennoch kann dieser ein Teil zum Beginn kritischen Denkens und Handeln beitragen.“ Café Rosa
Ganz aufgeben kann man den Anspruch auf korrekt-linke Politik dann aber doch nicht. Das Studentenlokal ist per Eigendefinition „basisdemokratisch, feministisch, antisexistisch, progressiv, antidiskriminierend, antirassistisch, emanzipatorisch, ökologisch-nachhaltig, antifaschistisch, antinationalistisch, antiklerikal, antipatriarchal, antiheteronormativ, antikapitalistisch und solidarisch.“ Wenn neun von 15 Adjektiva mit anti- beginnen, könnte man das Gefühl bekommen, dass man sich dort hauptsächlich über das definiert, was man nicht ist. Abgesehen davon ist es doch reichlich paradox 350.000 € in einen antikapitalistischen Ideologie-Heurigen zu stecken. Aber bitte, Hauptsache man kümmert sich um das Wesentliche zuerst: Wer auf der Homepage des Cafés auf „Menu“ klickt, erhält als Meldung: 
„Speisekarte Demnächst online!“

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