Dienstag, 8. November 2011

Der Minister und sein General, oder: Wem die Stunde schlägt.

Verteidigungsminister Norbert Darabos hat seinen höchsten Offizier zu Unrecht entlassen befand die Beschwerdekommission im Bundeskanzleramt kürzlich. Diese sei „beamtet“, wie der Minister im gestrigen ZIB 2 Interview nicht müde wurde zu betonen. Die Intention war klar: Beamte haben einem Beamten Recht gegeben: Krähen hacken sich nicht gegenseitig ein Auge aus. Seine Argumentation gleicht den traurigen Strampelbewegungen eines Ertrinkenden.

Im Bundesheer hat Darabos mittlerweile fast alle Mitstreiter verloren. Man könnt einwenden, dass das für einen roten Minister nicht schwer sei, aber in dieser Form ist ein Vertrauensverlust noch nie vorgekommen. Soldaten haben wohl ein erweitertes Solidaritätsempfinden, um dieses völlig zu verwirken muss man schon einiges anstellen.

Norbert Darabos hätte eigentlich Innenminister werden sollen, dass er ins Verteidigungsressort wechseln würde, erfuhr er selbst erst kurz zuvor. Die SPÖ wollte nach den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP sicherstellen, dass sie eines ihrer Hauptwahlversprechen, die Abbestellung der Eurofighter, einlösen würde können. Das Ganze endete in einem Fiasko. Der angesetzte Untersuchungsausschuss fand zwar allerhand Indizien, nach Darabos' Interpretation aber nicht die „rauchende Pistole“, die man für eine Vertragsauflösung gebraucht hätte. Die Stückzahl wurde von 18 auf 15 reduziert, eine Zahl, die eine geordnete Luftraumüberwachung nur schwer möglich macht. Nicht umsonst sind noch immer die Saab 105 OE in der Luft, ein Flugzeugtyp aus den 60ern.
„Unter meiner Amtsführung wird es kein Hinentwickeln des Bundesheeres zu einem Berufsheer geben. An der Wehrpflicht darf nicht gerüttelt werden.“  - Norbert Darabos am 10. Juni. 2010 
In der Folge setzte sich der Minister in ein Fettnäpfchen nach dem anderen. Er bezeichnete den geplanten US-Raketenschild in Tschechien als „Provokation“ und machte den Russen damit eine Freude, während er Tschechen, Polen, US-Amerikaner und die ÖVP gegen sich aufbrachte. Er verantwortete den unpopulären, aber für die Österreichische Kandidatur für den UN-Sicherheitsrat wichtigen, Einsatz des Bundesheeres im Tschad. Letztendlich ließ er sich von Parteifreund Michael Häupl für dessen Wahlkampf instrumentalisieren. Als jener die Abschaffung der Wehrpflicht forderte - ein Konzept, das sein Hauptgegner Strache sicher nicht mittragen könnte - stieg Darabos pflichtgemäß in die Debatte ein, vor allem auch, weil die „Kronen Zeitung“ dafür war. In der Folge wurden fünf Konzepte für eine Reform des Heeres ausgearbeitet, die favorisierten sahen eine Freiwilligenarmee vor. Da die „Krone“ aber in ihrer Abendausgabe bereits behauptet hatte, der Verteidigungsminister werde sieben Konzepte vorstellen, wurden rasch zwei weitere dazugebastelt, um den Ansprüchen des Boulevards zu genügen. Darabos' Schwenk in Sachen Wehrpflicht war aber vor allem deshalb so delikat, weil er noch Monate zuvor für deren Erhalt eingetreten war.
„Für mich ist die Wehrpflicht in Stein gemeißelt. Mit mir als Verteidigungsminister wird es kein Ende der Wehrpflicht geben.“ - Norbert Darabos am 3. Juli 2010
„Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik (...) bin ich zur Auffassung gelangt, dass ein Freiwilligenheer die Zukunft ist.“ - Norbert Darabos am 17. Jänner 2011 
Ich mache an dieser Stelle keinen Hehl daraus, dass ich selbst ein Verfechter der Abschaffung der Wehrpflicht bin. Das Bundesheer in seiner derzitigen Form ist zwar chronisch unterfinanziert, aber eingespielt. Ein Berufsheer würde mehr kosten und die Bereitschaft des Bundesministeriums für Finanzen, diese zu tragen, wären wohl endenwollend. Ja, das sind alles Argumente für die Beibehaltung des Wehrdienstes, meiner Meinung nach wiegt aber ein Gegenargument schwerer als diese zusammen: In Zeiten einer nicht vorhandenen Gefährdung der österreichischen Souveränität durch militärische Bedrohungen von außen, ist ein geschlechterdiskriminierender Zwangsdienst nicht mehr zu rechtfertigen. Es geht einfach nicht an, aus reiner finanzieller und organisatorischer Bequemlichkeit junge Menschen zu schlecht bezahlter Zwangsarbeit für die Republik zu verdonnern. Durch den Fall des Eisernen Vorhangs handelt es sich mittlerweile um einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Grundrechte der persönlichen Freiheit und der freien Berufswahl. Sollte der Dienst nicht abgeschafft werden, so muss man ihn zumindest einer grundlegenden Reform unterziehen: 1. Der Zivildienst darf nicht länger nur „Wehrersatzdienst“ sein, sondern muss als gleichwertiges Äquivalent dem Wehrdienst gegenüberstehen. 2. Der Dienst muss Männer und Frauen gleichermaßen verpflichten. Entweder alle oder keiner.

