Dienstag, 8. März 2011

Die Gleichheit die ich meine, oder: Herbert, trink das nicht!

Man muss die Frauen schon verstehen. Da legt man ihren Feiertag ausgerechnet auf den Faschingsdienstag, das Datum für aufgesetzte Fröhlichkeit und alkoholische Triebauslebung. Wie soll ma da besinnlich an 100 Jahre Frauenbewegung denken? Nein, das wird kein polemischer Artikel und das kostet mich Mühe, denn über kaum etwas kann man so polemisieren wie über den Geschlechterunterschied. Sie finden in mir keinen Frauenfeind, auch wenn meine Klassenvorständin meinen Mitschülern und mir im zarten Alter von 11/12 Jahren Dinge erklärte wie „Jeder Mann ist ein potentieller Vergewaltiger.“ Und auch wenn immer nur - wenn auch nicht immer nur unverdient - Buben im Klassenbuch landeten, bin ich heute kein Gegner der Emanzipation, weil ich gelernt habe sie vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus zu sehen.

Und von diesem Standpunkt aus ist noch viel zu tun. Das sagen nicht nur die Frauen, aber erreicht haben sie bisher doch auch einiges: Vorbei sind die Zeiten, als sie als Suffragetten ihr Wahlrecht auf der Straße einforderten. Seit 1991 dürfen sie sogar im Schweizer Kanton Appenzell-Innerrhoden ihre Stimme abgeben. Schon seit 1975 brauchen sie in Österreich nicht mehr die Unterschrift ihres Ehemannes, wenn sie arbeiten gehen wollen und Abtreibungen sind jetzt auch legal.
Die Diskriminierungen waren damals noch sehr vehement: Der Mann war explizit das Familienoberhaupt. Wenn die Frau den Haushalt nicht ordentlich führte, war das ein gesetzlich anerkannter Scheidungsgrund. Nach Eheauflösungen durften Frauen - und nur diese - zehn Monate lang keine neue Ehe eingehen. Wer ungewollt schwanger wurde musste sich einen Kurpfuscher suchen oder viel Geld für einen Arzt ausgeben, der im Hinterzimmer illegal Schwangerschaftsabbrüche vornahm. Wenn man heute davon spricht, dass es zwischen Männern und Frauen eine Einkommensschere gibt, dann deshalb, weil Frauen eher in Niedriglohnberufen arbeiten, was auch nicht zu begrüßen ist. Ein Mann im selben Job erhält aber nicht mehr Gehalt. Auch das war früher anders. Meine Großmutter war Schweißerin in einem Metallverarbeitungsbetrieb und damit gelernte Facharbeiterin. Damals wurden dafür gezielt Frauen angeworben, weil man ihnen weniger bezahlen musste. Der Hilfsarbeiter, der meiner Oma die Bleche vorlegte hatte ein höheres Einkommen als sie, nur weil er ein Mann war und diese Diskriminierung war völlig legal. Bis 1989 war Vergewaltigung in der Ehe überhaupt nicht strafbar, dannach bis 2004 nur als priviligiertes Unterdelikt der Vergewaltigung, also mit geringerer Strafandrohung. Die Frauen hatten einen steinigen Weg vom Einrichtungsgegenstand zur gleichberechitgten Partnerin zurückzulegen.

