Montag, 20. Juni 2011

Der Pleitehellenismus, oder: Fürchtet die Griechen, vor allem wenn sie Geschenke erzwingen.

Griechenland ist praktisch pleite. Viele haben es gewusst, schon lange, nur haben alle gehofft, dass es doch noch irgendwie gutgehen wird. Irgendwie gut werden die Dinge aber nur in Märchen und die Griechen sind keine Experten in Sachen Märchen, sie sind groß beim Mythenstricken und die enden bekanntermaßen meist weniger rosig.

Nun, die alten griechischen Tragödien sind sicherlich weniger platt als die Geschichten der Gebrüder Grimm und es floss wenigstens reichlich Blut. Heute würden sich die Neohellenen aber wohl lieber eine Goldmarie wünschen, als ein Drama von Aischylos. Das Staatsschiff der Hellenischen Republik befindet sich mitten auf dem Styx und daran sind die Griechen mehrheitlich selbst schuld.

Ein Land, in dem es ein noch unterentwickelteres Unrechtsbewusstsein in Hinblick auf Steuerhinterziehung als in Österreich gibt, kann früher oder später nur den Bach runter gehen. Vor ein paar Monaten haben die Griechen, man höre und Staune, die Registrierkassenpflicht eingeführt, damit auch nachprüfbar wird, wie viele Waren zu welchem Preis den Besitzer wechseln. Dass viele Händler nach wie vor eine „Extralade“ haben und die Registrierkasse nur bei Zeiten einsetzen, ist natürlich eine andere Geschichte. Auch, dass der Staat nun Hubschrauber nutzt, um poolbesitzende und sportwagenfahrende Steuersünder in den Vorortvillen ausfindig zu machen, ist zwar löblich, aber im Endeffekt nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und auch wenn von den 151 Ärzte im noblen Athener Vorort Kolonaki, von denen 29 im Jahr 2008 dem Finanzamt ein Jahreseinkommen von unter 20.000 € und 34 ein Einkommen von unter 10.000 € meldeten, jetzt einige ordentlich nachzahlen müssen, rettet das noch nicht den griechischen Haushalt.

Ein Staat kann nicht funktionieren, wenn seine Bürger der Meinung sind, dass er nur zum bescheißen da ist. Was in Griechenland vorherrscht ist ein tödliches Konglomerat aus Nepotismus, Anspruchsdenken und Verantwortungslosigkeit.

So waren Lizenzen für Benzintankwagenfahrer bis vor kurzem limitiert und verkäuflich. Die Folge: Wer eine besaß war ein gemachter Mann und konnte sie bei Pensionsantritt - was in Griechenland noch früher der Fall ist, als hierzulande bei den Bundesbahnen - für ein Heidengeld weiterverscherbeln. Jeglicher Versuch das Kraftstofflieferantenkartell aufzubrechen endete in der Vergangenheit mit Streiks und der energetischen Lahmlegung des Landes. Dasselbe galt auch für andere Berufsgruppen, die zu den sogenannten „geschlossenen Berufen“ zählten. Apothekern wurde vom Staat etwa eine Gewinnspanne von mindestens 35% garantiert, die gleichfalls limitierten Apothekenlizenzen konnten beim Gang in den Ruhestand für etwa 500.000 € pro Stück weiterverkauft werden. Der Staat ging bei diesen Geschäften leer aus.

Eine weitere Ungeheuerlichkeit ist, dass nach wie vor ledige oder geschiedene Töchter von hohen Staatsbeamten nach deren Tod die Pension ihres Vaters oder ihrer Mutter weiterbeziehen können. Wer als öffentlich Bediensteter einen Computer benutzt, eine Fremdsprache spricht und pünktlich zur Arbeit kommt, erhält einen Monatsbonus von 1.300 €. Immerhin, man bemüht sich: Der griechische Staat will jetzt mittels Erhebung feststellen lassen, wie viele Beamte er eigentlich beschäftigt.

Zudem verfügt das Land über eine stattliche Anzahl von Kommissionen und Ausschüssen, die wohl ebenso stattlich bezahlt werden dürften. Der Kopaiassee etwa wird von einem gesonderten Gremium betreut, obwohl er seit dem späten 19. Jahrhundert ausgetrocknet ist.

