Montag, 27. Februar 2012

Anleitung zum Freakigsein, oder: Können Balrogs fliegen?

In jedem von uns steckt ein kleiner Freak, auch wenn wir ihn oft genug verstecken. Freaks interessieren sich im über das Normale hinausgehenden Maße für Absonderlichkeiten aller Art und ernten dafür oft genug Hohn und Spott, seltener auch heimliche Bewunderung. Dabei kennt Freakiness verschiedene Nuancen und Ausrichtungen. Es ist zum Beispiel seltsam aber auch irgendwie cool, wenn Sie alle Studioalben der Beatles mit dem korrekten Veröffentlichungsdatum nennen können. Wenn Sie aber Sternzeichen und Aszendent von Justin Bieber kennen, ist das einfach nur traurig. Wer außerdem ein regelmäßiger Konsument der Serie „The Big Bang Theory“ ist, weiß, dass die Grenze zwischen Freak und Wahnsinnigem sehr schmal sein kann. Um Ihnen die Klassifizierung Ihrer eigenen Freakigkeit oder der Ihrer werten Mitmenschen zu erleichtern finden Sie in der Folge einige klassische Freaktypen aufgelistet:

Der Fantasy-Freak liest und sieht gerade „Game of Thrones“, kennt die Hausnummer von Mr. Ollivanders Geschäft in der Winkelgasse und hat im Bücherregal neben dem Silmarillion und der limitierten Sonderausgabe von „The Tales of Beedle the Bard“ auch „Das Buch der Verschollenen Geschichten“ stehen. Wenn Sie wissen möchten ob Valaraukar - für weniger belesene Zeitgenossen als Balrogs bekannt - Flügel haben und fliegen können oder ob es einen zweiten Glorfindel gibt, fragen sie Ihren örtlichen Fantasy-Spinner. Der durchschnittliche Freak dieses Typus hat alles gelesen was J. K. Rowling und J. R. R. Tolkien geschrieben haben, der Fortgeschrittene spricht fehlerfrei Quenya und das bisschen Westron, das überliefert ist.

Der Star-Trek-Freak hat eine Petition zur Nichtabsetzung der Serie „Star Trek: Enterprise“ unterschrieben und ärgert sich, wenn Sie jetzt glauben, dass die etwas mit James Tiberius Kirk zu tun hat. Er - in diesem Fall wäre es tatsächlich sinnlos gendergerechte Sprache zu verwenden - weiß genau, wie oft die Klingonen gegen das Abkommen von Camp Khitomer verstoßen haben und warum Subraumwaffen das Warp-Reisen gefährden. Zefram Cochrane würde sich in seinem zukünftigen Grabe umdrehen! Möchten Sie die Vorzüge der Sovereign- gegenüber der Galaxy-Klasse erfahren oder wissen, warum man einen Warp-Kern auch hin und wieder abstoßen muss - und ist das nicht möglich: Danket dem Herrn für die Untertassensektion! - der Trekkie ihres Vertrauens gibt Ihnen gerne Auskunft! Sein Erzfeind sind der gemeine Star-Wars-Fan und alle ignorranten Weiber, die Star Trek nicht von dieser Kümmerlingserie mit ihrem Lack-Fetisch und den surrenden Leuchtkerzen unterscheiden können. Midichlorianer sind ja auch, im Gegensatz zu Photonen-Torpedos und Holodecks, reiner Humbug. Überraschenderweise ist der Durchschnittstrekkie Dauersingle. Im besten Fall hat er eine Uniform der Sternenflotte im Schrank hängen, im schlimmsten spricht er Klingonisch so fließend wie ein Mitglied des Hohen Rates.

Über Sport-Freaks weiß schon jeder bestens Bescheid. Vorherrschend ist dabei ein Mischtypus zwischen Freak und Fan, da das bloße Interesse meist gepaart mit selektiver Begeisterung für eine bestimmte Sportart bzw. ein Team einhergeht. Dennoch hat der Freak dem schlichten Fan noch immer das unnütze Faktenwissen voraus, um das ihn alle schwer beneiden. Seien es die Ergebnisse der Playoffs, alle Fußball-WM-Sieger samt Ergebnissen oder die einzelnen Sprungweiten von Gregor Schlierenzauer, der Sportfreak hat ein Zahlengedächtnis á la Rainman und weiß daher alles was keiner sonst wissen will. Als positiv ist es noch zu sehen, wenn er nur im Shirt seiner Lieblingsmannschaft schlafen geht und zu WM-Zeiten eine Spielstatistik auf einem Clipboard führt, sollte der Zahlenolypionike aber selbst äußerlich eher dem Weltmeister im Hotdogwettessen gleichen und versuchen sein Wissen bei Admiral Sportwetten zu versilbern, ist die Grenze des Erträglichen wohl erreicht.

