Donnerstag, 8. Mai 2014

Das Ende der Bürgerlichkeit, oder: wie die ÖVP aus der Zeit fällt

Dass in einer Partei wie der ÖVP sogar jemand wie Karas Oberwasser hat, ist kein Zufall. Die ehemals Christlichsozialen stecken in einer schweren Krise: Ihre Wähler sind so hoffnungslos überaltert wie ihre Werte, der Wirtschaftsbund hat es satt, dass die konservativen Parteieliten seine Bildungspläne torpedieren, aus der Tiroler AK lässt man Parteichef Spindelegger ausrichten eine Steuerreform werde dringender benötig als er und der liberale Flügel hat sich längst den NEOS zugewandt. Die Volkspartei zerbröselt unter den Händen ihrer derzeitigen Führung.

Othmar Karas blickt mit einem wenig überzeugenden Lächeln von den Plakaten, er spricht ernste Themen an, ist nie populistisch. Man könnte sagen Karas ist seriös, in der österreichischen Politik ist das ein Synonym für sterbensfad. Jedenfalls ist der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Schwiegersohn von Kurt Waldheim kein Charismatiker. Trotzdem hat ihn die ÖVP nötig, und wie. Beim letzten Wahlkampf von ihr noch als Spitzenkandidat abgesägt ist er jetzt wieder der Mann der Stunde. Einerseits hat er mit seinem Vorzugsstimmenwahlkampf 2009 dafür gesorgt, dass die Partei den ersten Platz belegen konnte, andererseits könnte sogar die graueste Maus in Brüssel im Vergleich mit Ex-Kollegen aus der ÖVP-Delegation wie Strasser  und Ranner als leuchtendes Gegenbeispiel auftreten. Trotzdem: Der EU-Wahlkampf ist ein politischer Nebenschauplatz, Karas einer aus der dritten Reihe. Warum lässt es ihm die Partei also durchgehen, dass er unter seinem Konterfei ihr Logo nicht sehen will? Stattdessen sind dort bunte Striche zu sehen, daneben steht OK. Die wenigsten Wähler dürften wissen, dass das die Initialen des Mannes sind, dessen Gesicht darüber zu sehen ist. Dennoch ist der Volkspartei nichts anderes übrig geblieben, als Karas Distanzierung zu ertragen. Er hat ihr verhohlen gedroht alleine anzutreten, wenn sie seine Bedingungen nicht akzeptiert. 2016 möchte er in die Hofburg raunen sogar einige.

Während er mit bunten Farben Wahlkampf macht, bleibt das Weltbild der ÖVP eher grau. Das Gymnasium ist für sie immer noch eine Elitenveranstaltung, homosexuelle Paare müssen sich gegen Erwin Prölls Statthalterin im Innenministerium vor dem Verfassungsgerichtshof Bindestriche im Namen erkämpfen und Vermögenssteuern sind für die Volkspartei so tabu wie Adoptionsrechte für Schwule. Aber selbst das schwarze Herz Österreichs, der politische Katholizismus, mit dem sich die ÖVP jahrzehntelang identifiziert hat, ist nicht mehr unumkämpft. Am rechten Rand fischt Ewald Stadler um ultramontanistische Stimmen und schätzt das christlich-konservative Wählersegment bei etwa 6% ein. Das entspräche jenem der Deutschnationalen und ist vermutlich immer noch übertrieben. Links der Volkspartei lauern nun nicht mehr nur die Grünen, die schon bisher die bürgerlichen städtischen Eliten abgegrast haben, sonder auch die NEOS.

Die rosaroten Liberalen haben sich mittlerweile zum Sukkubus der ÖVP entwickelt. Deren anfängliche Nervosität hat sich zu einer veritablen Panik entwickelt. Schwarze Funktionäre im CV wollen den NEOS die Mitgliedschaft in Cartellverbandsverbindungen untersagen, Familien die mit rosaroten Ballons zu Maibaumfeiern kommen werden des Platzes verwiesen und auf Interviewaussagen wird mit Gräuelpropaganda reagiert. Aus einer langfristigen Europaperspektive für die Russische Föderation wird so die Behauptung, die NEOS wollten Putin in der EU haben. Außerdem, so die Volkspartei, sei die liberale Konkurrenz für ein Recht auf Abtreibung bis zum letzten Schwangerschaftstag und wolle Doping legalisieren.

Die peinlichen Ausfälle mit denen man sich gegen die jung und modern wirkende Konkurrenz zu wehren versucht beweist dabei nur eines: Die ÖVP ist hoffnungslos aus der Zeit gefallen. Ihr Wertekonservativismus ist schon lange nicht mehr Wahlkampftauglich, eine Abschaffung der Fristenlösung etwa würde man nie zu fordern wagen. Nur in Niederösterreich werden noch Beamte strafversetzt, wenn sie die Trennung von Staat und Kirche zu scharf exekutieren. Der Weg in die Mitte, der der Volkspartei so lange offenstand, ist indes mit einem rosaroten Riegel versperrt. Auch insgesamt hat keine Partei mittlerweile so starke inhaltliche Konkurrenz. Die FPÖ und mitunter auch die REKOS nagen am rechten, Grüne und NEOS am linken Rand. In der Mitte bleiben der Volkspartei nur noch die Bauern und die Reiffeisenbank als Kernwählerschicht über. Sie hat schliechtweg keine Angebote mehr zu machen, die andernorts nicht schärfer, besser und moderner formuliert würden, außer Parolen zu Vermögensschutz und Agrarsubventionen. Die ÖVP hat nun noch zwei große Hoffnungen: schwere Fehler der politischen Gegner und Sebastian Kurz. Aber selbst der beliebte junge Außenminister wird den Niedergang der Schwarzen womöglich nicht mehr aufhalten können, wenn man ihm die Konkursmasse der Partei zu spät überantwortet. Ein Zeitpunkt hierfür könnte nach der Europawahl kommen. Auch wenn es wie immer heftig dementiert wird, steht die ÖVP dann vermutlich einem alten Freund gegenüber: der Obmanndebatte.

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