Es gibt ein Land, in dem Milch und Honig fließen, wo die werktätigen Massen die Macht im Staate übernommen haben, wo das Volk wahrlich herrscht, das in allen wissenschaftlichen, militärischen und wirtschaftlichen Bereichen führend unter den Nationen dieser Erde ist: Nordkorea.
Letzte Woche hatte ich das Vergnügen die Ausstellung „Blumen für Kim Il Sung“ im MAK zu besuchen. Ein Stück nordkoreanisches Paradies in Österreich. Nachdem man den Eintritt bezahlt hat - soviel Kapitalismus muss sein - betritt man den Sicherheitsbereich durch einen Metalldetektor. Besonders amüsant: Am selben Tag schlug das Ding bei meiner Gürtelschnalle im Parlament nicht an, der Detektor im MAK hat sie gefunden. Hat man die Sicherheitsüberprüfung wohlbehalten überstanden, geht man eine Treppe hinauf und erreicht den Ausstellungsraum durch eine Glastür. Es herrscht absolutes Fotografieverbot und die Anzahl des Wachpersonals übersteigt jene der Besucher um das Doppelte. Eine Vase mit aufwändigem Blumenschmuck erhebt sich im Raum. Gladiolen, Kirschzweige, Hortensien, Orchideen, Nelken und Pfingstrosen ergeben gemeinsam eine interessante pink-rosa Mischung zu Ehren eines Mannes: Kim Il Sung, seines Zeichens ewiger Präsident der Demokratischen Volksrepublik Korea, Diktator, Massenmörder und seit 1994 tot.
Die Bilder der Ausstellung sind größtenteils in einem herrlichen Kunststil gehalten, der sich sozialistischer Realismus nennt. In einer Pose aus ängstlichem Entzücken blickt eine Soldatin den großen Führer - so Kim Il Sungs Propagandatitel - von unten an. Der Bildtitel erklärt ihre Furcht: „Mein Führer, dort vorne ist die Front.“ Weitere Gemälde zeigen den stalinistischen Langzeitherrscher und seinen Sohn und Nachfolger Kim Jong Il umringt von lachenden Kindern, Arbeitern und Soldaten. Niemand ist größer als die Diktatoren, obwohl Sohnemann Jong Il selbst für koreanische Verhältnisse kurz bemessen ist. Die Plateauschuhe, die er trägt um seine natürliche Körpergröße von etwa 1,6 m zu überragen, sieht man auf den Bildern im Museum aber nicht. Der Künstler hat die diktatorischen Ausmaße wohl etwas wohlwollender bewertet als die Realität, vielleicht auch aus Furcht vor einem der gut 200 Arbeitslager, die das nordkoreanische Regime für seine geschätzten 150.000 Widersacher im eigenen Land unterhält. Sozialistischer Realismus zeichnet sich nicht unbedingt durch Realitätsverbundenheit aus.
Neben den kommunistischen Jubelmalereien finden sich auch etliche Propagandaplakate in der Ausstellung. „Lasst uns mehr Äpfel ernten um die Apfelernte zu steigern.“ verkündet sinngemäß eines von diesen. Eine lächelnde Arbeiterin posiert vor dem Ernteerfolg, während im Hintergrund ein Traktor die Bäume mit einem - sicher biologisch abbaubaren - Mittel besprüht. Ein Weiteres Plakat fordert die gewissenhafte Umsetzung des Volksgesundheitsgesetzes. Eines verlangt den Bau von mehr Zügen und Kraftwagen, ein weiteres warnt vor den Gefahren unbeschrankter Bahnübergänge. Besonders amüsant wirkt jenes Poster, das aus Anlass des 50. sozialistischen Frauentages entstand und das im Hintergrund Demonstrationsplakate gegen Atomwaffen zeigt.
Mein absolutes Lieblingsbild ist jenes, das den lieben Führer - Propagandatitel des jüngeren Kim - dabei zeigt, wie er eine Armeekantine inspiziert. Dort türmen sich Fleisch- und Gemüseberge. Ein stehendes Heer von über einer Millionen Mann will schließlich ernährt werden. Formal unterhält Nordkorea damit die fünftgrößte Armee der Welt. Tatsächlich dürften weite Teile der Ausrüstung bereits veraltet sein. Wenn sich die Lebensmittel in den Kantinen der Koreanischen Volksarmee auch nicht stapel dürften, so ist diese bei der Nahrungsversorgung doch privilegiert. Als in den 90ern etwa eine Millionen Nordkoreaner in diversen Hungersnöten starben, wurden die Hilfslieferungen der UNO zunächst zur Versorgung der Streitkräfte verwendet.
Wer sich auch nur etwas mit nordkoreanischer Innenpolitik beschäftigt hat, erahnt den Wahrheitsgehalt der in Wien ausgestellten Kunstwerke.
Kim Il Sung spielt mit Kindern auf einer Parkbank, Flüchtlingskinder aus dem stalinistischen Korea zeichneten in chinesischen Lagern Bilder von menschlichen Extremitäten an Fleischerhaken. Gerüchteweise wird das Fleisch Hingerichteter auf den Wochenmärkten Verkauft.
Glückliche Arbeiter sehen verklärt zu ihrem lieben Führer auf, während sie einen gigantischen Staudamm errichten. Die Sklaven in den nordkoreanischen Konzentrationslagern haben eine geschätzte Lebenserwartung von 50 Jahren, leben oft nur von 100g Reis am Tag, bei 16 Stunden Arbeit und kochen heimlich Frösche, Insekten und Ratten. Frauen in den Lagern werden zu Abtreibungen gezwungen, oft werden mit den Delinquenten auch deren Familien interniert. Jene die Propagandaunterricht erhalten, gehören dabei noch zu den Privilegierten, weil sie als noch resozialisierbar angesehen werden. Sie dürfen ihre Mitgefangenen und sich selbst öffentlich kritisieren. Die anderen arbeiten mehr, essen weniger und haben keine Aussicht darauf jemals entlassen zu werden. Der gute Bekannte eines Professors unternahm eine Reise nach Nordkorea - man wird ständig bewacht und hat keinen Kontakt zur normalen Bevölkerung - und erkundigte sich, warum es im Land des realen Sozialismus keine Versehrten gebe. Man antwortete ihm, dass der Führer alle Behinderten heile. Das klingt verdammt nach Spiegelgrund.
