Montag, 20. Februar 2012

Israel gegen den Iran, oder: der unvermeidbare Krieg

Israel wird den Iran angreifen, die Sache ist so gut wie ausgemacht. Seit Jahren hört man von mysteriösen Todesfällen rund um das iranische Atomprogramm, Computer-Viren und israelischen Vorbereitungen für einen Luftangriff. Die Versuche der Vereinigten Staaten die Israelis von einem Erstschlag gegen das Mullah-Regime abzuhalten scheinen endgültig gescheitert, die EU wird in Bälde ein verschärftes Embargo verhängen, der Iran hat präventiv die Ölausfuhr nach Frankreich und Großbritannien gestoppt. Die Phase des „Phoney War“ hat schon längst begonnen, im Hinblick auf die zu erwartenden Eskalation stellt sich in Wahrheit nur noch eine Frage: Wann?

Kürzlich trafen sich die Präsidenten Afghanistans, Pakistans und des Iran - Karzai, Zardari und Ahmadinedschad - in Islamabad, um ihren Willen zur Zusammenarbeit zu demonstrieren und die USA gemeinsam vor den Kopf zu stoßen. Pakistans Beziehungen zu den Vereinigten Staaten sind auf dem Tiefpunkt angelangt, seit bekannt wurde, dass Osama Bin Laden jahrelang in der Nähe von Abbottabad gelebt hat. Die USA werfen den Pakistani vor, den Terrorpaten versteckt zu haben, Pakistan sieht durch den US-Einsatz seine Souveränität verletzt. Die Dimensionen des Konflikts gehen aber darüber hinaus: Pakistan wies über 100 Militärausbilder der US-Streitkräfte aus, woraufhin die Vereinigten Staaten 800 Millionen Dollar ihrer Milliardenschweren Militärhilfe für Pakistan einfroren. Ein schwerer Schlag für das Land am Hindukusch, in dessen maroder Behördenstruktur die Streitkräfte und der Oberste Gerichtshof die letzten funktionierenden staatlichen Einrichtungen sind. Besonders heikel auch, weil Pakistan eine Atommacht mit Erstschlagoption in seiner nationalen Nukleardoktrin ist.

Der Kreis zum Konflikt um das iranische Atomprogramm schließt sich mit dem Namen Abdul Kadir Khan. Der Physiker wird in Pakistan als Volksheld verehrt und vom Ausland verdächtigt die Pläne zum Bau der Atombombe an Nordkorea, Syrien und den Iran verkauft zu haben. Nordkorea wiederum soll Länder wie Syrien und Myanmar immer wieder mit Waffen beliefert haben. Während sich das ehemalige Militärregime in Burma nun aber der Welt öffnet und vorsichtig Reformen zulässt, schlachtet der syrische Präsident Baschar al-Assad sein Volk ab. Dafür wird er von der nordkoreanischen Staatspresse als weiser Führer gefeiert. Seine letzte weise Entscheidung war wohl seine Zurückhaltung nachdem die Israelis 2007 jene Atomanlage dem Erdboden gleichmachten, die er mit Hilfe der Nordkoreaner hatte bauen lassen.

Mit dem Iran verbindet Syrien wiederum die Feindschaft zu Israel und die gemeinsame Unterstützung der Hisbollah im Libanon mit Geld und Waffen. Die Nähe Syriens zur islamischen Republik verärgern jedoch die arabischen Staaten, die den Iran als Bedrohung wahrnehmen. Die harte Linie der arabischen Liga gegen die Menschenrechtsverletzungen der Regierung in Damaskus geht daher zum Teil auch auf deren Nähe zu den Mullahs zurück. Trotz der grundsätzlichen Gegnerschaft der arabischen Staaten zu Israel und ihrer Unterstützung für die Palästinenser, ist der Iran im Weltbild vieler in der Golfregion mittlerweile an die Spitze der Feindesliste gerückt. Im Gegensatz zu den meisten Arabern sind die Iraner Schiiten und unterscheiden sich auch in Sprache und Kultur von ihren südlichen Nachbarn. Der Islam alleine ist ein zu schwaches Bindeglied, um hier eine wesentliche Rolle zu spielen. Dass Saudi-Arabien dem Sunnitischen Emir von Bahrein mit militärischer Unterstützung half den Aufstand seiner schiitischen Bevölkerungsmehrheit niederzuschlagen, war auch im ureigensten Interesse des wahabitischen Königshauses in Riad, das einen wachsenden Einfluss Teherans in der Region befürchtet. Nach dem Prinzip „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ haben die Saudis Berichten zufolge bereits die Abschaltung der eigenen automatischen Luftraumsicherung geprobt, um der israelischen Luftwaffe für den Fall der Fälle einen Durchflugskorridor in den Iran zu gewähren.

