Montag, 30. September 2013

Das Leben geht weiter, oder: Warum das Ergebnis der FPÖ kein Weltuntergang ist

Uh ah, die FPÖ hat 21,4% bekommen, laut vorläufigem Endergebnis, der Stronach ist auch drinnen und überhaupt... wie schrecklich. Die Steiermark haben sich die Blauen auch noch geholt. Dabei hat die FPÖ nur ihr latent vorhandenes Potential ausgeschöpft. Man darf auch nicht vergessen, dass sie 1999 bereits bei fast 27% lag und gemeinsam mit dem BZÖ nach der letzten Wahl 2008 auf über 28% kam.

Österreich ist grundsätzlich ein rechts-konservatives Land mit leichter Verführbarkeit zum Populismus. Das war es schon immer. Natürlich verschreckt es, wenn man bedenkt, dass die SPÖ nach dem vorläufigen Ergebnis dieser Wahl nur 0,19% vor dem besten Ergebnis der FPÖ von 1999 liegt, aber der Eindruck es habe einen Rechtsruck gegeben oder die Verhältnisse seien schlimmer geworden trifft nicht zu. In Wahrheit waren sie, auch wenn das wenig tröstlich sein mag, schon immer so schlimm.

Die steirische Regierung hat bei dieser Wahl einen Sonderdenkzettell erhalten, im Übrigen einer der wenigen Fälle in denen Landespolitik eine Bundeswahl beeinflusst hat und nicht umgekehrt. Wenn sogar die Bürgermeister der eigenen Partei dazu aufrufen, diese nicht zu wählen ist das ein politisches Armutszeugnis. SPÖ und ÖVP haben - nicht nur in der Steiermark - vor allem ein Kommunikationsproblem. Sie können die Sinnhaftigkeit ihrer Politik nicht mehr vermitteln. Niemand hat sich die Mühe gemacht in die Gemeinden zu fahren und dort zu erklären: „Es ist bitter, aber es muss sein.“ Vielmehr hat man Zusammenlegungslisten von Graz aus veröffentlicht: Ein Todesurteil ohne Prozess und Begründung, so etwas rächt sich. Das Bild auf der Bundesebene ist ähnlich: Der SPÖ laufen die Arbeiter davon. 34% der Arbeiter wählten diesmal freiheitlich, nur 25% Sozialdemokraten. Gleichzeitig gingen nur 26% der Stimmen derjenigen, deren höchster Bildungsabschluss eine Lehre ist, an die SPÖ, aber 36% an die Blauen. Auch die Jungen wollen von den Regierungsparteien nichts wissen: Die FPÖ ist hier mit 23% stärkste Partei, die SPÖ kommt sogar nur auf Platz vier (siehe derstandard.at). Diese Situation lässt sich der politischen Unfähigkeit der großen Koalition zuschreiben, Politik auch als solche zu verkaufen. Ihre Versagen sind offensichtlich, die Erfolge verschwinden unkommentiert. Mehr als „die niedrigste Arbeitslosigkeit der EU“ dürfte bei den wenigsten hängen geblieben sein.

Das Wahlergebnis ist aber nicht nur durch Kommunikationsschwächen und Populismus zu erklären: Österreich ist strukturkonservativ. Die Werte der bürgerlichen und rechten Parteien haben sich in den letzten Jahren kaum verändert. Rechnet man deren Wahlwerte zusammen, kamen sie in den letzten Jahrzehnten immer über 50%. Nur 2006 lagen ÖVP, FPÖ und BZÖ zusammen prozentuell knapp unter der Hälfte der Stimmen, bei den Mandaten aber immer noch darüber. Daran hat sich auch mit dieser Wahl nichts geändert. Rechnet man die NEOS nicht dazu, hat der Stimmenanteil bürgerlicher, libertärer und rechter Parteien seit der Wahl 2008 um nur 0,44% zugenommen. Die Gefahr einer neuerlichen Regierungsbeteiligung der FPÖ ist immanent, sie war es aber auch schon vor fünf Jahren. Dass die ÖVP diesmal das Experiment einer Mitte-Rechts-Regierung eingeht ist aber aus mehreren Gründen unwahrscheinlich:
  • Eine Dreierkoalition wäre ein österreichisches Novum und mit vielen Risken verbunden. Man müsste neben der ohnehin volatilen FPÖ noch eine jener Parteien hinzunehmen, die bislang noch nicht im Nationalrat vertreten waren. Das Team Stronach wäre mit seiner EU-Fundamentalkritik, den mangelnden Personalreserven und dem wankelmütigen Vorsitzenden für die Schwarzen aber ebenso keine gute Wahl wie die NEOS, die sich nach dem Einzug ins Parlament erst profilieren müssen und mit der FPÖ noch größere Schwierigkeiten haben dürften, als die Volkspartei selbst.
  • Ein oft vergessenes Detail: Der Bundespräsident ernennt die Regierung und Heinz Fischer ist ein deklarierter Großkoalitionär. Wenn SPÖ und ÖVP über eine Mehrheit verfügen, dürfte es ihm nicht schwerfallen ihnen die gemeinsame Regierung aufzuzwingen.
  • Erwin Pröll will die große Koalition. Da laut Parteichef Spindelegger kein Blatt Papier zwischen ihn und die dunkelgraue Eminenz der ÖVP passt, dürfte deren Kurs damit klar sein. 
  • Auch der ÖVP sind die Eskapaden während der letzten Regierung mit den Freiheitlichen erinnerlich. Auch wenn man es nicht gerne zugibt: Es gibt auch Schwarze die sich für die Ausplünderung Österreichs unter den Kabinetten Schüssel schämen und dererlei lieber nicht wiederholt sehen möchten.
Summa summarum ist das Abschneiden der FPÖ für jeden einigermaßen intelligenten Österreicher ohne nazistische Reflexe ein unangenehmes Ärgernis, aber lange nicht die Katastrophe, als die es teils dargestellt wird. Es ist vielmehr der Auswuchs einer hilflos-dämlichen Regierungspolitik, der grundsätzlichen Populismusanfälligkeit der Österreicher und eines rechtskonservativen Grundklimas in diesem Land. Diese Infektion schlummert schon lange, jetzt ist sie nur wieder einmal offen ausgebrochen. Die FPÖ ist nur das Fieberthermometer mit dem man den Schweregrad von Morbus Austriacus misst. Früher oder später wird sie sich wieder selbst zerfleischen, die Krankheit aber wird bleiben.

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