Montag, 25. Oktober 2010

Die junge Linke, eine Abrechnung.

Sozialismus, das hieß einmal in einem Satz zusammengefasst die Verstaatlichung der Produktionsmittel und die Gleichmäßige Verteilung ihrer Erzeugnisse auf alle. Das wurde oft unterschiedlich ausgelegt. Im Westen führte es schließlich zur Versozialstaatung und im Osten zum Staatssozialismus. Daraus ergibt sich im Wesentlichen der Unterschied, dass hier nicht alle gleich reich waren, aber die Armen zumindest nicht völlig vor die Hunde gingen, und dort alle gleich viel von sehr wenig hatten.

Heute ist Sozialismus einer von den Begriffen geworden, die so genau definiert sind wie der Satz "unterstützt ihre Darmflora" in der Werbung. Nun weiß jeder, dass die Darmflora prinzipiell von einem Schnitzel genauso unterstützt wird, wie von einem nicht gesundheitsfördernden Süßgetränk, das ein retardierter Typ namens Herbert im ORF von seiner Domina von Ehefrau immer zu trinken bekommt. Und genauso ist das mit dem Sozialismus. Der Schnitzel-Sozialismus nennt sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs meist Sozialdemokratie, weil man mit den Ex-KPs im Osten, die sich bald Namen wie "Partoi dös demökratischen Sözialismüs" gaben, nichts zu tun haben wollte. Die Sozialdemokratie hat mitunter den Vorteil, dass sie - wie etwa im Falle Österreichs - die einzige im Parlament vertretene politische Gruppierung ist, die sich demokratisch nennt. Und sozial heißt ja so viel wie solidarische Gerechtigkeit. Das macht sich ideologisch gut und klingt etwas nach "Freiheit - Gleichheit - Brüderlichkeit", nur dass die meisten Sozialdemokraten heute wohl zu beleibt wären, um die Bastille zu erstürmen. Sei‘s drum. Für revolutionäre Angelegenheiten ist ohnedies der Actimel-Sozialismus zuständig. Der aktiviert Ihre Abwehrkräfte - oder behauptet das zumindest - und wird auch meist von Frauen mit dem warmen Lächeln einer Medusa vertreten. Solchen Leuten auch nur beim Reden zuzuhören, führt oft unmittelbar zu starkem Ohrenbluten. Manche geben sich dermaßen ideologisiert, dass man glauben könnte, sie hätten noch Vorlesungen an der Parteischule-Karl-Marx in Berlin, Hauptstadt der DDR, besucht. Jeder Satz beginnt deklamatorisch, jede Frage ist in Wirklichkeit ein Manifest. Da hört man dann Statements wie: "Ich habe, wie viele andere von der Sozialistischen Linkspartei, letztes Jahr an der Besetzung des Audimax teilgenommen...". Keine Aussage wird gemacht, ohne dass Werbung für die Massenorganisation gemacht wird, der man selber angehört. Sei es eine Antifa-Initiative, eine Anarchoplattform oder eine Prostatakrebsselbsthilfegruppe für Frauen. Die meisten dieser purpurroten Kreuzritter sind heute nicht mehr unbedingt auf RAF-Kurs. Basisdemokratie macht sich viel besser. Man stimmt ab, ob man diskutieren will, diskutiert - abwechselnd eine Frau und ein Mann, wobei man immer mit Frauen beginnt - und richtet eine "Volxküche" ein, worüber man zuvor natürlich abgestimmt hat. Demokratie ist für diese Leute aber nur solange angenehm, wie sie für sie nützlich ist. Eigentlich sind nur diejenigen wahre Demokraten, die es auch noch sind, wenn sie keine Mehrheit mehr haben. Bei den Actimel-Linken ist das nicht der Fall. Demokratie ist für sie kein Selbstzweck, sondern ein Mittel. Wenn bei der Uni-Vollversammlung jemand Argumente für Studiengebühren vorbringt, dann gesteht man ihm keine eigene Meinung zu, weil das sowieso alles Scheiße ist. Wenn der Rektor spricht, kann er noch nicht einmal einen Halbsatz vollenden, ohne dass eine Deutsche von hinten laut "Buhhhhh!" ruft. Demokratie bedeutet hier nicht einen Wettstreit der Argumente und das Akzeptieren anderer Meinungen, es heißt Durchsetzen der eigenen Ideologie unter Gleichgesinnten. Wer anderer Meinung ist, wird aus dem Audimax gebuht. Droht die Überstimmung durch Andersdenkende, ist das ein unverzeihlicher Akt der Feindseligkeit. Genauso unverzeihlich ist es, wenn nur männliche Professoren am Podium sitzen. Dass die Studenten - pardon - Studierenden von drei Frauen vertreten werden, regt nicht im Mindesten auf. Das Geschlecht wird vom Linksfeminismus dadurch manifestiert, dass man es als Auswahlkriterium unter umgekehrten Vorzeichen weiterverwendet. Wie soll eine Frau ernst genommen werden, wenn jeder weiß, dass sich drei besserqualifizierte Männer um ihren Job beworben haben und sie ihn allein aufgrund der Tatsache bekommen hat, dass sie keinen Schniedel hat? Führt der Weg zu einer Gesellschaft, in der niemand diskriminiert wird, wirklich über Quotenregelungen? Ist Frauenförderung nicht besser als Frauenbevorzugung? Solche Fragen hätte man im Audimax wohl nicht stellen können, ohne von Giftpfeilen aus dem männerfreien Lesbitrans-Frauenblock getötet zu werden und das ist wirklich schade. Die Linke hat ihre moralische Überlegenheit, nämlich Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie für alle zu fordern, einer absurden Ideologiegebetsmühle geopfert, der keiner mehr zuhört. Wer einmal von einer Gesellschaft geträumt hat, in der jeder nach seinen Möglichkeiten gefördert und eingesetzt wird, in der Menschen nach ihrem Charakter beurteilt werden und nicht nach ihrem Äußeren, der ist verlassen worden von einer linken Mainstreamstudentenschaft, die unter Politik nur einen ständig wachsenden Forderungskatalog an Unumsetzbarkeiten versteht und Solidarität mit den Arbeitern fordert, obwohl sie deren Bedürfnisse nicht im Ansatz versteht. Wie kann man nur glauben, dass die "Weltrevolution" der richtige Ansatz ist, um das Leben der Menschen morgen besser zu machen, als es heute ist?