Im Iran selbst ist Präsident Mahmud Ahmadinedschad weitaus angeschlagener, als sein autoritärer Kurs dies vermuten ließe. In Wahrheit hat mittlerweile ein Entfremdungsprozess zwischen der tatsächlichen Staatsführung - dem religiösen Wächterrat - und Ahmadinedschads Regierung eingesetzt. Der Präsident gilt vielen als Unsicherheitsfaktor, vor allem da er als Nationalist gilt und einer religiösen Erweckungsbewegung nahesteht, die die Enthüllung des 12. Imams in der nahen Zukunft erwartet. Mittlerweile hat das Parlament in Teheran - zum ersten Mal in der Geschichte des Iran - den Präsidenten vorgeladen. Ihm werden formal Verfehlungen in der Wirtschaftspolitik vorgeworfen. Für sein Erscheinen hat er bis zum 8. März Zeit. Für den 2. März sind Parlamentswahlen angesetzt für die aber mehrere Vertraute Ahmadinedschads nicht zugelassen wurden. Mehrere Anhänger des Präsidenten wurden verhaftet. Ihm nahestehende Homepages wurden ebenfalls abgeschaltet. Sollten jene Kräfte, die Staatsoberhaupt Ajatollah Chamenei nahestehen, die Wahlen mit großer Mehrheit gewinnen, könnten sie die Absetzung des Präsidenten betreiben. Derzeit befindet sich der Iran in einer Phase der weiteren Radikalisierung. Die Polizei geht vermehrt gegen illegal angebrachte Satellitenschüsseln vor, der Verkauf westlicher Produkte und Kulturgüter wird zunehmend eingeschränkt.

In dieser Situation versucht Ahmadinedschad einerseits Stärke zu zeigen, worauf jüngste Militärmanöver im Golf von Hormus und die Entsendung zweier Kriegsschiffe nach Syrien hinweisen, will aber offenbar auch einen weiteren Ausweg aus seiner angespannten innenpolitischen Situation ins Auge fassen: Kürzlich soll laut Berichten des Spiegel der Generalsekretär des iranischen Sicherheitsrats Said Dschalili, ein enger Weggefährte des Präsidenten und dessen Chefunterhändler im Nuklearkonflikt, der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Baroness Ashton in eine Brief „grundlegende Schritte“ zur Lösung des Nuklearkonfliktes in Aussicht gestellt haben. Ob dahinter der ehrliche Versuch steckt den Iran aus der Schmuddelecke der Staatengemeinschaft zu holen oder ob es sich lediglich um politisches Geplänkel handelt ist nicht klar.
Man mag daran zweifeln, wenn man an die von Iran und Hisbollah konzertierten Anschläge auf israelische Diplomaten denkt. Als Antwort auf die mutmaßlichen Tötungen von iranischen Nuklearwissenschaftern durch den israelischen Geheimdienst Mossad gedacht, scheiterten diese jedoch an ihrer wenig professionellen Umsetzung. Eine Bombe in Neu-Delhi verletzte zwar einige Personen, unter ihnen den israelischen Militärattaché, zwei weitere Aktionen in Tiflis und Bangkok wurden jedoch vereitelt.

Israel, dessen Luftwaffe bereits 2008 im Mittelmeer den Angriff auf die iranischen Atomanlagen zu proben begann, rüstet sich währenddessen für den Erstschlag. Dass dieser noch nicht erfolgt ist, liegt wohl weniger an der beschwichtigenden Einflussnahme der USA, als vielmehr an internen Widerständen. Der ehemalige Chef des Mossad Meïr Dagan sprach sich Ende 2011 dezidiert gegen einen Angriff auf den Iran aus. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak wiederum gelten als Befürworter eines Militärschlags. Barak wird vorgeworfen er entferne gezielt kritische Stimmen aus dem Sicherheitsapparat.

Sowohl der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta, als auch der russische Generalstabschef Nikolai Makarow rechnen mit einem Angriff Israels im Zeitraum von April bis Juni dieses Jahres. Israel, das mutmaßlich selbst Atomwaffen besitzt, will eine weitere nukleare Aufrüstung in der Region um jeden Preis verhindern. Fraglich scheint nur, was ein Bombardement der iranischen Atomanlagen für Auswirkungen hätte. Kritiker befürchten eine Eskalation und einen Raketenangriff auf Israel. Auch der andauernde nachteilige Effekt für das Nuklearprogramm der Mullahs wird immer wieder in Zweifel gezogen, schließlich habe der Iran vorsorglich einen Gutteil seiner Anlagen unterirdisch und damit sicher vor Bomben in Bergmassiven untergebracht.

Die neue Einigkeit zwischen Karzai, Zardari und Ahmadinedschad indes wird wohl nicht lange halten. Der Wahlbetrüger Karzai, der sich selbstgerecht in seinen Umhang hüllt muss damit leben, dass die Taliban mit Unterstützung des pakistanischen Militärgeheimdienstes ISI weiterhin seine ohnehin illegitime Regierung bekämpfen. Gegen Zardari wird nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs, trotz der Bemühungen seines Premiers die Untersuchungen einschlafen zu lassen, wegen Korruption ermittelt. Und Ahmadinedschad hat wie erwähnt eigene Probleme. Über bloße emanzipatorische und anti-amerikanische Symbolik wird das Präsidententreffen daher nicht hinauskommen. Den Israelis wäre es wohl auch schwer gefallen, zwei Atommächte auf einmal auszuschalten.

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