Samstag, 19. Juni 2010

Der König ist tot, es lebe die Krone?

Nur wenige wissen wahrscheinlich, woher die Kronen Zeitung ihren Namen hat: Ein Abonnement des Blattes war in der Monarchie ausgesprochen günstig. Es kostete eine Krone pro Monat (etwa 3 Euro) und um es zu bewerben, nahm man den Preis gleich in den Namen auf. Die Krone trug auf ihrem Titelblatt das Bild der namensgebenden Münze, dann das von Karl Renner entworfene provisorische Wappen der Republik und schließlich ein Hakenkreuz. Als im Krieg aus Papiermangel die meisten Zeitungen eingestellt werden mussten, wurden 1944 auch bei der gleichgeschalteten Krone die Rotationspressen stillgelegt.

Die Geschichte der Krone die wir heute kennen, begann 1959 mit dem Kauf der Namensrechte durch einen Mann, dessen Name auch nach seinem Tod in Österreich noch lange ein Begriff bleiben wird: Hans Dichand.
Schon am Beginn des Blattes, jetzt Neue Kronen Zeitung, stand ein Skandal: Dichand hatte die Hälfte der Mittel zur Zeitungsgründung vom damaligen Innenminister Olah mit Bürgschaften über das Vermögen des ÖGB erhalten. Die andere Hälfte kam formal von einem deutschen Investor, tatsächlich aber auch vom ÖGB. Natürlich lief alles unter der Hand und ohne Wissen weiter Teile der Gewerkschaftsführung ab. Die SPÖ, der der machtbewusste Olah unheimlich geworden war, nützte die Gelegenheit um selbigen abzusägen. Als der ÖGB sein Geld wiederhaben wollte, begann Dichand etwas, was ihn und seine Zeitung in der Folge auszeichnen sollte: Eine Kampagne.
Er patzte vor allem die SPÖ und den ÖGB an, war aber schließlich bereit letzteren mit elf Millionen Schilling abzufinden. Die zweite Hälfte der Zeitung wurde von Dichands Mitherausgeber Kurt Falk übernommen. Doch der autoritäre Dichand, vor der Gründung der Krone hatte er sich schon in anderen Redaktionen nicht integrieren können, verstritt sich bald mit Falk. Dieser schied aus und gründete Täglich Alles, eine Zeitung um zunächst drei Schilling, die die Krone im Boulevardsektor zu unterbieten suchte, indem sie etwa behauptete Thomas Klestil leide an AIDS. Auch mit der deutschen WAZ-Gruppe, die Falks Anteile gekauft hatte, überwarf sich Dichand schließlich. In der Krone wollte er der Alleinherrscher sein, Nebenspieler konnte er nicht ertragen.

Falks Experiment ging schließlich pleite, die Krone hetzte munter weiter. Die Zeitung startete eine Kampagne gegen das Kraftwerk in der Hainburger Au, Dichand hatte in der Nähe ein Jagdgebiet. Er hätte, so sagte er später, für die Rettung der Au einen Bürgerkrieg riskiert. Ein erklärter Patriot opfert den Frieden für seine Form von jagendem Umweltschutz. In der Folge engagierte sich sein Blatt für die Wahl Waldheims zum Bundespräsidenten und den Aufstieg Haiders. Die Krone war für den EU-Beitritt, dann aber gegen die Mitgliedschaft. Ihre Niederösterreich-Ausgabe schrieb gegen, die steirische für den Semmeringtunnel. Verlogene Dialektik prägte die Blattpolitik durch und durch.

Es gab Politiker die sich der Anziehungskraft der Zeitung widersetzten und es mit ihrer Karriere bezahlten, wie Erhard Busek. Es gab aber auch solche die mit Dichand Gugelhupf aßen, wie Thomas Klestil. Die Politik zitterte vor der Macht der Krone, obwohl sie sich bei weitem nicht immer durchsetzte. Schüssel wurde gegen den Widerstand Dichands Kanzler, eine Volksabstimmung über den Lissabonvertrag fand genauso wenig statt wie die Blockade des tschechischen Beitritts wegen Temelin. Grasser wurde nicht Vizekanzler und Rosenkranz nicht Bundespräsidentin, dennoch fielen manche vor Dichands Füße wie das Volk Mose vor das goldene Kalb. Zuletzt tauschten Gusenbauer und Faymann ihr Rückgrat gegen die Unterstützung der Kronen Zeitung.

