Russland steht kurz davor auf der Krim ein stabiles
de-facto-Regime einzurichten oder die ukrainische Halbinsel gar
seinem eigenen Territorium einzuverleiben. Milizionäre sichern die
Verkehrswege, russische Soldaten sind angeblich bereits
einmarschiert. Steht Europa nun ein Krieg bevor und wer wird ihn gewinnen?
Russland besetzt unter dem Vorwand der Friedenssicherung ein
Gebiet, dessen Mehrheitsbevölkerung ihm positiv gestimmt ist, und
schafft so politische Tatsachen. Dieses Schema hat bereits in Abchasien und
Südossetien funktioniert. Nach ähnlichem Muster stehen nach wie vor
russische Soldaten in der abtrünnigen moldawischen Provinz
Transnistrien. Die lokale Bevölkerung wolle das so, man schütze den
Frieden vor einem instabilen Regime, Erklärung abgeschlossen.
Russland will ein weiteres Näherrücken von NATO und EU in seinen
Einflussbereich nicht zulassen. Georgien will in die NATO? Georgien
verliert Gebiete. Moldawien will in die EU? Russland schürt die
Minderheitenkonflikte im Land. Der Ukraine steht nun Ähnliches
bevor. Fraglich ist nur, ob das Land sich gegen die Verletzung seiner
territorialen Integrität durch den militärisch zigfach überlegenen
Nachbarn auch mit Waffengewalt wehren wird.
Die mittlerweile in Kiew regierende ehemalige Opposition hat
Präsident Viktor Janukowitsch abgesetzt und zwar zweifelsohne
verfassungswidrig. Wenn führende Politiker der Bewegung nun die
Auflösung des Verfassungsgerichtes fordern, ist das kein weltfremdes
Verhalten, wie etwa der ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz in Kiew vermutete, sondern
zielt darauf ab, die juristische Überprüfung von Janukowitschs
Sturz zu verhindert. Das Gericht hatte bereits die oppositionsfreundliche Verfassungsänderung von 2004 gekippt. Eigentlich hätte die Rada, das Parlament, für die Absetzung des Staatspräsidenten ein Untersuchungsgremium einsetzen und dann nach
Anhörung des Verfassungsgerichts mit 3/4-Mehrheit die Amtsenthebung
beschließen müssen. Nichts davon ist geschehen, sogar auf das
erforderliche Quorum fehlten letztendlich zehn Stimmen. Auf Basis der
derzeitigen Verfassung war Janukowitschs Absetzung, so brutal und korrupt er
auch gewesen sein mag, illegal. Die derzeitige Rechtslage in der
Ukraine ist also revolutionär, was Russland die Gelegenheit gibt,
sich mit dem abgesetzten aber legalen Regime zu solidarisieren. Ziel
ist allerdings nicht die Wiederherstellung verfassungsrechtlich
geordneter Verhältnisse im Nachbarland, sondern die Wahrung des
russischen Einflusses vor der eigenen Haustür. In Georgien störte
sich Moskau jedenfalls nicht daran zwei abtrünnige Provinzen im
Alleingang als selbständige Staaten anzuerkennen, ein Vorgehen, das
es im Fall des Kosovo bis heute vehement kritisiert. In all diesen Fällen gilt: Recht ist, was Moskau recht ist.
Ob Kiew sich gegen die - mittlerweile offenbar militärische -
Offensive des großen Nachbarn zur Wehr setzten kann und will ist
allerdings fraglich. Selbst wenn die neue Regierung fest genug im
Sattel sitzt, um die Kontrolle über alle Teile der Streitkräfte
auszuüben, darf deren Einsatzfähigkeit bezweifelt werden. Während
die russische Schwarzmeerflotte von ihrem exterritorialen Stützpunkt
auf der Krim aus regelmäßig Ausflüge unternimmt, liegt ihre
ukrainische Schwester meist nur vor Anker und wird gewartet. Der
Ukraine fehlt das Geld für den Schiffsdiesel, um ihre Schiffe
auslaufen zu lassen. Um die anderen Teilstreitkräfte dürfte es kaum
besser bestellt sein. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, gegen die
russische Militärmaschinerie bliebe der ukrainischen Armee und
Luftwaffe letztlich nicht der Hauch einer Chance. Auf europäische
Unterstützung kann das Land ebenfalls kaum setzen. Weder die NATO noch die EU kann
Truppen in einen militärischen Konflikt mit Russland schicken.
Selbst die Lieferung von Material könnte zu Konsequenzen führen,
die angesichts des nuklearen Potentials der Streitparteien in West
und Ost nicht einmal angedacht werden sollten.
Was auch immer Russland mit der Krim vor hat und wie auch immer
die Ukraine darauf reagiert, das Ergebnis dürfte bereits feststehen:
Russland gewinnt.
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