Montag, 16. April 2012

Gegrüßet sei Moroni, oder: auf der Suche nach der wahren Religion

Jesus, Mohammed, Buddha und Shiva
Zwei Dinge haben mich im Wesentlichen daran gehindert in den letzten Wochen hier so regelmäßig Stuss zu publizieren, wie ich das gewöhnt bin: Arbeit und Urlaub. Weil ich vom einen weniger, vom anderen aber dafür umso mehr gebrauchen konnte, habe ich mich an dieser Stelle - schweren Herzens aber doch - zurücknehmen müssen. Hier bin ich nun aber wieder und beleidige Ihre Intellekt mit den gewohnten hohlen Phrasen, mutwilligen Unterstellungen und meiner grassierenden Legasthenie:

Der ausgeprägte menschliche Psychomasochismus und das darin manifestierte Bedürfnis nach Größerem haben eine unüberschaubare Zahl an Religionen, Glaubensrichtungen und Lehren hervorgebracht, die zwar allesamt nicht beweisbar sind, aber um die es sich umso besser streiten lässt. Die Religionen haben in diesem Sinne schon recht viele Leute nachweislich ins Grab, aber nur mutmaßlich einige von denen auch in den Himmel gebracht. Wir werden uns aber heute nicht mit so mühsamen Dingen wie Trinität vs. Arianismus, Schia gegen Sunna oder Transsubstantionslehre contra Realpräsenz einlassen. Nein, wir beschäftigen uns mit den wenigen spaßigen Seiten der Religion, soll heißen mit jenen Aspekten, die derart absurd sind, dass die letzte bigotte Waldviertlerin noch ungläubig den Kopf schütteln würde: Wir suchen im Gewirr der Weltanschauungen die einzig wahre Religion.

Da gibt es zum Beispiel die allseits bekannte Bewegung der Schweizerin Erika Bertschinger-Eicke, die sich „Uriella“ - leicht zu verwechseln mit einem ähnlich heißenden Emanzipationsprodukt - nennt. Ihre Heilsgeschichte begann sehr passend mit einer schweren Kopfverletzung, die sie sich beim Reiten zugezogen hatte. Zu Weihnachten 1975 erschien dann der stets weiß gekleideten und dezent geschminkten Frau schließlich Jesus - weil das ja auch sein Geburtstag ist - und offenbarte ihr so einiges, das sie in der Folge beflissentlich an ihr Spinnerklientel - konzentriert in dem von ihr gegründeten Orden „Fiat Lux“ - weitergab. Unter anderem wurde der Strich-Code als teuflich verflucht und auf allen Produkten mit einem Kreuzpickerl überklebt. Gerne lud die wahnsinnige Sektemutter auch in ihrer Badewanne Wasser mit dem sogenannten „Athrumstrahl“ auf, woraufhin es deutsche Gesundheitsbehörden wegen Verkeimung für ungenießbar erklärten. Ihr Göttergatte, der sich selbst „Incordo“ nennt und zur Erheiterung der Glaubensgeschwister auch gerne als „Mr. Tomatoe“ in einem Paradeiserkostüm herumhüpft, hat mittlerweile die Führung der stark dezimierten Gruppe übernommen, nachdem seine wegen Zoll- und Steuerhinterziehung vorbestrafte Frau schwer krebskrank ist und nach Informationen von Aussteigern im Sterben liegt. Dennoch beharrt „Incordo“ darauf, dass Uriella die Erfüllung ihrer Prophezeiungen - die Mitglieder von „Fiat Lux“ werden durch Raumschiffe gerettet, während die Erde untergeht und gereinigt wird - noch selbst erleben wird. Wer sich für weitere spannende Theorien der grenzdebilen Gotteskinder interessiert, sollte sich ihr einschlägiges Werbevideo zu Gemüte führen.