Was werfe ich der Linken vor? Sie sind Leute, mit denen man nicht einfach einmal diskutieren kann, ohne Grundfragen zu klären, wie z.B. ob man überhaupt miteinander spricht. Wenn man mit jemandem nicht einfach einmal Klartext reden kann, sondern im Hintergrund immer ein ideologisches Tonband ablaufen hört, baut das Hürden zwischen den Gesprächspartnern auf, die keine ernsthafte Diskussion ermöglichen. Es sind Leute, die alles, auch ihre Sprache, dem unterordnen, was sie als ideologische Wahrheit empfinden. Diese Wahrheit ist absolut. Die Menschen werden dadurch aber nicht gleicher, sondern gleich gemacht. Einfache Dinge werden durch ihre Wahrheiten zu Heilsobjekten oder Teufelswerk. Ein Vater, der seinem Sohn eine Lego-Burg schenkt, ist ein brutales Chauvischwein, weil er sein Kind dadurch in eine vorgepresste gewaltorientierte Männerrolle drängt. Eine Frau, die keinen Quotenjob möchte, arbeitet mit an der Zementierung der androzentristischen Kapitalismuswelt.

Linke Studenten neigen zu einer Radikalisierung des Gegners. Es werden Denkverbote aufgestellt, die mit einer demokratischen Gesellschaft nichts zu tun haben. Der Versuch jeden rechts von der Anatifa unters Verbotsgesetz zu subsummieren, ist in Wahrheit ignorant. Man kann sich nicht mit Menschen solidarisieren, die den Staat als Einrichtung ablehnen. Staatsfeindlichkeit ist Verfassungsfeindlichkeit ist Demokratiefeindlichkeit. Gesellschaftlicher Frieden außerhalb des Staates ist nicht möglich. Man kann ihn kritisieren, aber man kann ihn nicht grundsätzlich infrage stellen. Heute sind es die Neoliberalen, die den Staat angreifen. Die Linken dürfen ihm nicht die Gefolgschaft aufkündigen.
Wer sich beschwert, dass das Universitätsgesetz undemokratisch ist und Studentenanliegen nicht genug Berücksichtigung finden, kann nicht Andersdenkende einfach mundtot buhen. Wer für Gleichheit eintritt, kann Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechtes diskriminieren, sei es positiv oder negativ.

Als die Pariser Bevölkerung am 14. Juli 1789 die Bastille erstürmte, tat sie das nicht nach Quoten und hatte zuvor vermutlich keinen Gender-Policy-Plan ausgearbeitet, nachdem abwechselnd männliche und weibliche Gefangene freizulassen wären. Und wahrscheinlich haben sie vorher kein Actimel getrunken.

1 Kommentar:

  1. Fabian aus Madrid6. November 2010 um 18:45

    Hey Momo!
    Sehr treffend geschrieben! Wie immer. ;)
    Ma merkt oh wie sehr dir des persönlich noch goht. Isch halt miner Meinung noch oh a verpasste chance für d Studenta um ihre Anliegen wirkungsvoll präsentiere zu könna, wenn immer so Kasperl uf da Audimax Bühne umahupfan. Den hots d Politik halt wahnsinnig leicht alle Studenta u ihre Anliegen als verquerte Krawalmacher zum portraitiera.

    Ps: zu Danone, kensch des schoa? :D
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,689263,00.html

    AntwortenLöschen