Weil man sich in der Ägäis traditionell vor den Türken fürchtet, betrugen die hellenischen Militärausgaben 2009 3,1% des BIP, der NATO-Durchschnitt lag damals bei 1,7%. Im Verhältnis dazu gab Österreich 2010 etwa 0,9% seines Bruttoinlandsproduktes für Landesverteidigung aus, während die Militärkosten in Griechenland im selben Jahr auf 6,1% stiegen. Während andere Staaten sparten, kaufte man am Peloponnes lieber französische Kampfhubschrauber und deutsche U-Boote. Dafür konnte der griechische Staat schon 2009 in anderen Bereichen seine Rechnungen nicht mehr begleichen, war also de facto pleite. Damals warteten etwa Lieferanten von Krankenhausbedarfsmitteln bereits vier Jahre lang auf die Zahlung ihrer Ansprüche.

So ergibt sich ein teuflisches Schuldenkarussell: Der Staat bezahlt seine Lieferanten nicht, diese müssen Kredite bei den Banken aufnehmen. Zahlt der Staat weiterhin nicht, stellen die Kreditinstitute die Schulden fällig, was den Bankrott der Privatfirmen bedeutet. Die Staatsschulden gehen an die Banken über. Der Staat verliert also keinen Gläubiger, aber einen Steuerzahler; vorausgesetzt natürlich, dass die Firma überhaupt Steuern gezahlt hat. In Sachen Staatsbetrug legendär sind mittlerweile fast die Kretischen Bauern, die den EU-Kontrolloren größere Herden vorgaukelten, indem mehrere Bauern ihr Vieh an Zählungstagen einfach zusammenlegten, um mehr an Subventionen zu bekommen. Kamen die Prüfer am nächsten Tag zu einem anderen Bauern, war die Kombinationsherde auch schon da. Eine Zeit lang boomte in Griecheland die Rosenzucht, ganz einfach weil Treibhäuser von Brüssel gefördert wurden.

Das alles hat neben der verschwenderischen Regierungspolitik beigetragen zu jener fiskalen und finanziellen Katastrophe in dem sich das Land von Sokrates und Platon heute wiederfindet:
„Die kleinen, schmutzigen Geheimnisse der Griechen, jetzt sind sie offenbar: frisierte Zahlen, um in die Europäische Währungsunion zu gelangen - Kredite von Goldman Sachs und anderen Investmentbanken, die nicht als Kredite ausgegeben, sondern als Einnahmen deklariert wurden. So tauchten diese Kredite auch nicht in der Schuldenstatistik auf, praktischerweise. Dazu ein Haushaltsdefizit von fast 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2009. Rückgang der Exporte um beinahe 18 Prozent. Dazu der Rückgang der Einnahmen aus dem Tourismus um 13 Prozent. Inflation im Februar dieses Jahres [2010] in Höhe von 2,8 Prozent, aufs Jahr gerechnet wären das mehr als 30 Prozent. Dazu Streiks in allen Spielarten, aus allen Gründen, Einstellungsstopps für Beamte, Straßenbarrikaden in Athen, Tränengas, Erhöhung der Steuern, Kürzung der Gehälter.“ Der Spiegel
 In Griechenland ist nicht nur das Staatsgebäude marod, das ganze Fundament wackelt. Kein Wunder bei den vielen Steuerleichen, die dort einbetoniert sein dürften. Ein Land, in dem man nach 35 Beitragsjahren mit 80% Gehaltsfortzahlung in Pension gehen kann, in dem der staatliche Erdölkonzern „Hellenic Petroleum“ 18 Monatsgehälter bezahlt und ein Nachtwächter damit auf 72.000 € im Jahr kommt, kann auf Dauer einfach nicht funktionieren. Dabei gibt es auch innergriechische Ungerechtigkeiten: Während die Angestellten des staatlichen Energiekonzerns DEI im Durchschnitt 41.000 € jährlich verdienen, liegt das Gehalt eines Gymnasiallehrers bei 20.000 €. Die Korruption kennt außerdem keine Grenzen. Nach Angaben des Spiegel flossen seit 1999 insgesamt über 31 Millionen Euro von besagtem Konzern an die Gewerkschaft.

Man sollte es vermeiden das billige Klischee vom arbeitsscheuen Südländer zu bedienen. Das ist ein Fettnäpfchen, in das sich Angela Merkel schon gesetzt hat. „Iphigenie in Faulos“ wäre wohl auch etwas zu kurz gegriffen, um die gegenwärtige Miesere des Hellenentums zu beschreiben. Es geht vielmehr um die Grundsatzfrage, wie viel man leisten muss und was man dafür verlangen darf, um anständig leben zu können und sich und sein Staatswesen nicht zur verschulden. Verantwortungslose Politiker haben über Jahrzehnte hinweg mit Duldung des Auslandes einer kurzsichtigen Bevölkerung budgetär nach dem Mund regiert. Das Ergebnis ist ein Staat mit über 140%iger BIP-Verschuldung, selbst Italien hat „nur“ 119% Schulden, bei Österreich sind es etwa 72%.