Wer andererseits gern seinen Ehepartner vom Sektenführer persönlich ausgesucht bekommt, sollte sich überlegen der „Vereinigungskirche“ von Sun Myung Moon beizutreten. Dieser lässt sich als Messias und gemeinsam mit seiner Frau als „Wahre Eltern“ verehren. Addiert man ihre 14 Kinder hinzu, ergibt das - richtig geraten - die „Wahre Familie“. Moon kontrolliert nicht nur die Washington Times und den Sushi-Handel in den USA, sondern verfügte auch über blendende Beziehungen zum Nordkoreanischen Diktator Kim Il Sung und etlichen anderen Staatsmännern. Wer sich gerne vor einem Altar mit Moons Bild verneigen möchte, findet im Hause des zweiten Messias - einem dem Kapitol ähnlichen Gebäude auf einem Berg in Südkorea - sicherlich geneigte Aufnahme.

Etwas älter, aber mindestens so verschroben sind die Mormonen. Deren Prophet Joseph Smith erschien 1820 der Engel Moroni - von dem bis dahin noch niemand gehört hatte - und offenbarte sich ihm. Schließlich führte er Smith zu einer Stelle an der er Goldplatten und Sehersteine fand, mit deren Hilfe er die ihm unbekannte Schrift auf den Platten übersetzen konnte. Es stellte sich heraus, dass die amerikanischen Ureinwohner in Wahrheit Angehörige verschollener Stämme Israels waren, deren Haut als Strafe Gottes dunkel gefärbt worden war. Smith gründete die "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage" und fantasierte weiter munter vor sich hin, bis er schließlich von einem aufgebrachten Mob gelyncht wurde. Das an und für sich beste Glaubensargument seiner Gruppe, die von etlichen Mormonen anfänglich praktizierte Vielweiberei, fiel jedoch später dem Pragmatismus seiner Nachfolger zum Opfer. Als Die USA das Ende der Polygamie zur Bedingung für die Aufnahme Utahs als vollwertiger Staat in die Union machten, hatte der amtierende Kirchenpräsident glücklicherweise eine Vision, die ebenselbes vorsah. Seit dem sind die Mormonen nur noch als biedere Anzugträger bekannt, die nach Deutsch-Crash-Kursen am heimatlichen Salzsee nach Europa geschickt werden um "mit Ihnän uber Gott su spräcken". Wenn Sie aber Wert darauf legen, dass auch Ihre verstorbenen Verwandten ewiges Seelenheil erfahren und auf einem fernen Planeten als Götter wandeln können, dann ist ein Beitritt zum Mormonentum, das die sogenannte Totentaufe gern auch an Opfern des Holocaust wie Anne Frank vornimmt, durchaus überlegenswert.

Sollte Ihnen aber das alles nicht zusagen, bleibt Ihnen nur noch der Eintritt in das "Königreich des Himmels" oder "Kerajaan Langit", wie Ariffin Mohammed die von ihm in Malaysia gegründete religiöse Bewegung nennt. Er hat den theosophischen Synkretismus auf die Spitze getrieben und lässt sich von seinen Anhängern als Inkarnation von Jesus, Mohammed, Buddha und Shiva verehren. Damit sich auch Schiiten nicht ausgeschlossen fühlen, gilt er gleichzeitig noch als der Zwölfte Imam und wird - um dem ganzen Inkarnationssammelsurium ein schönes Überdach zu geben - als "König der Himmel" bezeichnet. Der Sektenführer - auch Ayah Pin, "Vater Pin" genannt - ließ sich besonders gerne in einem Betonboot verehren und hat auch sonst einen ausgefallenen Geschmack, was religiöse Symbolik betrifft: Auf dem Gelände seiner Bewegung standen neben einem überdimensionalen gelben Sonnenschirm, unter dem man Zuflucht bei Gott nehmen konnte, auch eine gigantische blaue Vase und ein riesiger cremefarbener Teekessel, aus denen heiliges Wasser floss. Weil in Malaysia aber zum Teil die Scharia gilt und sich die örtlichen Behörden nicht von der Wiederkehr des Propheten oder des Mahdi überzeugen lassen wollten, wurden die drei heiligen Gegenstände auf Anweisung der Regierung 2005 zerstört. Sollte Sie das jedoch nicht abschrecken, finden sie die verbliebenen 24 Mitglieder der Gruppe und ihren neuen Führer, einen ausrangierten Polizisten, im thailändischen Exil.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen