Das letzte Kondom mit variablem Slogan wird demnächst ausgeteilt, der letzte Luftballon aufgeblasen, die letzte Hand geschüttelt, die Schlammschlacht des Jahres neigt sich ihrem Ende zu, die Wiener Wahl ist bald geschlagen.
Heinz-Christian Strache steht in der Wiener Stadthalle und fragt seine grölenden Fans, ob er die Diskussion verlassen soll, weil er in der ATV-Sendung seine Meinung zur Schuldebatte nicht äußern durfte. Dass die Schulgestaltung zum Großteil Bundessache ist, interessiert Herrn Strache nicht. Er wird sowieso nur gegen ausländische Jugendbanden, Kopftuch und Drogen wettern. Auch Frau Marek von der ÖVP schert sich wenig um kleine Details wie jenes, das sich hinter Art. 78d Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz verbirgt, das ihr die - von ihrer Partei solange geforderte - Stadtwache eher vermiesen dürfte:
"Im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion darf von einer anderen Gebietskörperschaft ein Wachkörper nicht errichtet werden."
Zu blöd nur, dass Wien eine Bundespolizeidirektion hat. Das hindert Marek nicht einen eigenen Sicherheitsstadtrat zu fordern, damit Maria Fekter jemanden zum telefonieren hat. Aber wer von den Durchschnittswählern befasst sich schon mit der Frage der bundesverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Einrichtung von öffentlichen Sicherheitswachen im Wirkungsbereich einer, gemäß Verordnung der Bundesregierung eingerichteten, Bundespolizeidirektion als lokaler Sicherheitsbehörde? Wohl nur die Wenigsten. Daher wird im Saal auch viel mehr gegrölt, als Strache - Marketingname HC - dem Bürgermeister indirekt Alkoholismus unterstellt und dann nicht verstehen kann, warum sich dieser aufregt. Im Gegenteil: Häupls Antwort - er kommentiere auch nicht Straches Konsumgewohnheiten - fasst er als gefinkelten Hinweis auf seinen angeblichen Drogenkonsum auf, ein Gerücht das - so Strache im Standard-Interview - von der SPÖ gezielt gestreut werde um ihn anzupatzen.
Der Bürgermeister wirkt eher abwesend und genervt. Beinahe hat man den Eindruck, dass er es als Zumutung empfindet hier stehen zu müssen. Die grüne Spitzenkandidatin Maria Vassilakou kann sich bei der Kopftuchdebatte nicht wirklich zwischen Religionsfreiheit und Frauenrechten entscheiden und wählt daher beides. Die Kasperln vom BZÖ, der KPÖ und dem LIF – ja, die gibt’s auch noch – hat man gar nicht erst eingeladen.
Sobald die Kamera einen Schwenker über das Publikum macht, werden die vorsorglich mitgebrachten Taferl hochgehalten, damit auch jeder zuhause vor dem Bildschirm mitbekommt, wer hier die abgedroschensten Slogans hat.
Kindisch, kleinlaut, inhaltsleer - ein Landtagswahlkampf par excellence. Man diskutiert mangels eigener Kompetenzen lieber über Themen die in die grundsätzliche oder ausschließliche Gesetzgebungshoheit des Bundes fallen (Sicherheit, Schulen etc.) oder drescht lieber gleich nur Wohlfühlphrasen vor sich her.
Die ÖVP verfolgt in Wien einen supergeilen, voll coolen, stylischen und hippen Modewahlkampf, der sich nur dezent an die Jugend anbiedert und so schmissige Sprüche wie "Schwarzer Pfeffer für die Roten" oder "Frischer Wind für Wien" mit sich bringt. Michael Häupl wirkt auf den schwarzen Plakaten sympathischer als auf den eigenen die ihn photoshopgerecht mit Familien, Architekten, Arbeitern und Migranten zeigen. Während der ATV-Diskussion ist seine Kontrahentin Frau Marek sichtlich bemüht sehr locker und frisch zu wirken. Immer wieder schmeißt sie kess lächelnd ein paar flotte Sprücherl in die Runde. Das Ganze wirkt eher wie ein Casting für die Löwinger-Bühne oder die Nachfolge des Sepp beim Musikantenstadel ,als wie eine seriöse Politdiskussion. Wen es da nicht schon vor lauter dargestellter Kompetenz aus den Socken haut, muss sich erst einmal den gelben Wahlkampf der Schwarzen aus der Nähe geben. Ihre Kondome sind nur zum Essen da, vielleicht spekuliert man damit auf eine höhere Geburtenrate, und die ganzen Pfosten in ihren gelben Plustergilets und den Holzfällerhemden hängen einem mittlerweile auch schon zum Hals raus. U-Bahnpreise spielen keine Rolle, lang fahren muss sie nur. Da die ÖVP-Wählerschaft die einzige ist, die sich in Wien ein Auto hält, wird natürlich gegen die urblöden Parkgebühren gewettert. Kurzum: Alles was den Schnösel von Welt in seiner Selbstherrlichkeit beeinträchtigen könnte, wird vom ÖVP-Wahlkampf erfasst.
