Montag, 10. Juni 2013

Golanorama, oder: Warum es besser war zu gehn.

Österreich zieht seine Truppen vom Golan zurück. Nach fast 40 Jahren Friedensmission hält die Bundesregierung das Sicherheitsrisiko für die heimischen Soldaten für nicht mehr überschaubar. Zunächst waren das Echo der internationalen Gemeinschaft und der Medien von bedauerndem Verständnis geprägt, doch jetzt schlägt die Stimmung in Häme um. Warum das Bundesheer den Golan trotzdem rasch verlassen sollte:

Als Israel im Sechstagekrieg 1967 von seinen arabischen Nachbarn angegriffen wurde, gelang es ihm die syrischen Truppen vom strategisch wichtigen Golan zu vertreiben und die Anhöhe dauerhaft zu besetzen. Der UNO-Sicherheitsrat empfahl noch im selben Jahr mit seiner Resolution 242 den Rückzug der israelischen Truppen im Abtausch mit einer Existenzgarantie durch die Nachbarstaaten. Keine der involvierten Seiten zeigte jedoch Interesse an solch einem Abkommen, womit der Status Quo einzementiert wurde. Um die Angespannte Lage zwischen den Konfliktparteien zu kontrollieren entsandten die Vereinten Nationen 1974 eine Beobachtermission auf den Golan, nachdem dort eine Pufferzone zwischen Syrien und dem besetzten Gebiet eingerichtet werden konnte. Die Lage verschärfte sich erneut, als Begin und Scharon 1981 in der Knesset ein Gesetz durchbrachten, mit dem der Golan de facto annektiert wurde. Die UNO erließ daraufhin die Sicherheitsratsresolution 497 und stellte fest:
„...that the Israeli decision to impose its laws, jurisdiction and administration in the occupied Syrian Golan Heights is null and void and without international legal effect.“
An der Lage am Golan änderte sich dadurch trotzdem wenig. Auf der einen Seite züchteten israelische Siedler Wein und Gemüse, auf der anderen weideten arabische Nomaden ihr Vieh. Dazwischen standen ein paar hundert Österreicher und schauten durch ihre Ferngläser.  Das UN-Mandat entwickelte sich in der Folge zu einem der langfristigsten und wurde 39 Jahre lang alle sechs Monate verlängert. Den österreichischen Soldaten war vor allem eines: fad. Während es zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon immer wieder kriselte war der Golan jahrelang die ideale Gelegenheit um als Zeitsoldat gutes Geld zu verdienen. Keine renitenten Albaner und Serben wie im Kosovo und ein gemütliches Fernglas-Mandat mit nur beschränkten Eingriffsrechten. 

Dann kam der syrische Bürgerkrieg und mit ihm wurde der beschauliche Beobachtungsauftrag zum Problem. Nach negativen Erfahrungen in der Vergangenheit ist der Sicherheitsrat mittlerweile dazu übergegangen nur noch sogenannte „robuste Mandate“ nach Kapitel VII. der Charta der Vereinten Nationen zu erteilen. Solche Mandate erlauben es den Blauhelmen den gefährdeten Frieden notfalls mit Waffengewalt durchzusetzen. Die Golan-Mission basiert allerdings auf dem VI. Kapitel der UN-Charta nachdem der Sicherheitsrat nur Empfehlungen aber keine bindenden Beschlüsse abgeben kann. Die Soldaten stehen daher herum und schauen zu, wie zum Beispiel in Srebrenica. Eine Aufwertung des Mandates für die Truppen am Golan wurde immer wieder diskutiert, aber letztlich bis dato nicht beschlossen. Dass die österreichische Bundesregierung auf Basis einer so schwachen Rechtsgrundlage ihre Militärangehörigen nicht länger der Gefahr bewaffneter Überfälle von syrischen Rebellen oder gar einem Konflikt mit Israel aussetzen wollte, ist verständlich. Das Ende des europäischen Waffenembargos gegen Syrien unterstreicht die Notwendigkeit dieser Entscheidung zusätzlich.

Abseits der völkerrechtlichen, humanitären und militärischen Überlegungen wird im Vorfeld und nach solchen Entscheidungen immer politisches Kleingeld gemünzt. Michael Spindelegger ist es gelungen sich öffentlichkeitswirksam - zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt als Außenminister - zu profilieren. Nicht einmal ein Anruf von US-Außenminister Kerry konnte ihn davon abhalten den Truppenabzug letztlich zu befürworten. Die SPÖ konnte in dieser Sache nur in viel geringerem Umfang Aufmerksamkeit erlangen, obwohl sie nicht nur den Bundeskanzler und den Oberbefehlshaber des Bundesheeres, sondern auch den Verteidigungsminister stellt. Dass sich der Außenminister zum Teil massiv in militärische Führungs- und Bewertungsfragen eingemischt hat, stieß beim Koalitionspartner auf kein hörbares Echo.
Auch Israel verfolgt letztlich nur Eigeninteressen, wenn es nun den österreichischen Rückzug kritisiert. Das Land, so Premierminister Benjamin Netanjahu, könne eben nur selbst für seine Sicherheit sorgen und dürfe sich nicht auf andere verlassen. Mit Blick auf die sozial und finanziell angespannte Lage weiter Teile der israelischen Gesellschaft dient diese Aussage wohl nicht nur der inneren Festigung seines Landes sondern auch als Warnung vor einer militärische Austeritätspolitik. Die Stimmen der Dankbarkeit für den beinahe 40 Jahre andauernden Friedenseinsatz des Bundesheeres verstummten im Geplänkel der israelischen Innenpolitik daher schnell.

Letztlich hat es sich die heimische Politik aber nicht leicht gemacht. Der Abzug wurde immer wieder hinausgeschoben, man wollte es sich mit der UNO, den Amerikanern und Israelis nicht verderben. Die desaströse Vorstellung im Wahljahr rot-weiß-rot beflaggte Holzkisten vom Golan heimfliegen zu müssen erwies sich aber letztendlich als gefährlicher, als die Weltgemeinschaft vor den Kopf zu stoßen. Einen weitreichenderen Konflikt hätten die Blauhelmsoldaten unter dem gegebenen Mandat ohnehin nicht verhindern können. So hat die österreichische Schrebergartenpolitik vielleicht immerhin Verluste auf deren Seite verhindert.

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