Sonntag, 13. Juni 2010

Palästisrael, oder: Jedes Problem hat eine Ursache, aber nicht unbedingt eine Lösung.

Große Probleme erklärt man am besten mit kleinen Bildern. Dabei gehen zwar viele Details verloren, aber man erkennt den Kern dafür leichter:
Stellen Sie sich einen Scheidungskrieg vor. Die Ehe war arrangiert, hat nie sonderlich gut funktioniert und war eigentlich schon in der Verlobungszeit hoffnungslos zerrüttet. Sowas wird schnell schmutzig. Man beschuldigt die jeweils andere Seite an allem Möglichen schuld zu sein. Am Ende verläuft die Suche nach neuen Argumenten häufig jenseits der Wahrheit. In solchen Fällen ist es wohl am besten, man trennt sich auf nimmer wiedersehen. Nun stellen Sie sich aber einmal vor, dass diese Exeheleute aus irgendeinem Grund im selben Haus wohnen müssen. Der Konflikt verschärft sich bis hin zum offenen Hass. Michael Köhlmeier hat einmal gesagt, der unverstellte Hass sei jener, bei dem man ohne Rücksicht auf eigene Verluste dem anderen Schaden zufügt. Im Haus der Geschiedenen wird scharf geschossen, auch wenn dabei die eigenen Fenster, Möbel und Türen kaputt gehen. Es sind ja auch die Fenster, Möbel und Türen des anderen. Jetzt stellen sie sich vor, dass dieser Scheidungskrieg nicht zwei, sondern über elfeinhalb Millionen Menschen betrifft und dass dabei nicht ein Haus, sondern eine ganze Region in Trümmer geht.
Der palästinensisch-israelische oder israelisch-palästinensische Konflikt ist alt und wie dieser Scheidungskrieg in keiner Weise zu lösen, die für beide Seiten auch nur annähernd akzeptabel wäre. Es ist wie mit der Division durch null: Es geht einfach nicht.

Israel und die arabische Welt haben seit der Gründung des jüdischen Staates 1948 sieben Kriege gegen einander geführt, die beiden palästinensischen Intifadas nicht mitgerechnet. Tausende sind gestorben, hunderttausende sind heimatlos geworden.In der Folge eine kurze Darstellung der Abläufe ohne Anspruch auf umfassende Komplettheit:

Vor, während und nach der Judenverfolgung durch die Nazis in Europa setzte ein jüdischer Flüchtlingsstrom in das damals britische Protektoratsgebiet Palästina ein. Die ansässigen Araber sahen sich von Minorisierung und Entrechtung bedroht. Um die Siedler wieder los zu werden paktierten Sie - allen voran der Großmufti von Jerusalem - auch mit den Nazis. Die britische Besatzung versuchte den Zustrom zu verhindern und schickte sogar volle Flüchtlingsschiffe nach Deutschland zurück. Die ganze Sache war schon von Beginn an eine Tragödie. Nach Kriegsende taten die Briten schließlich das was sie in diesen Jahren am besten konnten: Sie zogen sich zurück ohne eine funktionierende postkoloniale Ordnung zu hinterlassen. Die junge UNO legte einen Teilungsplan vor. Es sollte einen jüdischen und einen arabischen Staat geben. Teile der jüdischen Bevölkerung waren vorsichtig positiv gestimmt, die Araber dachten nicht einmal im Traum daran die Teilung umzusetzen. Nach der israelischen Staatsgründung versuchten die Nachbarn des jungen Staates daher kurzen Prozess zu machen. Ägypten, Syrien, Jordanien, der Libanon und der Irak marschierten ein. Briten und Amerikaner wahrten Neutralität. Es ist wohl keine Übertreibung wenn hier gesagt wird, dass ein Sieg der Araber wahrscheinlich in einem zweiten Holocaust geendet hätte. Trotz der Aussichtslosigkeit der israelischen Lage drehte sich das Blatt schließlich. Die Sowjets und ihre Verbündeten belieferten den jüdischen Staat mit Waffen. Gewehre, Munition und Bausätze für Flugzeuge kamen aus der Tschechoslowakei. Die Araber wurden zurückgeschlagen und besiegt. Nun schufen die Israelis Fakten, warfen den UNO-Plan über den Haufen und besetzten auch Teile jenes Gebietes, das für die Gründung eines arabischen Staates vorgesehen gewesen war.
Es folgte die Suezkrise, in der Israel auf Seiten Großbritanniens und Frankreichs gegen Ägypten zu Felde zog. Dieses fühlte sich - wie seine arabischen Verbündeten - zutiefst gedemütigt und plante Vergeltung. Der ägyptische Präsident Nasser sperrte die Straße von Tiran für die israelische Schifffahrt, erzwang den Abzug der UNO vom Sinai und ließ tausende Panzer sowie um die 100.000 Soldaten an der israelischen Grenze auffahren.
Der Sechs-Tage-Krieg begann mit einem Präventivschlag Israels, durch den praktisch die gesamte ägyptische Luftwaffe schon am Boden zerstört wurde. Auch der Irak, Jordanien und Syrien waren wieder mit von der Partie. Die anderen arabischen Staaten leisteten logistische Unterstützung. Doch wieder siegte Israel, das den gesamten Sinai, den Gazastreifen und die Westbank besetzte. Es folgte der sogenannte Abnützungs- oder Ermüdungskrieg (1968-1970) mit dem Ägypten die Israelische Besatzung zu beendigen suchte. Vergeblich. Dabei hatten die Ägypter diesmal sowjetische Unterstützung erhalten, auch weil sie sich geschickt zwischen den Machtblöcken hielten und dadurch Geld von Amis und Russen einstecken konnten. 
Etwa zur selben Zeit begann die PLO (Palestine Liberation Organisation) mit Terroranschlägen gegen israelische und jüdische Einrichtungen weltweit, wie dem Attentat auf das israelische Olympiateam in München, das vorn der PLO-Splittergruppe Schwarzer September verübt wurde. Es bestanden  auch Verbindungen zur RAF und anderen Terrororganisationen.
Einmal noch versuchten die geschlagenen Araber Israel dem Erdboden gleich zu machen, nämlich im Jom-Kippur-Krieg 1973, benannt nach dem hohen jüdischen Feiertag, an dem Israels Gegner den Angriff begannen. Jordanien hatte genug und eingesehen, dass Israel militärisch auf absehbare Zeit nicht beizukommen war, weshalb nur noch Ägypten, Syrien und der Irak als Verbündete übrig blieben. Auch diesmal siegten die Israelis, behielten den Sinai und besetzten den Golan.