Die Zeiten der gesetzlichen Unterdrückung sind nun vorbei, oder neigen sich gottseidank dem Ende zu und daher schielt das kritische Frauenauge auf neue Baustellen, wie die Quotenregelung: Ich war zugegeben nie ein Freund von Quoten, denn Quoten bedeuten Auslese aufgrund von Merkmalen, für die der Ausgewählte nichts kann. In gewisser Weise ist das auch immer ein Qualitätsverlust. Nehmen wir ein Beispiel: Kennen Sie Verena Remler? Nein? Sie ist Staatssekretärin für Familienangelegenheiten und ein vierfaches Quotenprodukt. Als die massiv erfolglose dröge Dauergrinserin Christine Marek sich nach ihrem 13% Wahldebakel in den Wiener Landtag verabschiedete, musste für sie eine Nachfolgerin her. Weil die Optik schlecht ist, wenn man eine Fau durch einen Mann ersetzt, musste sie jedenfalls weiblich sein. Weil die Tiroler sich schon zu Beginn der neuen Regierungskoalition beschwert hatten, kein Amt in Wien zu haben, musste sie auch Tirolerin sein. Weil Marek von der ÖVP war, stand natürlich auch außer Frage, dass die Nachfolgerin eine Schwarze sein musste. Aufgrund des ÖVP-internen Proporzes konnte es dann aber nur eine ÖAAB-Funktionärin sein, musste also vom Arbeitnehmerflügel kommen. Da war dann guter Rat teuer. Nachdem eine quotenmäßig geeignete Landesrätin abgesagt hatte, kam man schließlich auf die Stadträtin aus Lienz: Verena Remler. Ihre persönliche Eigung spielte bei ihrer Auswahl praktisch keine Rolle. Sie musste im Prinzip nur stubenrein sein und Armin Wolf beim Interview nicht beißen.
Man merkt: Über Quoten betreibt man nicht unbedingt Exzellenzmanagement. Die Münze hat aber natürlich auch eine andere Seite: Heute sind zum Beispiel mehr als die Hälfte der Studenten Frauen, trotzdem sind sie im universitären Mittelbau nur spärlich, bei den Professoren kaum und bei den Rektoren fast gar nicht vertreten. Man kann jetzt natürlich davon ausgehen, dass in etwa 30 Jahren der Großteil des Universitätspersonals weiblich sein wird, dass man aber damit schwerlich Leute trösten kann, die seit 100 Jahren für Gleichberechtigung kämpfen, mag man jedoch auch verstehen. Letztendlich kann die Frauenquote ein Einstiegsinstrument sein, aber niemals eine Dauereinrichtung. In Schweden wurde sie in manchen Bereichen bereits wieder abgeschafft, weil sie den Frauen schadet. 

Und damit kommen wir zum nächsten Problem: Wie weit geht Emanzipation, bis sie ins Gegenteil bricht? Sind Frauenquoten nur solange gut, bis sie die Frauen daran hindern mehr als die Hälfte vom Kuchen zu bekommen? Wie weiblich muss die Gesellschaft insgesamt werden und gibt es auch einen Femi-Chauvinismus? Das soll jetzt keine Angstmache werden, wie sie vielleicht an Kärntner Stammtischen betrieben wird, aber zur Verdeutlichung auch hier ein Beispiel: 
Wir - vielleicht auch nur die Männer - amüsieren uns heute über brachial politisch unkorrekte Werbung aus früheren Jahrzehnten, in denen der Mann nachhause kommt und die Frau ihm Patschen und Zeitung bringt. Keine Firma würde sich heute mehr trauen so ein Werbesujet zo machen. Die Grenzen des politisch Erlaubten haben sich - in den allermeisten Fällen gottseidank - zugunsten der Frauen verschoben. Schon als man die Operntoilette am Ring mit Pissoires in Form von Frauenmündern ausstattete, war die Empörung so groß, dass sie wieder abgebaut werden mussten. Andererseits gibt es aber sehr wohl Werbung, die Männer als Vollpfosten darstellt. Zum Beispiel diesen knapp an der Idiotie vorbeigeschrammten Familienvater und Ehemann, der neuerdings mit Gorillablick versucht auf dem Gemüsemark die tollen Acerolakirschen zu kaufen, aus denen das angepriesene Joghurtprodukt angeblich zum Teil besteht. Kurz bevor er in dummheitbedingte Depressionen verfällt, weil die Verkäuferin ihn nicht versteht, rettet ihn seine Frau vom Format einer Helena Bonham Carter als Bellatrix Lestrange mit einem Joghurtdrink vor der Verzweiflung und dem immunologischen Supergau. Man stelle sich den Spot mit geschlechtervertauschten Rollen vor. Ein Mann der seine dumme Frau mit Befehlston zum Joghurttrinken bringt. Man stelle sich auch vor, wie drei Männer mit Schokopralinen vor dem Fernseher sitzen und kreischend aufspringen, weil der Kerl im Video gerade seiner untreuen Freundin - die ihn eher weniger mit Eike, Nicole und Babette betrogen haben dürfte und schon gar nicht Mit Carole, seiner Schwester - ordentlich eine reinbrezelt, der dreckigen Schüftin. Auch sexistische Werbung gibt es mittlerweile zuhauf für beiderlei Geschlecht. Da stehen sich Magermodells und Waschbrettbauchfuzzis um nichts nach. Aber man sieht: Heute sind manche Dinge in die eine Richtung möglich, in die andere aber nicht mehr. Ob das gut ist, soll jeder für sich beurteilen.

