Montag, 4. Juli 2011

Ein Stück Geschichte geht, oder: Otto der Konrtoverse ist tot.

Kaiser Franz Joseph I. und Otto Habsburg
Otto Habsburg-Lothringen ist tot. Mit 98 Jahren ist der Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl in seinem Haus in Bayern verstorben. Kaum ein Mensch hat mehr europäische Geschichte erlebt als er, aber auch kaum ein Österreicher seiner Generation war so umstritten.

Mit Otto Habsburg starb nicht nur jemand, der Roosevelt, De Gaulle und Churchill kannte und es ablehnte Hitler auch nur zu treffen, weil er als einer der Wenigsten dessen Buch auch gelesen hatte, er war vermutlich auch der letzte noch lebende Mensch, der Kaiser Franz Joseph noch persönlich begegnet war. Otto Habsburg war gewiss kein Völkermessias, der als Thronprätendent seine Flügel über Zentraleuropa ausbreitete. Er war sicher auch nicht die Ausgeburt der Toleranz, allein seine Aussagen über das US-amerikanische State Department haben die Grenzen des guten Geschmacks gesprengt, auch wenn er sie später dementierte:
„Das Pentagon ist heute eine jüdische Institution.“ Der Standard
Außerdem meinte der Kaiserspross Russland sei gefährlich und der Irak wimmle nur so von Kommunisten. Den Putsch des austrofaschistischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß hieß er ausdrücklich gut. Auf die Frage, ob er kein Problem damit habe, „dass Dollfuss das Parlament auflöste, Parteien und Gewerkschaften verbot“, antwortete er: „Überhaupt keines. Wenn es ums Land geht, bin ich zu jeglicher Sache bereit.“ Kam die Rede auf den Anschluss war Habsburg immer ein großer Verfechter der Opferthese. Man habe die Söhne seines Vetters Max Hohenberg - des Sohnes von Erzherzog Ferdinand - auf den Heldenplatz geschleift, meinte er dann immer. Dass wohl nur eine Minderheit unfreiwillig dort war, sah er nicht ein. Andererseits sah sich Habsburg quasi aus Geburtsrecht stets als Anwalt Österreichs und Anwälte neigen bekanntlich zum Schönreden. Dass er aber über seine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse gelogen hätte ist zu bezweifeln. Otto Habsburg war so katholisch, dass es weh tut und hat wohl auch das achte Gebot sehr ernst genommen. Dass er neben kleineren Aktionen - Österreich wurde durch seinen Einfluss auf der US-Markenserie „Occupied Nations“ verewigt - auch anderes erreichte scheint daher durchaus plausibel:
„Irgendein verbitterter österreichischer Emigrant, der offensichtlich schlecht in Bad Vöslau behandelt worden war, hat gesagt, das sei eines der Zentren der wissenschaftlichen Forschung der deutschen Vernichtungsbomben. Man müsse daher Bad Vöslau auslöschen. Das ist mir zu Ohren gekommen. Und da habe ich damals Roosevelt Beweise vorgelegt, dass es Unsinn ist, was man da erzählt. Ich habe erreicht, dass Bad Vöslau nicht bombardiert wurde.“ Die Presse
Otto Habsburg durfte nach dem Krieg nicht nach Österreich einreisen, da er nicht wie gefordert auf seine Herrschaftsrechte und die Mitgliedschaft im Hause Habsburg-Lothringen verzichten wollte. Seinen Sohn ließ er ins Taufregister als „Erzherzog von Österreich und königlicher Prinz von Ungarn“ eintragen. Die Diskussion über die Rückkehr Habsburg-Lothringens stürzte die damalige österreichische Regierung in eine tiefe Krise. Während die ÖVP dafür eintrat die Landesverweisung aufzuheben, war die SPÖ strikt dagegen. Schließlich unterschrieb Habsburg die Verzichtserklärung doch, aber mit Murren: 
„Ich habe das für eine solche Infamie gehalten. Ich hätte es am liebsten überhaupt nie unterschrieben. Außerdem verlangte man von mir, nicht mehr Politik zu machen. Das wäre mir nicht im Traum nicht eingefallen.“ Die Presse
Doch selbst danach konnten sich die Koalitionspartner nicht darauf einigen die Verzichtserklärung als ausreichend zu beurteilen, bis der Verwaltungsgerichtshof ihnen die Entscheidung abnahm und in einem Dovolutionserkenntnis feststellte, dass die Erklärung gesetzeskonform sei. Teile der Bundesregierung versuchten dennoch seine Rückkehr zu verhindern. Kreisky, damals Außenminister, gab die Weisung an Otto Habsburg keinen Reisepass auszustellen. Schließlich stellte die ÖVP-geführte niederösterreichische Landesregierung fest, dass er österreichischer Staatsbürger sei. Habsburg erhielt nunmehr einen österreichischen Pass, jedoch mit der Einschränkung, dass dieser für alle Staaten der Welt, mit Ausnahme Österreichs gelte. Ein Reisedokument ohne diese Klausel wurde ihm erst durch die ÖVP-Alleinregierung unter Bundeskanzler Klaus ausgestellt. Habsburgs Rückkehr am 31. Oktober 1966 löste in Österreich dennoch Streiks und Demonstrationen aus. Insbesondere die Sozialdemokratie hatte sich auf eine strikte Anti-Habsburg-Linie eingeschossen. Das Verhältnis normalisierte sich erst, als Otto Habsburg und Bruno Kreisky 1972 zusammentrafen. Habsburgs Mutter Zita, die sich Zeit ihres Lebens weigerte die Republik anzuerkennen, durfte jedoch erst 1982 nach Österreich zurückkehren.