Griechenland kann es sich aber nicht leisten so hohe Schulden zu haben. Japan etwa bekommt jetzt auch Probleme, steht aber schon mit fast 200% seines BIP in der Kreide. Japan hat aber eine starke Wirtschaft, seine Schulden sind zum Großteil Binnenschulden. Wenn Nippon also pleitegeht, schadet das hauptsächlich den Inlandsgläubigern, sowas beruhigt das Ausland. Die Griechen aber haben keine solide Wirtschaft. Ihr Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt bei knapp über 21.000 €, zum Vergleich: Österreich hat ein pro Kopf BIP von fast 32.000 €, jenes von Japan liegt bei über 26.000 € (WKO). Von den etwa 330 Milliarden Euro Schulden, die der griechische Staat schätzungsweise zurzeit angehäuft hat, entfallen ca. 28 Milliarden auf deutsche und ungefähr 50 Milliarden auf französische Banken. Warum also gerade Deutschland und Frankreich auf EU-Ebene Druck in Sachen Griechen-Rettung gemacht haben, erklärt sich damit wohl von selbst.

Praktisch soll nun der europäische Steuerzahler nicht nur für die Verschwendungssucht der Athener Politiker, sondern auch wieder einmal für die risikoblinde Spekulationssucht der Bankenbrache aufkommen. Deshalb wollen die EU-Staaten Griechenland auch nicht in den geordneten Staatsbankrott führen: Es würde ihre eigenen Banken und damit ihre Volkswirtschaften schädigen. Außerdem ist da noch der Dominoeffekt. Wenn der internationale Finanzmarkt, denn sehr viele dort spekulieren darauf, Griechenland pleite bekommt, warum dann nicht auch Spanien, Italien, Portugal und Irland?

Die Frage die wir uns auch stellen müssen ist: Wer hat zugelassen, dass Griechenland überhaupt in die Eurozone kommt? Als ob ein informierter Politiker auch nur im Ansatz hätte glauben können, das damals schon hoch verschuldete Land habe die Konvergenzkriterien auch nur ansatzweise erfüllt. Aber wer könnte ein Interesse gehabt haben die Griechen ins Euro-Boot zu holen? Vielleicht dieselben, die es jetzt retten wollen? Denn wäre Griechenland dem Euro nicht beigetreten, wäre wohl damit zu rechnen gewesen, dass die Drachme gegenüber dem Euro an Wert zunehmend eingebüßt hätte. Wenn ich aber als Bank in einem Euroland meinen Firmensitz habe und meine Bücher in Euro führe, dann macht sich das nicht gut, wenn ein Land bei mir in seiner Währung Schulden hat und diese Devise gegenüber meiner Buchwährung ständig an Wert verliert.

