Jeder U-Ausschuss würde auch ohne 
Einstellungsbeschluss versanden, Bürger erhielten keine Informationen 
und so manches Ministerium würde das Ende seiner Kapazitäten erreichen, 
wenn es sie nicht gäbe, die freien Dienstnehmer der Republik Österreich.
 Vom Sekretariatsbediensteten über Hilfskräfte bis hin zum Akademiker 
leisten sie dasselbe wie Beamte und Vertragsbedienstete, werden vom 
Staat aber in gesetzeswidrigen Arbeitsverhältnissen beschäftigt.
Wenn
 vom Nationalrat ein Untersuchungsausschuss angesetzt wird, fragen sich 
die Wenigsten, wer die papierenen Dokumente, die dem Parlament von den 
Ministerien und Behörden für die Ausschussarbeit angeliefert werden, 
einscannt, durch ein Texterkennungsprogramm jagt und dann hundertfach 
auf CDs brennt. Auch wird es kaum jemanden kümmern, wer eigentlich die 
vielen Bürgeranfragen beantwortet, die täglich per E-Mail, telefonisch 
oder postalisch beim Bundeskanzleramt einlangen. Sie werden von 
bürokratischen Geistern erledigt. Meist sind es Studenten, die sich mit 
der Arbeit beim Bund ein Zubrot verdienen. Die Allermeisten gehen ihrer 
Tätigkeit regelmäßig nach, manche sogar Vollzeit. Dennoch scheinen sie 
in keinem Stellenplan auf, denn sie haben keinen Planposten, ja nicht 
einmal ein aufrechtes Dienstverhältnis zur Republik Österreich, sie sind
 freie Dienstnehmer.
Freie
 Dienstverträge sind in vielen Fällen nichts anderes als 
arbeitsrechtliche Missbrauchsinstrumente. Wer einen solchen abschließt, 
arbeitet quasi als Ich-AG für eine fremde Firma. Dabei fehlen ihm die 
meisten Sicherheiten, die ein normales Arbeitsverhältnis mit sich 
bringt, dafür ist er aber - zumindest in der Theorie - freier in der 
Einteilung seiner Arbeit. Ein freier Dienstnehmer muss sich nicht an 
Bürozeiten halten, er kann von zuhause aus arbeiten, ist nicht in die 
Organisation eingebunden, kann seine eigene Infrastruktur nutzen, sich 
von anderen vertreten lassen und muss keine Erfolgsgarantie übernehmen. 
Immer wieder wurde, vor allem von sozialdemokratischen Politikern, 
kritisiert, dass dieses Rechtkonstrukt oft zur Ausnutzung von 
Arbeitnehmern missbraucht wird. So wurde es als großer Erfolg gefeiert, als man für diese Arbeitnehmergruppe endlich die Sozialversicherungspflicht durchgesetzt hatte. Was die Öffentlichkeit nicht weiß ist, 
dass unter den Ausbeuterbetrieben die Republik Österreich, namentlich
 der Bund, eine führende Rolle einnimmt. Gerade bei freien 
Dienstverträgen, die mit der öffentlichen Hand geschlossen werden, 
treffen deren vorhin genannten Eigenschaften meistens nicht zu. Der 
Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis festgehalten:
„Der freie Dienstnehmer kann im Regelfall selbst die Lage seiner Arbeitszeit und seinen Arbeitsort bestimmen, er unterliegt keinen Weisungen seines Dienstgebers wie, wann und in welcher Reihenfolge er seine Arbeiten zu verrichten hat.“
Die
 freien Dienstnehmer der Republik sitzen aber immer im Büro, erhalten 
Anweisungen ihrer Chefs und können ihre Arbeit nur persönlich erledigen.
 Dass die Sache eigentlich illegal ist, weiß der Staat dabei selbst. Die
 Parlamentsdirektion achtet penibel darauf, dass ihre freien 
Dienstnehmer kein Türschild und keine Telefonnummer erhalten. Das 
könnte, so die Befürchtung, bei arbeitsgerichtlichen Prozessen als Indiz
 für einen Scheinarbeitsvertrag gesehen werden. Das Bundeskanzleramt hat
 sein Bürgerservice samt Europatelefon gleich in kleine 
pseudoselbständige Teams ausgelagert, deren Selbständigkeit sogar das 
zuständige Finanzamt bezweifelte. In anderen Ministerien geht es noch 
schlimmer zu. Nicht nur seit aufgrund des Sparpakets für fast alle 
Dienststellen ein Aufnahmestopp verhängt wurde, werden vermehrt freie 
Dienstnehmer für klassische Beamtenposten eingestellt. Für die 
Ministerien bringt das mehrere Vorteile: Freie Dienstnehmer werden wie 
Druckerpatronen und Papier als Sachaufwand abgerechnet und man kann sie 
jederzeit elegant loswerden. Weil das Bundeskanzleramt als Herr über die
 Bundesstellenpläne bei jeder Schaffung eines neuen Postens ein Wörtchen
 mitzureden hat, können auch Unannehmlichkeiten mit dem BKA so umgangen 
werden.
Die
 Verwendungszwecke für die Billigkräfte sind dabei praktisch grenzenlos.