Die Öffi-Freaks wiederum sind eine besonders nerdige Gattung innerhalb der Familie freacus freacutaris. Wissen Sie was ein ULF ist? So heißen die modernen Straßenbahnen der Wiener Linien, aber die Freunde der öffentlichen Verkehrsmittel wissen noch mehr und gehen noch weiter. Spurbreiten, Neue Österreichische Tunnelbaumethode, Loktypen und Taktungen sind nur einige langweilige Facetten des Wissens, das Sie anhäufen. Die Normaleren unter Ihnen besitzen nur eine Kleinbahnanlage, die nicht mehr als ein halbes Zimmer ausfüllt und belassen es dabei Ihre Mitmenschen über den Grund für die Nichtexistenz der Linie U5 in Wien aufzuklären. Die ganz Schlimmen aber fahren am Wochenende an den Semmering, um in besonders schönen Kurven Fotos von einer Taurus zu schießen, die ein ghegasches Viadukt überquert. Der größte Traum eines Öffi-Freaks ist es nach dem Ableben von der im Straßenbahnmuseum eingemotteten Leichentransporttram auf den Zentralfriedhof gefahren zu werden.

Die Sammel-Freaks bilden die wohl größte und bunteste Gruppe im Freak-Reich. Von alten Kaugummis über abgelaufene Fahrkarten bis hin zu Folterinstrumenten kann man bekanntlich alles sammeln, um seine Mitmenschen damit zu tyrannisieren. Liebe Sammler: Kein Mensch interessiert sich dafür, wo bei einer Münze der Avers ist, wie man Ulanen- von Dragonerhelmen unterscheidet oder wann die erste gummierte Briefmarke herausgegeben wurde. Haltet eure Sammlungen klein und behaltet sie für euch! Wer anfängt Autobusse zu sammeln, ohne den nötigen Platz dafür zu haben, hat den Rubikon der Normalität eindeutig überschritten.

Die Arbeits-Freaks sind mit Sicherheit die armseligste Gruppe innerhalb der Freunde des abnormalen Wissens. Sie interessieren sich für alles was sie beruflich tun und das ist nun wirklich traurig. Wohin fliehen, wenn die liebste Freizeitbeschäftigung des Verfassungsjuristen die Verfassung ist oder ein Buchhalter auch zuhause noch gern rechnet. Ihre übersprühende Motivation und ihr außergewöhnlicher Wissensdurst frustriert dabei die gesamte Mitarbeiterschaft und führt zu einem Klima aus Neid und Abschätzigkeit. Dabei mag es noch in Ordnung sein, wenn man dann und wann einmal die Arbeits-E-Mails am Wochenende checkt, wer sich aber für den Urlaub mit berufsspezifischer Fachliteratur eindeckt, sollte sich vor allem den Satz zu Herzen nehmen, der auch für alle anderen übermotivierten Freaks gilt:
„Get a life!“
Ja, viele Freaks haben hier leider nicht ihren verdienten Platz erhalten. Aber eine Einlassung auf alle Simpsons-, Geschichts-, Musik- oder Blumentopfexperten hätte mit Sicherheit den Rahmen gesprengt. Außerdem ist es wohl an der Zeit zu bekennen, was Sie alle schon geahnt haben: Ja, auch ich bin auch ein Freak. Der Verdacht kam mir nicht erst, als meine Chefin beim Mittagessen die Frage in die Runde stellte, was das denn wohl für Menschen sein müssten, die permanent einen Blog führen. Nein, es war wohl schon früher klar, dass ich mich sonderbaren Interessensgebieten widme - Numismatik und Vexillologie sind dabei noch harmlosere Beispiele. Bevor Sie sich jetzt aber von meiner Geltungssucht und diesem Blog abwenden, möchte ich Sie beruhigen: Nicht alle hier dargestellten Freak-Typen finden sich in meiner Wenigkeit kumuliert. Ich bin zwar der schweren Überzeugung, dass Balrogs nicht fliegen können, für Sport interessiere ich mich aber überhaupt nicht.

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