Möglicherweise glauben die Nordkoreaner aber tatsächlich an die übernatürlichen Fähigkeiten ihres Herrschers. Die Jubelpropaganda verbreitet über ihn so liebevolle Geschichten wie jene, die am Tage seiner Geburt einen Regenbogen über dem Paektusan, dem heiligen Berg Koreas, bezeugt. Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass der kleine Kim laut offizieller Geschichtsschreibung alle Seifenkistenrennen gewann, an denen er teilnahm. Vielleicht auch deshalb, weil etwaigen Widersachern das Gulag bevorstehen hätte können. Kim Jong Il soll seinen großen Vater außerdem vor einer Verschwörung gerettet und selbsternannte Dichter entlarvt haben, die in Wirklichkeit die Partei spalten wollten und von amerikanischen Imperialisten bezahlt worden waren. Aber auch im Erwachsenenalter sind ihm die wundersamen Begabungen nicht abhanden gekommen: So erkannte er den negativen Einfluss der Mona Lisa, die ihm unheimlich vorkam und er besitzt die erstaunliche Fähigkeit auf der Stelle den Fehler zu finden, wenn er die Motorhaube eines defekten Wagens hebt und das Motorengeräusch hört. Auch konnte Kim Jong Ill während einer Frontbesichtigung - Nordkorea befindet sich offiziell noch immer im Krieg mit dem Süden - durch plötzlich aufkommenden Nebel die hermetisch abgeriegelte Grenze überschreiten und die feindlichen Stellungen auskundschaften. Voll Wahrheit dürfte auch jene Story sein, die berichtet, dass es ihm während eines Marinemanövers durch die Gewalt seiner Stimme gelang das tosende Meer zum Schweigen zu bringen. Ob er danach auch über selbiges zu wandeln pflegte, ist leider nicht überliefert.
Während das Volk von der Göttlichkeit seiner Führung überzeugt wird, pflegt diese auch einen überaus himmlischen Lebensstil. Ausländische Köche stehen rund um die Uhr bereit, um vom Burger bis zu Kaviarbrötchen alles zu kredenzen, was der kommunistische Herrscher von Welt zu speisen wünscht. Aus Österreich lässt sich der geliebte Führer von der Limousine bis zum Geigerzähler alles beschaffen, was das Diktatorenherz begehrt.
Das Staatsoberhaupt, das als begeisterter Cineast bekannt ist - er besitzt angeblich die weltgrößte private Videosammlung - ließ sich auch südkoreanische Schauspieler und Regisseure entführen, um von diesen eine eigene Filmindustrie aufbauen zu lassen. Seine filmerische Leidenschaft stellte Kim schon in jungen Jahren dem Staat zur Verfügung. So führte er angeblich bei Propagandaklassikern wie „Meer des Blutes“ und „Der unsterbliche Soldat“ selbst Regie.
Damit das Volk auch nicht den Hauch eines Zweifels an der Qualität seines Führungspersonals hegt, wird zu besonderen Anlässen nicht nur zu deren Ehren massengeturnt, nein, um die Super-Kims nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, stehen auch überall im Land Statuen des berühmten Vaters und des - Zitat - „vom Volk so geliebten Sohnes und Erfinders des Kim Il Sungismus“. Ein großes Museum stellt alle Geschenke aus, die die beiden Kims von ausländischen Gästen erhalten haben und die eine tiefe Verehrung des Auslandes für den - nochmals Zitate - „Stern Koreas“ und seinen Sohn das „Genie des 21. Jahrhunderts“ erkennen lassen sollen.
Am besten läuft die Kimsche Propagandamaschinerie in der Hauptstadt Pjöngjang, vor allem weil dort noch genug Strom vorhanden ist um die Bürger um fünf Uhr früh mit Sirenen und Nationalhymne aus dem Bett zu reißen. Fernsehen, Radio und Zeitungen sind völlig gleichgeschaltet und singen jeden Tag ein Loblied ums andere auf Marschall Kim und seinen Spross, der sich gerne als „das Gehirn der Massen“ verehren lässt. Damit aber nicht genug: Hin und wieder lässt das Regime in Pjöngjang ganzseitige Anzeigen in angesehenen ausländischen Zeitungen schalten, um diese dann zu zitieren.
Ganz klar, dass auch die Ausstellung in Wien propagandistisch verwertet werden wird. Deren kritikfreie Kommentarlosigkeit wird dazu sicherlich beitragen. Dennoch: Ohne diesen Kompromiss hätte die Kommis ihre kostbaren Kunstschätze sicherlich nicht herausgerückt und der liebe Wolfi und ich hätte uns im Museum nicht lautstark über den Stalinismus nordkoreanischer Prägung lustig machen können. Für die geschundenen Einwohner des fleischgewordenen George-Orwell-Albtraums macht das bisschen Propaganda zusätzlich auch keinen Unterschied mehr.
Wen nun die Reiselust gepackt hat, der kann sich unter flogender Adresse für eine Reise ins Land von Kall Malx und Fliedlich Engels anmelden:
http://www.nordkoreareisen.de/
Den anderen sei ein Besuch des Museums für Angewandte Kunst anempfohlen.
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