In Wirklichkeit dreht sich die Diskussion um die Person des Norbert Darabos aber nicht um die Frage der Wehrpflicht. Wie man diese beantwortet, liegt letztendlich an der persönlichen Gewichtung der Argumente. Das österreichische Bundesheer und seine Offiziere hätten wohl auch mit einem Minister leben können, der selbst Zivildienst geleistet und sich für ein Berufsheer ausgesprochen hat. Was Darabos vorgeworfen wird, ist seine Beliebigkeit. Einmal für die Wehrpflicht, dann dagegen, dann wieder der Kronenzeitung nachlaufen und am Ende den Generalstabschef entlassen. Das sind unterm Strich einige Schnitzer zu viel. Insbesondere die letzte Verfehlung des Ministers stieß vielen, nicht nur innerhalb des Bundesheeres, sauer auf.

Edmund Entachers Entlassung als Chef des österreichischen Generalstabes aufgrund einer sehr moderaten Äußerung im Nachrichtenmagazin „Profil“ war eine nicht zu rechtfertigende Entgleisung. Darabos spricht in letzter Zeit gern vom „Primat der Politik“. Dass Beamte selbst über keine demokratische Legitimation verfügen und daher den Weisungen von gewählten oder bestellten Organen unterliegen, ist auch einleuchtend.  Dass sie aber deshalb ihrer Meinungsfreiheit beraubt sein sollen, ist eine Interpretation, die selbst bei freundlicher Auslegung nicht zulässig ist. Edmund Entacher hat nicht die Vollziehung eines Befehles verweigert, er hat seine Meinung gesagt, noch dazu in sehr zurückhaltender Weise. Wenn Norbert Darabos nun behauptet, dass diese Äußerungen schon genügen, um einen „persönlichen Vertrauensverlust“ bei ihm zu bewirken, mag das zutreffen; der Vertrauensverlust kann aber keine Entlassung begründen. 

Ursprünglich war Entacher ja Darabos' Kandidat gewesen, einer der wenigen sozialdemokratischen Offiziere im Heer. Seine Bestellung war politisch opportun, aber keine reine Umfärbeaktion. Entacher genießt in der Truppe Respekt, ist kompetent und insgesamt eine angenehme Erscheinung. Sein Oberlippenbart ist vom Rauchen etwas gelblich gefärbt. Er hat einen leichten Wohlstandsbauch. Zu all dem trägt er Uniform mit drei eichenlaubgefassten Sternen auf den Kragenaufschlägen und Distinktionen sowie rote Lampassen an den Hosen. Und trotzdem vermittelt Edmund Entacher ein Gefühl von Ruhe und Gemütlichkeit, kurz: jede Hand breit ein österreichischer Offizier. Nach dem frühen Tod seiner Frau zog er die beiden Kinder allein groß, dass er es daneben auch in der Karriere so weit bringen konnte, nötigt einem Respekt ab. Sogar der Oberbefehlshaber stellte sich mehr oder weniger hinter den geschassten General, der Verteidigungsminister hatte ihn über dessen Entlassung nicht einmal informiert. Heinz Fischer empfing Entacher nach seiner Versetzung durch Darabos in der Hofburg. Ein Akt, der umso bemerkenswerter erscheint, wenn man in Rechnung stellt, dass Darabos 2004 Fischers Wahlkampfleiter war. Auch sonst hat sich der Bundespräsident mittlerweile weit von seinem ehemaligen Unterstützer entfernt: Am Nationalfeiertag sprach er sich erneut für eine Beibehaltung der Wehrpflicht aus.

Der General wurde letztendlich rehabilitiert, ihm wurde in allen Punkten Recht gegeben. Für Norbert Darabos wird es indessen eng. Von allen Seiten wird mittlerweile sein Rücktritt gefordert. Er ist noch vor Maria Fekter das unbeliebteste Regierungsmitglied, auch wenn die „Umfragen“ der „Zeitung“ „Heute“ etwas anders behaupten. Selbst die „Krone“ gab in einem Online-Bericht ihre Rückendeckung für Darabos merklich auf. Er habe sich nichts vorzuwerfen, meinte der Minister abseits leiser Selbstkritik in der ZIB 2 und er werde den General mittels Weisungen eng an sich binden. In Wahrheit ist die Entscheidung der Berufungskommission im Bundeskanzleramt ein Schlag ins politische Gesicht von Norbert Darabos,  von dem er sich nie wieder erholen wird. Seine Glaubwürdigkeit ist unwiederbringlich verloren und die Liste seiner Anhänger ist kürzer als das Gedächtnis von Walter Meischberger.
Eigentlich hätte er ja immer Landeshauptmann des Burgenlandes werden wollen, aber Hans Niessl denkt noch nicht an Rücktritt und dass Darabos noch so lange Verteidigungsminister bleibt, bis er die Nachfolge in Eisenstadt antreten kann, darf mittlerweile bezweifelt werden.
„Ich glaube, dass ich Glaubwürdigkeit gewonnen habe.“ - Norbert Darabos am 9. Feber 2011 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen