Mittwoch, 20. August 2014

Doris Bures, oder: Eine Frage der Ergebenheit

Doris Bures ist ein Musterbeispiel sozialdemokratischer Tugendhaftigkeit: Sie ist loyal. Lange ist es her, dass die Mutter ihr das Licht im Kinderzimmer abdrehte, weil sie gegen die Atomstrompolitik der Kreisky-Regierung rebellierte. Mittlerweile ist sie angekommen in der Partei, die sich wie keine andere in Solidarität übt, nach Außen, aber vor allem nach Innen. Jetzt soll sie, so die niemals dissenten Parteigremien zustimmen, als Präsidentin des Nationalrates das protokollarisch zweithöchste Amt im Staat bekleiden. An ihrer Eignung darf jedoch gezweifelt werden.

Bures ist das Kind einer alleinerziehenden Mutter aus Wien-Liesing. Ein Studium wäre, trotz der Reformen der damaligen SPÖ-Alleinregierung, für sie nie zur Diskussion gestanden. Die junge Doris sollte Zahnarztassistentin werden, ein Plan von dem sie letztlich nur ihr politisches Engagement abhielt. Die Leute, die sie bei der roten Bezirksorganisation kennenlernte, teils gescheite Burschen vom Gymnasium, nahmen sie mit auf ihrer Reise durch die Institutionen. Die Lehre blieb da schnell auf den Strecke. Werner Faymann, einer der Parteifreunde aus Jugendtagen, zog sie mit zur Mietervereinigung. Dann folgte sie ihm durch Partei- und Staatsfunktionen, bis sie, als er schließlich Kanzler wurde, seine Nachfolge im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie antrat.

Faymann weiß, was er an ihr hat: Bures ist zäh und hat Biss. Als SPÖ-Bundesgeschäftsführerin hat sie sich mit ihrer machtbewussten Arbeitsweise in der Partei wenig Freunde gemacht, die Führungsspitze aber konnte sich jederzeit auf sie verlassen. Auch als Ministerin folgt sie den Richtlinien des Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden, ohne dabei Abstriche zu machen. Im Amt hat sie dafür wenig Eigendynamik entwickelt. Eine Ausnahme bildet die Frauenpolitik, eines der wenigen Politikfelder, bei denen die ehemalige Frauenministerin auch innerparteilich anzuecken bereit ist. Reformen im BMVIT schienen vor allem darauf abzuzielen, Frauen an die Spitze der Verwaltung zu hieven. Dass sie für ihre fragwürdige bis nachweislich unrechtmäßige Frauenbevorzugung im Ressort mehrfach Rüffel, sowohl von der Gleichbehandlungskommission, als auch vom Verwaltungsgerichtshof bezog, hat ihr scheinbar nicht geschadet.

Dass Frauen auch ohne formale Qualifikation bevorzugt werden können, zeigt Bures eigene Biographie. Eine Bilderbuchkarriere an sich ist nicht alles: Imerhin gilt Sozialminister Rudolf Hundstorfer, gelernter Bürokaufmann und wie Bures kein Akademiker, als einer der Leistungsträger im sozialdemokratischen Regierunsgteam. Von der Verkehrsministerin lässt sich das allerdings nicht behaupten. Was fachliche Fragen betrifft, gilt sie als wenig interessiert, wenn nicht gar unfähig. Texte, die länger sind als eine Seite, sind in ihrem Kabinett nicht willkommen. Manche Sachverhalte heißt es, trauen sich ihr die Mitarbeiter aus Verständnisgründen gar nicht im Detail vorzulegen. Auch inpunkto Rechtssicherheit hinkt Bures Ressort immer wieder hinterher. Mit einer peinlichen Regelmäßigigkeit scheitern ihre Tunnelbaubescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof. Auch BMVIT-Verordnungen werden immer wieder von den Höchstrichtern kassiert. Selbst Verfahren vor dem EuGH sind keine Seltenheit. Die Ministerin selbst fährt nur ungern nach Brüssel. Praktisch nur zu Verkehrsministerräten ist sie dort anzutreffen, ansonsten lässt sie sich von Beamten vertreten. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf den ÖBB und der ASFINAG, sie ist eine Bundes- und Autobahnministerin. Die Zuständigkeitsbereiche Innovation und Technologie interessieren nur, wenn sie öffentlichkeitswirksam vermarktet werden können. Wenn das ESA-Engagement Österreichs es zulässt, stellt die Ministerin eine Ariane-Attrappe vor dem Parlament auf oder sie schaltet eine großformatige Anzeige in Boulevardmedien, die verkündet, dass sie dank einer eher peinlichen Bundesministeriengesetznovelle nun auch Weltraumministerin ist.
Mit den Medien steht sich Doris Bures dennoch gut. Die Achse Faymann-Kronenzeitung und die Freundschaft des Bundeskanzlers mit Österreich-Herausgeber Fellner, sichern auch ihr eine gewogene Berichterstattung. Tatsächlich ist die Verkehrsministerin laut Umfragen eines der beliebtesten Regierungsmitglieder. Dass Wolfgang Jansky, ihr ehemaliger Lebensgefährte und Vater ihrer Tochter, Geschäftsführer der Gratiszeitung Heute ist, passt durchaus in dieses Bild. 