Die FPÖ macht Klamauk und Randale, das Einzige was ihre männliche Unterschichtenwählerschaft anspricht. In seinem neuesten Rap kündigt Strache die Zwangspensionierung Häupls an, singt "Sozis woll'n mich mundtot machen, weil ich sag, was Sache ist" und "mit Chauffeur geht's in die Arbeit, bezahlt wird das von unserm Geld". Mutig für den einzigen österreichischen Oppositionspolitiker mit Bodyguard und Chauffeur. Im Refrain des Jahrhundertwerks singt dann ein Männerchor "ganz Wien sagt ja zu HC, weil er die Zukunft ist". Gott bewahre… Auf den Punkt bringt der Hobbyvirtuose seine Weltanschauung dann mit dem Satz "Zu viel Rot und zu viel Fremdes, beides tut hier niemand gut, deshalb lautet die Parole 'Mehr Mut für unser Wiener Blut'!" Und im Refrain heißt es dann wieder "Mit Vollgas, aber richtig, die Roten misch ma' auf!" Wer Herrn Strache nach dem Grund für seinen Blut- und Bodenwahlkampf frägt, wird nur wieder die üblichen Empfindlichkeiten von ihm hören: Linkslinke Gutmenschen, die den Islamismus in Wien fördern wollen, versuchen ihn mit Schmutzkübelkampagnen mundtot zu machen, weil er sagt, was sich die Wiener denken. Genauso hirnrissig wie seine Gesangsdarbietung präsentiert sich sein neuester Märchen-Comic, in dem Strache die Apotheose zum Wiener Helden in allen Epochen schafft. An der Entsatzung von Wien im Zweiten Türkenkrieg haben dann wahltaktischer Weise auch die Serben und Bayern teilgenommen. Eine Flussnixe mit großen Möpsen sagt "Glaub mir, eines schönen Tages wird nicht nur unsere Donau blau sein, sondern die ganze Stadt! Bürgermeister ist dann ein fescher, junger Kerl namens HC! Schachmatt!" Prostmahlzeit. Dass die Türken vor Wien nur mit "ü" sprechen und auf Lanzen gespießte Schädel hinterlassen gehört ebenso zur Kulturpropaganda des Herrn Strache, wie Mundwasser mit nazistischen Runennamen und ein Kind, das mit seiner Steinschleuder "dem Mustafa eine aufbrennen" soll.
Die Grünen wiederum, oder was von ihnen übrig geblieben ist, machen ihrerseits einen auf bewährten Öko-, Friedens-, Gleichberechtigungs-, Fahrradfahrer-, Kuschelwahlkampf und haben scheinbar den Versuch aufgegeben ins bürgerliche Wählersegment einzudringen. Ein kärglicher Rest einer grünen Politik der Verlässlichkeit findet sich in der Inneren Stadt zu Wien, wo sich Alexander van der Bellen zur Kandidatur breittreten hat lassen. Die Spitzenkandidatin Maria Vassilakou fordert da lieber Mindestsicherung in der Höhe von 950 Euro und 100 Euro Wienerlinientickets fürs ganze Jahr. Da fällt einem fast der alte Schlager ein "Wer soll das bezahlen?..." Die Junge ÖVP, die offensichtlich den Wien-Wahlkampf für ihre leiwanden, geilen und asozialen Themen gekapert hat, sicher nicht. Sie macht einen auf "überparteilich" und demonstriert mit ihrer Liga der ultraangepassten Hemdsärmeligen und unter dem Vorsitz ihres Oberungustls Sebastian Kurz vor dem Parlament mit einem "jungen Flashmob" gegen das angeblich anstehende rote "Belastungspaket". So bemüht jugendlich wie die JVP ist in Österreich sonst nur noch Jeannine Schiller.
Die angesprochenen Roten wiederum kochen seit Jahren im eigenen Sud. Sie wehren sich gegen die Einrichtung eines eigenen Landesrechnungshofes, der könnte ja was kontrollieren, und veranstalten Volksbefragungen mit Erläuterungstexten, die gelinde gesagt tendenziös sind. Trotzdem lässt sich ihre Bilanz unterm Strich sehen: Wien hat von allen Bundesländern die niedrigste Prokopfverschuldung, ein ausgezeichnetes öffentliches Verkehrsnetz und in den letzten Jahren und Jahrzehnten ein angenehmes internationales Flair entwickelt. Wer die Stadt noch aus den frühen Neunzigerjahren kennt - ja so alt bin ich schon - weiß, was für ein osteuropäischer Moloch sie damals noch gewesen ist.
Trotzdem: Auf der faulen Haut liegen spielt sich nicht. Die Verkehrssituation wird nicht besser, mit dem propagierten Nein zur City-Maut durch Volksbefragung hat man sich alle Möglichkeiten in diese Richtung auf absehbare Zeit verbaut und ein Hauptbahnhof ohne U-Bahnanbindung ist mehr als lächerlich.
Wie auch immer die Wahl ausgehen wird, das Ergebnis erscheint in seinen groben Umrissen absehbar: Die SPÖ wird ihre Absolute vermutlich einbüßen. Da die Grünen den Stadthaushalt schon dreimal verplant haben, werden die Roten wenig Interesse zur Kooperation mit ihnen haben, zumal die ÖVP schon im Wahlkampf sprichwörtlich die Beine breit gemacht hat. Ihr erklärtes Ziel ist es als Beilage zum SPÖ-Hauptgericht serviert zu werden. Wenn am Ende die Stimmen ausgezählt sind, stellt sich nur noch eine Frage: Wer sagt HC Strache, dass er nicht Bürgermeister wird?
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