Nach Jahrzehnten des Krieges, nach etwa 800.000 vertriebenen Juden, circa über eine Million vertriebener Palästinenser, nach abertausenden Toten auf beiden Seite sah man dann irgendwie ein, dass es so auf die Dauer nicht weitergehen konnte. Schließlich einigten sich Ägypter und Israelis unter Vermittlung der Amerikaner in Camp David auf Bedingungen für einen Friedensvertrag, der 1979 zustande kam. Die Israelis räumten den Sinai, gewährten den Palästinensern Autonomie und erhielten dafür freie Fahrt durch den Suezkanal und einen Feind weniger an seinen Grenzen.

Es wäre aber viel zu schön gewesen, wenn es so weiter gegangen wäre. Der libanesische Bürgerkrieg 1982 brachte wieder eine Verschärfung der Situation. Aus dem Libanon operierten terroristische Gruppen gegen Israel, welches mit der bewährten Einmarschmethode reagierte. Folge war eine militärische Schwächung der auch aus dem Libanon tätigen PLO. Die Israelis umstellten ihre Flüchtlingslager und sahen mit an, wie christlich-libanesische Milizen zwischen 2.000 und 3.300 Palästinenser niedermetzelten und ihre Frauen vergewaltigten. Die israelische Regierung wusste davon, das israelische Militär sah untätig zu. Eine unmittelbare Folge war die Erste Intifada, der Aufstand der Palästinenser in der Westbank und im Gaza-Streifen.

1993 schloss Israel Frieden mit Jordanien, das dafür von den USA finanziell großzügig entlohnt wurde. Im gleichen Jahr wurde mit den Palästinensern das Osloer-Abkommen geschlossen, die Endgültige Umsetzung des Friedensprozesses scheiterte an der Ermordung Itzak Rabins durch einen radikalen Israeli.
Der Konflikt ging also weiter. Die Israelis hatten während all der Jahre schwer subventionierte Siedlungen im gesamten Westjordanland errichtet und gedachten diese nicht aufzugeben. Die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung war unter 15 Jahre alt, 70% unter 30, was zur Entspannung der Lage nicht unbedingt beitrug.  Junge Leute sind tendenzitell gewaltbereiter. Die PLO hatte den Terrorpfad schon in den 70ern - auch unter Vermittlung eines gewissen Bruno Kreisky - verlassen und gab sich jetzt Staatstragend. Jassir Arafat war vom Terrorpaten zum Präsidenten aufgestiegen.
Um das Jahr 2000 verschärfte sich die Situation wieder einmal. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hatte den Tempelberg besucht auf dem einst der jüdische Tempel gestanden hatte und der jetzt die Al-Aksa-Moschee beherbergt. Das war eine Provokation sondergleichen, die von den Palästinensern - mittlerweile auch vertreten durch die 1986 gegründete und über Kontakte zum Iran und zur Hisbollah verfügende Hamas - mit einer Intensivierung ihrer Anschlagstätigkeit goutiert wurde. Scharon räumte schließlich aus strategischen Gründen die Siedlungen im Gaza-Streifen, gegen die Anschläge wurde das Westjordanland mit einer Mauer umstellt, die sich als besonders Wirksam erwies, auch um palästinensisches Gebiet de facto zu annektieren.
Arafat starb, Scharon fiel ins Koma und die Hamas gewann die palästinensische Parlamentswahl, was zur Aufteilung der Machtsphären von Fatah (politischer Arm der PLO) und Hamas führte. Erstere bekam die Westbank, letztere den Gazastreifen.
Dann machten die Israelis in einer geheimen Kommandoaktion eine syrische Atomanlage platt. Ein Friedensvertrag mit Syrien besteht bis heute nicht. Dieses musste 2005 aus dem Libanon abziehen, weil es verdächtigt wurde den libanesischen Ministerpräsidenten Hariri auf dem Gewissen zu haben. Das Machtvakuum ermöglichte den Zweiten Libanesischen Bürgerkrieg, in dem die Hisbollah auch wieder vermehrt Raketen gegen Israel abfeuerte, dieses marschierte nach alter Sitte in den Libanon ein, bombardierte die Hisbollah und ein paar UNO-Stellungen, um sich schließlich wieder zurückzuziehen.