Seit einem Verleumdungsprozess, den die Krone gegen den Standard anstrengte, darf sie als antisemitisches Hetzblatt bezeichnet werden. Sie forderte „Die Grenzen dicht!“ weil sie „Überfremdung“ befürchtete. Ihr Hausdichter Wolf Martin gab am 20. April Epen auf jenen Adolf heraus „der einst in unserm schönen Land an allererster Stelle stand“, mit dem Argument es handle sich beim Angebeteten um den ehemaligen Bundespräsidenten Adolf Schärf, der am selben Tag Geburtstag hatte wie Hitler. Hans Dichand selbst schrieb zuletzt unter seinem Pseudonym Cato, er sei gewiss, dass Barbara Rosenkranz Österreich eine gute Bundespräsidentin sein werde.
Jetzt ist der Verleger tot. Soll man nach guter österreichischer Manier auch noch über den letzten selbstgerechten und machtversessenen Oligarchen einen tränenreichen Nachruf schreiben? Man soll sich mit Kritik an Leuten zurückhalten, die sich nicht mehr wehren können. Eine Ausnahme bilden für mich solche, die zu Lebzeiten selbst keine Rücksicht auf die Wehrlosen nahmen. Dichand liebte die Macht, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Er behauptete für seine Leser zu schreiben und zu wissen, was diese dächten. Für ihn waren Widerstandskämpfer im Dritten Reich im Endeffekt nichts anderes als Hochverräter. Sein Verhältnis zum Judentum kann bestenfalls als distanziert bezeichnet werden. Sein Patriotismusbegriff ist über 1945 nie hinausgekommen. Die Ausländer waren ihm zu viele, die die hier waren sollten sich nicht integrieren, sondern assimilieren. Die Tiere waren ihm immer näher als die Menschen. Er selbst sei der Nachfahre von Böhmen gewesen antwortete er stets auf Fragen nach seiner Xenophobie. Das ist Heinz-Christian Strache auch.

Hans Dichand war erfolgreich keine Frage, aber womit? Er war selbstgerecht bis ins Letzte, Widerspruch wurde nicht geduldet, seine Redaktion folgte ihm mit vorauseilendem Gehorsam. Er deckte faschistoide Ekelpakete wie Staberl, Schanee oder Wolf Martin. Auf seine Anti-EU-Demos ließ sich auch die einschlägige Neonaziszene um Gottfried Küssel gerne blicken. Dichand paktierte mit allen, die seine momentane Linie mittrugen. Mit den Grünen für Hainburg und die armen Viecherl, mit der FPÖ gegen die Ausländer, dem BZÖ gegen die Ortstafeln, der ÖVP gegen moderne Moralvorstellungen und der SPÖ für zukünftige EU-Volksabstimmungen.
Drei Millionen Österreicher lesen täglich seine Zeitung, auf die Bevölkerung gerechnet gehört sie damit zu den größten der Welt. Niemand kann behaupten sie verstoße mit ihrer Blattlinie gegen die generelle Einstellung der Abonnenten. Aber die Krone hat geholfen die österreichische Mentalität des wir sind wir und die sind anders und müssen weg nicht nur über die Zeiten zu retten, sondern auch bei jeder Gelegenheit zu pflegen und zum Hass zu verschärfen. Das ist der größte Vorwurf, den man Hans Dichand machen kann: Er spielte den Biedermann für die Brandstifter und hat den Nazismus in Österreich sehenden Auges unterstützt, um seine persönlichen Ansichten zu befördern.
Sein Blatt wird wohl auch ohne ihn überleben, vielleicht wird man ein paar Altlasten über Bord werfen, vielleicht ein paar neue Hetzer einstellen. Die meisten Probleme wird jedenfalls die Leserbriefnabteilung haben. Wer schreibt jetzt die ganzen Pamphlete?

Dichand hat einmal gesagt, der Erfolg der Krone sei ihm mehr oder weniger allein zuzuschreiben. Das mag stimmen, es sagt aber auch viel über den Menschen aus, der nichts und niemanden so bedingungslos geliebt hat wie die Macht und sich selbst.


Nachsatz zum letzten Blog:
Ich bin ja so einiges gewohnt. Ich wurde von einem FPÖ-Abgeordneten als ahnungslos und von einem Nazi als „schwarzer Jude“ bezeichnet, jetzt hat eben mal „die andere Seite“ zugeschlagen. Wer die Kommentare zum letzten Blogeintrag liest wird feststellen, dass ich nicht nur ein „Vollidiot“, sondern auch ein „antisemitisches Schwein mit Mundgeruch“ bin. Den Vollidioten hätte ich mir - als alter Anhänger des Sokrates - ja noch gefallen lassen. Ich versichere aber an dieser Stelle, dass ich mir immer fleißig die Zähne putze und daher keinen Mundgeruch habe. Was den Antisemitismus betrifft: Besagter Anonymus hätte sich zumindest die Mühe machen können einige einschlägige Posts von mir zu lesen (z.B. zu den Themen Verbotsgesetz oder Rosenkranz). Sei's drum. Ich bin weder Antisemit, noch Antijudaist oder Antizionist. Ich sympathisiere weder mit Leuten die den Holocaust leugnen, noch mit jenen die mit Selbstmordattentaten Politik machen und den Staat Israel von der Landkarte tilgen möchten. Ich bin aber auch kein Freund von Regierungen die das Völkerrecht mit Füßen treten. Wer gegen jeden, der die Politik des Staates Israel kritisiert, die Antisemitismuskeule schwingt, macht sich sowieso nur lächerlich. Genauso gut könnte man Gegnern von Silvio Berlusconi Antikatholizismus vorwerfen. Sollte besagter Anonymus den Mut haben mir seine Meinung ins Gesicht zu sagen, möge er sich melden. Ich werde ihn gerne anhauchen...

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