Nun soll Doris Bures Präsidentin des Nationalrates werden, die erste Nichtakademikerin in dieser Funktion seit 1990, dem Jahr als sie selbst erstmals in die Abgeordnetenkammer einzog. Ihre parlamentarische Karriere beschränkt sich bislang vor allem auf die Obfrauschaft im Bauten- und den stellvertretenden Vorsitz im Familienausschuss. Doch Bures größtes Problem wird nicht die Erfahrung, sondern ihre Glaubwürdigkeit. Jeder bisherige Nationalratspräsident, der einen gewissen öffentlichen Eindruck hinterlassen wollte, musste sich erst als unparteiischer Schiedsrichter positionieren. Heinz Fischer galt zuletzt als tagespolitisches Neutrum und war ein Meister der Geschäftsordnung, die verstorbene Barbara Prammer legte einen Schwerpunkt auf die Demokratievermittlung und machte Druck bei der Reform der Untersuchungsausschüsse. Doris Bures wird es schwer fallen im neuen Amt Fuß zu fassen. Rechtsphilosophische Höhenflüge oder mutige Vorstöße für eine Stärkung der parlamentarischen Kontrollrechte sind von ihr nicht zu erwarten. Ohnehin scheint fraglich, wie lange sie überhaupt am Karl-Renner-Ring bleiben will. Von vielen Seiten wird  bereits die Erwartung oder Furcht geäußert, Bures wolle schon vor der geplanten Umbauphase des Hohen Hauses in die benachbarte Hofburg ziehen. Dass sie der, nicht nur mit politischen Instinkten mehr als sparsam gesegnete, Vorarlberger SPÖ-Chef Michael Ritsch bereits jetzt als Kandidatin für das höchste Staatsamt in Stellung bringen möchte, tut Bures allfälligen präsidialen Bestrebungen jedenfalls keinen Gefallen. Zu frühes Vorpreschen schmälert die Chancen. Die ihr regelmäßig unterstellten Ambitionen auf das Wiener Bürgermeisteramt sind mit der neuerlichen Kandidatur Michael Häupels jedenfalls vorerst gescheitert. Die Frage, ob man Bures solche Ämter überhaupt intellektuell wie persönlich zutrauen kann, scheint ihren Jugendfreund Werner Faymann und die restlichen Parteigranden jedenfalls nicht zu quälen. Die Möglichkeit, das Vorschlagsrecht für das Nationalratspräsidium dem Parlamentsklub zu überlassen, wurden offenbar nicht einmal erwogen. In der Sozialdemokratie gilt nach wie vor ein sehr straffes Führungsregiment. Welche Eigenschaften Kandidaten für höhere Weihen nach Ansicht des Kanzlers mitbringen müssen, wurde indes bereits bei seiner Stellungnahme zum Tod Barbara Prammers klar. Er würdigte ihre Verdienste um Demokratie und Frauenrechte, mehrfach unterstrich er aber vor allem eine ihrer Eigenschaften: Loyalität.

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