Wer jetzt das eine oder andere Scharmützel und diesen oder jenen Vertrag vermisst, sei darauf hingewiesen, dass obige Darstellung wie gesagt nur einen kurzen Abriss liefern sollte. Tata! Da stehen wir heute:
Die Hamas fordert das Alleinvertretungsrecht über die Palästinenser und die Vernichtung Israels. Die Fatah ist korrupt und in Erosion begriffen. Israel lehnt Verhandlungen mit der Hamas ab, baut die völkerrechtswidrigen Siedlungen im Westjordanland weiter aus und stürmt jedes Schiff das sich dem Gazastreifen nähert.

Die Situation ist nicht verzwickt, sie ist hoffnungslos. Die Leute dort hassen sich abgrundtief. Praktisch jeder hat Angehörige und Freunde durch Kriege, Luftangriffe, Kassamraketen oder Selbstmordanschläge verloren. Die Hamas sendet im Gaza-Streifen Kindersendungen in denen Kuscheltiere zum heiligen Krieg aufrufen, sich in die Luft sprengen oder von Israelis ermordet werden (siehe Youtube) und feuert weiter ihre Raketen auf israelische Städte. Israel sperrt palästinensische Bauern von ihren Feldern ab, verfolgt eine sinnlose Abriegelungspolitik gegen Gaza - die Waffen kommen immer durch - und lässt sich von der Welt mit militärischem Material beschenken. Die USA sponsern angeblich etwa ein Fünftel des israelischen Militärhaushaltes. Von den Deutschen bekommt Israel aus historischen Gründen fast alles, was es sich wünscht, darunter U-Boote die Atomraketen abschießen können. Währenddessen baut der Iran seine eigene Bombe und finanziert die Hisbollah sowie die Hamas.

Der kürzliche Zwischenfall mit der sogenannten Friedensflotte war nur ein Kieselstein auf dem Schutthaufen des Nahostkonflikts. Israel hat sich damit nur merklich mehr isoliert als bisher. Die Türkei - über die Israel praktisch seinen gesamten Energieimport abwickeln und die einer der wenigen Staaten in der Region ist, mit der es annähernd freundschaftliche Beziehungen pflegte - hat es sich nun auch zum Gegner gemacht. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft will den Druck auf Israel erhöhen die Gaza-Blockade zu beenden und - historisch etwas pikant - in Deutschland werden durch die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen Israel wegen Kriegsverbrechen geführt.

Immerhin ein „positives“ Zeichen der israelisch-arabischen Entspannung gibt es: Da sowohl Araber als auch Israelis den Iran nicht ausstehen können und sein Atomprogramm kritisch beäugen, soll Saudi-Arabien - man höre und staune - im Norden seines Hoheitsgebietes die Einrichtung einer geheimen Flugzone für die israelische Luftwaffe vorbereiten, um im Anlassfall eine Bombardierung der iranischen Atomanlagen zu ermöglichen.

Der Nahostkonflikt selbst ist aber de facto unlösbar. Eine dritte Macht, die es nicht gibt, müsste beide Seiten zum Frieden zwingen. Ein Szenario das nur noch mehr Tote fordern würde. Die Aufgabe der Gaza-Blockade, die Räumung israelischer Siedlungen, die Anerkennung des Existenzrechtes Israels durch die Hamas, das einreißen der Grenzmauer zum Westjordanland und die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge aus dem Libanon werden von jeweils einer der beiden Seiten strikt abgelehnt. Auch die - gerüchteweise bevorstehende - Ausrufung eines souveränen Palästinenserstaates wird an der Grundproblematik nichts ändern.

Irgendwie stumpft die Dauer und Brutalität des Konflikts ab. Man muss sich jedes Mitleid  mit den Streitparteien mühsam abringen. Die ganze Region ist voll von Tätern und Opfern, meist in Personalunion. So richtig leid tun einem fast nur noch die Kinder.

3 Kommentare:

  1. du antisemitisches schwein mit mundgeruch

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  2. Annonym lässt sich ja viel schreiben, besonders sachliche Argumentationen.

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