 Freie Dienstnehmer legen Akten an, befördern, verwalten und beschließen
 Amtsgeschäfte, haben Türschilder, Telefonnummern, E-Mail-Adressen und 
Visitenkarten, vertreten ihr Haus bei interministeriellen Sitzungen und 
fahren sogar auf Dienstreise ins Ausland, um dort den Staat 
international zu vertreten, bei dem sie formal nicht einmal angestellt 
sind. Manche arbeiten mit klassifizierten Dokumenten, eine Vertretungsmöglichkeit durch Dritte, wie sie der freie Dienstvertrag vorsieht, könnte dann sogar strafrechtlich relevant sein. Selbst der Pressespiegel, den Werner Faymann täglich erhält, wird 
von freien Dienstnehmern erstellt. Manche Sekretariatskräfte verdienen 
bei Vollzeitbeschäftigung dabei lediglich um die 1000 € netto. Diese 
Nicht-Angestellten tragen auch das volle soziale Risiko ihrer 
Beschäftigung:
- Sie haben keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Manche Vorgesetzte überprüfen die Arbeitszeiten quasi mit der Stoppuhr. Jeder Tag den man auf Urlaub geht, muss man vorher hereinarbeiten, oder er bleibt unbezahlt.
 - Sie sind nur eingeschränkt Sozialversichert. Wer krank wird, bekommt die ersten drei Krankentage nicht bezahlt. Ab dem vierten erhält er Krankengeld von der Sozialversicherung. Wer zweimal in einem Monat drei Tage krank ist, kann so schon fast ein Drittel seines Gehalts verlieren.
 - Sie erhalten keine Zusatzvergütungen. Wenn das Ministerium etwa Essensbons für seine Mitarbeiter ausgibt, schauen die freien Dienstnehmer durch die Finger. Auch Verwendungszulagen oder Ähnliches gibt es nicht.
 - Es gibt keine Dienstkreditkarte und keine Reisekostenvorschüsse. Wer für die Republik dienstlich unterwegs ist, muss die Kosten selber vorstrecken und erhält sie erst später rückvergütet.
 - Sie können sich nicht intern für Bundesjobs bewerben. Neue Stellen im Bundesdienst werden zunächst meist intern ausgeschrieben und so auch häufig vergeben. Freie Dienstnehmer können für solche Ausschreibungen keine Bewerbungen abgeben, da sie über kein aufrechtes Dienstverhältnis zum Bund verfügen. Soll ein freier Dienstnehmer zB auf eine Karenzstelle übernommen werden, muss diese erst intern ausgeschrieben werden. Bewirbt sich ein anderer, hat der „Freie“ Pech gehabt.
 
Zusätzlich treten die 
Betroffenen beruflich auf der Stelle. Sie bekommen grundsätzlich keine 
Gehaltserhöhungen. Da sie nicht beim Bund beschäftigt sind, können sie 
auch nicht in die Beamtengrundausbildung eintreten. Die Jahre als freie 
Dienstnehmer werden nicht als Dienstjahre angerechnet. Einen 13. und 14.
 Monatsgehalt gibt es nur in seltenen Fällen aliquot pro Monat. 
Gleichzeitig  erhalten sie ihr Einkommen nach Abzug der Sozialabgaben 
brutto, das heißt die gesamte Einkommenssteuer muss angespart und am 
Jahresende an das Finanzamt überwiesen werden.
Da
 solche freien Dienstverhältnisse, heikel und grundsätzlich einklagbar 
sind, bedienen sich manche öffentlichen Institutionen einfacherer 
Methoden um billiges Personal zu requirieren. Zum einen gibt es den, dem
 freien Dienstvertrag sehr ähnlichen, Werkvertrag, bei dem - wie der 
Name schon sagt - auf die Schaffung eines Werkes geschuldet wird. Er 
wird nicht pro Stunde sondern pro Werkseinheit ausbezahlt. Das wird auch
 dadurch umgangen, dass viele Werkvertragler zufällig jede Stunde die 
gleiche Anzahl an Seiten bearbeiten und dadurch auf einen - vorher 
informell ausgemachten - gleichmäßigen Stundenlohn kommen. Aber auch 
diese Variante bleibt letztendlich in den meisten Fällen Illegal. Auf 
die Gewerkschaft hofft man indes meist vergeblich. Freie Dienstnehmer 
sind nur anwesend, gehören aber nicht zum Personal - sind also auch 
nicht wahlberechtigt bei Personalvertretungswahlen. In Ministerien, in 
denen die Personalvertreter in der Personalabteilung, die die 
schwindligen Dienstverträge ausstellt, arbeiten, käme eine Reklamation 
ohnehin einer Kündigung gleich. 
Die
 rechtlich sicherste Variante um an billige Arbeitskräfte zu kommen ist 
für den Staat aber das sogenannte Verwaltungspraktikum. Es ist eigens 
gesetzlich geregelt und daher arbeitsrechtlich bombensicher. Bund, 
Länder und Gemeinden können so zB junge Akademiker für etwas mehr als 
970 Euro netto im Monat 40 Stunden die Woche beschäftigen. An vorderster
 Spitzer der Praktikantennutzer steht dabei das Außenministerium. Lange 
Zeit wurden dort auch unbezahlte Praktikanten en Masse beschäftigt, bis 
die Sache aufflog und abgestellt werden musste. Formal werden die 
Verwaltungspraktikanten vom Staat „ausgebildet“ und erhalten daher nur 
das halbe Normalgehalt. In Wirklichkeit geht es oft darum pensionierte 
und nicht nachbesetzte Stellen billig am Laufen zu halten. Der 
Praktikant kommt, man zeigt im Schreibtisch, Drucker und gibt ihm eine 
EDV-Einschulung, damit ist die Ausbildung in den meisten Fällen beendet.
 Übrig bleibt das vernichtend kleine Salär und die Tatsache, dass 
Verwaltungspraktikanten nur ein Jahr lang beschäftigt werden dürfen, was
 in manchen Ministerien zu einer regen Personalfluktuation führt. Wenn 
der Praktikant „Glück“ hat, wird er nach Ablauf des Jahres als freier 
Dienstnehmer übernommen. Damit beginnt der Prekariatskreislauf von 
vorne.
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