Montag, 8. Februar 2010

Der Wiener Opernball, weltberühmt in Österreich.

Die jährliche Ballsaison findet ihren Höhepunkt am Wiener Opernring. Dort wo das Gebäude steht, das von den Wienern liebevoll die Schuhschachtel genannt wird und dessen Architekten bereits vor seiner Eröffnung starben. Einer wurde vom Fieber dahingerafft, ein weiterer - so heißt es - habe sich das Leben genommen, nachdem der Kaiser das Bauwerk als hässlich kritisiert habe. Der alte Franz Joseph sei ob des Konstrukteurssuizids derart bestürzt gewesen, dass er fortan mit seiner allerhöchsten architektonischen Meinung hinterm Berg gehalten habe um allzu empfindliche Künstlerseelen zu schonen. Dort in diesem ehrwürdigen Bau - dem ersten Haus am Ring - steigt jeden Feber der große Wiener Opernball. Und alles was Rang und Namen hat in diesem Land lässt sich blicken, um einmal weltberühmt zu sein - in Österreich.

Der Ball der Bälle beginnt mit einem pompösen Zeremoniell, das eines der letzten Überbleibsel der alten Monarchie darstellt und das zutiefst österreichische Bedürfnis nach Devotionalität befriedigt. Eine laute Fanfare ertönt, die Ballgäste erheben sich in ihren Logen. Nur ein paar Deutsche bleiben sitzen, deren Anstand entweder nicht über ihre Schuhbändel hinausreicht oder die zu lange an Habermas' herrschaftsfreien Irrlehren geschnuppert haben. Die Türe zur ehemaligen Kaiserloge öffnet sich und heraus tritt der Bundespräsident, die rot-weiß-rote Staatsscherpe umgebunden, am Frack prangt der Großstern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich.

Danach ertönt die Bundeshymne und schließlich noch „Freude schöner Götterfunken“, um die Europafanatiker im Publikum gnädig zu stimmen.
Dann gehört der Ball den anderen, den Wichtigen und vor allem den Wichtigtuern. Wirtschaftsmagnaten laden internationale Gäste ein, ein Baumeister internationale Busenwunder. Die Seitenblickegesellschaft darf natürlich auch nicht fehlen. Deren Doyenne, die allseits bekannte und beliebte Grand Dame der besseren Wiener Gesellschaft, Jeannine Schiller trägt ein langes Abendkleid und ihre neueste Schönheits-OP zur Schau. Der Staatsoperndirektor - ein Rumäne mit niederländischem Nachnamen - gibt bissige Kommentare von sich und lässt durchblicken, dass er es am liebsten hätte, wenn man den Opernball wo anders feiern würde, um seine schöne Oper nicht zu arg abzunützen. Ein homosexueller Travestiekünstler und eine ausrangierte ZIB-Lady moderieren das Ereignis für den staatlichen Rundfunk. Ganz oben auf der Speisekarte steht natürlich ein Interview mit dem Staatsoberhaupt nebst Gattin, die wieder dasselbe Kleid wie letztes Jahr trägt. Sein Adjutant, ein Generalmajor der Flieger fadisiert sich derweil im Hintergrund.
Dann erfolgt die öffentlichkeitswirksame Bewerbung eines Wiener Gürtelkaufhauses, vorgetragen durch des Baumeisters und Kaufhauseigentümers jährlichen Möchtegernstargast. Dort lispelt dann ein gestresstes Ex-Hollywood-Starlett, das in den späten Achtzigern einmal in einem B-Movie mitgewirkt, oder ein paar Aufenthalte in der Betty-Ford-Klinik hinter sich hat, irgendwelche Sinnlosigkeiten in das Mikro, die der noch gestresstere ORF-Schwule zusammenfassend übersetzt.