Otto Habsburg war jahrzehntelang vor allem Europapolitiker. Er war Vorsitzender der Paneuropaunion und organisierte jenes Picknick an der österreichisch-ungarischen Grenze mit, bei dem hunderte DDR-Bürger in den Westen fliehen konnten. Da er auch über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügte, saß er lange Zeit für die bayrische CSU im Europaparlament, wo er - zum Leidwesen der Dolmetscher - auch Stehgreifdebatten in Latein führte. Habsburg war ohne Zweifel überaus gebildet. Er sprach sieben Sprachen fließend und war sowohl nach dem österreichischen, als auch nach dem ungarischen Gymnasiallehrplan unterrichtet worden. Erzkatholisch blieb er zeitlebens, die Seligsprechung seines Vaters Karl war dabei nur eine Episode. Für jemanden, der zu seiner Geburt noch als zukünftiger Herrscher über ein Millionenreich auserkoren war, entwickelte er jedoch in manchen Bereichen auch eine erstaunliche Toleranz.  In anderen ließ er sie leider gänzlich vermissen. Eigentlich erstaunlich bei einem Menschen, der wie kaum ein anderer seiner Generation, Geschichte aktiv miterleben durfte: Mitglied des Hauses Habsburg zu sein, so meinte er einmal, sei zu vergleichen mit dem Tragend des Judensternes. Man hätte sich da wirklich mehr historisches Feingefühl erwartet.

Wie soll man so einen Grenzgänger also bewerten. Sicher: Otto Habsburg-Lothringen dürfte wohl einer der interessantesten Gesprächspartner gewesen sein, den man sich vorstellen kann. Er setzte sich zweifelsohne während des Krieges für die ehemaligen Länder der Donaumonarchie ein. Er ließ sich, im Gegensatz zum Sohn des deutschen Ex-Kaisers Wilhelm, nicht von Hitler instrumentalisieren, eine Tatsache, die man ihm sicher hoch anrechnen muss. Zu Schuschniggs berühmter Radioansprache, in der er sagte er wolle kein deutsches Blut vergießen, meinte er, dieser habe damit eben akzeptiert, dass österreichisches Blut vergossen werde.
Andererseits war er aber blind gegenüber den diktatorischen Intentionen des austrofaschistischen Regimes oder hieß diese sogar gut. In seinen Aufzählungen der nationalsozialistischen Opfer Österreichs nahm der 1934 ermordete und etwas kurz geratene Millimetternich Dollfuß immer einen prominente Platz ein. Die österreichische Sozialdemokratie überzog er nach Möglichkeit mit Schelte. Den Titel Kommunistenfresser hätte er wohl als Auszeichnung empfunden. Interviews gab er allen, auch Mölzers rechter Postille „Zur Zeit“. Auf allerlei schwarz-gelben Veranstaltungen ließ er sich gerne mit kaiserliche Hoheit ansprechen, ein Titel, der ihm durch das Adelsaufhebungsgesetz von 1919 nicht mehr zustand. Gegen die Republik zog er vor allem vor den Gerichten zu Felde, wobei die meisten seiner Restitutionsklagen abgewiesen wurden. Die Einsicht, dass das Vermögen seiner Vorfahren vor allem aus jenem der Untertanen requiriert worden war, wäre ihm wohl nie gekommen.
Egal wie man letztendlich zu ihm steht, Otto Habsburg-Lothringen, als Kind Thronfolger einer europäischen Großmacht ist als Bürger dieser Republik gestorben und zumindest sie hat mit ihm und seiner Familie mittlerweile ihren Frieden gemacht: Vor kurzem hat der Nationalrat das Kandidaturverbot für die Habsburger bei Bundespräsidentenwahlen aufgehoben.

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