Es ist mittlerweile zu spät um zu sagen: Mit Griechenland liegt vieles im Argen, denn Griechenland ist am Ende. Es finanziert sich derzeit nur über Hilfszahlungen der EU-Mitgliedsstaaten, denn niemand sonst leiht ihm mehr Geld, nicht einmal zu den horrend hohen Zinsen, die das CCC Rating so mit sich bringt, das ihm „Standard & Poor‘s“ kürzlich verpasst hat. Die Griechen sind auf Europa angewiesen. Sie fahren als Bettler nach Brüssel. Das ist für sie natürlich erniedrigend, aber man kann sie kaum von ihrer Schuld freisprechen. In Europa geht derweil die Angst um: Die Angst vor einem griechischen Staatsbankrott und der möglichen Kettenreaktion, die er auslösen könnte. Die Angst davor, dass sich das Land zum Fass ohne Boden entwickeln könnte, wenn es nicht schon längst eines ist. „Timete danaos si dona quaerentes“ könnte man sagen. Die Lage ist ernst.
Aber kann man Griechenland pleite gehen lassen? Oder soll man es aus dem Euro hinausschmeißen? Die Griechen sind nicht dumm: In den letzten Monaten hat ein Run auf die Bankinstitute eingesetzt. Die Menschen heben ihre Einlagen ab. Warum? Würde man das Land aus der Eurozone werfen und die Drachme wiedereinführen, hätte das eine augenblickliche Abwertung der neuen alten Währung zur Folge. Eine billige Währung macht Exporte billiger und stärkt die heimische Wirtschaft. Vor allem aber würden sich dadurch die - dann in Drachme verrechneten - Schulden verringern, aber eben auch die Spareinlagen. Ein Euroausstieg Griechenlands müsste als Geheimschlag geführt und vom Einfrieren und Zwangsumtausch sämtlicher Einlagen auf griechischen Banken begleitet werden. Ansonsten stünden diese binnen Stunden ohne Eigenkapital da, was für jede Volkswirtschaft den Tod bedeutet.
Im Jahr 2009 gab Griechenland 53,2 Milliarden Euro aus, bei Einnahmen von 37,8 Milliarden. Gehen wir nun einmal davon aus, was zugegeben utopisch ist, dass Griechenland seine Ausgaben unter sein Einkommen senkt und sogar noch 5% seiner Staatseinnahmen zur Schuldentilgung aufwendet. Das wären auf das Jahr 2009 gerechnet knapp 1,9 Milliarden Euro. Nimmt man den jetzigen Schuldenstand des Landes mit 328,5 Milliarden Euro eher bescheiden an, müsste Griechenland nur etwa 173 Jahre lang seine Verbindlichkeiten abstottern. Und da sind die laufenden Zinsen noch gar nicht eingerechnet. Es sei jedem selbst überlassen, für wie realistisch er diese Entschuldung hält. 
„Nicht das Hinfallen ist schlimm, sondern es ist schlimm, wenn man dort liegenbleibt, wo man hingefallen ist.“ Sokrates

1 Kommentar:

  1. Der Mangel an Mut (1. Risiko der Prophezeiung)

    "Kaum jemand wird einer Gruppierung, die die Welt für eine Scheibe hält, ein brauchbares Programm zur Erkundung des Weltraums zutrauen, und so sollte auch keiner Disziplin, die zeitlich unbegrenztes exponentielles Wachstum für realisierbar hält, eine Steuerung unseres Wirtschaftsgeschehens überlassen werden.
    ...Zunächst muss daher allgemein erkannt und anerkannt werden, dass bei den gegenwärtigen Geldordnungen ein grundlegender und gravierender Fehler vorliegt, der die gesamte Gesellschaft destabilisieren wird": http://www.deweles.de/files/mathematik.pdf

    Dr. Jürgen Kremer, Prof. für Wirtschaftsmathematik

    Eine Menschheit, die bereits Raumfahrt betreibt, hat etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld bis heute nicht verstanden. Es ist irrelevant, was die "hohe Politik" beschließt oder nicht beschließt. Wenn das Geld selbst fehlerhaft ist, gibt es keine wie auch immer geartete "Finanzpolitik", um den bevorstehenden Zusammenbruch des Geldkreislaufs - und damit unserer gesamten "modernen Zivilisation" - aufzuhalten!

    "Mangelnder Mut scheint der verbreitetere Fall zu sein. Er tritt ein, wenn der angebliche Prophet, sogar wenn ihm alle relevanten Fakten vorliegen, nicht sehen will, dass sie unweigerlich nur eine einzige Schlussfolgerung zulassen."

    Sir Arthur Charles Clarke (Profile der Zukunft)

    Seit Herbst 2008 läuft die Weltwirtschaft in ein Phänomen, das der "Jahrhundertökonom" John Maynard Keynes als "Liquiditätsfalle" bezeichnete. Davon hat es in der Geschichte der halbwegs zivilisierten Menschheit viele gegeben (schon solange der Mensch Zinsgeld, anfangs Edelmetallgeld, benutzt) und alle Hochkulturen und Weltreiche sind an der Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz zugrunde gegangen. Heute stehen wir vor der absoluten Steigerung dieses Phänomens: die globale Liquiditätsfalle! Die Heilige Schrift bezeichnet dieses Ereignis als "Armageddon".

    Um die größte anzunehmende Katastrophe der Weltkulturgeschichte abzuwenden und den anschließenden, eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation einzuleiten, bedarf es der "Auferstehung der Toten". Als geistig Tote sind alle Existenzen zu bezeichnen, die vor lauter Vorurteilen nicht mehr denken können. Die Basis aller Vorurteile war (und ist noch) die Religion: http://www.deweles.de/willkommen.html

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