Nach einem fatalen Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut, beherbergt die Wiener Staatsoper das größte Ballspektakel der Republik und polarisiert damit zwischen gesellschaftskritischen DemonstrantInnen und gesellschaftlich interessierten Omas, die zuhause vorm TV-Gerät kleben und Dinge sagen wie:
„Mei fesch schauts heit wieda aus die Frau vom Fischer!“ oder „Die Neiche vom Lugner is vielleicht ein ordinäres Gschropp. Und sei Tochter kenntats a scho sei.“

Das billigste am Opernball ist ein Stehplatz für die Generalprobe um 15€. Der gewöhnliche Eintritt zum Hauptevent - ohne alles - kostet dann schon 230€. Für Herren besteht dabei Frackzwang, Damen mögen sich bitte in bodenlange Abendcouture hüllen. In den letzten Jahren ist man diesbezüglich jedoch lax geworden. Hubsi Kramer wäre beinahe als Adolf Hitler verkleidet ins Foyer gelangt und Gerry Keszlers bärtiger Begleiter durfte letztes Jahr auch ohne Frack in die Oper, zumindest trug er ein bodenlanges Abendkleid. Rang- und Bühnenlogen kosten 17.000€, wobei letztere nur mehr an Operngönner vergeben werden, die zusätzlich über 36.000€ pro Jahr abdrücken müssen. Ein Glas Mineralwasser kostete 2006 ganze 5€ eine Gulaschsuppe 7€, mittlerweile dürfte sich die Preise eher erhöht als gesenkt haben.

Schon in der ersten Republik - und im Nationalsozialismus - war der Opernball ein gesellschaftliches Ereignis. Heute ist es vor allem ein Tummelplatz des besagten Baumeisters, seines Zeichens Enfant Terrible der heimischen Oberschicht und einziger Vetreter des Proletariats am Ball der Bälle. Sein heuriger Stargast Lindsay Lohan wird sich mit Sicherheit gemeinsam mit seiner derzeitigen Lebensabschnittspartnerin Anastasia Sokol in perfektem Englisch über Proust und die Bedeutung der Wiener Secession für die Moderne unterhalten. Die Anwesenheit von Lugners neuester Amour fou, die von ihrem großväterlichen Liebhaber zärtlich „Katzi“ genannt wird, verspricht jedenfalls einen Hauch von Favoriten in das Haus am Ring zu tragen.

Um die Präsenz weiterer hochkarätiger Gäste muss freilich gezittert werden. Meinl, Grasser und Mensdorff-Pouilly sind zwar sehr angesehene Namen, könnten aktuell aber jederzeit auf internationalen Fahndungslisten auftauchen.
Jedenfalls mit ihrer Anwesenheit beehren wird den Ball jedoch der Großteil der Bundesregierung, wobei man auch heuer wieder gespannt sein darf, welcher Teil der SPÖ-Ministerriege auf die Staatsscherpe verzichtet um dem Durchschnittsarbeiter aus Linz-Urfahr näher zu sein. Dabei wirkt ein Sozialist im Frack an sich schon so natürlich wie Uwe Scheuch mit akzentfreiem Deutsch und in slowenischer Tracht. Oder wie Bruno Kreisky einst so treffend sagte:

„Es ist die Rache der Geschichte an den jungen Revolutionären, dass sie im fortgeschrittenen Alter mit Orden und Ehrenzeichen geschmückt auf den Opernball gehen müssen.“

Der Opernball ist eine wunderbar sinnlose Veranstalltung. Sie ist in der Tat so sinnlos, überflüssig, arrogant, ordinär und verschwenderisch, dass sie getrost als Herzstück des Österreichertums verstanden werden kann. In einem Land, in dem die Dinge nicht nach ihrer Nützlichkeit beurteilt werden, sondern danach ob sie angenehm und fesch sind, ist der Wiener Opernball für wahr nur das I-Tüpfelchen auf den Schrullen einer Nation, für die Genuss und Tradition schon immer mehr gezählt hat als Bescheidenheit und Fortschritt.
In diesem Sinne:
Alles Walzer!

1 Kommentar:

  1. Hallo und vielen Dank für die tollen Impressionen. Ich bin immer wieder überrascht wie gut die Eventlogistik in Österreich funktioniert. Am besten gefällt mir aber immer wieder Graf Mörtel der Ewige.

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