Österreich ist das Land der Titel. Jeder der nach Stereotypen fahndet weiß das. Etwa 900 Berufs-, Amts- und Ehrentitel zählt die einschlägige Fachliteratur auf. 92 Jahre nach dem Ende der Monarchie ist zwar der Adel abgeschafft, den Hofrat gibt es aber immer noch und zwar deshalb, weil 1918 die tatsächliche Macht im Staate das Ruder übernahm: die Beamtenschaft.
Wer es als Staatsbediensteter zu gewissen Weihen und - viel wichtiger - zu einer bestimmten Anzahl an Dienstjahren gebracht hat, wird von der Republik kostengünstig geehrt. Oft geschieht das kurz vor der Pensionierung - wobei Beamte ja formal nur in Ruhe versetzt werden, der Beamtenstatus also aufrecht bleibt - wodurch der eher unschmeichelhafte Ausdruck "Grabsteinhofrat" geprägt wurde. Meistens darf sich der Betreffende - vielleicht ein greiser Ministerialrat - aussuchen, ob er lieber ein silbernes Verdienstzeichen oder einen Hofrat möchte. Eines vorweg: Der Hofrat ist billiger und macht sich besser. Das Verdienstzeichen muss man selber bezahlen, wäre ja noch schöner, wenn die Republik auch noch die Kosten für ihre Großzügigkeit tragen müsste. Außerdem kann man nicht einmal in Österreich permanent mit einem Orden herumrennen ohne als geltungssüchtig abgestempelt zu werden. Und weil Beamte nicht nur sparsam sind, sondern auch lieber selber abstempeln, erfreut sich der Hofrat nachwievor allgemeiner Beliebtheit. Auch der Staat kann zufrieden sein. So ein Titel kostet nichts außer das Papier der Verleihungsurkunde und macht daher beide Seiten glücklich. Auf dem schönen Fetzen den der Geehrte gratis bekommt steht dann soviel wie: „Der Bundespräsident der Republik Österreich beurkundet hiermit, dass er in Ausübung der ihm verfassungsmäßig zustehenden Befugnisse mit Entschließung vom Soundsovielten Herrn Titel, Titel Sowieso XY verliehen/ zum XY ernannt hat.“
Einen Kaiser hamma nimmer, dafür aber einen Bundespräsidenten. Geadelt wird man heute auch nicht mehr, dafür gibt's aber Titel die man sich - wieder eine österreichische Spezialität - in den Pass eintragen lassen kann.
Im Laufe einer Beamten- und Akademikerkarriere kann sich daher so einiges an Titulatur ansammeln. Der hochverehrte Herr Verfassungsgerichtshofspräsident a.D. Hofrat o. Univ.-Prof. Hon.-Prof. Dr. h.c. Dr. Ludwig Adamovich bildet dabei nur ein kleines Beispiel für die opulente Schönheit österreichischer Anreden.
Seit sich die Bundesregierung erdreistet hat den „Wirklichen Hofrat“ - das waren ursprünglich solche mit aus dem Titel resultierender Befehlsgewalt - abzuschaffen, hat es lange Zeit keine Anschläge mehr auf diese gute österreichische Sitte gegeben. Erst der Bolognaprozess bringt wieder Verwirrung in den so schön geordneten Titelwald. Was ist bitte ein Betscheler und seit wann ist der Master nicht mehr derjenige, der dem Lehrbuben eine reinhaut? Sogar den schönen Doktor hat man uns in einen Pie-eitsch-die verhunzt... Sodom und Gomorrha! Das gute alte Österreich wendet sich angewidert ab. Ein Universitätsprofessor gab mit vernichtendem Tonfall zu Protokoll: Ein Bakkalaureus liege für ihn unterhalb der akademischen Wahrnehmungsschwelle. Dabei ist es noch ein Glück, dass man uns zumindest noch den Hofrat, die Obersonderkindergärtnerin und den Fachoberinspektor gelassen hat. Wie schon die gute alte Tante Jolesch sagte: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist!“
Dabei ist unser Titelsystem so schön durchdacht. Sogar für die Aufzählung gibt es ein wunderbares System: An erster Stelle stehen die Berufsbezeichnungen (z.B. OGH-Richter), danach kommt der Amtstitel oder die Verwendungsbezeichnung (z.B. Hofrat), dann Berufstitel (z.B. Universitätsprofessor), akademische Ehrentitel (z.B. Dr. h.c.), Standesbezeichnungen (z.B. Ingenieur), sonstige Ausbildungsbezeichnungen (z.B. Diplomkrankenschwester), die akademischen Grade der Prä-Bologna-Ära (z.B. Mag.), dann der Name und danach die Bologna-konformen Titel (z.B. Bac.). Wer sich also über ein überfrachtetes und unübersichtliches Titelsystem lustig macht, soll sich zuerst einmal informieren.
Irgendwie wird man wohl auch einen Weg finden die geschätzten Magistri et Magistrae über Bologna hinweg zu retten. Man sollte niemals das Beharrungspotential österreichischer Traditionen unterschätzen. Obwohl der Bund die „Wirklichen Hofräte“ längst stillgelegt hat, verleihen manche Bundesländer diese Ehrenbezeichnung weiterhin. In Niederösterreich gibt es gar noch den „Vortragenden Hofrat“. Der Titel war einst jenen vorbehalten, die das Recht besaßen beim Kaiser persönlich vorstellig zu werden. Vielleicht empfängt sie jetzt ja Erwin Pröll…
Solange im Marchfeld noch Bohrmeister und Oberbohrmeister nach Erdöl suchen, Bergräte die heimischen Alpen im Blick behalten, solange noch Oberoffiziale, Oberrevidenten und Amtssekretäre die österreichischen Behörden im Griff haben, Revier-, Gruppen-, Bezirks-, Abteilungs-, Kontroll-, und Chefinspektoren der Polizei auf Streife gehen, der Parlamentsdirektor nebst dem Parlamentsvizedirektor dem Nationalratspräsidenten und der Präsidialdirektor dem Bundespräsidenten zur Seite stehen, solange noch Diplompädagogen und Fachoberlehrer das Erziehungswesen lenken und ein Generalprokurator am Obersten Gerichtshof sitzt, solange ist noch alles in Ordnung.
Bis dato hat uns die EU ja all die braven Inspektoren, Kommissäre und Räte noch nicht wegvereinheitlicht. Österreich bleibt bis dahin die wahrscheinlich einzige konservative Räterepublik der Geschichte.
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