Genauso kann sich jeder die Frage stellen, warum nur Männer den Präsenz- oder Zivieldienst ableisten müssen und warum Frauen gesetzlich fünf Jahre und effektiv noch früher in Pension gehen können als Männer, obwohl sie länger leben. Das alles mit Kindererziehungszeiten zu rechtfertigen ist lächerlich. Man kann nicht einerseits schreien „Verbrennt die Putzfetzen“ und dann andererseits im Geschäft Putzfetzenrabbat einfordern. Gleichberechtigung heißt auch Gleichverpflichtung und man kann nicht am einen Rad der Gesellschaftsmaschine drehen, ohne am anderen mitzujustieren.

Wir dürfen uns weder der Illusion hingeben, dass die Gleichberechtigung bereits erreicht wäre - denn das ist sie nicht - noch jener Vorstellung, dass eine von Frauen regierte Welt eine floral ausgeschmückte Gynarchie wäre, in der alle nur noch Kombucha trinken und InTouch lesen.
Warum ist es nicht so, dass der Karenzanspruch 50:50 zwischen Mann und Frau aufgeteilt wird und jeder jeweils nur diese Hälfte konsumieren kann? Warum steht in allen Texten jetzt ÖsterreicherInnen, das man wie Österreicherinnen liest und wo bleiben jetzt die Österreicher? Befördert es die Emanzipation wirklich, wenn man „man/frau“ oder „mensch“ statt „man“ schreibt? Warum gibt es bei Unibesetzungen Bereiche in denen Männer nicht sitzen dürfen, aber keine wo Frauen nicht hinkönnen? Warum muss sich eine 75-jährige Frau von ihrem antiquierten Nachbar noch als Fräulein ansprechen lassen, nur weil sie nicht verheiratet ist? Warum dürfen bei Diskussionen immer nur abwechselnd Männer und Frauen sprechen und nicht die, die gerade etwas zur Sache zu sagen hätten? Warum ist die Erforschung des Geschlechts ein Wissenschaftszweig, der in jedes Studium einfließen soll und warum ist das mit Theaterwissenschaften und Molekularbiologie nicht so? Wie kann heutzutage noch jemand wie Silvion Berlusconi dauerhaft und öffentlich die Würde der Frau angreifen und trotzdem gewählt werden?

Vielleicht sind das Fragen, die wir uns in Zukunft nicht mehr stellen müssen. Für den Moment aber sind sie noch sehr aktuell. Wir haben eben noch einen weiten Weg zu gehen, gemeinsam - so steht zu hoffen.

„Wenn eine Frau zu Hause bei den Kindern bleibt, ist sie ein unemanzipiertes Muttchen, geht sie schnell wieder in den Beruf, ist sie eine herzlose Karrieristin.“ - Harald Martenstein

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